Briefspiel:Das Schicksal eines Schinkens (2.1)

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Stadt Urbasi klein.png Briefspiel in Urbasi Stadt Urbasi klein.png
Datiert auf: ab 1039 BF Schauplatz: Urbasi, Sikramara, Umland Entstehungszeitraum: Anfang 2016
Protagonisten: Sanjana ya Malachis, Timor Sâl d. J. di Salsavûr und andere Autoren/Beteiligte: Familie ya Malachis.png Cassian, Haus di Salsavur.png Rondrastein
Zyklus: Übersicht · Auf den Weg zur Schlachtbank · Serviert und verspeist Teil 1 · Serviert und verspeist Teil 2 · Serviert und verspeist Teil 3 · Gespräch nach dem Mahl · Hochzeitsnacht · Ein eindringliches Versprechen

Den beiden Reitern bot sich ein skurriles Bild.

Unweit der Straße stand, auf einer großen Wiese, ein einzelner Baum, eine weit ausladende Platane, um genau zu sein. Eigentlich ein wundervoller, lauschiger Ort für eine Rast, aber heute baumelte an einem der unteren Äste des Baumes ein riesiger geräucherter Schinken, an seinem dünnen Ende aufgehängt, wie an einem Galgenstrick. Gerade eben sprengte eine Reiterin, amazonengleich auf die arme Räucherware zu. Nur mit den Beinen und Knien lenkte die junge Frau ihr galoppierendes Ross, denn in den Händen hielt sie einen gespannten Bogen. In dem Moment, als sie mit dem Schinken gleich auf war ließ sie den Pfeil fliegen. Das Geschoss verfehlte nur um wenige fingerbreit sein Ziel und bohrte sich statt dessen neben einen weiteren Pfeil in den Stamm des Baumes. Ein halb wütender, halb enttäuschter Ausruf der Schützin war zu vernehmen, als diese ihr Pferd zügelte und ihren Schuss begutachtete. Die junge Dame warf ihre, sich lösende, kastanienbraune Mähne unwillig zurück und bändigte sie mit einem Band, bevor sie erneut ein Stück auf die Wiese hinausritt und den nächsten Pfeil aus dem Köcher zog, um ihn auf die Sehen zu legen. Mit einer fließenden Bewegung hob sie den Bogen an die Wange während sich Ross und Reiterin einer Einheit gleich in Bewegung setzten.Wieder löste sie den Schuss im genau richtigen Moment und dieses Mal fand der Pfeil sein Ziel und bohrte sich tief in die appetitlich geröstete Schwarte des Schinkens, der daraufhin sanft an seinem Strick zu baumeln begann. Einmal in Drehung versetzt offenbarte er den Beobachtern nun, dass mit Kohlestift das Gesicht eines Mannes auf die Wurstware gezeichnet worden war und der Pfeil jetzt knapp unterhalb des Auges in einer ziemlichen pausigen Wange steckte. „Ha!“ erschallte es befriedigt aus dem Munde der Amazone, während sie triumphierend den Bogen über den Kopf erhob und das Pferd auf die Hinterhand steigen ließ.

Die beiden Reiter tauschten einen erstaunten Blick und lenkten dann gleichzeitig ihre Pferde auf die junge Dame zu. Nun endlich gewahrte auch Sanjana ya Malachis, dass sie Publikum hatte und wandte sich dem Paar zu. Den einen Mann kannte sie, wenn sie ihn auch seit dem gemeinsamen Ausflug in die Katakomben unter Urbasi nicht mehr gesehen hatte. Timor Sâl di Salsavûr trug heute legere Kleidung und an seiner Seite hingen ein Breitschwert sowie am Sattel eine Orknase. Den ebenfalls athletische Mann, der neben ihm ritt, hatte sie noch nicht gesehen, aber auch aus seinem freundlichen Gesicht konnte sie Amüsement ablesen, was Sanjanas Stimmung nicht unbedingt verbesserte.

Hoch richtete sie sich im Sattel auf und blickte den beiden Männern mit blitzenden Augen entgegen, so dass sie mit ihrer halb aufgelösten Frisur, dem scharlachroten Reitmieder und der engen Lederhose die sie trug eine bemerkenswerte Erscheinung abgab.

Beide Männer sahen sich recht ähnlich, so dass man vermuten konnte, dass sie aus dem gleichen Haus stammten. Der Mann, den Sanjana nicht kannte trug, eine Gewandung im Landsknechtstil, die aufgrund der Verarbeitung und Materialien darauf hindeutete, dass er jemand von Stand war. An seiner Seite hingen Kusilker Säbel und Linkhand.

Beide Reiter saßen auf großen, edlen Rappen, durch deren Fell sich einige Narben hell abzeichneten, was davon zeugte, dass sie wohl wie ihre Reiter das ein oder andere Schlachtfeld gesehen hatten.

Timor erkannte die junge Dame wieder, als sie näher kamen. Wie lange war es her, dass sie zusammen in den Katakomben umher gestreift waren? Er wusste es nicht mehr genau, es musste aber schon ein gutes Jahr zurückliegen. Er sagte etwas in einer fremden Sprache zu dem Mann neben ihm und dieser antwortete kurz, verzog aber keine Miene.

Rondra zum Gruße“, grüßte der Reiter, den die junge Malachis kannte, „was hat euch der Schinken getan, dass ihr ihn in solcher Art bearbeitet, Signora ya Malachis.“ In seiner Stimme schwang ein amüsierter Unterton mit.

„Rondra auch mit euch Signores di Salsavûr.“ grüßte Sanjana in freundlichem Ton, denn wenn sie auch kochte vor Wut, unhöflich wollte sie nicht sein und diese Männer hatten ihren Gemütszustand ja nicht verursacht.

„Sein Unglück ist es, dass er mir geschenkt wurde! Mein Vater hat mir heute eröffnet, dass ich heiraten werde und mein Zukünftiger hat mir zu diesem Anlass einen Präsentkorb geschickt. Nicht etwa mit Blumen, Schmuck oder ähnlichem Tand, den man erwarten würde... Nein, er ist tatsächlich originell und einfallsreich, er schickt mir einen Korb voller Wurstwaren und dem Besten, was seine Familie so herstellt – SCHINKEN!-“ triefte Sanjanas Stimme anfangs noch vor Ironie, ist ihr bei dem Wort 'Schinken' deutlich anzuhören, wie erbost sie tatsächlich ist. Ihre jadegrünen Augen blitzen gefährlich auf und unbeherrscht fährt sie fort. „Dieser Kretin hat Glück, dass er nicht persönlich erschienen ist! Ansonsten hinge nicht dieses Stück Fleisch an jenem Ast!“ In einer herrischen Geste deutete sie in Richtung des Schinkens, der nun mit der bemalten Seite in Richtung der Reiter zum Stillstand gekommen war und man die Kohlezeichnung als das dicke, pausbackige Gesicht eines jungen Mannes mit lockigem, schwarzen Haar erkennen konnte. Dem Vogt von Garlák kam es durchaus bekannt vor, nun da er es genauer betrachten konnte. Er erinnerte sich, die Dame ya Malachis hatte eine Begabung für das Zeichnen. Diesen Schinken zierte eindeutig das Konterfei von Golpono Ruccia, dem ältesten Sohn Gonzolo Ruccias, seines Zeichens Podestat Sikramaras und dem Oberhaupt der bekannten Fleischerdynastie. Er wusste allerdings nicht viel über den jungen Mann, außer dass er ziemlich beleibt war. In der Öffentlichkeit trat er selten in Erscheinung.

Während sich die Miene des unbekannten Reiters nicht veränderte, musste sich Timor sichtlich verkneifen loszulachen. Mit einem Ton des unterdrückten Amüsement in der Stimme erhob er das Wort. „Um der Höflichkeit Genüge zu tun, der Herr neben mir ist, wie ihr richtig festgestellt habt, ein Verwandter von mir. Darf ich vorstellen, seine Hochgeboren Lorian di Salsavûr-Westfar, Baron von Montarena und Herr diverser Ländereien“, Lorian zog nur kurz eine Augenbraue nach oben, als sein Vetter die Vorstellung von ihm so abkürzte. „Lorian, dies ist Signora Sanjana ya Malachis.“ Der Baron nickte nur, sagte aber nichts und wäre auch nicht dazu gekommen, da Timor schon weitersprach. „Unpassend, aber wirklich originell.“ Der Salsavûr schien es nicht ironisch zu meinen, konnte aber nach wie vor nur ungenügend verbergen, dass es ihn amüsierte. „Es dürfte in jedem Fall einmalig sein, einer Dame einen Korb voller Wurstwaren als Verlobungsgeschenk zu überreichen. Es zeugt von der großer Kreativität eures Verlobten etwas zu schenken, was seine Familie selbst herstellt. Vielleicht solltet ihr ihn aber doch lieber verspeisen, als mit Pfeilen darauf zu schießen.“ Die beiden Reiter hatten sich währenddessen noch weiter der jungen Malachis genähert. Die beiden Salsavûr sahen sich auch beim Näherkommen ähnlich und waren sichtlich gut aussehend.

„Na dann habe ich ja Glück gehabt, dass die Ruccias Metzger sind und keine Kammerjäger.“ ätzte die junge Dame derweil. Scharf musterte Sanjana Timor. Er schien sich aber nicht über sie persönlich lustig zu machen, sondern eher die Gesamtsituation erheiternd zu finden. Seine Hochgeboren wahrte eisern seine Fassung.... immerhin.... Die unwillige Braut seufzte, war man nicht betroffen musste die Szene ja albern wirken.... „Ganz ehrlich, Timor?“ wie schon damals in den Tunneln gebrauchte Sanjana seinen Vornamen als sie nun versöhnlich fortfuhr: „Mir ist kein bisschen nach Schinken zumute, wenn ihr mögt, dürft ihr und der Baron ihn gerne haben. Nur tut mir den Gefallen und behaltet die Angelegenheit für euch. Es ist schlimm genug, dass ich diese Kanaille heiraten muss, aber wenn sich herumspricht, was seine Verlobungsgabe war, dann lacht die ganze Stadt. Ich würde ja selbst lachen, wenn ich nicht zufällig die Braut wäre.....“ Noch einmal schaute die junge Malachis zu dem Baum und schien die Szene versuchsweise mit anderen Augen zu sehen. Leise musste sie glucksen, was ein sehr apartes Geräusch war. „Nun, es war ein guter Schuss, aber ja... von außen betrachtet, alles in allem eine erheiternde Situation....“

Lorians Augenbraue wanderte erneut in die Höhe, als er den Vornamen seines Verwandten aus dem Mund der Malachis hörte. Er erhob die Stimme wieder in einer fremden Sprache. Der Stimmlage und Betonung nach zu urteilen war es wohl eine Frage. Timor antwortete in der gleichen Sprache, bevor er sich wieder der jungen Dame zu wendete und etwas sagen wollte. „Von uns wird nichts hier rüber in die Stadt kommen, da könnt ihr euch sicher sein“, kam ihm der Baron zuvor. „Aber seit euch sicher, dass sich die Geschichte um das Verlobungsgeschenk ziemlich schnell verbreiten wird. Irgendwer redet immer und besonders gerne tun Knechte und Mägde dies. Wenn es nicht die eurer Familie sind, dann die der Ruccias, dessen seid euch gewiss.“

Bevor der andere Salsavûr fortfuhr, ergriff schnell Timor das Wort: „Ich danke euch für das Angebot, aber ich denke, mein Vetter und ich sind uns da einig, dass wir das Gesicht eines Mannes ungern essen möchten.“ Der Vogt von Garlák grinste, während er das sagte. „Nehmt es mit....“ Weiter kam er nicht, als er von lautem Gebell unterbrochen wurde. Wie aus dem Nichts tauchten hinter den beiden Reitern eine Meute von drei Hunden auf. Das Aussehen der Hunde deutete darauf hin, dass es sich wohl um Onjaro-Bracken handelte. Wobei sie deutlich größer und schwerer als solche aussahen, was den Schluss nahelegte, dass es wohl keine reinrassigen Bracken waren.

Die drei näherten sich schnell, wobei die beiden Rösser der Salsavûr keine Reaktion auf die Hunde zeigten, außer leicht nach hinten gedrehte Ohren. Sie schossen an den beiden Reitern vorbei direkt auf den Schinken zu, kamen aber nicht allzu weit. Lorian stieß einen Pfiff aus, der dafür sorgte, dass die Hunde sofort, wenn auch unwillig, abbremsten und zu den beiden Männern zurück trotteten. Allerdings nicht, ohne sich mehrfach zu dem Schinken umzublicken. Sanjanas Pferd hingegen reagierte nervös. Die edle Fuchsstute, der man das novadische Blut deutlich ansah trippelte auf der Stelle, während die Hunde an ihr vorbeischossen und deutlich erkennbar, wäre sie wohl davon gestürmt, hätte ihre Reiterin dies nicht rigoros unterbunden. Die Dame Malachis saß unerschütterlich im Sattel und behielt das scheuende Pferd unter Kontrolle.Dabei war sie aber weder hart im Maul noch agierte sie übermäßig mit den Schenkeln. Neidlos musste man ihr zugestehen, dass sie reiten konnte. „Ruhig, meine Gute... ruhig.“ begütigte sie mit beruhigender Stimme ihr Tier und als das Pferdchen schließlich zur Ruhe kam, fügte sie erklärend für die Herren an: „Rubina mag keine Hunde. Sie muss da mal schlechte Erfahrungen gemacht haben. Nichts desto trotz sind es drei prächtige Kerle. Und so wie sie gerade schauen, habt ihr sie, werter Baron, gerade sehr enttäuscht. Sie fühlen sich um ihre Beute gebracht.“ Sanjana lächelte verschmitzt, was zwei hübsche Grübchen zum Vorschein brachte.

Aus dem Augenwinkel beobachtete Timor Sanjana, während er seinem Vetter einen bösen Blick zu warf. „Du solltest deine Hunde besser erziehen, dann kommen sie nicht so angeschossen. Du kannst froh sein, dass unsere Rösser gelernt haben auf Überraschungen nicht zu sehr zu reagieren.“ kurz blickte er direkt zu der Malachis. „Und dass Sanjana scheinbar eine gute Reiterin ist.“

Der Baron grinste, als er zur Erwiderung ansetzte: „Als ob deiner anders agiert hätte, wenn er mitgekommen und nicht so faul wäre.“ Die drei Hunde hatten sich in der Nähe ihres Herrn niedergelassen und beobachteten abwechselnd ihn und den Schinken. Timor wollte gerade den Mund öffnen um etwas zu entgegen, aber der Herr von Montarena hatte sich an die junge Dame gewandt und sprach schnell weiter. „Möglich, aber sie haben nicht den Auftrag bekommen, die Beute zu erlegen.“ Der Baron lächelte leicht. „Insbesondere, da die Beute nicht ihrem Besitzer oder seiner Familie gehört.“

„Na das kann man ändern.“ stellte Sanjana trocken fest. „Scheinbar haben weder die Herren, noch ich ein gesteigertes Interesse daran, den Ruccia zu verspeisen, also ich wäre gerne bereit ihn an die Hunde abzutreten, dann werden wenigstens sie glücklich gemacht. Und damit die Familie ya Malachis bei diesem Handel nicht den Kürzeren zieht... mir scheint, ihr seid auf der Jagd, ich würde mich gerne anschließen und lasse mich hinterher auch zum Essen einladen.“ Sanjana lächelte vergnügt bei ihren Worten. Den Nachmittag mit Timor, der gut aussah und Humor besaß und seinem … was auch immer Cousin?, vielleicht zu verbringen erschien ihr verlockender als in die heimatliche Behausung zurückzukehren. So wartete sie gespannt, wie ihr doch recht unverfrorener Vorschlag aufgenommen würde.

Der Baron schmunzelte: „Wir sind nicht auf der Jagd, sondern auf einem Ausritt, um den Hunden und Pferden etwas Auslauf zu gönnen. Was euren Vorschlag angeht, so wäre dies, denke ich, ein mehr als gerechter Tausch.“ Mit diesen Worten gab er ein kurzes Kommando. Als Reaktion darauf schossen die Hunde schnell an den Reitern vorbei. Der Größte der drei setze aus dem Lauf zum Sprung an und erwischte den Schinken am unteren Ende. Jetzt hingen Schinken und Hund, der weiter an diesem zerrte, am Baum. Die anderen beiden Vierbeiner umrundeten den Schinken, machten aber keine Anstalten ebenfalls hochzuspringen. Mit einem Mal gab es einen kleinen Knall, als der Strick, an dem das Fleisch befestigt war, nachgab und riss. Als der Schinken samt Hund auf dem Boden aufschlug, war es um ihn geschehen und alle drei Tiere stürzen sich darauf und rissen das Gesicht in Stücke.

Lorian beobachte kurz das Werk der Hunde, bevor er Timor einen Blick zuwarf und weitersprach: „Allerdings werde ich leider nicht der Einladende sein, da ich noch Verpflichtungen nachzukommen habe. Aber mein Vetter hat sicherlich nichts dagegen euch zum Essen einzuladen. Noch dazu soll er ein gute Koch sein, habe ich mir sagen lassen.“ Timor öffnete den Mund und wollte etwas erwidern, kam aber nicht dazu, da sein Verwandter weitersprach. „Da ich ihn nicht von seiner Einladung abhalten möchte und die Zeit leider nicht stehen bleibt, werde ich mich auch einstweilen verabschieden. Ich wünsche euch einen angenehmen Tag und Essen mit meinem Vetter.“ Der Baron deute mit einem Kopfnicken einen kurzen Gruß für die Malachis und Timor an, bevor er sein Ross wendete und von dannen ritt. Er stieß einen Pfiff aus und die drei Hunde folgten ihrem Herren, wobei der Größte der drei den Rest des Schinkens in der Schnauze trug.

Sanjanas Augenbrauen wanderten in die Höhe, während sie dem Baron hinterher blickte. „Na das nennen ich mal einen höflichen Abgang machen und sich aus der Affäre ziehen. Wie es scheint, hat euer Vetter euch gerade das Feld und die Verpflichtung überlassen.“ Mit leicht schräg gelegtem Kopf schmunzelte die Schützin den verbliebenen Salsavûr an. „Und dass, obwohl er mein Angebot ja wohl angenommen hat. Timor, ich fürchte, ihr steht nun in der Pflicht dem Wort eures Vetters Genüge zu tun. Oder habt ihr ebenfalls 'Verpflichtungen', die euch dringend abberufen?“