Briefspiel:Drache gegen Delphin/Teil II

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Die Briefspielgeschichte Drache gegen Delphin spannt sich um die Magistratswahlen in Shenilo im Praios 1032 BF. Ihr Beginn ist hier, ihre Fortsetzung hier zu finden.

Ein eigenartiges Geschenk

Shenilo, Palazzo Carolani, 17. Rahja 1031 BF

Ein Geschenk vom Turm der Magier

Endlich kam ein Diener, ein kleiner Mann mit kurzen Haaren und wuchtigen Augenbrauen, um Potros Tuachall, der bereits seit einiger Zeit mit schmerzenden Knochen im Palazzo Carolani ausgeharrt hatte, zum Hausherren zu führen.
Zu seiner Überraschung fand der alte Tuachall in der großen Bibliothek der Menaris eine große Vielfalt von Schriftwerken, Pergamenten, Folianten und allerlei Karten und Zeichnungen sowie seine Curatoren-Kollegin Brigona Menaris, nicht aber das Familienoberhaupt der Magierfamilie vor. „Yelsevan!“ ertönte die Stimme der Magierin streng, „ich wollte doch nicht gestö...“ Als sie sich zu den Eintretenden umgewandt hatte, bemerkte sie, dass der Diener nicht alleine war und unterbrach sich. „Signore Potros? Welch angenehme Überraschung und willkommene Ablenkung von meinen Studien!“ Sie wies auf die vor ihr auf einem Studiertisch ausgebreiteten Karten, Listen und Behälter, die das Oberhaupt der Tuachall zunächst verwirrten.
„Sicher wolltet ihr jedoch nicht mit mir, sondern mit meinem Bruder sprechen? Nun, leider, ist er, wie ihr wisst, jüngst zu höheren kirchlichen Ehren aufgestiegen und auch seine Arbeit für unsere Stadt lässt ihn kaum zur Ruhe kommen. In der Tat weilt er gar nicht im Palazzo, bedauerlicherweise...“ Den verdutzten Diener wies sie mit einer Handbewegung zu gehen an, „damit Signore Potros nicht unbequem in die Villa Carus zurücklaufen muss, wenn er schon umsonst gekommen ist.“
Mit entschuldigender Geste wies sie Potros einen leerstehenden Sessel zu, auf einem Beistelltisch stand – wie zufällig – ein unbenutztes Glas und ein Tonkrug mit Wein. „Vielleicht mögt ihr mir, während ihr wartet, Gesellschaft leisten, Signore?“ Kaum hatte sich der alte Tuachall mit unterdrücktem Seufzen gesetzt, begann Brigona um den Studiertisch zu wandern und redete dabei mit sich selbst, als wäre sie allein in der Bibliothek.
„Bald wählt die Signoria Nobili den neuen Gransignore und die Curatoren können wenig tun, die Landadligen in ihrer Entscheidung zu beeinflussen. Nicht, dass es für meine Familie eine Entscheidung zu treffen gilt, die mein Bruder, und mit ihm die Menaris, stehen fest zu Ludovigo von Calven!“ Mit einem hintergründigen Lächeln in Richtung des Sessels fuhr sie fort. „Ohnehin hat der amtierende Gransignore nur wenig zu befürchten, zu uneinig sind diejenigen, deren Gunst er nicht ohnehin schon lange erkauft hat. Die Herren von Elmantessa, Montalto, Solstono und Gabellano sind nicht Patrioten genug um den jungen Endor nur um unserer Stadt willen zu unterstützen, soviel ich höre.“ Die auf dem Tisch ausgebreiteten Korrespondenzen wiesen darauf hin, dass Brigona sich auf mehr, als nur ihre Ohren verlassen konnte.
„Wir wissen, dass der Consiliere Fuldigor, Yarbosco Aurandis, ein machtbewusster Mann ist. Er schickt sich an, wieder nach der Gransignorswürde zu greifen. Aber er ist kein Narr: Er weiß, dass er nicht genügend Freunde in der Signoria hat, um sich den Posten zu sichern. Sicher wäre er bereit“ – wie zufällig ruhte ihre Hand für einen Moment auf einem kleinen Brieflein mit dem Wappen der Aurandis – „sich auch für ein anderes, städtisches Amt zu begeistern. Bald wird ein neuer Cancellario ernannt werden müssen und die Erstellung der Kandidatenliste wird etwas sein, worauf auch der städtische Adel Einfluss zu nehmen in der Lage sein wird!“
Sie faltete die Karte der Ponterra auseinander, die unter den Briefen gelegen hatte und deutete auf die westlichste Ortschaft, den Sitz des Hauses Schwarzenstamm in Solstono. „Der Straßenvogt Rondrigo Schwarzenstamm wird für seinen Neffen Teucras die Stimme der Herren von Solstono in der Signoria Nobili sein. Soweit ich höre, ist er ein kriegserfahrener Mann. Zudem gelüstet es ihn nach dem nötigen Rückhalt, die Ländereien seiner Familie und die Seneb-Horas-Straße gegen die neue Baronin von Piastinza zu sichern. Wäre er nicht ein idealer Constabler für Shenilo, Signore Potros?“ Wieder wartete sie keine Antwort ab, sondern tippte mit dem Finger nach Südwesten, wo der kleine Marktort Mesaverde den einzigen traditionellen Besitz des Hauses Gabellano in der Ponterra markierte. Das Haus Gabellano konnte schon immer mit Geld umgehen, aber erfahrene Gutsverwalter und Landwirtschafter sind sie nicht. Was Mesaverde und sein Umland bräuchten wäre die Expertise eines erfahrenen Großgrundbesitzers, dann würde das Land der Gabellano wahrhaft zum Kern der neuen Besitzungen des Hauses werden können.“ Sie blickte kurz zu Potros auf, als sie über die Erfahrung eines Großgrundbesitzers sprach.
„Und dann wäre da noch Signora Sharane ya Papilio, die sich als erfreulich belesen und politisch unbefleckt erwiesen hat. Es erstaunt mich, dass ihr Haus noch nie versucht hat, mit dem Hopfen ihrer Ländereien echte Gewinne zu erzielen. Gerade in den schlechteren Winzerjahren könnte man mancherorts ein gutes Gebräu gebrauchen, nehme ich an. Soviel ich höre, muss man das Ohr der Signora für solcherlei Geschäfte jedoch erst gewinnen.“
Sie griff nach einem großen Glas, das neben ihr im Regal gestanden hatte. Darin flatterte jetzt ein Schmetterling auf. ##„Ein wunderschönes Tier, nicht wahr Signore? Nehmt ihn nur, betrachtet seine Flügel!“ Sie reichte Potros das Glas. „Mein Vetter Asteratus brachte ihn von einer seiner Reisen mit. Ein echter Horasmantel!“
Als sich die Tür öffnete wich Brigona einen Schritt von Potros und neigte leicht den Kopf. „Da ist Yelsevan mit eurer Kutsche, Signore. Ich hoffe, meine Überlegungen haben Euch nicht gelangweilt? Ihr müsst mich jetzt entschuldigen, aber mich rufen meine Pflichten. Ach, und behaltet ruhig den Schmetterling, vielleicht habt ihr ja eine bessere Verwendung für ihn, als ich.“ Damit wandte sie sich um und verschwand aus der Bibliothek. Sie ließ einen nachdenklichen Potros Tuachall, einen stummen Diener und einen flatternden Horasmantel zurück.

Schmetterlinge und Tulpen

Shenilo, Palazzo Papilio, 17. Rahja 1031 BF
Es war lange her, dass Potros auf eine so unhöfliche Art abgefertigt worden war. Bisher hörten die Menaris erst alle Argumente und danach legten sie ihre Meinung fest. Hatte Ludovigo etwa auch den Menaris etwas versprochen? Das würde ihm ähnlich sehen. Er verschenkte gerne Dinge, die ihm nicht gehörten und die er nicht bezahlen musste. Aber so kurzsichtig konnte Tankred Menaris gar nicht sein. Er muss doch wissen, dass in einem Jahr die Patrizier den Gransignore wählen. Sie würden Ludovigo aus dem Amt jagen und all seine Versprechen wieder kassieren. Wenn Shenilo erfolgreich sein sollte, durfte der Gransignore nicht jedes Jahr wechseln. Das würde die totale Lähmung der Stadt bedeuten. Endor Dorén wäre ein Mann den der Adel von Stadt und Land tragen könnte.
Potros nahm sich vor, einen eindringlichen Brief an Ehrwürden Tankred Menaris zu verfassen, sobald er wieder in seiner Villa war. Vorher wollte er im Palazzo ya Papilio seine Aufwartung machen.
Er hatte Glück, die Cavalliera Sharane ya Papilio empfing ihn. Nach kurzen Höflichkeitsbekundungen begann Potros mit einer kleinen Ansprache: „Ehrenvolle Cavalliera, es steht bald die Wahl des neuen Gransignores an. Wie es aussieht, wird Ludovigo von Calven-Imirandi gewählt werden. Ich bitte euch inständig eure Wahl zu überdenken. Wie ihr wisst, ist er sehr großzügig mit dem Geld der Stadt. Ihr wisst, dass er bald Zölle und Steuern erhöhen muss. Denkt an Euren Handel! Endor Dorén ist ein ehrenvoller Charakter, dessen Familie schon viele Opfer für Shenilo erbrachte. Seiner Familie liegt am Wohl der Stadt mehr als an dem Wohl der eigenen Familie...
Wir haben genug über die Geschäfte geredet. Wie ihr wisst, haben meine Frau und ich einen Garten anlegen lassen. Im letzten Jahr haben wir aus dem Süden neue Tulpenzwiebeln erwerben können. Sie werden bald blühen, aber schon jetzt kann man sehen, dass die Tulpen eine edle schwarzrote Farbe haben werden. Diese Tulpensorte hat niemand nördlich des Yaquir. Es wäre uns eine Ehre, sie euch und euerem Vater zeigen zu können. Hoffentlich können wir die perainegefällige Arbeit Zukunft fortsetzen, die Zwiebeln kosteten ein Vermögen.“
Die Cavaliera hörte aufmerksam zu und versicherte, das Gehörte zu berücksichtigen.

Ein sportliches Politikum

Shenilo, Garten der Villa Carus, 17. Rahja 1031 BF
Theria: „Ich suche noch, aber es ist schwierig etwas über die Schwestern der Mada herauszufinden. Was könnte der alte Nestor nur gemeint haben?“
Niando: „Ich habe über Ludovigo nichts herausgefunden. Aber das wäre auch sehr verwunderlich gewesen. Dafür habe ich von einem besonderen Mann erfahren. Er hat sehr viel Erfolg bei den Glücksspielen.“ Potros: „Gerate nicht auf Abwege, mein Sohn.“
Niando: „Du verstehst nicht Vater, er kann Phexens Gunst beeinflussen. Er ist ein Gelehrter, der von sich behauptet hervorragend Wechselkures und Gewinne berechnen zu können.“ Potros: „Wenn er wirklich gut ist, stelle ihn an, bevor es die anderen tun. Sei bedachtsam. Er könnte aber ein Scharlatan sein.“
Theria: „Hattest du wenigstens Erfolg, Potros?“ Potros: „Nein, wie es aussieht, hat Ludovig selbst die Menaris bestochen...“ Niando: „Dann müssen wir mehr bieten.“ Potros: „Dadurch, dass wir den Fehler begehen, wird er nicht besser. Ich war bei den Papilios. Vielleicht werden wir ihnen Zwiebeln unserer neuen Tulpen schenken.“
Theria: „Du weißt, dass ich die Zwiebeln zu unserem Familiengut bringen wollte?“ Potros: „Wir werden neue züchten... Die junge Brigona Menaris schenkte mir einen Horasmantel. Was soll ich damit machen?“ Theria: „Laß ihn in unserem Garten fliegen, vielleicht bringt er Glück für unser Haus.“
Niando: „Übrigens, Ludovigo will ein Fest geben. Er wird einen Ochsen schlachten lassen und die Armen dürfen von ihm essen. Dafür müssen sie ihn umjubeln.“
Potros: „Wieder verschwendet er Geld für seine persönlichen Interessen.“ Theria: „Warte einen Moment. Wenigstens dort können wir ihm in die Suppe spucken. Wie wäre es, wenn wir zeitgleich ein Stadtfest geben. Dann kann er alleine seinen Ochsen verspeisen.“ Niando: „Aber warum sollten die Menschen zu unserem Fest lieber kommen, als zu seinem?“ Selbst wenn wir drei oder vier Ochsen braten ließen, würden immer noch genug Menschen zu Ludovigo gehen.“ Theria: „Die Menchen wollen keine Zuschauer sein, sie wollen dabei sein. Es muss etwas sein, wobei jeder mitmachen will.“ Niando: „Imman!“
Theria: „Genau. Seit dem Krieg gab es keine Stadtmeisterschaft mehr. Wer würde das verpassen wollen?“ Potros: „Ich habe nie viel von diesem Spiel gehalten. Wer will so etwas schon sehen. Das ist doch Quatsch.“ Niando: „Du irrst dich, Vater. Viele unserer Arbeiter spielen Imman in der Mittagspause. Wir hätten genug Spieler um eine eigene Manschaft zu bilden."
Theria: „Höre auf deinen Sohn, Potros. Imman wird die Menschen anlocken. Es wird ihre Herzen öffnen.“ Potros: „Also gut Niando, frage die anderen Patrizier, ob sie eine Stadtmeisterschaft unterstützen. Und frage auch, ob sie eine Mannschaft stellen. Und, in Praios Namen, stelle eine Tuachallsche Mannschaft auf.“ Niando: „Ich werde sofort die Briefe verfassen. Die Wankaras werden die Gelegenheit nicht ausschlagen, gegen uns anzutreten. Aber gegen uns haben sie keine Chance.“

Ungleiche Brüder

Shenilo, Palazzo Brahl, 17. Rahja 1031 BF

Fedesco der Vorsichtige
Beleno der Begeisternde

Noch am selben Tage stattete Niando Tuchall auch dem Palazzo Brahl einen Besuch ab, um diese für eine Stadtmeisterschaft im Imman zu gewinnen. Dank der längerwerdenden Schatten des Abends und sich leerenden Straßen wirkte der Bau noch ausladender und noch wuchtiger.
„Signore Tuachall!“ schallte es unter den ansonsten verlassenen Arkaden hervor. In sein Geweihtenornat gehüllt hatte Fedesco Brahl den edlen Mann erkannt und wechselte sogleich die Richtung seiner Schritte. Nachdem dieser erklärt hatte, was sein Begehr sei, bat ihn Fedesco ihm in den Palazzo zu folgen. „Für einen Freund der Familie, wie Ihr es seid, wird mein vielbeschäftigter Neffe vor dem Abendessen sicher die nötige Zeit finden. Wartet nur hier einen kurzen Augenblick, ich sehe direkt nach ihm. Diener! Gebäck und Wein für unseren Gast!“
Nur kurz genoss der Patrizier allein den exzellenten Tropfen, während er es sich in der weiten Eingangshalle mit anschließender Loggia zum Innenhof auf einer der gepolsterten Bänke bequem gemacht hatte. Schon eilte der Rahjageweihte Shenilos und Bruder Fedescos eine der beiden großen Freitreppen hinab. „Signore Niando! Hat man Euch tatsächlich allein in dieser unglücklich weiten Halle sitzen lassen? Seid versichert, die Gastfreundschaft der Brahl sieht anders aus... Was treibt denn einen edlen Tuachall in diesen Sündenpfuhl?“ Mit einem Augenzwinkern milderte der luftig gekleidete Beleno diesen kleinen Stich, während er den leicht verblüfften Gast bereits die Treppe hinauf geführt hatte. „Oder seid Ihr etwa hier um Eure Cousine zu besuchen?“ Justamente in der oberen Galerie angekommen, eilte ihnen auch schon Fedesco entgegen. „Bruderherz! Du also hast den Signore allein in der Halle gelassen?“ Der Angesprochene verzog leicht das Gesicht. Die Wärme in der Stimme seines Zwillingsbruders ging ihm nun völlig ab. „Es war nur für einen Augenblick, Beleno. Signore Tuachall, wenn Ihr mir nun zu meinem geschätzten Neffen folgen würdet? Wir sehen uns zum Abendessen, Beleno.“
Mit diesen Worten ließen die beiden den überschwänglichen Geweihten der Rahja in der Galerie zurück und gelangten in einen holzgetäfelten Empfangssalon. Dort wartete bereits Daryl Brahl, in eine schwere golddurchwobene Robe gewandet. Der Curator unterbrach seine Unterredung mit seinen beiden Sekretären und schickte diese sogleich durch eine weitere Tür aus dem Raum. Auch Fedesco verabschiedete sich höflich von Niando, bevor dieser sein Anliegen vortrug.
„Mein ehrenwerter Freund, wenngleich ich persönlich weniger von diesem den Körper eher brechenden, denn härtenden Sport halte, so will ich doch keineswegs meinen geliebten Vettern einen solchen Wunsch abschlagen. Es gibt noch immer viele Immanbegeisterte unter den Winzern der Weinhandlung und genügend, die gerade im sonst so müßigen Winter dem Spiel fröhnen. Ich nehme an, Yaquirstein Shenilo wird die Gelegenheit ebenfalls für ein kleines Training nutzen? Oder wünscht Ihr eher ein offeneres Spiel ohne einen solchen Favoriten?“
Nachdem Einzelheiten besprochen waren, kam das Gespräch zu einer gewissen Uneinigkeit: „Euer Terminvorschlag dünkt mich jedoch ungewöhnlich. Sollten die Spieler nicht ein wenig Zeit bekommen, um an der Finesse des Sports arbeiten zu können? In nicht einmal mehr einem Mond ist dies sicher nicht zu schaffen. Zumal es derweil auch andere Ereignisse zu bestaunen gibt. Vielleicht die Wiederwahl unseres bewunderten Gransignores?“
Bevor die beiden jedoch tiefer in dieses Thema einsteigen konnten, klopfte es an der Tür. „Komm nur herein, Carissima. Rate nur, wer uns heute besucht!“ Schon tritt durch die Tür aus teurem Kirschenholz eine alla Aureliana gekleidete Dame, die Gattin des Oberhaupts der Brahl. Als sie ihren Cousin erblickt, hellte sich ihr Gesicht merklich auf, doch sofort schlug sie die scheuen Augen nieder. Mit einem gekonnten Knicks begrüßte Asmodena ihren Verwandten. Als sie nach einigen kurzen Worten diesen jedoch nicht überreden konnte, zum Familienessen zu bleiben, verabschiedete sich das Paar von ihrem Gast. „Verzeiht, wenn ich Euch auf die Fortführung unseres Gesprächs am morgigen Tage vertrösten muss, Signore Niando. Es ist spät geworden und mir scheint, unsere Unterredung wäre nicht von kurzer Weil. Selbstverständlich werde ich mich das nächste Mal aufmachen, den Weg zu Euch anzutreten. Zu welcher Praiosstund' wäre es Euch genehm?“ Und mit diesen Worten geleitete Daryl Brahl seinen Gast zum schweren Tor des Palazzo. Ein Diener begleitete den Patrizier und spendete mit einer Fackel das nötige Licht für den kurzen Weg zur Villa Carus.

Geheime Geldgeber

Shenilo, Gut Zweiflingen, 18. Rahja 1031 BF

Gishtan, alternde Imnan-Legende

Der junge Kämmerer des Draconiter-Institutes rieb sich nervös die Hände. Der blinde Blick des Rebec-Spielers schien auf ihm zu ruhen und das langsame Zupfen ließ ihn stetig unruhiger werden. Warum hatte sie ausreichend ihn hierhin gesandt? Die Maga und Curatorin hatte ihm nur einige, zunächst unverständliche Anweisungen gegeben und ihn dann zwischen Loyalität zu seinem Geldgeber und seiner Neugier entscheiden lassen.
Endlich verkündete eine unverwechselbare Tabaknote in der Luft die nahende Ankunft des Vogtes von Zweiflingen. Insgeheim hatte Marvono gehofft, dass der Erste Rat dieser Tage auf Reisen sei, aber seinem Wunsch war kein Glück beschieden.
„Exzellenz, welch außerordentliche Ehre, dass ihr mich empfangt!“ Marvono verbeugte sich tief, wobei sein Gewand in einer der Hecken des Vorhofes hängen blieb. Einige peinliche Momente, einige amüsierte Blicke und einen rotangelaufenen Kopf später, hatte sich der Kämmerer befreit und räusperte sich. „Wie ich höre plant Decurio Potros Tuachall unserer Stadt endlich wieder eine Immanmeisterschaft zu verschaffen. Was ich von den Scholaren des Institutes höre, sind alle schon ganz begeistert, in der Stadt und im Umland. Auch die Leitung des Institutes würde sich über ein solches Ereignis freuen, könnten dadurch doch vielleicht endlich einmal die ständigen Prügeleien zwischen unseren Schülern und den Rabauken von der Volksschule kanalisiert werden.“ Marvono lächelte stolz, denn diesen vorgeschobenen Grund hatte er selbst auf dem Weg hierher ersonnen. „Allerdings mangelt es Signore Tuachall, so will es scheinen, derzeit noch an Mannschaften oder besser den nötigen Mitteln um solche aufzustellen.“ Er zog ein kleines Kästchen unter seinem Gewand hervor. „Dies habe ich mit Wissen der Magister“ er stockte kurz und schluckte, „mit Wissen der Magister aus der Schatulle des Institutes genommen. Die Summe sollte reichen, um die Ausrüstung und eine, wenn auch nicht überragende, Mannschaft zusammenzustellen. Wir alle erinnern uns noch an die glorreichen Spiele, die ihr, Exzellenz, unserer Stadt geschenkt habt. Ich weiß natürlich, dass ihr schon lange nicht mehr aktiv seid. Aber, selbst, wenn ihr nicht selbst den Schläger in die Hand nehmen solltet, wird doch Eure Erfahrung und Euer Ruf ausreichen um die beste Mannschaft zusammenzustellen, die in dieser kurzen Zeit zusammengestellt werden kann. Alles weitere überlasse ich vertrauensvoll Euren Händen, Exzellenz. Phex mit Euch und...“ er lächelte wieder: „Hacketau!“
Damit verabschiedete sich der Kämmerer des Draconiter-Institutes und schlich erleichtert seufzend aus dem Garten des Zweiflinger Gutes. Dabei fragte er sich stetig, warum er das alles nun hatte tun sollen. Und wie er sich rausredete, sollten die Magister das fehlende Gold beanstanden.

Botschaft auf Schwingen

Shenilo, Villa Carus, 18. Rahja 1031 BF
Als Signore Potros Tuachall an diesem arbeitsreichen Tag müde in sein Studiolo kam, erwartete ihn eine bunte Überraschung auf seinem Studiertisch. Ein blau-roter Eisvogel schaute ihn an seinem langen Schnabel entlang kurz an, bevor er einen Ruf ausstieß und durch das Fenster entschlüpfte. Verdutzt blickte Potros dem Vogel eine Weile nach, bevor er erkannte, dass dieser eine Notiz auf dem Holz des Tisches hinterlassen hatte. Potros brach das wappenlose Wachssiegel, entrollte die Botschaft und las:
„Hochgeschätzter, verehrter, lieber Signore,
Zutiefst bedauere ich, dass ich Euch heute nicht zu empfangen vermochte, aber mein Dienst für Familie und Stadt erlaubte es nicht. Es mag Euch wie Feigheit oder wie Opportunismus erscheinen, doch dem ist nicht so. Der Zeitpunkt, den neuen Machthabern offen entgegenzutreten ist noch nicht gekommen. Kaum ein Signore, bei dem meine Vertrauten vorgefühlt haben, hatte nicht bereits vergoldete Argumente erhalten, im kommenden Praios „für den Richtigen“ zu entscheiden. Offene Agitation gegen ihn wird der Siegreiche nicht dulden und ein Jahr kann sehr lange werden.
Ich bitte daher um Eure Entschuldigung und Weitsicht. Seid sicher, dass meine Familie und ich wissen, wo wir stehen.
Die Zwölfe mit unserer Heimat, T.