Archiv:Merkwürdiges Treibgut (BB 30)

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Merkwürdiges Treibgut

von Damaxis di Minelli

Der zweite Rondra wird der Hafengarde von Ruthor wohl noch etwas länger in Erinnerung bleiben. Zunächst noch ihrem üblichen, nicht gerade aufregendem Tageswerk nachgehend erblickten sie zur Nachmittagsstunde mehrere Segel, welche eilig Kurs gen Hafen nahm. Dies sollte als bald für Unruhe sorgen, zum einen weil eins der beiden Schiffe eine dreimastige Schivone war, dessen garethisch-kaiserliches Banner sie klar als eines der aus der meuternden Nordflottilie auszeichnete, zum anderen weil diese Schivone Jagd auf ein kleines Segelboot gemacht hatte, welches nun Schlangenlinien fahrend und Ballast abwerfend ihr Heil im Hafen von Ruthor suchte. Es konnte sich dabei nicht um erfahrene Seefahrer handeln, denn sie signalisierten per Flaggensprache so deutlich, dass es sich um wichtige Adelige handeln würde, dass dies zu einem noch energischeren Bombardement der ex-kaiserlichen Schiffsarmorie sorgte. So kam es, wie es kommen musste, ein Geschoss einer Hornisse oder Rotze sorgte für ein Leck am Schnellboot und je näher es dem Hafen kam, so mehr gewann es an ungewollungewolltem Tiefgang. Für ein Gros der Schiffsbesatzung blieb kurz vor Erreichen des Piers dann auch nur noch der Sprung ins Wasser. Einzig eine junge Frau klammerte sich am Mast des immer weiter sinkenden Seglers, in der Hoffnung, doch noch den Pier zu erreichen. Und tatsächlich, Phex war ihr hold, denn obwohl das Schiff bis zu seinem Mast im Wasser verschwunden war, konnte ein einziger eleganter Schritt vom Ausguck hinüber zum Pier das Nasswerden der Dame verhindern ... fast. Denn dummerweise hatte der letzte Rest des Seglers noch so viel Fahrt, dass die Dame die Langsamkeit eines festen Bodens überschätzte und so nach einigen weiteren uneleganten Schritten doch im Wasser des Ruthorer Hafens landete. Doch da war die „Rote Hafengarde zu Ruthor“ schon hellwach und warf mit ihren Bojen nach den Schiffsbrüchigen, um sie so sicher an Land zu ziehen.

Die Überraschung war auch nicht gerade klein, als man feststellte, wen man da aus dem Hafenbecken gezogen hatte. Die unglückliche Dame war die hohe Dame Larissa Caliocca, Zofe von Alissa Vistelli, welche im benachbarten Sewamund zur selben Zeit gerade ihre Brautschau ausrichtete. Und auch der Rest der Seefahrer war nicht minder prominent. So war nicht nur mit Viviona ya Pirras, der Comtessa zu Belhanka immerhin eine der Juroren besagter Brautschau an Bord, sondern mit dem Baron zu Bethana, Ralhion Croenar von Aralzin und Selzin-Bethana und dem Erbhofcanzler Sewamunds, Baronet Anvher Glaciano Salveri di Punta zwei Bewerber um die Hand der Schönen Alissa anwesend. Die Besatzung komplettierten zwei Nordmärker Adelige, Riobhan Beregis von Dreihenhof, Baron zu Galebquell und Sheila Myrdano Mierfink, die Vögtin von Trappenfurten sowie die Tsageweihte Tsafira, welche sich schnell auch für den Auslöser dieses seltsamen Unglückes herausstellte.

So folgten die Damen und Herren der Geweihten in recht delikater Absicht auf offene See. Die Geweihte lehrte einst eine Frau namens Alissa Vistelli, welche sich dann in jungen Jahren gänzlich dieser Kirche hingeben wollte und entsprechend auch erklärte, auf all ihr weltliches Gut für immer zu verzichten. Zu ihrem Einstieg ins Noviziat war Alissa jedoch – ganz der Herrin Tsa gefällig – nie erschienen. Allein, die Adeligen fürchteten nun, dass besagter Anspruchsverzicht sie bei ihrem Werben um Alissas Hand stark benachteiligen könnte. Denn was nützt eine Braut ohne jegliche Erbschaft. Schwester Tsafira als Zeugin des damaligen Nichterscheinens sollte nun kurz eine Bestätigung aufsetzen, dass Alissa nie in die Geweihtenschaft getreten ist und als solcher auch der Erbverzicht als nichtig anzusehen sei.

Schwester Tsafira war nur sehr schwer zu finden, hatte sie sich doch zeitgleich in den Kopf gesetzt, auf ihre alten Tage noch einmal zu verreisen. Dabei betrat sie ein im Hafen Sewamunds liegendes Kolonialschiff namens Naira Morena und brachte die Besatzung kurzerhand zum Meutern. Dass die Recken das Schiff dann noch einholen konnten, lag wohl am Engagement der Kapitänin Rajïa Priuli, welche diese Schmach einer meuternden Crew nicht auf sich sitzen lassen wollte. So gelang auf Höhe Ruthor der erwünschte Austausch.

Der Rest ist bekannt, ein drittes Schiff kam hinzu und sorgte somit nicht nur für einige nasse Adelige, sondern auch dafür, dass die Fischer Ruthors in den Folgetagen immer wieder Himbeertörtchen und ähnliches Zuckergebäck aus ihren Netzen zogen. Die Leibspeise des Erbhofcanzlers di Punta. Er hatte wohl in seiner Not die geliebte Fracht über Bord werfen müssen. Anvher di Punta wollte sich auf Anfrage nicht darüber äußern, aber in Ruthor spricht man wohl noch lange vom süßesten Untergang aller Zeiten. Dass die Dame Alissa dann dennoch heiraten durfte, dürfte die Recken allerdings über diese unbequeme Hafeneinfahrt sicherlich hinweggetröstet haben.