1000 Meilen von Yaquiria/Etappe 2

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Alt-Bosparan - Urbasi

Start in der Capitale

Am Morgen des 12. Phex waren alle Fahrer früh auf den Beinen. Obgleich viele noch lang in den Tavernen Alt-Bosparans zusammen gesessen und den Rennverlauf des vorigen Tags diskutiert hatten, wollte keiner zu spät am Start erscheinen, waren doch viele hundert Zuschauer aus Vinsalt erschienen, um den Start durch das alte Bosparaner Tor zu erleben und den rondrianischen Recken der 1000 Meilen von Yaquiria zuzujubeln.

Die Ruinen der alten Kaiserstadt beflügelten auch Laune und Geist des jungen Tiro Tarquinio Cirrention, und die gute Platzierung des Vortages stimmte ihn zuversichtlich für das Kommende. Sein Wagenlenker Curthan dagegen hatte das gestrige Ergebnis mit einer Art grimmigen Genugtuung, ansonsten aber gelassen zur Kenntnis genommen. Bereits am frühen Morgen sah man Tiro durch Alt-Bosparan streifen, abwechselnd die Ruinen bestaunend und die berühmten Verse bosparanischer Dichter deklamierend. Zum Beginn der Rennens erschien er dann angetan in einer frischen blütenweißen bosparanischen Tunika mit blauem Saum. Selbst seine Haartracht, der Pugio (bosparanischer Dolch) am Gürtel und ähnliche Details waren an diesem Morgen – der Ehrwürdigkeit des Ortes Respekt zollend, wie er selbst jedem verkündet, der es hören will – der alten bosparanischen Mode nachempfunden. Mit stolzgeschwellter Brust tat er es nun den übrigen Fahrer gleich und bestieg sein Gespann.

Nachdem alle Wagen einmal an den Zuschauertribünen, die der Magistrat der Stadt hatte aufstellen lassen, vorbeipromeniert waren, nahm man Aufstellung auf der Startgeraden ein. Die Platzierung der ersten Etappe gab dabei den Startplatz vor, so dass die erbittersten Rivalen vom Vortag Seite an Seite nebeneinander standen und auf das Startsignal warteten. Während sich Shafirio della Pena und Timodan ai Käferion argwöhnisch musterten, hing Ojatril seinen Gedanken nach: Ein dritter Platz in der ersten Etappe, das war mehr, als Ojatril erwartet hatte - aber weniger, als möglich gewesen wäre! Ein dritter Platz in einer Dreiergruppe war eine gefühlte Niederlage. Doch seine Strategie hieß weiter: Punkte sammeln in den ersten und letzten Etappen! Er würde den Weg über den Goldfelser Stieg wählen, denn ein Gutes hatte der Bürgerkrieg: er hatte seine Streckenkenntnisse noch mal auffrischen können, und der Goldfelser Stieg war keine schlechte Straße, wenn auch natürlich nicht vergleichbar mit der Rennstrecke zwischen Silas und Methumis in der dritten Etappe.

Auch Yandriga von Urbet-Marvinko wartete den Start zwischen den neuen Palazzi und alten Ruinen Alt-Bosparans in einer Seelenruhe ab, die sie seit Monaten nicht mehr verspürt hatte. Das Gedenken ihres Bruders Traviano am Schrein im Bosparansforst hatte ihr am Vortag alle Chancen auf eine vordere Platzierung genommen und sie mit ihrem ehrgeizigen Begleiter Balbiano heftig aneinander geraten lassen. Doch nun schien sie mit sich selbst im Reinen zu sein, hatte den alten Geschwisterhass überwunden. Entsprechend konzentriert ging sie daher an diesem Tag auch ins Rennen: Urbasi hieß das Ziel, diese Etappe sollte ihre werden, hier gewinnen und die Teilnahme an den 1000 Meilen hätte sich bereits mehr als gelohnt...

Während nun die ersten Wagen nach dem Startsignal durch den Bürgermeister Vinsalts das Alte Bosparaner Tor passierten, konnten aufmerksame Beobachter eine niedergeschlagene Calliane Ferdokin am Streckenrand sehen. Zwar waren ihre Verletzungen weit weniger ernst, als zunächst befürchtet, doch die Experten am Anatomischen Institut Vinsalt hatten ihr dringend nahegelegt, noch mindestens zwei Etappen zu pausieren. Einen Sieg konnte sie somit wohl in jedem Falle abschreiben und es schmerzte sie, die ehrgeizigen Fahrer alle nacheinander an ihr vorbeirauschen zu sehen. Nun waren auch die letzten Wagen an der Reihe: als ein Wagen nach dem anderen vor Raïanike A'Phrykos dyll Lÿios das alte Bosparaner Tor passiert, hatte sie dem Publikum unaufhörlich zugelächelt und immer wieder mal gewunken, während ihre Begleiter finstere Blicke auf jeden warfen, der zu gierig auf die gebräunten Brüste der Zyklopäerin geschaut hatten. Jetzt aber war schließlich Raïanike an der Reihe und mit einem Schnalzen ging es los. Steinchen spritzen auf, als sie ihren Streitwagen über die Straße nach Radoleth jagte. Nach den Erfahrungen der ersten Etappe wollte sie dieses mal allerdings nicht auf kurze Sprints setzen, sondern auf ein gemäßigtes, gleichmäßiges Tempo, in dem sie die Pferde nicht ermüdete und trotzdem große Strecken zurücklegen konnte. Am Ende der Etappe würde man sehen, ob ihr diese neue Taktik den gewünschten Erfolg brächte.

Nun hatte das gesamte Starterfeld die Stadt verlassen und bald erinnerten nur noch zertrampelte Girlanden, verwaiste Tribunen und unzählige Pferdeäpfel an das Spektakel. Vinsalt kehrte zurück zu seiner alltäglichen Geschäftigkeit.


Getrennte Wege

Bis Centano tat sich nicht viel auf der Strecke, die Startreihenfolge blieb größtenteils erhalten und kaum einer wollte schon so früh einen Zweikampf riskieren, der ihn im schlimmsten Fall bereits auf den ersten Meilen empfindlich zurückgeworfen hätte. Hier teilte sich nun aber die Straße und die Fahrer mussten sich entscheiden, ob sie den direkten Weg auf der König-Khadan-Straße über Andima weiter nach Sibur wählen wollten oder aber die Strecke über Radoleth und von da an den Sikramstieg hinab. Shafirio della Pena lenkte sein Fahrzeug auf den Weg gen Radoleth und keiner konnte sagen, was ihn dazu bewog, die längere und beschwerlichere Route zu nehmen, doch sein Rivale Timodan heftete sich an seine Fersen und folgte ihm. Und während Ojatril gut vorbereitet wie immer, ohne zu zögern nach rechts und somit auf direktem Weg gen Sibur schwenkte, sagten sich offenbar einige Teilnehmer, der Sieger der ersten Etappe müsse schon wissen was er tue und wählten ebenfalls den Weg über Radoleth. Bei manchen war jedoch wohl auch die mangelnde Ortskenntnis der ausschlaggebende Grund für die ungünstige Strecke, so beispielweise bei Benedict di Matienna. Hatte er auf der ersten Etappe noch Probleme mit seinem Gespann gehabt, war es jetzt umgestellt worden und er wollte versuchen auf der gebirgigen Strecke seine Stärke in rasanten Abfahrten zur vollen Geltung kommen zu lassen. Vielleicht hatte er auch daher den Weg über Radoleth eingeschlagen, weil hier augenscheinlich deutlich weniger Teilnehmer die Straße bevölkerten und er Kämpfe vermeiden wollte.

Doch wenden wir uns zunächst dem Goldfelser Stieg zu, denn letztendlich hatten die meisten Teilnehmer ihre Entscheidung zugunsten dieser gut ausgebauten Straße getroffen und hier auf dem Hauptstück der Etappe hatten nun auch die meisten ihre anfängliche Zurückhaltung abgelegt und es wurde mit harten Bandagen gekämpft. Besonders Reon Torrem, der bekannte Rüpel, machte seinem Ruf alle Ehre, als er begann seine Konkurrenten durch eigenwillige Wurfgeschosse zu behindern: die meisten der geworfenen Steine fanden ihr Ziel nicht, doch eine der Flaschen, die er schleuderte traf das Gespann von Rahjean Alessio so unglücklich, dass die Pferde scheuten und den alten Wagen, der bei diesem Manöver vernehmlich ächzte und einige Zierart auf der Strecke ließ, in den Straßengraben fahren ließen. Schlimmer traf es jedoch Ulim d’Agendayo: als Reon Torrem diesen überholte, holte er aus den Tiefen seines Wagens einen winkelförmigen Holzknüppel hervor, den er kurzerhand zwischen die Beine von Ulims Rössern schleuderte, wodurch die Pferde völlig aus dem Tritt kamen und aufeinander aufliefen. Dies brachte den Wagen letztendlich zum Überschlag und aus einem Haufen aus Mensch, Tier und Wagen robbte einige Zeit später der schwer verletzte d’Agendayo hervor. Für ihn war diese Etappe offensichtlich vorbei! Glücklicherweise zeigte die niederträchtige Taktik des Torrem bei keinem anderen Konkurrenten einen ähnlich durchschlagenden Erfolg, doch auch andere zeigten sich eher als rondragefällige Kämpfer, denn als schnörkellose Fahrer. So ging auch Ojatril Hormajeff sehr aggressiv gegen Überholversuche vor und versetzte manchem Mitfahrer harte Rempler. Als er sich auf einem bewaldeten Streckenstück unversehens neben Dareius Amarinto vorfand, konnte man die gegenseitig Abneigung beinahe spüren und Ojatril ließ nichts unversucht, um das Gefährt des Sewamunders von der Strecke abzudrängen. Dareius‘ Wahrung der Traditionen und Etikette verbot es ihm, den Bürgerlichen zu einem Duell zu fordern, wie es seine übliche Taktik bei einer solchen Auseinandersetzung war, und so konnte er nicht verhindern, dass er sich auf einmal im Unterholz wiederfand und in seiner Weiterfahrt durch Dornicht, Gestrüpp und Ranken in erheblichem Maße behindert wurde.

Auch das Gespann des jungen Cirrention fiel wieder einmal durch seine „robuste“ Fahrweise auf, was vor allem dem Wagenlenker Curthan Pantarro zu verdanken war. Auch er versuchte durch aggresive Rempel-Attacken Plätze gutzumachen. Kurz vor Sibur attackierte er heftig das Gespann von Thalionmel di Salsavûr und Amando Barabeo von Streitebeck, mit der Folge, dass diese in eine Geröllhalde nahe der Böschung gerieten und einen Achsbruch hinnehmen mussten. Die Reparatur in Sibur kostete danach wertvolle Zeit.

Doch am Meisten legte sich Luca di Onerdi ins Zeug, durch überragenden Kampfgeist und unbarmherzigen Siegeswillen gelang es ihr, sich bis ganz nach vorne vorzuarbeiten und letztendlich konnte sie sogar trotz aller Gegenmaßnahmen an Ojatril vorbeiziehen und sich an die Spitze des Feldes setzten.


Auf Umwegen

Auf der Strecke über Radoleth gab es unterdessen erheblich weniger Zwischenfälle, was nicht zuletzt durch die geringe Zahl der Fahrer zu erklären war. Die Spitzengruppe hatte sich schon lange abgesetzt als Raïanike zu einer großen Aufholjagd ansetzte und einen Großteil der anderen Teilnehmer, die ebenfalls diese wenig befahrene Straße nutzen, überholen konnte. Wenig später kam es jedoch zu einem Zusammenstoß mit einem Fuhrwerk, das von den Minen am oberen Sikram nach Vinsalt unterwegs war. Sein Fuhrmann konnte sein loses Mundwerk nicht halten und die drei Cousins von Raïanike verprügelten ihn, schirrten seine Pferde ab und jagten sie davon, während sie das Fuhrwerk quer auf der Straße stehen ließen und sie blockierten – als Hindernis für nachfolgende Rennteilnehmer. Dieses Hindernis, das gefährlich hinter einer Kurve postiert war, wurde dann auch Tiro Tarquinio Cirrention zum Verhängnis, der ungebremst in das Fuhrwerk krachte. Doch er schien den Segen der Götter zu haben, denn weder er, noch sein Wagenlenker, noch die Pferde zogen sich dabei ernstliche Verletzungen zu. Während nun sein Curthan zur schnellen Weiterfahrt drängte, bestand der idealistische Tiro darauf, das gefährliche Hindernis zur Seite zu räumen, auf dass kein weitere Fahrer sein Los teilen müsste. Kurze Zeit später erhielt er dabei Unterstützung durch Piergorgio Mellifera. Nachem die beiden Gespanne ihre Fahrt fortgesetzt hatten, trafen sie bald auf ein erneutes Hindernis: Buschwerk und Äste blockierten die Weiterfahrt. Aber wiederum arbeitete man zusammen, um die Blockade zu beseitigen, von der man nicht sagen konnte, ob sie durch das Walten der Natur oder die Anstrengung eines Konkurrenten entstanden war.


Übernachtung

Am Abend des ersten Abends übernachtete somit der Großteil des Starterfeldes in oder nahe Sibur, wo kopfstarke Menschenmassen die Fahrer erwartet und ihnen zugejubelt hatten – vor allem der jungen Rondrajane, die es verstanden hatte sich bei der Zieleinfahrt eindrucksvoll in Szene zu setzen.

Ein deutlich kleinerer Teil des Feldes aber nächtigte in Radoleth. Hier waren es zwar nicht soviele Zuschauer gewesen, die die stolzen Recken auf ihren Streitwagen in Empfang nahmen, so dass Raïanike es schon für vergeblich gehalten hatte, kurz zuvor an den Straßenrand zu fahren und sich herauszuputzen, dann aber während der langsamen Fahrt durch die Stadt, war auf einmal eine Tribüne mit wartenden Kurgäste sichtbar geworden. Nicht nur die Zyklopäerin, die sich beim Publikum mit zugeworfenen Kusshänden beliebt gemacht hatte, wurde an diesem Abend von den zahlungskräftigen Besuchern der Kurstadt ausgehalten, nein, kaum einer der Fahrer musst in dieser Nacht seinen Krug selbst zahlen. Eifrig Gebrauch von diesem Glücksfall machte Batiste von Calven-Imirandi, der bis tief in die Nacht am Tisch einer Taverne saß, zusammen mit zwei Konkurrentinnen, die er am Tag in hitzige Duelle verwickelt hatte: Obramada Kontressa und Firunja Rowinia leisteten Batiste bis tief in die Nacht Gesellschaft und auch die Cousins der Zyklopäerin waren mit von der Partie. Viele Krüge Wein wurden von der Runde geleert und schon bald war jeder Hader des Tages vergessen.


Aufbruch im Morgengrauen

Am nächsten Tage mussten vor allem die Fahrer der Radolether Route früh aufstehen, wenn sie von den anderen nicht völlig abgehängt werden wollten. So starteten die meisten bereits in der Nacht, nachdem sie sich Boron für nur wenige Stunden hingegeben hatten. Hier rächte es sich, wenn man am Vorabend zu tief ins Glas gesehen hatte. Benedict di Matienna war einer der ersten, der mit den ersten Sonnenstrahlen bereits auf den rasanten Abfahrten, die Radolether Höhen hinab war und sich damit letztendlich sogar einen der vorderen Plätze sichern konnte, denn hier konnte er sein fahrerisches Können voll ausspielen. Nicht viel später waren auch Shafirio und sein Konkurrent Timodan ai Käferion wieder auf der Strecke und bereits nach den ersten Meilen begann der Chababier wieder mit heftigen Attacken auf das Gespann des Rondra-Geweihten. Doch dieses Mal sollte es ihm zum Verhängnis werden: nach einem kurzen Gebet zu seiner Göttin erwiderte Shafirio die Attacken mit feurigem Blick. Und dies deutlich erfolgreicher. Schnell gelang es ihm, Timodan an den Rand der Straße zu drücken, just in dem Moment, als man in eine scharfe Serpentine einbog. Schon heftig vom schlechten Untergrund der Böschung durchgeschüttelt, tat nun ein größerer Geröllbrocken sein Übriges, so dass der Chababier vollends die Kontrolle über sein Fahrzeug verlor und nicht verhindern konnte, dass dieses aus der Kurve flog und in die Schlucht stürzte. Nur ein beherzter Sprung und ein kleiner Baum am Abhang retteten ihm das Leben. Erschrocken über die ungeahnten Auswirkungen seiner Gegen-Attacke wendete Shafirio sein Fahrzeug, um dem Unterlegenen in ehrenhafter Weise zu helfen, doch dieser war bereits zurück auf die Straße geklettert und spuckte nun dem haltenden Rondrianer vor die Füße. Angewidert ob des unangemessenen Verhaltens, befand Shafirio, dass dies nicht einmal einer Erwiderung von seiner Seite würdig sei, wendete sein Fahrzeug erneut und trieb die Pferde zur weiteren Talfahrt an. Es sollte noch längere Zeit dauern, bis sich ein Fahrzeug fand, dass Timodan auflesen und weiter mitnehmen würde.


Ein Zeichen der Göttin?

Die Fahrer, die in Sibur Quartier genommen hatten, brachen zumeist ein wenig später auf und so kam es, dass sich der Großteil der Fahrer auf der Strecke zwischen Sibur und Urbasi befand, als ein gewaltiges Gewitter losbrach. Luca di Onerdi hatte sich wieder an die Spitze gesetzt und ließ sich durch das Gewitter nicht beirren in ihrem Eifer einen ersten Rennsieg zu erzielen – ein Ziel, das in greifbarer Nähe war. Doch hinter ihr wurde das Feld durch die plötzlich einsetzenden Schauer, die Schläge von Donner und Blitz und die schneidenden Winde ziemlich durcheinander gewürfelt. So wurde auch die jugendliche Begeisterung von Tiro Cirrention erheblich gedämpft und sein Wagenlenker Pantarro übernahm das uneingeschränkte Kommando über das Gespann. Doch ohne die besonnene Stimme des Patriziersohns wagte der Drôler zu viel. Bei einer der zahlreichen Baustellen … diese befanden sich überall auf den Straßen am Sikram, seit Leomar Romualdo della Pena, als Priore Ruris der Stadt Urbasi auch für den Straßenbau zuständig, befunden hatte, dass alle Straßen bis zum Rennen frisch saniert werden sollten – und mit diesem Vorhaben in erheblichen Zeitverzug kam … bei einer der Baustellen also geriet das eine Rad des Gespanns in eine ausgehobene Grube und dies zog einen unvermeidlichen Achsbruch nach sich. Obgleich der Schaden schnell notdürftig geflickt wurde, fiel der Wagen der Cirrentions weit zurück ins Schlussfeld, wo man Batiste von Calven-Imirandi begegnete. Diesem hatten die viel zu wenigen Stunden Schlaf stark zugesetzt und es erschien ihm weise, die großen Straßen zu meiden, um Konfrontationen mit Kontrahenten in seiner schlechten Verfassung aus dem Weg zu gehen. Dabei hatte er allerdings nicht eingeplant, dass die Hügel der Urbasiglia mit ihrem durchgeweichten Boden seine Fahrt in ungeheurem Maße bremsen würden. Als er das Gespann Tiros traf, hatte er sich gerade erst wieder dazu entschlossen, auf die Straße zurückzukehren. Auch Piergorgio Mellifera, der sich bislang prächtig geschlagen hatte, machten die matschigen Nebenstraßen schwer zu schaffen, doch trotz der starken Regenfälle kam er vergleichsweise gut voran. Kurz vor Urbasi passierte, was nicht hätte passieren sollen. Ein harter Schlag ließ die Kutsche erneut wanken. Weniger schlimm als das letzte Schlagloch, doch würde die Achse halten? Piergorgio hielt nicht an und trieb seine Pferde an, doch die kurze Behinderung des Fahrzeugs hatte Rondrajane gereicht, an ihm vorbeizuziehen. Die Tochter des verstorbenen Baron Ariano von Veliris hatte die zweite Etappe ruhiger angehen lassen und setzte ganz auf die Qualität ihres Gespanns, um so verlorenen Boden wieder gut zu machen. Jetzt allerdings ließ das Gewitter Rondrajane, die die Wildheit der Göttin nicht nur im Namen trug, das Temperament mit ihr durchgehen. Trotz der Ermahnungen ihrer erfahrenen Wagenlenkerin trieb sie die Pferde wieder heftiger an und lieferte sich immer wieder kleine Zwischenspurts mit den anderen Teilnehmern. Dieses mal jedoch schien ihr Unterfangen den Segen Rondras zu besitzen, denn bis zur Stadtmauer Urbasis konnte sie viele Fahrer hinter sich lassen und zog dann gar an den Favoriten Shafirio della Pena und Ojatril Hormajeff vorbei, die gerade ansetzen wollten, sich wieder einen Schlussspurt zu liefern. In die Spitzengruppe konnte sie allerdings nicht mehr vordringen.

Anders Yandriga von Urbet-Marvinko, die auf das plötzliche Gewitter ähnlich reagierte wie Rondrajane, indem sie es als Zeichen Rondras begriff und begann in einem sich von nun an immer weiter steigernden Renntempo Verse in Tulamidya und Bosparano zu rezitieren. Balbiano wagte es nicht die immer entrückter wirkende Adlige zu stören, während sie ihre vier Tulamidenrösser zu einer Geschwindigkeit anstachelte, der selbst die von ihrem Bruder Auricanius entsandten berittenen Begleiter nicht mehr folgen konnten. Das Siburer Tor Urbasis passierten die schweißnassen Vollblüter und ihre gleichermaßen von der Anstrengung gezeichnete Wagenlenkerin wie im Flug. Nur noch wenige Fahrer lagen vor ihr und diese könnte sie im Straßengewirr von Urbasi, wo sie sich gut auskannte, sicher auch noch einholen. Noch in den Außenbezirken Figurenzas setzte sie zu einem weiteren Überholmanöver an, mit dem sie Magierin Fiagina ya Duridanya hinter sich lassen wollte. Auch ihre magischen Kräfte würden der Dame hier nichts mehr nützen kam der völlig euphorischen Yandriga gerade in den Sinn, als sich von hinten in halsbrecherischer Geschwindigkeit der Uralte Streitwagen mit Benedict di Matienna näherte. Ohne Rücksicht auf mögliche Gefahren peitschte er an Yandriga und Fiagina vorbei und riss dabei fast einen der Stände um, die überall in Urbasi aufgebaut waren, denn man hatte sich auf ein wahres Volksfest eingestellt. Doch das Volksfest war buchstäblich ins Wasser gefallen und die Stände lagen verlassen da. Mit einer irrwitzigen Geschwindigkeit musste der Arinke diese Etappe angegangen haben, hatte Yandriga ihn doch nicht in Sibur gesehen und das hieß, dass er schon den gesamten Weg von Radoleth hinter sich gebracht haben musste. Nunja, jetzt hatte er sich in Urbasi nicht unbedingt für den kürzesten Weg entschieden, denn während Benedict die Rampe am Kontor Changbari ansteuerte und sich Fiagina daran machte, es ihm gleichzutun, nahm Yandriga die Rampe am Palazzo Zorgazo vorbei – den kürzesten Weg zur Oberstadt. Zwischen Tamarasco-Palast und Hesinde-Tempel bog sie schließlich im Bogen auf die Piazza di Renascentia ein.

Hinter den Arkaden des Palazzo del Castello kollidierte sie unter den Due Torri beinahe mit Tolman Rudor Raloff, dem sie den Weg am Rahja-Tempel und Palazzo ihrer eigenen Familie vorbei abschnitt, bevor sie unter dem Jubel der tapferen Zuschauer, die trotz des Unwetters den Weg auf die Piazza gefunden hatten, ihr wild schnaubendes Gespann erst weit hinter dem Zielstrich unter dem Campanile della Signoria wieder zähmen konnte.

Doch wie groß war ihre Enttäuschung, als sie realisierte, dass nicht sie es gewesen war, die das Zielband zerrissen hatte. Schon einige Zeit vor ihr war Luca di Onerdi hier eingetroffen. Offenbar hatte die Castellanin von Burg Ankhello sich bereits früh vom Feld abgesetzt und unbemerkt von den anderen Fahrern den Sieg der zweiten Etappe eingefahren. Erschöpft und all ihrer Hoffnungen beraubt glitt Yandriga vom Wagen und erst spät in der Nacht wurde ihr bewusst, dass ein zweiter Platz in der Stadt, die ihren verstorbenen Bruder zu größtem Ruhm gebracht hatte, immer noch ein sehr gutes Ergebnis war. Der Beistand ihres geweihten Bruders Auricanius tat dann sein Übriges, um ihr wieder neuen Mut einzuflößen.


Feierlichkeiten

Am frühen Abend klarte der Himmel auf und die vielen Urbasier, die aufgrund der schlechten Witterung die Zieleinfahrt der meisten Wagen verpasst hatten, machten sich daran, doch noch das geplante Fest für die Heroen der Straße auszurichten.

Viele der Fahrer wiederum waren zum ersten Mal in Urbasi und erst jetzt, mehrere Stunden nach ihrer Zieleinfahrt und nach einigen Stunden der Ruhe, fanden sie Zeit und Muße die Schönheit der Silbernen Perle des Sikramtals zu bewundern. Auch wenn manch einer die vielen Prachtbauten als Größenwahn und übersteigerte Geltungssucht abtat, waren doch die meisten begeistert von den baulichen Leistungen der Urbasier, aber auch von der Güte des Weins und der Gastfreundlichkeit, mit der sie hier bewirtet wurden.

Am späteren Abend war dann ein großes Bankett von der Fürstlichen Gemeinde des Heiligen Agreppo, wie sich die Stadtherrschaft Urbasi mittlerweile nannte, ausgerichtet worden und neben dem Gonfaloniere Miguel Flaviora hielten auch Leomar Romualdo della Pena, der immer noch begeistert vom Sieg seines Bruders auf der ersten Etappe schwärmte, für den Adel, Danilo Silbertaler für das Patriziat und Amene di Salsavûr für die Rondra-Geweihtenschaft lange Reden, bei denen einige der völlig erschöpften Fahrer doch heftig mit der Müdigkeit kämpfen mussten.

Die meisten ließen sich dann auch recht früh entschuldigen und während Urbasi noch weiter die Nacht zum Tage machte und bis in die frühen Morgenstunden ausgelassen feierte, genossen die Fahrer ihren verdienten Schlaf, denn am nächsten Morgen sollte es früh weitergehen – weiter den Sikram hinab und bis nach Methumis.


Ergebnisse der zweiten Etappe (Punktestand)

SC Name Rennstatus 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
X Luca di Onerdi teilnehmend 2 12 14
X Yandriga von Urbet-Marvinko teilnehmend 0 10 10
X Benedict di Matienna teilnehmend 0 8 8
Tolman Rudor Raloff teilnehmend 0 6 6
Fiagina ya Duridanya teilnehmend 0 5 5
X Rondrajane von Veliris teilnehmend 0 4 4
X Shafirio della Pena teilnehmend 12 3 15
Ojatril Hormajeff teilnehmend 8 2 10
Raïanike A'Phrykos dyll Lÿios teilnehmend 0 1 1
Piergorgio Mellifera teilnehmend 0 0 0
X Dareius Amarinto teilnehmend 4 0 4
X Reon Phalaxan XXIV. Torrem teilnehmend 0 0 0
Rahjean Alessio teilnehmend 6 0 6
Firunja Rowinia teilnehmend 0 0 0
Obramada ya Kontressa teilnehmend 1 0 1
X Tiro Cirrention teilnehmend 5 0 5
X Batiste von Calven-Imirandi teilnehmend 0 0 0
X Thalionmel di Salsavûr/Amando Barabeo von Streitebeck teilnehmend 0 0 0
Timodan ai Käferion teilnehmend 10 0 10
Ulim d’Agendayo teilnehmend 3 0 3
Calliane Ferdokin pausiert 0 0 0


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