Archiv:Die Neuordnung in Sewamund (BB 28)

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Auge-grau.png Quelle: Bosparanisches Blatt Nr. 28



Die Neuordnung in Sewamund
– von den neusten Ereignissen nach der Schlacht


Sewamund, Mitte Travia – Wenige Tage ist es her, seit die Truppen der roten Allianz Sewamund eingenommen und in zwiefacher Hinsicht befreit hatten, noch ist die praiosgefällige Ordnung nicht wieder zur Gänze hergestellt, und schon gibt es Neuigkeiten aus der Stadt am Sewak zu berichten, denn Ruhe ist hier noch lange nicht eingekehrt.

Von der Flucht im Nebel und einem Todesurteil in Abwesenheit

Wenden wir uns zuerst Gerbondo Filotin zu, dem aufrührerischen ehemaligen Zunftherrn der Weber und Spinner Sewamunds, der die innerstädtische Erhebung gegen den Signore von Nupercanti zu verantworten hat und deswegen nach einer gelungenen Finte der Protektoren (wie berichteten in der letzten Ausgabe) arretiert und in Ketten gelegt worden war. Dieser Rädelsführer und Widerling, welcher in wenigen Wochen, so sah es die Anordnung der Protektoren vor, vom neu konstituierten Magistrat in deren Anwesenheit für seine Taten zum Tode verurteilt und dann durch den Strang aus seinem Leben zum Herren Boron befördert und gerichtet werden sollte, gelang jedoch die Flucht, was beim Signore di Piastinza einen – sonst ausgesprochenen seltenen - Wutanfall verursachte und bei Esquirio von Streitebeck mit einer längeren Bemerkung quittiert wurde, die ebenfalls nicht druckreif war, wie uns zugetragen wurde. Mit der Unterstützung durch praiosferne Elemente krimineller Natur gelang es dem Rädelsführer, in einer nebligen Nacht unbemerkt aus dem Kerker zu entfliehen und anschließend mit einer kleinen, im Hafen bereitstehenden Schaluppe auf dem nebelverhangenen Meer das Weite zu suchen und sich abseits der Stadt Sewamund irgendwo im weiten Reich des Horas zu verbergen, um sich der Verantwortung für seine gar abscheulichen Taten in schändlicher Weise zu entziehen.
Die Protektoren hatten hierbei schon einen ganzen Stab an Rechtsgelehrten damit befasst, alle möglichen und scheinbar unmöglichen Verbrechen zusammenzutragen und dem Meister Filotin vorzuwerfen, und war der nämliche auch schon lange von dannen, so eröffnete man trotzdem das Gericht, und sogleich nach der Verlesung der Anklageschrift – die für sich schon drei Stundengläser in Anspruch nahm - erklärte der Magistrat der Stadt in Anwesenheit der Protektoren im „Namen des Protektorates, des Reiches, des Gesetzes und der zwölfgöttlichen Ordnung“ den Meister Filotin in Abwesenheit schuldig des Hoch- und Staatsverrates, der Lästerung des Herren Praios und seiner Ordnung, allerlei weiterer staatsgefährdender Taten, des Mordes an einem Adeligen des Reiches und einer Vielzahl anderer Untaten mehr. Der Magistrat verurteilte ihn dazu, am Strang zu hängen, bis das der Herr Golgari seine Seele holt, damit sie vor dem Herren Boron nochmals verurteilt und verworfen werde, und zog allen Besitz des Unholdes und seiner Familie zugunsten der Protektoren und der Stadt ein. Das rasche Urteil – man verzichtete auf Zeugen oder Beweise jedweder Art - begründete der Magistrat mit den knappen Worten: „Der Angeklagte ist in hohem Maße schuldig aller ihm vorgeworfenen Taten, denn bei jenen, welchen alle Bürger und die sonstigen hier Versammelten Gewahr geworden sind, ist dies bewiesen und eindeutig. In allen anderen Vorwürfen jedoch ist er schuldig, nachgewiesen ist ihm dies aufgrund der Taten welche ihm bewiesen sind und es wahrscheinlich machen, dass er noch viele weitere schändliche Untaten begangen hatte, und belegt von der Tatsache, dass er nicht vor die Schranken dieses hohen Gerichtes getreten ist, um sich zu verteidigen, wie es ein jeder Unschuldige getan hätte, sondern geflohen ist vor dem Licht der Gerechtigkeit des Herren Praios und sich in schändlicher Manier seiner Verantwortung entzogen hat, damit er keine Rechenschaft ablegen muss für seine Taten, wodurch er sich durch seine Actio in allen vorgebrachten Punkten für Schuldig erklärt hatte, so dass weitere Inquisition der Vorwürfe nicht mehr erforderlich und obsolet erscheint und als solche erkannt und festgestellt wurde.“
Dieses Urteil, welches allseits in der Stadt auf große Zustimmung fiel, erklärten die Protektoren danach einvernehmlich „zu einem Exempel, wie man in Sewamund mit jenen verfährt und verfahren wird, welche sich an der göttergefälligen Ordnung und dem Gesetz in verbrecherischer Art vergehen.“

Vom neuen Magistrat der Stadt Sewamund und den Ereignissen um das Eintreffen seines Vorgesetzten

Wie wir schon in unserer letzten Ausgabe dem geneigten Leser berichteten, hatten die beiden Protektoren ein Mitglied der hochangesehenen und sehr verdienten Familia ya Mornicala eingeladen, sich gen Sewamund zu verfügen um alldort mit dem Vorsitz über den neuen Magistrat der Stadt betraut zu werden und den Titel des „Senators der Stadt Sewamund“ zu erhalten. Der Herr von Streitebeck hatte nämlich seinem Collegen im Amte des Protektors, dem Herrn di Piastinza, dies vorgeschlagen damit es keine Zwistigkeiten mit dem Magistrat der Stadt gäbe und alles in der Hand des Adels bleibe. Der Herr di Piastinza jedoch schien von diesem Vorschlag gar wenig begeistert noch angetan zu sein, fürchtete er doch gerüchteweise um einen verborgenen Nachteil oder gar eine Intrige, welche seine Familia und deren frisch eroberte Stellung in Sewamund schwächen sollte. Doch als der Herr von Streitebeck in konzilianter Art bei dem schon oben erwähnten Mittagessen nach einigen Gesprächen auf seine Rechte am Marktzoll der Stadt verzichtete und sich erbot, diese dem Herren di Piastinza zu übereignen, schien der Herr di Piastinza mit einem mal doch geneigt, den ehrenwerten Herren Calvino ya Mornicala, welcher bis dato Münzmeister am Hofe des Grangorer Herzogs ist, einzuladen, damit er sich gen Sewamund verfüge. Und war der wohlgeborene Signor di Piastinza noch zu Beginn des Tages zu keiner Aussage über den Vorschlag – welcher aus den Palazzi der Protektoren recht schnell durchgesickert und bald darauf Stadtgespräch war – bereit, so sprach er nun von dem „Mitglied einer sehr angesehenen und höchst ehrwürdigen Familie, die in Sewamund zu begrüßen ihm ein großes Vergnügen sein wird“ und erklärte, er wäre schon immer überzeugt und bereit gewesen, vorgenannten als Vorsitzenden des Senates und damit Senator der Stadt zu akzeptieren und einzuladen. Sein Gespräch mit dem Herren Irion von Streitebeck hätte auch die letzten Zweifel ausgeräumt.
Und so geschah es einige Tage später, dass der Herr ya Mornicala in der Stadt eintraf, wo er am Tore mit großem Pomp und Prunk von beiden Protektoren willkommen geheißen und gleich darauf zu einem Empfang geleitet wurde, in welchem er offiziell durch die Protektoren und einige ausgewählte Patrizier begrüßt werden sollte. Schon wenige Tage später präsentierten die Protektoren eine Liste zehn höchst respektabler Bürger, welche nun, zusammen mit dem Stadt-Secretarius und dem Herren ya Mornicala das Consiglio dei Dieci, den Rat der Zehn, wie der Magistrat der Stadt Sewamund gemäß dem Statut zu ehren des Herren Praios nun heißen wird. Obwohl der Name auf Zehn Mitglieder schließen lässt, so werden doch göttergefällig Zwölf Mitglieder dem Rat angehören, denn der Senator als Vorsitzender und der durch den Magistrat bestellte Stadt-Secretarius sollen zwar Mitglieder mit Rede- und Stimmrecht des Rates – der Senator gar sein Vorsitzender – sein, jedoch nicht als solche gezählt werden, denn Mitglieder des Rates sollen nur die gewählten Vertreter der Patrizier sein. Dies Consiglio wird amtieren, bis sich die Zustände beruhigt haben und eine ordentliche Wahl zum Consiglio durch das Stadtpatriziat erfolgen könnte, wie die Protektoren bei der Proklamation der Mitglieder des Consiglio verkündeten.

Von der Ordnung der Stadt, dem Zwiste der Protektoren und einer Lösung in letzter Minute

Mögen die Protektoren der Stadt doch auch in Sachen der Verurteilung geschlossen zusammen gestanden und wie aus einem Munde gesprochen haben, so waren doch abseits dieses Verfahrens in den Wochen davor und danach noch eine Vielzahl an Miss- und Zwietönen zu hören. Vor allem nachdem Zeitung von dem Widerstreit zwischen den Erben der großen Amene-Horas nach Sewamund drang, wuchsen die Zwistigkeiten zwischen den Protektoren sich weiter aus - schließlich ist der Signor di Piastinza als getreuer Gefolgsmann des timoristischen Hauses Firdayon-Bethana ebenso bekannt wie die Ergebenheit der Streitebecks zum Herzog von Grangorien, welcher Königin Aladare die Treue hält.
Doch beginnen wir am Anfang: Im „Statutum in honorem Domini Praiu“, wie es die adeligen Herren Protektoren nach dem Einzug der Roten Liga in Sewamund erlassen und zu wissen kund getan haben, wurde das Protektorat der Herrin Elanor von Efferdas, welche als Protectrix Suprema in der Tat oberste Bewahrerin Sewamunds blieb, in die Hände zweier Protektoren gelegt: Eines Protector Civilis und eines Protector Militaris, welche im Namen der Baronin, aber trotzdem unabhängig von dieser, das Protektorat ausüben werden. Die Herren di Piastinza und Streitebeck einigten sich darauf, dass Herr Irion von Streitebeck fürderhin und wie lange es ihm beliebt das Amt des Protector Civilis übernehmen würde, während der Herr Amaldo di Piastinza unter den selben Bedingungen das Amt des Protector Militaris bekleiden sollte. War diese Entscheidung auch noch im Einverständnis gefallen, so endete dieses spätestens an dem Punkte, als es um die Feinheiten und Kompetenzen der Herren Protektoren ging. Signor Amaldo di Piastinza hob sogleich Garden aus und reklamierte die Sicherheit in den Gassen und auf den Mauern als seine Aufgabe, wogegen der Esquirio Irion von Streitebeck dem Herrn di Piastinza nur den Schutz der Mauern zuerkannte und die Sicherheit in den Straßen und Gassen als seine Aufgabe ansah und ebenfalls Garden Söldlinge, ebenso wie die des Pistinza auf Patrouille schickte, den sie waren beide im Zwiste auseinander gegangen, ohne sich geeinigt zu haben.
Und so kam es, wie es kommen musste: Schon am ersten Tage, als beide Patrouillen losgeschickt waren, machten Berichte über wüste und unflätige Insultationen und Kabalen die Runde in der Stadt, und schon am nächsten Morgen kam es im vom dichten Nebel verhüllten Hafen der Stadt zu einer regelrechten Schlacht im kleinen Ausmaß, als zwei Haufen aufeinander trafen und es nicht bei Beschimpfungen und Prügeleien beließen, sondern zu ihren Waffen griffen. In diesem Scharmützel starb nicht nur ein Gardist des Protectors di Piastinza, sondern bedauerlicherweise auch ein alternder Seebär, der, durch reichhaltige Zusprache zum Alkohol in einem rahja-seeligen Rausch gefallen, während dieses Scharmützels unglücklicherweise in das Hafenbecken fiel. Dort ertrank er, da der Lärm des Scharmützels seine Hilfeschreie, die zugegebener Maßen nicht sonderlich laut oder gar vernehmlich gewesen sein können, übertönte und ihm so niemand zu Hilfe eilte. Jedoch war dieser tragische Unfall von weit geringerer Bedeutung als das Dahinscheiden des Söldlings, denn umgehend zogen die Söldlinge des Herren Piastinza durch die Gassen, auf der Suche nach einem der „blutigen Mordkumpane“ des Protektors von Streitebeck, um an diesem Rache zu nehmen – und zum Unglück eines jungen Rekruten, welcher mit einem anderen Rekruten am frühen morgen zum Palazzo des Herren von Streitebeck ging, fanden sie ihn. Während sein Kamerad sich noch durch flinke Beine retten konnte, wurde der Rekrut von den rachedurstigen und aufgebrachten Piastinza-Söldlingen zum Herren Boron befördert. Als die Sonne aufging, herrschte eine gespannte Ruhe in Sewamund, die Ruhe vor dem Sturm.
Doch um einem solchen erneuten Sturm, der angesichts der derzeitigen Situation absolut nicht hilfreich gewesen wäre und die gesamte Lage und mit ihr die Herrschaft der Protektoren hätte gefährden und bedrohen können, vorzubeugen, eilten die beiden Protektoren schon kurz darauf auf das heftige Insistieren des Senators von Sewamund, Herrn Calvino ya Mornicala, noch einigermaßen Verschlafen, zu Konsultationen. Dort einigte man sich nach zähem Ringen und tat kund zu wissen, die Stadt in zwei Teile aufzuteilen: Im einen Teil sollten die streitebeck’schen Gardisten für Ruhe und Ordnung sorgen, im anderen Teil diejenigen der Piastinza.
Da man grade zu einer solchen konstruktiven Lösung gekommen war, einigte man sich darauf, gleich während des Essens, zu dem der Herr ya Mornicala die Herren Amaldo di Piastinza und Irion von Streitebeck einlud, weiterzuverhandeln, um auch in anderen Punkten eine Lösung zu finden und einem Konflikte vorzubeugen. Und so kam es bei Austernsuppe und Bosparanjer zum Beschluss der Protektoren, gemäß welchem der Herr di Piastinza, dem Kraft seines Amtes auch der Schutz der Mauern zustand, ebenfalls die Tore bewachen solle und dafür den Torzoll sowie den Marktzoll behalten dürfe, während der Herr von Streitebeck seine Mannen den Hafen bewachen und die dortigen Gebühren und Zölle erheben und behalten dürfe. Während der Herr di Piastinza noch den Marktplatz für sich reklamierte und auch erhielt, so beschloss man, dass keiner der Protektoren den Palazzo des Magistrats schützen sollte, denn die Herren Protektoren fürchteten sich wohl davor, dass ihr jeweiliger Amtskollege, so seine Gardisten den Magistratspalazzo bewachen würden, hierdurch auch die Mitglieder dieses ehrwürdigen Gremiums in ihrem Sinne und zum Schaden des anderen Protektors beeinflussen könnten und reklamierten mit Vehemenz dieses Recht, so das es hier schon wieder zu einem handfesten Disput zwischen den beiden Protektoren gekommen wäre. Ja, gekommen wäre, hätte hier der Herr ya Mornicala nicht wieder vermittelnd eingegriffen und mit einigem Verhandlungsgeschick den Protektoren einen Kompromiss abgehandelt, gemäß welchem der Magistrat zukünftig ebenfalls eine Wache unterhalten dürfe, um den Magistratspalazzo zu bewachen und seine Arbeit zu schützen. Diese Garde würde außerdem, damit keiner der Protektoren großen Einfluss auf sie Gewinnen würde, dem Herrn ya Mornicala als Senator unterstellt.
Doch kaum hatte man diese Entscheidungen in großem Einvernehmen getroffen und die Einzelheiten in freundschaftlichem Gespräch, wie alle Teilnehmer hervorhoben, paragraphiert und unterzeichnet, brach schon der Abend herein und erschöpft von den freundschaftlichen Gesprächen trennte man sich, doch nicht bevor man sich versichert hatte, „so bald als es beiden Partnern möglich und ohne Komplikationen umzusetzen sei“ wieder zu Gesprächen zusammen zu treffen. Kaum jemanden erstaunte es, dass beide Protektoren an den nächsten Tagen mit Affairen wichtiger oder gar brisanter Art beschäftigt waren, so dass es erstmal zu keinem weiteren Treffen kam, obwohl sich der Herr ya Mornicala hierum bemühte.

CA