Archiv:Das Weilenscheinkomplott - Teil 1 (BB 18)

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Auge-grau.png Quelle: Bosparanisches Blatt Nr. 18, Seiten 22-24
Aventurisches Datum: 1022 BF

Siehe auch: Teil 2 und Teil 3



Das Weilenscheinkomplott


Der Hund, Castello Weilenschein:

Die alte Hündin gähnte zufrieden. Sie hatte sich auf ihrem Lieblingsplatz - den Stufen zur Küche - niedergelassen, die auch in der Nachmittagshitze angenehm kühl waren. Gestern noch hatten ihr zwei junge Rüden diesen Platz streitig machen wollen, heute jedoch waren beide nicht zu sehen, was wahrscheinlich daran lag, dass sie beide kräftig verbissen hatte. Der Gedanke daran, wie sie bewiesen hatte, dass sie noch lange kein alter, zahnloser Hofhund war, steigerte ihr Wohlbefinden noch beträchtlich.

Beim großen Knochen, nun war sie schon beinah ins Land der Hundeträume entglitten, da mußten diese ... Nein sie wollte nicht schlechtes über ihre Ernährer denken. Aber dass sie ausgerechnet jetzt solch großen Krawall machen mußten, indem der fremd riechende Zweibeiner samt der Gefährtin ihres Herrn eines jener schaukelnden Ungetüme bestiegen, war nicht unbedingt im Sinne der alten Hündin. Darum war sie froh, als das Gefährt endlich rumpelnd die Toreinfahrt passierte.


Damion von Westfar-Weilenschein, Castello Weilenschein:

Er schaute der Kutsche, welche seine Gattin und seinen Oheim „zur Erholung“ gen Westenende bringen sollte, noch lange in Gedanken versunken nach. Der Alte hatte ihm in seiner durch lange Jahre im Dienste der Kaiserin erworbene Fähigkeit nichtssagend alles zu sagen, zu verstehen gegeben, dass er zwar seine Bestrebungen die Macht der Familie zu mehren gutheiße, er jedoch aufgrund seiner Stellung keinesfalls in die Aktivitäten involviert sein oder gar in den zu erwartenden Verwirrungen aktiv Parteiung nehmen wolle. Es würde also sein Sieg sein, sein Sieg für die Familie, die ihm darob zukünftig schwerlich die Gefolgschaft verweigern könnte und was für ihn noch wichtiger war: Dem Namen Damion auch nach seinem Tode noch stets eine gebührliche Ehre erweisen. Seine Frau hatte ihm zwei leidlich wohlgeratene Söhne geboren, doch wollte er sich lieber nicht darauf verlassen, dass jene sich darum kümmerten, seinen Ruhm für spätere Zeiten aufzubauen. Nein, er musste es selbst in die Hand nehmen, wollte er unsterblich werden in den Annalen seiner Familie und denen des Reiches. Er wandte sich von Fenster ab und ging in den blauen Salon, wo –wie er zufrieden feststellte- alles bereits für die erste Schlacht bereitet war.


Calliana, eine Schmiedin aus Ranaqídes, bei Efferdas:

Allmählich begannen ihre Beine zu schmerzen. Das lange Stillstehen war eben nichts für sie, aber schliesslich war sie auch keine ausgebildete Söldnerin wie jene, die zur rechten ihres Banners ranaqídische Landwehr standen. Aber auch ihrer Hauptfrau schien das lange Warten allmählich zu viel zu werden, wie man ihren nur halb unterdrückten Flüchen entnehmen konnte. Sicherlich war die Hauptfrau jedoch mehr ob des Wartenlassens durch den Hauptmann der efferdischen Garde erbost – schliesslich saß sie bequem hoch zu Ross -, unter dessen Befehl sich auch ihr Banner zu begeben hatte und dass obwohl sie schließlich auch die persönlich Garde des Signors und efferdischen Großsiegelbewahrers befehligte. Sie wechselte ihr Standbein und stützte sich auf den grossen Schmiedehammer zu ihrer Rechten. Immerhin hier konnte ihr das schwere Ding einen Dienst erweisen. Ihr Vater hatte ihn ihr mit den Worten „Calliana, Kind, das Schwert hat schon dein Urgroßvater geschmiedet und hernach hat es immer der Waffenpflichtige unserer Familie getragen und es ist eine gute und ruhmvolle Waffe. Aber wenn es einmal wirklich hart auf hart kommt, schmeiß es fort und lass‘ den Hammer kreisen! Das kann ein Schmied schliesslich noch immer am besten.“ aufgedrängt Seitdem hatte sie ihn dafür wohl schon einige mal im Geiste mit Tierarten solcher Art verglichen, dass diese Gedanken einer Tochter wohl sicherlich nicht wohl anstanden.

Endlich kam die berittene efferdische Garde auf das Rondrafeld galoppiert, auf dem die Ranaqíder schon die Nacht verbracht und nun sicherlich bald zwei Stunden bereitgestanden hatten. Sie parierten ihre Pferde so scharf, dass eine gehörige Menge Staub aufgewirbelt wurde, welcher ihr hernach für einige Zeit nicht nur die Sicht nahm, als auch zu kräftigem Husten reizte. Als sich der Staub gelegt hatte, konnte sie sehen, wie das Gesicht ihrer Hauptfrau mittlerweile vor Wut puterrot angelaufen war. Sicherlich nicht nur aufgrund des Reitermanövers sondern auch, da sie offensichtlich erst als letzte durch den Befehliger des Halbschwadrons begrüsst werden sollte. Sicherlich würde sich die ungeliebte Landwehr auch am Ende des Heerzuges einreihen müssen, wo sie den aufgewirbelten Straßenstaub aller voraus Maschierenden würden schlucken müssen.


Ebius von Efferdas, Residenz zu Efferdas:

„Sind die Truppen nun endlich auf dem Marsch, Cancellario?“, fragte er. „Ja Euer Wohlgeboren, ganz so wie es Ihro Hochgeboren gewünscht hat. Sie werden wohl binnen drei Tagen in Kuslik sein und dort gen Sewamund einschiffen.“ „Nun dann hoffe ich, dass alles zur Zufriedenheit meiner Schwester verlaufen möge. Ich hoffe nur inständig, dass ich zukünftig von solcherlei Diensten verschon bleiben möge, sind sie doch nun wirklich nicht mein Metier. Sollte noch etwas sein“, er erhob sich, „so findet ihr mich in meinem Studierzimmer.“


Damion von Weilenschein, Castello Weilenschein:

„Ein gelinde gesagt kühner wenn nicht verwegener Plan, Damion.“ Die Missgunst in den Worten seiner Schwester war nur mühsam verhohlen. Doch auf ihre vorhersehbaren Angriffe war er vorbereitet: „Ich danke dir für dein Lob, doch meine ich, dass die Möglichkeiten, die sich der Familie hier eröffnen, noch weit bemerkenswerter sind. Endlich vermögen wir nach dem zu greifen, was uns eigentlich zusteht: Der Baronswürde von Efferdas...“ „Der Familie“, fiel sie ihm ins Wort, wie sie es schon als Kind allzu häufig getan hatte, „wohl eher Dir, mein Bruder oder wer soll nach Deinem formidablen Plan der neue Baron werden?“ „Nicht ich, Schwesterchen, sondern die Signora von Efferdizza wird die neue Baronin werden! Doch finanziell werden wir alle daran partizipieren, versprochen.“ Ja nun hatte er sie eingewickelt. Wenn die Rede von blinkendem Gold war, gelang es ihr noch immer nicht, den Ausdruck unverhohlener Gier aus ihrem Gesicht zu verbannen. Eine Gier, welche sie sicher auch ihre lebenslange Feindschaft für den Moment vergessen lassen würde.

„Moment Damion!“ Von Seiten Nestors hatte er eigentlich keine großen Widerworte erwartet, nachdem er schon bei seiner Einleitung so oft erwähnt hatte, dass der zu erwartende Nutzen den Einsatz bei weitem aufwiegen würde, womit er eigentlich Nestors Krämerseele schon von vornherein hatte besänftigen wollen. „Und wie soll dann die Krone von Efferdas an unser Haus fallen, wenn diese Signora die neue Baronin wird?“ „Ganz einfach: Sie wird Ricardo, meinen jüngsten heiraten. Und da ihr Hass auf das zur Zeit herrschende Haus derer zu Efferdas sie vor der Zeit hat welken lassen, wird sie keinen Erben haben und nach Heiratsvertrag wird somit nach ihrem hoffentlich nicht zu baldigen Ableben die Krone an unser Haus fallen. Die Einzelheiten dieses Vertrages müssten im übrigen noch ausgehandelt werden und ich hoffe, dass die Familie sich dabei auf Deine Erfahrung wird stützen können.“ Nun stand der alte Simplicissimus tatsächlich auf und ließ etwas wie, dass es ihm eine Ehre sei, der Familie diesen Dienst zu erweisen, hören. Oh Hesinde, verzeih‘ ihm seine Einfältigkeit!

„Gut, doch scheint mir dies erst einmal von geringerem Belang, die Frage ist doch, wie sollen unsere Soldaten bis nach Efferdas gelangen. Zumindest die Signorien Letran und Chintûr hindern den freien Zugang bis nach Efferdizza. Ausserdem: Auch wenn – wie ihr ausführtet verehrter Vetter – die Stadt Efferdas unbefestigt und derzeit aufgrund des Engagements der Baronin im Yaquirischen die Garnison klein ist, wären Verbündete doch von Vorteil.“ Sollten schon alle Zweifler verstummt und nunmehr die Zeit für fruchtbare Planungen angebrochen sein? Beinahe hätte er vor Freude aufjuchzen mögen, zumal Maricio der Conetabel Terubis ihm nunmehr sogar die Stichworte lieferte, noch weitere Stärken seines Plans zu offenbaren: „Nun Conetabel, ihr habt recht gesprochen und natürlich brauchen wir Verbündete. Wir haben bereits genügend: Die Signora von Efferdizza erwähnte ich bereits und auch Letran wird an unserer Seite kämpfen. Und Chintûr stellt kein Hindernis dar, da die Signora alles andere als einen guten Stand hat. Ich habe meine Gewährsleute dort dazu angehalten, für ein wenig Aufruhr zu sorgen, welchen wir sodann den Galahanisten in die Schuhe schieben können. Die Signora jedenfalls wird sich so wohl kaum gegen uns stellen können, wenn wir unter dem Vorwand die Aufstände niederzuschlagen durch Chintûr ziehen, will sie nicht dem Verdacht Vorschub leisten sie stünde selbst auf Seiten der Aufrührer.“

Ein gewisser durchaus gerechtfertigter Triumph schwang unüberhörbar in seiner Stimme mit. Leider wurde hierdurch wohl ein weiterer Widersacher hellhörig. Oder sollte man sagen wach? Denn Restufan, dem die Familie schon in frühster Jugend eine kirchliche Karriere vorherbestimmt hatte (natürlich am Hofe des Erzherrschers zu Arivor), hatte bis jetzt so ruhig, zurückgesunken und mit geschlossenen Lidern auf seinem Stuhl gesessen, dass, wenn man schon seiner Anwesenheit überhaupt gewahr wurde, man ihn wohl nicht für wach gehalten hätte. „Alles klingt bis jetzt nach einem der Göttin wenig gefälligen Plan, Maricio! Und daher erlaube ich mir auch zu bezweifeln, dass es Dir gelingen wird das Haus Tilaisani von Letran auf Deine Seite zu ziehen. Hochwürden jedenfalls steht in unverbrüchlicher Treue zu Efferdas wie er geschworen hat. Und er hat bei seiner Ehre als Signor von Letran wie als Ritter der Göttin geschworen. Die Familie Tilaisani wird sich also nicht auf unsere oder vielmehr deine Seite stellen.“ „Ihr meint also Hochwürden“, er zog die Anrede genußvoll gekünstelt in die Länge, „dass der alte Tilaisan nicht auf UNSER wohlmeinendes Ansinnen eingehend wird? Und dass obwohl wir Letran und das Grab des heiligen Gevron mit der Axt endlich in die heimatliche Erzherrschaft holen wollen. Was man wohl in Arivor dazu sagen wird?“ „Man wird dies respektieren, Vetter“ „Wird man es in diesen für die Erzherrschaft so schwierigen Zeiten denn auch respektieren, wenn ein Diener der Kirche solche Pläne nur aus persönlichem Hader hintertreibt?“ bohrte er scheinheilig weiter, während sich Restufan sichtlich bemühte, endlich auch einmal zweidimensional zu denken. „Wahrscheinlich nicht, zumal diesem Diener der Kirche dann wohl auch die finanzielle Unterstützung durch seine Familie ermangeln würde.“ beantwortete er seine Frage mit so deutlich drohenden Unterton selber, dass Restufan nunmehr schon deutlich kleinlauter und mit beinah schon kindlichem Trotz einwandte, dass der alte Tilaisani trotzdem nicht eidbrüchig werden würde. „Dann wird wohl der junge Tilaisan alsbald das schwere Amt von seinem Oheim übernehmen müssen, damit die Tilaisans nicht ins Unglück gestürzt werden.“

„Ins Unglück gestürzt werden, Bruder? Überschätzt Du da nicht doch ein wenig Deine Macht?“ Seine Schwester war fürwahr eine durch und durch bösartige Person, aber hier half sie ihm: „Das Schicksal, liebe Schwester, meint es hier gut mit UNS. So gibt es doch stichhaltige Beweise, dass die Gebeine des Heiligen Arrando, welche in Letran als Reliquien verehrt werden und den Tilaisani ein erkleckliches Einkommen sichern, mitnichten von jenem stammen können UND diese Beweise befinden sich in meinem Besitz“, triumphierte er mit einem Seitenblick auf Restufan auf. Doch dieser polterte nicht, wie er es erwartet hatte sofort los, sondern forderte, dass ihm jene Beweise überantwortet würden, damit er in Arivor die Kirche vor weiterem Schaden durch diesen Frevel bewahren könne. War Restufan nun doch ein besserer Spieler oder einfach nur noch dümmer als er angenommen hatte?

Doch war dies eigentlich nicht von Belang: „Nein Vetter, dies wäre doch äußerst - ich möchte sagen - unklug, würden die Beweise dort doch einfach nur vernichtet werde, DENN“, er erhob seine Stimme um das Aufbegehren des Rondra-Geweihten zu übertönen, „auch die Kirche unserer Herrin Rondra spielt in dieser Affäre eine unrühmliche Rolle und so würde es niemand von Nutzen sein. Vielmehr zum Schaden befürchte ich.“ Restufans Gesichtsfarbe nahm in kurzer Zeit verschiedenste Schattierungen an bis er resigniert erklärte: „Dann soll es mir gleich sein, verfahrt, wie es Euch belieben mag, Vetter. Ich werde Euch nicht im Wege stehen.“ „Nein Restufan, Du wirst uns sogar auf’s Kräftigste unterstützen, wenn Teile unserer Truppen gen Letran maschieren, wirst Du sie führen!“ Der Blick seines Vetters wanderte unruhig hin und her. Es gab für ihn und sein törichtes Ehrgefühl keinen Ausweg mehr, er musste sich für oder gegen seine Familie und Karriere entscheiden, was er schließlich mit einem leisen „Gut“ auch tat.


Der Hund, Castello Weilenschein:

Wollte der Aufruhr im Hof denn heute gar kein Ende nehmen? All diese Zweibeiner die am Tag zuvor und am Morgen angekommen waren, schienen sich jetzt alle auf einmal auf den Weg zu wollen. Und als ob dies nicht schon genug ihre Laune verschlechtert hatte, liessen sich just in jenem Augenblick auch diese beiden vorwitzigen jungen Rüden wieder blicken. Offensichtlich schienen die beiden noch nicht aufgegeben zu haben.


Damion von Weilenschein, Castello Weilenschein:

Schon das zweite mal an diesem Tag blickte er davoneilenden Kutschen nach. Doch grübelte er diesmal nicht, nein er war in beinah euphorischer Laune. Hatte er doch die erste und so hoffte und glaubte er, schwerste Schlacht seines Feldzuges erfolgreich geschlagen. Und nicht einmal mehr der Baron, von dessen Zustand zur Zeit niemand wusste, würde ihn jetzt noch aufhalten können.


Maricio von Weilenschein, Conetabel von Terubis, Südterubien:

Zwei berittene Späher berichteten, dass ein Zug Bewaffneter wohl in einer halben Stunde die Anhöhe würde passiert haben. Er schickte einen von Ihnen direkt weiter zu Ricardo, welcher die Aufgabe hatte, den Efferdiern den Rückzug auf die Anhöhe zu verstellen, mit der ausdrücklichen Anweisung erst dann sein Versteck zu verlassen, wenn auch der letzte des zu überrumpelnden Zuges die Anhöhe passiert hatte. Ricardo war ein guter Junge, doch leider noch ein recht junger Heißsporn und oftmals ein wenig zu ehrgeizig, fast so wie sein Vater. Ob auch wirklich alles so gut bedacht war, wie Damion es dargestellt hatte? Er hatte seine Zweifel. Aber es konnte ihm egal sein, sein persönliches Risiko war eher gering und die Leitung einer solchen militärischen Aktion war ihm allemal lieber, als das rondraianische Gewäsch von Baron Rinfa zu ertragen.


Calliana, eine Schmiedin aus Ranaqídes, Südterubien:

So war es viel besser. Die Hauptfrau hatte den ranaqídischen Zug weit zurückfallen lassen, so dass man nicht mehr den Staub der voran maschiernden Truppenteile schlucken musste. Sie hatte ihrem Landwehrbanner sogar erlaubt, die Marschformation ein wenig zu lockern, so dass sie und ihre Kameraden beinah‘ gemütlich hinter der Kutsche des Signors daherlaufen konnten, während die Hauptfrau mit den anderen Berittenen den Abschluss bildeten. Wenn sie bloss nicht diesen vermaledeiten Vorschlaghammer hätte mit sich herumschleppen müssen. Innerlich ihren Vater verfluchend überlegte sie für einen Augenblick ernsthaft, das Angebot des neben ihr trottenden Effredos anzunehmen, der ihr artig angeboten hatte, das verfluchte Ding für sie zu tragen. Aber nein, zum einen würde sie sich diese Blösse niemals geben wollen, zum anderen war Effredo zwar wirklich ein hübscher Junge und als Schäfer auch recht gut zu Fuss, doch auch ein wenig schmächtig.

Sie hatten beinahe den höchsten Punkt der Anhöhe erreicht als der Kutscher plötzlich die Kutsche zum Stehen brachte, wodurch der ihr kleiner Zug ins Stocken geriet und sie wie einige andere auch auf ihren Vordermann auflief. Während sich noch mancher aufrappelte und sie alle versuchten, den Befehl der Hauptfrau wieder Marschordnung einzunehmen nachzukommen, galoppierte diese schon an ihnen vorbei, wohl um in Erfahrung zu bringen, weshalb man auf einmal gehalten habe.


Maricio von Weilenschein, Conetabel von Terubis, Südterubien:

Warum war das Hornsignal Ricardos noch nicht zu hören? Er sollte doch dem Trupp den Rückzug abschneiden und dabei das Angriffssignal absetzen. Jetzt war der zu schon so nahe, dass alsbald die Vorhut an seinem Hinterhalt vorüberziehen oder noch schlimmer, diesen entdecken würde. Er musste eine Entscheidung treffen und zwar schnell. Er fühlte dieses dringende Bedürfnis Wasser lassen zu müssen, wie er es immer tat, wenn er vor eine wichtige und nicht mehr rückgängig zu machende Wahl gestellt wurde. Egal, es war allemal besser die Initiative zu haben ...

Das Hornsignal erschallte und seine Soldaten stürmten los. Inständig hoffend, dass Ricardo es richtig deuten würde und auch danach handelte, gab auch er seinem Pferd die Sporen. Wenige Augenblicke später wusste er, dass er zu spät gehandelt hatte. Zwar würde es seinen Fusstruppen gelingen, in einem weiten Halbkreis die Strasse zu besetzen, doch hielt sich die davon verursachte Unordnung im Zug in Grenzen. Der Leuitnant, der den Zug befehligte, war sogar schon in der Lage, seinen den Zug im Norden umreitenden Cavallieri seinerseits Reiterei entgegen zu schicken, was sicherlich eine schnelle Einkesselung verhindern würde. Bemerkenswert kaltblütig für einen Befehliger über ein Halbschwadron Gardereiter, einen bunt zusammen gewürfelten Haufen Söldner und ein paar Landwehrleute. Wo war sie eigentlich, diese Landwehr mit der Karosse des Signors von Ranaqídes? Natürlich, das hatte Ricardo abgehalten. Die Ranaqider waren nicht zu sehen. Waren die Efferder vorgewarnt worden? Sie hatten noch nicht einmal Späher ausgesandt. Unwahrscheinlich also. Trotzdem schnürte es ihm allmählich die Kehle zu. Wo waren die Ranaqíder?


Calliana, eine Schmiedin aus Ranaqídes, Südterubien:

Es war auf einmal alles sehr schnell gegangen: Die Hauptfrau hatte ihnen befohlen, sich im Eiltempo am Straßenrand zu verteilen, um einen Rückzug zu decken und dem Signor angeraten, doch aus der Kutsche auf ein Pferd zu wechseln. Dessen „Ist das wirklich nötig?“ hatte diese dann mit einem so harschen „Ja, natürlich!“ beantwortet, dass sie vor Überraschung beinahe gestolpert wäre. Nun standen sie also am Straßenrand und betrachteten die Bewaffneten, die sich nunmehr nicht mehr so viel Mühe gaben unentdeckt zu bleiben. Hinter ihr galoppierte einer der Söldner Richtung Norden, wohl um die Anderen zu warnen. Sie hoffte inständig, dass es zu keinem Kampf käme. Die Bewaffneten auf der anderen Seite sahen gut gerüstet aus und waren wohl auch besser im Kämpfen und TÖTEN ausgebildet als ihr Trupp mit seinen zwei Wehrübungen im Jahr.


Maricio von Weilenschein, Conetabel von Terubis, Südterubien:

Sie hatten sich verspätet, ganz ordinär verspätet und daran drohte nun dieser extraordinäre Plan zu scheitern. Er biss sich vor Wut auf die Unterlippe. Er zwang sich zur Ruhe, denn erneut stand ein schwere Entscheidung an. Sollte er angreifen und auf ihre Überlegenheit an Zahl und Ausrüstung vertrauen oder anerkennen, dass sich die Efferder, die sich auf die Hügelkuppe zurückgezogen hatten, die bessere Stellung hatten und um Verstärkung schicken? Nein dieser Schmach würde er sich nicht aussetzen. Blieb also nur der Angriff, da sein gegenüber nicht gewillt war sich zu ergeben. Dafür gab es leider nun auch wirklich keinen Anlass. Lächerliche zwei Mann Verluste hatte die Gegenseite durch ein kleines Scharmützel an der Westflanke und durch die Armbrustschützen bis jetzt. Er blickte auf und schaute auf Ricardo, der ihn abschätzend musterte. „Stier mich nicht so an!“ hätte er ihn am liebsten angebrüllt. Erst jetzt wurde ihm klar, warum Damion Ricardo mit hierher geschickt hatte. Nicht damit der Junge ein wenig vom Kriegshandwerk lernte, sondern um ihn zu überwachen. Erneut brandete ein Gefühl ohnmächtiger Wut in ihm auf. Trotzdem bemühte er sich das folgende möglichst gleichmütig klingen zu lassen: „Gut, wenn ein Plan fehlschlägt, sollte man immer noch einen zweiten haben. Ricardo, Du wirst mit Deinen Mannen den Hügel im Osten umgehen und die Efferder von Süden her angreifen! Gleichzeitig werden wir sie von hier aus in die Zange nehmen. Du hast eine Stunde Zeit, aber warte bis von hier aus das Signal zum Angriff gegeben wird! Du hast eine Stunde Zeit also eil‘ Dich und halte Dich bis dahin bedeckt!“


Calliana, eine Schmiedin aus Ranaqídes, Südterubien:

Sie stand nah‘ zu ihren Befehlshabern, so dass sie deren Gespräch mit anhören konnte. „Mich ein zweites Mal zurückzuziehen“, sagte der Gardehauptmann, „ist zwar gar nicht zu meinem Plaisier, Verehrteste, viel lieber täte ich diesen lächerlichen Haufen da unten mal eine kräftige Lektion erteilen. Doch leider sind wohl insbesondere Eure TRUPPEN dafür denkbar ungeeignet.“ Ihre Hauptfrau schnaufte ebenso vernehmlich wie sie es tat. Doch wohl im Gegensatz zu ihrer Hauptfrau war ihr ihr eigenes Leben wichtiger als die Ehre der ranaqíder Landwehr. Der Hauptmann erstickte jedoch das Aufbegehren sogleich im Keim: „Sei’s drum, schliesslich habt Ihr ja diesen Vorschlag gemacht. Ziehen wir uns also in diese Festungsruine zurück, bevor sich unsere Gegenüber noch irgendetwas einfallen lassen. Und hoffen wir das unsere Boten durchkommen und uns alsbald Entsatz geschickt wird.“


Baronin Elanor von Efferdas, Arivorien:

Allmählich begannen ihre Kaumuskeln zu schmerzen. Das lag daran, dass sie, seit sie auf Schwarzzack von dem dreisten Überfall auf ihre Truppen erfahren hatte, vor Wut die Zähne fest aufeinander gebissen hatte. Diese verfluchten Westfar-Weilenscheins! Der alte Viburn hat wohl über die Jahre genug beiseite schaffen können, um es nunmehr seinem Neffen zu ermöglichen mit grosser Truppenzahl auch noch ihr Efferdas zu überfallen. Diese leidigen Streitereien mit Terubis. Dabei hatte sie gedacht, mit Baron Rinfa endlich einvernehmlich geklärt zu haben, dass Letran schon immer zu Efferdas gehört hat und immer gehören wird. Vor einigen Jahren schon hatte sie am Rande des Cronkonventes mit dem Baron darüber konferiert, worauf Terubis mit den Drohgebärden an der Grenze geendet hatte und sie als Geste guten Willens und des Friedens ein Halbbanner Söldlinge abberufen hatte. Und jetzt waren sogar terubische Truppen gen Letran in Marsch gesetzt, wenn man den Nachrichten trauen konnte. Immerhin schien der Baron durch den Fenstersturz entlastet zu sein. Wusste man doch noch nicht einmal, ob er überlebt hatte. Oder war dies nur eine Inszenierung? Oder waren gar die Weilenscheins trotz der verwandtschaftlichen Bande die Drahtzieher des Anschlags? Weitaus mehr beschäftigte sie jedoch die Frage, ob auch nach ihrer überstürzten Abreise aus Shumir dort alles so wunderbar nach Plan verlaufen würde wie bisher. Zwischen den Fronten hatte sie ihr eigenes gewinnbringendes Spiel gespielt. Große Teile der Baronie waren ihr, wenn auch nur kommissarisch in die Hand gefallen. Nun hätte es eigentlich gegolten die Position zu sichern. Nur eine Stunde vor dem Eintreffen der Nachricht hatte sie Prinz Ralman im Vertrauen erzählt, dass ihr Bruder Ebius alsbald Rondrajane von Treuffenau-Verliris ehelichen würde. Dies würde NATÜRLICH mitnichten ihre Unvoreingenommenheit als Vermittlerin zwischen den Parteien schmälern, hatte sie noch hinzugefügt. Und der Prinz hatte ein Gesicht gemacht, als ob er ihr nicht glauben würde. Genau so hatte sie es sich ausgerechnet. Und jetzt diese hesindegestraften Weilenscheins!

Sie gab ihrem Pferd noch einmal die Sporen, da sie so schnell als denn möglich in Efferdas sein wollte. Ebius war ein guter Junge, aber mit dem Kommenden sicherlich mehr als überfordert. Darum hätte sie den Vorausreitenden ihrer Bedeckung auch am liebsten auf der Stelle degradiert, als dieser das Zeichen zum Halt gab. Sie konnte sich zwar gerade noch beherrschen aber ihr „Was ist?“ war doch schon mehr als harsch. „Vor, Vor uns befindet sich ein Lager, Euer Hochgeboren“, stotterte der Soldat auch einigermassen verschreckt. „Und warum halten wir deswegen, Soldat? Ist Euch nicht klar, dass Eile geboten ist?“ „Doch, es ist nur, weil es wohl aufständische Bauern sind, Herrin und ...“ „Und?“ „Wir wohl besser einen kleinen Umweg in Kauf nehmen sollten, Baronin“, fasste sich der Leutnant ein Herz. „Wegen diesem verachtungswürdigen Pack einen Umweg in Kauf nehmen, Leutnant? Niemals! Wenn sie uns aufzuhalten wagen, werden wir ihnen eine kleine Lektion erteilen.“ Sie fühlte sich wie in alten Zeiten, als sie keinem Streit aus dem Weg gehen mochte. Ihre Laune begann sich bereits merklich zu heben. „Aber, Euer Hochgeboren, sie sind uns sicherlich fünffach überlegen und ...“ „Aber nur an Zahl, wofür bezahle ich eigentlich Euren Sold? Um im entscheidenden Moment das Löfflerpanier zu ergreifen? Habt ihr keine Ehre am Leib?“ Der letzte Satz war der entscheidene, jeder einzelne in ihrer Garde hielt viel auf seine Ehre. Ohne weitere Diskussion stellte der Leutnant den Trupp so auf, dass zum einen die Vorteile der Kavalleristen gegenüber dem Fussvolk trefflichst zum tragen käme, als auch sie, wie sie amüsiert feststellte, bestmöglich geschützt würde. Doch sie würde keine falsche Vorsicht walten lassen, sondern ihren Soldaten beweisen, dass sie ihr Rapier trefflich zu führen verstand. Dies würde ihr nur zusätzlichen Respekt unter den Soldaten einbringen. „In verhaltenem Galopp, Marsch!“

Auch die Aufständischen schienen sie nun bemerkt zu haben, aufgeregt lief alles durcheinander und suchte nach seinen improvisierten Waffen. Ein paar, die sich wohl zu Anführern aufgeschwungen hatten, brüllten irgendwelche Befehle und führten sich wie lächerliche Popanze auf. Einige dieser Bauernlümmel erdreisteten sich tatsächlich, auf der Strasse Aufstellung zu nehmen, um sie am Weiterritt zu hindern. Das genügte nun wirklich. „Auf sie!“ rief sie, zog ihre Waffe und gab ihrem Fuchs die Sporen.

Sie wandte ihr Pferd und schaute sich um: Der erste Angriff hatte bereits einigen dieser Perainejüngern das Kriegspielen sicherlich nachhaltig, wenn nicht endgültig ausgetrieben. Sie selbst hatte einem dieser Möchtergernhauptleute das Rapier durch den offenstehenden Mund gezogen, so dass dieser wohl nun nicht mehr irgend etwas brüllen konnte. „Ihr Fünf, wir greifen noch einmal auf der Strasse an! Leutnant, Ihr deckt unsere linke Flanke und dreht hernach ab, anschliessend nehmen wir sie von zwei Seiten in die Zange!“ „Ja, Baronin!“ Nicht die korrekte Titulatur, aber die Kampfeslust hatte den Mann ergriffen. Gut so! Erneut trieb sie ihr Ross voran. Die schweren Reitersäbel ihrer Gardereiter an ihrer Seite hielten blutige Ernte unter den Bauernpack. Manch einer von ihnen wandte sich schon zur Flucht. Doch aus dem Augenwinkel sah sie, wie einer, den der Mut wohl noch nicht verlassen hatte, seine Sense der Soldatin zu ihrer Rechten -Dimiona, wenn sie sich nicht irrte- tief in die Brust schlug. Das wirst Du büssen, Junge! Sie wandte ihren Fuchs und galoppierte auf den Mann zu, um ihm ihre Waffe tief in die Eingeweide zu rammen. Um die Waffe hernach aus seinem stinkenden Leichnam zu ziehen, würde sie schon genug Zeit haben.

Irgend etwas traf sie am Kopf. Durch die roten Nebel, die sie während ihres Sturzes vom Pferd umfingen, dröhnte eine Stimme, die ihr auf absonderliche Art vertraut schien: „Schwerer Treffer, mach´ ma´ ´ne Selbstbeherrschungsprobe, ob Du nicht bewusstlos wirst!“


Olaf Tomaszewski