Briefspiel:Überraschung in Oberfels

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Stadt Unterfels.png Briefspiel in Unterfels Stadt Unterfels.png
Datiert auf: Anfang Praios 1039 BF Schauplatz: Oberfels Entstehungszeitraum: Juli/August 2015, August 2016, Januar 2017, November-Dezember 2017
Protagonisten: Mondino von Calven, Erlan Sirensteen, Shahane Sforigan y Scheffelstein, Rimon Sâlingor Autoren/Beteiligte: Horasreich-klein.png Athanasius, Calvenschwarz.png Calven, Haus Sirensteen.png Erlan, Haus della Trezzi.png Dellatrezzi

Die Überraschung in Oberfels berichtet von einem überraschenden Besuch in Oberfels - und der damit verbundenen Entwicklung.


In einer Praiosnacht, in Oberfels

Autor: Erlan

Die Stimmung in Oberfels war immer noch angespannt. Es war zwar schon rund anderthalb Jahre her, dass in Person von Rimon Sâlingor die Bomeder Grafenfrage geklärt wurde, aber seit rund vier Monaten gab es mit Erlan Sirensteen auch noch einen neuen Baron vom Yaquirbruch und die hiesige Signoria, der Oberfelser Rat der Patrizier, musste feststellen, dass ihre faktische Macht tatsächlich an den - engen - Grenzen der Landstadt endeten. Das war man so in den vergangenen Jahren nicht gewohnt, denn auch wenn nominell der eine oder die andere Anwärter/in auf den Grafenthron die Kontrolle über Oberfels ausübte, ließ man doch inzwischen - nach einigen unschönen Vorfällen - die Stadtgesellschaft in Ruhe schalten und walten. Daher grollten einige in Oberfels ob der neuen politischen Situation immer noch.

Der Schankraum im Keller war leer - nur an einem Tisch saßen zwei Männer noch vor ihren Pokalen und starrten in die Ferne. Einer der beiden Männer unterbrach dann die Stille: "Hesindian, wir müssen uns damit abfinden." Der Angesprochene schüttelte den Kopf und antwortete: "Ich will mich damit aber nicht abfinden. Da kommt jetzt der Gräfling daher und setzt uns einen Baron in den Palazzo - und der maßt sich an, uns hier 'reinreden zu wollen. Das kannst Du doch nicht gut finden!"

"Darum geht es doch gar nicht! Aber es ist doch gut, wenn endlich Frieden herrscht. Es kann doch nicht Dein Wunsch sein, dass wir stolzen Oberfelser immer in Angst vor einer erneuten Eroberung leben müssen."

Hesindian: "Ach... und das können der Baron und der Graf garantieren?"

Sein Gegenüber resignierte langsam aber sicher: "Aber ein Horasio konnte das? Eine Josmina konnte das?"

Bevor es zu einer Antwort kam, öffnete sich eine Tür und eine Schankmaid stürmte herein: "Der Schwarzfisch ist in der Stadt!"

Beide Männer schauten sich überrascht an und blickten die Schankmaid fragend an, die direkt fortführte: "Der Timon hat's berichtet! Er hat den Schwarzen Calven in der Nähe des Palazzos gesehen! Er ist wieder hier, Herr!"

Die Schankmaid schaute nun wiederum ihren Herrn auffordernd an, doch seine Reaktion galt nicht ihr, sondern waren eher laute Gedanken: "Was will er denn hier? Wenn das unser neuer Baron wüsste! Aber der ist ja leider auf Reisen."

Das schien die Schankmagd zu interessieren. "Wisst ihr, wohin er verreist ist?"

Doch Hesindian hatte sich gefasst und erwiderte nur: "Kind, es ist besser, wenn Du Dich nicht um die Angelegenheiten der hohen Herren und Damen kümmerst."


Zur gleichen Stunde - Die Rückkehr

Autor: Calven

Mondino hatte die dunkelste Stunde der Nacht gewählt, um Oberfels zu betreten. Ohne äußerlich erkennbare Zeichen seiner Identität, in einen einfachen Reisemantel gehüllt, hatte er Einlass begehrt. Schließlich war es ihm gelungen, einen müden Wachmann zu überreden, ihn auch nach der Schließzeit durchs Tor zu lassen. Gleich darauf war die Wache mit einer jungen Magd in einer Mauernische verschwunden.

"Mit dieser Moral ist die Stadt im Ernstfall keine halbe Stunde zu halten", schoss es Mondino durch den Kopf. Das sollte nicht mehr seine Sorge sein. Er sog die milde Nachtluft ein und blickte sich um. Die Stadt war in besserem Zustand, als er sie in Erinnerung hatte. Die Schaukelpolitik der Oberfelser Stadtherren hatte sie in der zweiten Kriegshälfte vor dem Schicksal Parseks bewahrt. Die Spuren des Konflikts waren dennoch unübersehbar. Trotz des Friedens, der seit anderthalb Jahren herrschte, waren bei Weitem noch nicht alle Fassaden wieder hergerichtet, die Befestigungsanlagen ohnehin nur ein Schatten ihrer alten Macht.

Der Schwarze Calven steuerte auf das Hotel "Yaquirien" zu. Er dachte über seine Gasthauswahl nach und fand sie noch immer richtig. In einer der Kaschemmen am Yaquir hätte er womöglich einen almadanischer Kopfgeldjäger auf sich aufmerksam gemacht und im "Goldenen Schaf" wäre eine Ankunft mitten in der Nacht sicher Anlass für Gerede gewesen. Im "Yaquirien" war man Gäste von Stand gewöhnt, die ihren Namen nicht verbreitet wissen wollten und die kamen und gingen, wann sie wollten. Dennoch bot es einen gewissen Komfort, genau das Richtige nach dem langen Ritt - auch wenn es ihn schmerzte, sein ohnehin schon leeres Säckel dafür leiden zu lassen.

Von Vinsalt aus war er nicht auf der großen Yaquirstraße unterwegs gewesen, sondern mit seinen beiden Begleitern auf den viel schlechteren Wegen zur Linken des Stromes gen Norden geritten. Fast dauerte es ihn, Castello Arreth nicht besuchen zu können, wo Ronaldo della Pena, dessen Verlobte und vor allem deren kaum minder begehrenswerte Zwillingsschwester lebten. "Ein andernmal, Du alter Levthansjünger", schalt er sich beim Gedanken an letztere.

Dann hatten sie nicht bei Estoria, sondern flussaufwärts bei Bofalia den Tikal überquert, auf Schleichpfaden Estoria mit seinen Brückenwachen umritten, um eine Nacht in den Wäldern östlich von Oberbomed unter freiem Himmel zu verbringen. Dort hatte er sich von Jadira und dem mitgereisten Leutnant der Schwarzen Bestie verabschiedet, um die letzte Wegstrecke nach Oberfels allein anzutreten. Treuffenau und Irendor waren schnell passiert; bei Sta. Beama schlug Mondino sich ostwärts in die Höhen der Goldfelsen, um über das götterverlassene Rûndoc Oberfels von Süden zu erreichen.

Er hatte sich in den Jahren als gesuchter Söldner an die Kunst des Versteckens gewöhnt. Als Miles Horanthis hätte er derlei Umwege und Mummenschanz nicht mehr nötig gehabt, aber Mondino hatte seine Gründe dafür.

Während er über diese nachsann, war das Hotel erreicht. Mit einem Blick über die Schulter vergewisserte er sich, dass er nicht verfolgt worden war. Anscheinend hatte man ihn wirklich nicht erkannt. Als er eintrat, sprang der Lakai am Empfang auf und wollte ihm dienstbeflissen den Mantel abnehmen. Ein finsterer Blick Mondinos ließ ihn innehalten. Der Hotelknecht verstand schnell.

Mondino schlief trotz der Federbetten schlecht und kurz in der Nacht. Als er sich noch vor dem ersten Licht des neuen Tages das Gesicht wusch, erfrischte ihn das kühle Wasser nur wenig. Er fühlte sich wie nach einer Schlacht, dabei lag das Gefecht noch vor ihm. Es war keines von denen, die er zu schlagen gewöhnt war. Der Schwarze Calven zog den Mantel eng um den Leib, als er auf die Straße trat. Es war noch früh und die Stadt war noch nicht vollends erwacht. Das Nordtor wurde von einem verschlafenen Gardisten bewacht. Als Mondino ankam, inspizierte der Wachmann unwillig ein Händlergespann und winkte ihn deshalb durch. Zum Glück trennten ihn nur noch ein paar Dutzend Schritt von seinem Ziel: Palazzo Yaquirbruch, Comto Erlan Sirensteens Sitz als Baron der umliegenden Lande.


Zur gleichen Stunde - Schwere Gedanken

Autor: Erlan

Ruhe. Endlich Ruhe.

Erlan überlegte, wann er das letzte Mal einen richtig ruhigen Moment des Innehaltens hatte. Das musste tatsächlich vor der Reise nach Kuslik gewesen sein, die ihn in Folge dessen in die Goldfelsen, nach Horasia, Arivor und schlussendlich nach Thegûn führte. Fast an jedem dieser Orte waren Dinge geschehen, die für sich genommen schon mehr als besonders waren.

Hätte man ihm im Rahmen des stillen Banketts nach dem Königsturnier gesagt, dass die Geschehnisse während des Königsturniers noch längst nicht das dramatischste sein würden, was er in diesem Jahr erleben würde - er hätte die entsprechende Person ausgelacht.

Er hatte es in den letzten Rahja-Tagen in Thegûn versäumt sich Notizen zu machen, dafür schalt er sich selbst. Das was er danach anfertigte, das waren Erinnerungen, wo er befürchtete, dass er diese - selbst wenn es nur wenige Tage später waren - nicht mehr in Gänze zu Papier bringen konnte.

Je länger er - insbesondere über die Geschehnisse Ende Rahja - nachdachte, umso mehr erinnerte er sich an seine zittrigen Knie, seine stockende Stimme und wie insgesamt gesehen seine ansonsten schon vorhandene Selbstsicherheit so den Bach herunterging, wie das Wasser die Phecadifälle hinterstürzt. Wären seine Begleiter, er korrigierte sich in Gedanken selbst, wären seine Freunde wie beispielsweise Tilfur oder Gishtan nicht dabei gewesen, er wusste nicht, ob er das durchgestanden hätte.

Schließlich hatte er in Thegûn nichts geringeres gemacht als vor einer großen Runde voller gelehrter Damen und Herren dem Horas widersprochen. Egal welche Privilegien er genoß - man widerspricht nicht dem Horas. Erst recht nicht in der Öffentlichkeit.

Doch es war nun einmal seine Pflicht gewesen. Es ist schließlich die Pflicht eines Lehnsnehmer seinen Lehnsherr mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Genau das hatte er gemacht. Ohne an die Konsequenzen zu denken.

Jetzt hatte er Zeit darüber nachzudenken.

Ruhe. Endlich Ruhe. Diese verdammte Ruhe!


Ein alter Bekannter

Autor: Calven

Die Holzvertäfelung löste sich endlich aus ihrer Einfassung. Der Schwarze Calven bekam sie nicht richtig zu fassen und so fiel die Platte mit einem lauten Poltern auf den perfekt gewischten Marmorboden. "Verdammt!", schoss es Mondino durch den Kopf, als er Schritte hörte. Der Weg durch den feuchten Gang unter der Yaquirinsel war anstrengend genug gewesen und sein Mantel ein Fall für den Lumpensammler. Die Holzverkleidung des alten Fluchttunnels war teils aufgebrochen, fingerhoch stand Wasser darin und die Bohlen ächzten besorgniserregend unter der Last des Erdreichs.

Mondino hielt sichernd inne. Doch er hatte Glück, die Schritte entfernten sich wieder aus dem Wirtschaftsbereich des Hauptgebäudes des Palazzo Yaquirbruchs und kurze Zeit später hörte er die knarzenden Treppenstufen die ins Erdgeschoss führten. Der Weg war also frei.

Er ließ den nassen und verdreckten Mantel im Gang zurück, befestigte, allerdings nur lose, die Steinplatte wieder vor dem Gang und wandte sich dann in den Flur nach rechts. An die Wand gedrückt, um sich nötigenfalls in den Schatten der Halbsäulen verbergen zu können, zählte er im Vorbeischleichen die steinernen Bögen. Als er den siebten erreicht hatte, bückte sich Mondino hinunter und strich mit der beringten Hand über einen bestimmten Punkt auf der Wand. Diese schwang lautlos auf, der Schwarzfisch glitt hinein und zog die Pforte sofort wieder zu. Er atmete schwer. Die Luft in dem schmalen Gang war unerwartet warm und staubig.

Nun trennten ihn nur noch wenige Schritte von seinem Ziel. Mondino hielt die Hand am Knauf seinen Langdolchs. Vor ihm, hinter der dünnen Mohagoniwand, lagen die Privatgemächer des Erlan Sirensteen, Baron vom Yaquirbruch.


Die Spitze des Schwertes bricht

Autor: Erlan

Die Ruhe war einerseits beruhigend, endlich konnte man nachdenken und die vergangenen Geschehnisse überdenken. Aber andererseits war die Ruhe erschreckend - denn erst in der Ruhe wurde ihm klar, wie gefährlich sein Handeln war.

Doch der Horas hatte ihm diese Tat verziehen und ihm sogar als Gunstbeweis seinen Siegelring gegeben, den Erlan vorsichtig an seinem Finger drehte. Trotz der schlechten Lichtverhältnisse, es brannte nur das Feuer im Kamin, glänzte der aus Bernstein gefertigte Ring, der als Stein einen Zirkon trug, in dem das Zeichen des Horas eingraviert war. Der ursprüngliche Plan Erlans, den Ring nach der Rückkehr der Expedition in die Khôm zurückzugeben, war an sich nur konsequent. Schließlich hatte ihm der Horas mitgeteilt, dass es keine Gefahr für das Reich geben würde, denn die Reichsinsignien wären sicher in der Hand des Comto Protectors. Doch sollte Erlan die Rückkehr des Horas nicht erleben - denn durch die Kabash-Pforte kamen nur andere überlebende Teilnehmer der Expedition, diese konnten jedoch berichten, dass der Horas von seinem eigenen Vater gerettet wurde. Doch was mit dem Horas war, blieb im Dunklen. Auf der Rückreise von Thegûn musste er feststellen, dass die Gerüchte schneller reisten als er und seine Begleiter. Wo sie auch ankamen, überall hörten sie schon die aberwitzigsten Gerüchte. Am verlässlichsten war da noch die Aussage, wonach der Horas in einen tiefen Schlaf gefallen sei - denn so etwas berichteten auch die hohen Würdenträger, die den Horas auf seiner Expedition in die Khôm begleitet hatten.

"Jetzt hat der Horas einen Streiter für seine Sache", dachte sich Erlan, "aber wer würde es wagen den Horas herauszufordern? Vor allem dann, wenn der Horas anscheinend nicht ansprechbar war."

Seit dem denkwürdigen Tag in Thegûn, wo Comto della Trezzi, Baron re Kust mit seiner Gemahlin, der gorische Emissär Rashid Azeem ben Yarrash ben Bakshi Djassafer Murfali sal Hasrabal abul Djinni al Hyam-Dhazid ay Fasar und er selbst den Horas davor warnten, versuchte Erlan herauszufinden, was mit der brechenden Spitze des Schwertes gemeint sein könnte. Es war ihm klar, dass diese Gefahr symbolisch gemeint war, aber was genau sich dahinter verbarg, wurde ihm nicht klar. Da musste er jemand anderes befragen...


Unerwartetes Aufeinandertreffen


Autor: Calven, Erlan

"Unvorsichtig, Sirensteen." Der Angesprochene, jäh aus seinen Gedanken gerissen, fuhr herum. "Ich meine, die Gänge nicht neu zu sichern." Mondino zog den Dolch fast spielerisch halb aus der Scheide. "Es wäre nicht allzu schwierig gewesen, eurem Leben ein Ende zu machen." Er trat entschlossen zwischen Erlan und die Tür.

"Und immer noch wäre es nicht schwer. Die Dienerschaft ist anderswo beschäftigt. Keiner würde euch hören." Er grinste und schien sich daran zu ergötzen, dass Erlan um seine Fassung rang.

Doch der Baron war nicht umsonst in diplomatischen Diensten des Reiches. Er fasste sich augenblicklich und erwiderte: "Ich bat Euch um eine diskrete Anreise. Fürwahr, diesen Wunsch habt ihr erfüllt!"

"Ihr seid nicht zu Scherzen aufgelegt. Sei's drum, dann wollen wir das Geschäftliche etwas vorziehen." Mondino nahm die Hand vom Dolch und sah sich in dem Zimmer um.

"Schaut Euch ruhig um, Ihr kennt Euch hier ja aus. Viel wurde nicht geändert. Ich empfand es als der Göttin Travia angemessener, mich um den Wiederaufbau zerstörter Gebäude zu kümmern, damit das Volk wieder ein festes Dach über dem Kopf hat, denn Zierrat für die Repräsentation zu erwerben. Deswegen wurden auch die Gänge bisher nicht gesichert. A propos: Der Fluchttunnel, den ihr gerade genutzt habt, sollte in Kürze überprüft werden. Wie ist denn der Zustand des Tunnels? Also abgesehen davon, dass es dort etwas feucht ist." Bei diesen Worten schaute der Baron etwas spöttisch lächelnd auf den Boden, wo die schweren Stiefel des nächtlichen Besuchers eine deutliche Spur hinterlassen hatten.

Noch bevor Mondino antworten konnte, stand Erlan auf und wies seinen Gast auf den gegenüberstehenden schweren Lehnstuhl hin. "Setzt Euch doch. Wenn man kratzbuckelnd durch die Gänge umherstreift, dann sollte man sich es erstmal bequemer machen." Während Mondino den ihm anempfohlenen Platz annahm griff Erlan nach zwei Pokalen und einer Flasche. "Yaquirbrucher, 1037. Ein gutes Jahr." Und in Gedanken ergänzte er für sich: "Nicht nur auf die Trauben bezogen."

Nachdem er seinem Gast eingeschenkt hatte ging Erlan die paar Schritte zu seinem Lehnstuhl zurück, goss sich selbst in seinen gläsernen Pokal etwas ein und hielt das Glas in Richtung seines Gegenübers und deutete ein Anstoßen mit den Worten "Auf den Horas!" an. Erlan ertappte sich kurz bei dem Gedanken, dass er argwöhnisch auf eine negative Reaktion Mondinos hoffte und schalt sich einen Augenblick später dafür. Dem Streiter des Horas da mangelnde Loyalität zu unterstellen war absurd.

Mondino setzte sich. Der Raum war tatsächlich kaum verändert. Hier drinnen gab es also keinen Unterschied zwischen Krieg und Frieden. Mondino lächelte schief, als er den Pokal annahm und replizierte: "Auf den Horas. Und den Frieden." Der Trunk tat gut, auch wenn er Wein zu so früher Stunde lange nicht mehr getrunken hatte. "Das letzte Mal am Morgen nach Horasios Hinrichtung", schoss es ihm durch den Kopf. Da schien alles zu Ende gewesen zu sein. Seitdem bemühte er sich stets, einen klaren Kopf zu behalten, denn er hatte jahrelang wachsam sein müssen.

"Als diese Trauben reiften, kämpften wir noch mit ungewissem Ausgang. Als die Lese vollendet war, riss Horasio unweit von hier in Stücke. Und als der Wein fertig gekeltert war, da war der Grafenstreit nur noch Geschichte. Nun trinken wir ihn miteinander. Bemerkenswert. Ein guter Tropfen, jedenfalls. Ich nehme das als Zeichen Eurer guten Absichten." Da fiel Mondino auf, dass er gar nicht mehr am Wein gerochen hatte, um einen möglich Gifthauch wahrzunehmen. Auch ihn hatte der Frieden langsam eingeholt.

Er setzte fort: "Sirensteen, Ihr seid klug genug, um zu wissen, dass mich nicht mein Herz hierher führt." 'Das tut es doch', sagte etwas tief in Mondino. Er schüttelte das Gefühl ab."Wir beide genügen einem höheren Befehl und unserem Verstand."

"Wohl gesprochen, Calven. Und das wir diesen Wein jetzt gemeinsam genießen können sehe ich auch als ein gutes Zeichen. Ebenso, dass ihr die Klinge Eures Langdolches inzwischen bedeckt habt. Seit Arivor ist einige Zeit vergangen. Und ich möchte Euch weiterhin die Hand reichen. Nicht den Handschuh der Fehde." Erlan blickte Mondino an, doch dieser schwieg, so dass Erlan wieder ansetzte:

"Wenn der Streiter des Horas nicht gerade in seinem Namen durch das Reich reist, sollte er nicht in irgendwelchen Kaschemmen oder Feldlagern residieren. Ein Ort, den man Heimat nennen kann, ist doch etwas, was ein jeder Mensch benötigt. Vielleicht mag ich Euch im Osten des Yaquirbruchs eine neue Heimat verschaffen - ganz im Sinne der gütigen Frau Travia. Doch wir dürfen dabei nicht ihren himmlischen Bruder vergessen - Urteile im Namen des Götterfürsten Praios sind zu akzeptieren. Ich denke der Miles Horanthis sieht dies genau so..."

Mondino hörte aufmerksam zu. Das Ganze schien einen interessanten Verlauf zu nehmen. Heimat - was bedeutete das? "Ich bekenne, dass ich beiden in den letzten Jahren bei Weitem zu wenig gehuldigt habe. Ihre anderen Geschwister standen mir näher. " Er nahm einen weiteren Schluck von dem kräftigen Roten. "Natürlich sind die Zeiten jetzt andere als in den letzten Jahren. Ich bin bereit, beiden die ihnen gebührende Ehre zukommen zu lassen. Und eure Hand anzunehmen, natürlich. Ich ahne, dass ihr einen ganz konkreten Vorschlag im Herzen habt." 'Im Osten, was heißt das?', dachte sich Mondino, 'der Herr von Corden und Hohensteyn sitzt zwar nicht mehr im Kronrat, aber das wäre, auch wenn der Gräfling hinter dem Vorschlag stecken mochte, eher unwahrscheinlich. Und Yaquirkuppens Herr ist der Comto Ravendoza...' Ihn schauderte. 'Mit was für einem Blatt will er reizen?'

"Nun, vielleicht solltet ihr einfach mal den Alveranidendom in Unterfels besuchen. Dann könnt ihr alle zwölfgöttlichen Geschwister ehren, wie es Ihnen gebührt. Wusstet Ihr, dass im Dom eine jede Kapelle von einer anderen Unterfelser Familie unterstützt wird? Das Haus Sirensteen hat die Ehre der Göttin von Heim, Familie und Gastfreundschaft die Heimstatt im Alveranidendom zu ermöglichen. Ihr solltet dort mal hineinschauen, denn ... ach, ich denke da können wir auch ein andermal drüber reden."

Mit diesen Worten stand Erlan auf und ging zum Schreibtisch, auf dem zahlreiche Folianthen, Pergamente und dergleichen lagen. Er bedeutete Mondino, dass er sich zu ihm begeben sollte. "Irgendwo hier war sie doch... ah, da ist sie!" Erlan reichte seinem Gast eine Pergamentrolle, die, nachdem Mondino sie aufrollte, die Umrisse des Yaquirbruchs und der einzelnen Herrschaften zeigte.

"Hier schaut, dort weiter gen Rahja, dort liegt die Herrschaft Trecentia."

Der Baron ging wieder zurück zu seinem Lehnstuhl und nachdem er sich noch Wein nachschenkte, setzte er sich wieder hin. Mondino saß inzwischen auch wieder und blickte nachdenklich auf die Pergamentrolle mit der Karte.

"Was wisst Ihr von Trecentia?" fragte Erlan sein Gegenüber.

"Nur so viel, als dass es nicht lohnt, viel darüber zu wissen. Schafe, Steine, ein paar eigenbrötlerische Bauern und vor allem haufenweise schlechtgelaunte Novadis. Am Horizont Amhallah, gegenüber misstrauische Almadaner. Und dann gibt es das noch diese Zollfestung, ich bin mit Horasio einige Male dort gewesen. Immerhin irgendein Außenposten der Zivilisation."

Mondino lachte rauh. Es sollte souverän klingen, aber er verschluckte sich, sodass das Ende in ein unbeholfenes Gepruste überging. "Trecentia scheint mir mehr ein Begriff auf der Landkarte als eine echte Einheit. Jedenfalls, seit die Horaslegion da nicht mehr aufräumt." Er trank einen weiteren Schluck und blickte direkt in Erlans Augen. "Ihr wollt Euch mit einem Niemandsland meinen Segen erkaufen?"



Das Abwägen von Argumenten


Autor: Calven, Erlan

Erlan wusste jetzt nicht, ob er schmunzeln sollte (denn im Grunde genommen hatte Mondino recht) oder sich aufregen sollte - denn natürlich war das keine angemessene Reaktion. "Verschluckt Euch nicht! Ein solcher Zwischenfall wäre nicht nur für Euch unschön, sondern auch für mich. Ich verstehe natürlich was ihr sagen wollt, aber ..." - Erlan hob seinen Weinpokal, nahm einen Schluck um dann den Pokal zu begutachten. Oder aber primär um Zeit zu gewinnen, bevor er seine Rede fortsetzen konnte.

"Natürlich ist Trecentia nicht mit Unterfels oder Oberfels zu vergleichen. Und ja, es ist mehr ein Begriff. Aber ich wusste nicht, dass Ihr Euch nur in gemachte Betten legt. Ihr habt die einmalige Gelegenheit etwas zu bewegen, ihr könnt aus dem einfachen Begriff auf der Karte, den niemand südlich von Bomed kennt, etwas machen. Natürlich ist das eine schwierige Aufgabe. Es wird nicht jeden Tag dort Belhankaner Butterbirnen geben, aber was ihr so schnöde als Zollstation bezeichnet ist nun doch eine Festung, über der der güldene Aar auch wehte, wenn die Novadireiter vor Oberfels standen. Und auch eine Josmina hat sich wo anders einen Weg gesucht." In Gedanken führte Erlan den Satz sinngemäß mit der Formulierung "weil Trecentia militärisch für sie völlig ohne Wert war" fort.

Erlan fixierte sein Gegenüber und normalerweise hätte es schon als unhöflich gegolten, wie er Mondino quasi anstarrte. Doch dieser ließ sich nichts anmerken und schien über die Worte seines Gegenübers nachzudenken als plötzlich hinter ihm mit einem lauten Geräusch eine Tür geöffnet wurde und jemand eiligen Schrittes herbeieilte.


"Der Mordbrenner ist in der Stadt!"

"Autor:' Calven, Erlan

Shahane Sforigan y Scheffelstein hatte endlich ihren Gemahl gefunden. Was um alles in der Welt machte er zu dieser Stunde hier? Aber sie war froh, dass sie ihn endlich gefunden hatte. Er saß ihr direkt gegenüber auf einem der hohen Lehnstühle. Als sie diese Sitzmöbel vor einiger Zeit erstmalig sah, fragte sie sich unwillkürlich, für wen diese gebaut worden waren, ragen die Lehnen doch mehr als eine Kopfeslänge über den eigentlichen Kopf der Person, die dort sitzt, hinaus und wirkten dadurch fast wie ein etwas zu hoch geratener Thron. Erlan hielt einen Weinpokal prüfend in der Hand, blickte jedoch sichtbar überrascht seine Gemahlin an, deren Auftritt durch die zugeknallte Tür auch theatralischer wirkte als geplant.

Auf halber Strecke zum großen schweren Eichentisch, um den die Lehnstühle gruppiert waren, blieb sie ein, zwei Schritte hinter dem gegenüber von Erlan stehenden Lehnstuhl stehen, rang ein wenig nach Luft und richtete ihr Wort an ihren Gemahl: "Erlan, hast Du es schon gehört?! Der Mordbrenner ist in der Stadt!"

Erlan verzog ein wenig sein Gesicht und zeigte auf den schweren Lehnstuhl zwischen Shahane und ihm. Im selben Augenblick erhob sich dort jemand und Shahane erschrak, da sie nicht realisiert hatte, dass dort jemand saß. Der gerade noch dort sitzende Mann der sich in einen dunklen Umhang hüllte, stand auf, drehte sich zu Shahane um und als das bisschen Licht vom Feuerschein im Kamin und vom Madamal auf ihn fiel, erschrak sie erneut.

"Comtessa Shahane, es ist mir eine wahre Ehre Euch hier zu sehen. Wir kennen uns bisher ja nicht wirklich. Sonst wüsstet Ihr, dass man mich eher selten Mordbrenner heißt. Wobei wenn ich mich recht entsinne, hat mich Euer Gemahl auch vor geraumer Zeit, just auch in diesem Gebäude, so genannt..."

Shahanes Blick wechselte von Mondino auf Erlan und zurück zu Mondino. Sie war verwirrt ob der Anwesenheit des Schwarzfisches und noch verwunderter über den Eindruck, den sie von diesem Gespräch hatte - denn es wirkte fast so, als wenn zwei Freunde hier zusammensaßen und sich gepflegt über die Geschehnisse im Cronconvent unterhielten.

Die fast schon peinliche Stille unterbrach Mondino von Calven mit einem kleinen Seitenhieb gegenüber Erlan: "Mordbrenner also? So nennt ihr mich gegenüber Eurer reizenden Gemahlin. A propos..." und mit diesen Worten hatte er sich wieder an Shahane gewandt. "Als ich Euch in Arivor zuletzt sah, ist mir gar nicht bewusst geworden, mit welch bezaubernder Person der Gräflingsjünger im Travienstand vereint ist". Mit seinen letzten Worten griff er nach der Hand Shahanes, die ihm dieselbige zur Kusshand reichte.

Inzwischen war Erlan Sirensteen aufgestanden und hatte sich den beiden genähert: "Damit hätten wir auch alle notwendigen Höflichkeiten ausgetauscht. Worte, die nur Begriffe sind. Begriffe, die so nicht mehr gelten sollten."

Shahane kannte den Blick ihres Mannes, der gerade auf ihrem Gesicht lastete gut. Auch wenn er es nie sagen würde - er wünschte wohl jetzt alleine mit seinem Gast zu sein um Dinge zu besprechen, die ihre Ohren nicht hören sollten. Und so zog sie ihre Hand von Mondino zurück und richtete das Wort an ihn: "Nun ihr schmeichelt mir mit Euren Worten. Doch will ich Euch nun ungestört lassen." Sie gab ihrem Gemahl noch einen Kuss auf die Wange, bevor sie die beiden wieder alleine ließ.

Für Mondino erschien der Kuss unnatürlich lang und er überlegte, ob sie ihm irgendetwas ins Ohr geflüstert hat, was er nicht hätte hören sollen. Und was er in diesem Fall auch nicht gehört hatte. Aber da seine Ohren gut waren, vermutete er, dass da gar nichts war. Dennoch blieb das Mißtrauen...


Verhandlungen zwischen zwei ehemaligen Feinden


Autor: Calven, Erlan

Der Baron des Yaquirbruchs hatte sich inzwischen wieder hingesetzt und Mondino tat es ihm danach gleich. Erlan blickte auf die Landkarte der Wüste Khôm und seufzte laut hörbar. Er schien in Gedanken zu sein, Gedanken, die Mondino jedoch nicht unterbrechen wollte. Nicht jetzt.

Erlan räusperte sich vernehmbar und richtete dann das Wort an Mondino: "Mein Angebot zur Versöhnung ist Euch seit Arivor bekannt. Habt Ihr Euch entschieden, die Euch gereichte Hand anzunehmen?"

Mondino war innerlich ungehalten. Sirensteen schien ihn für sehr impulsiv zu halten. Hätte er sich nicht entschieden, wäre er jetzt nicht im Palazzo des alten Feindes. Oder vielmehr: wenn er sich anders entschieden hätte, dann würde man sich jetzt nicht mit Worten, sondern mit Waffen streiten. So antwortete er: "Ich nehme die von Euch gebotene Hand des Friedens an."

Erlan sah erleichtert aus, bevor er fortfuhr: "Ich biete Euch an, dass Ihr von unseren Gnaden als Herr von Trecentia eingesetzt werdet. Damit verbunden sind natürlich auch Pflichten. Die Befriedung des östlichen Yaquirbruches wäre Eure Aufgabe. Eure anderen Pflichten - als Miles Horanthis - gehen selbstredend vor."

Mondino nickte und deutete seinem Gegenüber an, dass dieser fortfahren soll, was dieser auch tat: "Es versteht sich von selbst, dass ihr die zwölfgöttliche Ordnung, zu denen auch die Urteile im Namen des Herrn Praios' zählen, akzeptiert."

Der Schwarzfisch zuckte da ein wenig zusammen - natürlich ging es hier um den Prozess gegen Horasio della Pena. Er antwortete: "Selbstredend achte ich die Zwölfe, ihre Ordnung und insbesondere die des Herrn Praios. Vermutlich habe ich doch bald in seinem Namen einen Eid zu schwören." Mondino lächelte schief.

Erlans Grinsen dagegen war breiter als sein Schnurrbart. Doch als Mondino weiter sprach, fiel das Grinsen in sich zusammen: "Jedoch habe ich noch weitere Forde... Bedingungen für Euch. Das Winterlager der Schwarzen Bestie wird in Trecentia sein..."

Erlan hakte nach: "Und außerhalb des Winters, wenn die Novadis besonders aktiv sind?"

"... zur Sicherung wird mindestens eine Lanze dort stationiert bleiben. Im Zweifelsfall auch mehr.", beantwortete Mondino von Calven die Frage. Die Antwort seines Gegenübers ("So sei es dann.") fiel schnell. Die Forderung Mondinos nach einer Beteiligung an den - wenn auch geringen - Steuereinnahmen aus Trecentia mit einem noch festzulegenden Fixum führte nicht zu einer so schnellen Bestätigung. Seufzend gab Erlan auch in diesem Punkt nach und gab sich damit einverstanden, dass von den Steuereinnahmen ein Anteil von zwei mal zwölf Anteilen vom Hundert abgeführt werden sollten. Im weiteren Verlauf sprach Mondino von Calven dann die Festung Oradellabrück an - eine Festung die auch gerade zu wie geeignet für ihn sei. Dahingehend verwies Erlan darauf, dass dies eine Reichsangelegenheit sei, aber er sicherlich ein gutes Wort in Vinsalt einlegen könne... der bisherige Croncastellan wollte sowieso schon seit geraumer Zeit den Yaquirbruch verlassen und da würde sich dann ja jemand neues geradezu anbieten. Mondino, dem die rechtlichen Implikationen ob seiner Forderung zu Oradellabrück natürlich bewusst waren, war zufrieden und setzte zu seiner vermutlich entscheidendsten Forderung an:


Eine unerwartete Forderung


Autor: Calven, Erlan


Mondino: "Eine Sache wäre da noch..." Erlan: "Sprecht Sie frank und frei aus."

Mondino machte eine kleine Kunstpause, damit die weiteren Worte umso besser wirken konnten. Mit einem ruhigen Ton setzte er an und folgende Worte verließen seine Lippen: "Ich fordere Elissa Yaquiria Sirensteen."

Mondinos Forderung war so ruhig geschildert - als ob es um einige Dukaten mehr oder weniger gehen würde. Und nicht um das drittgeborene Kind Erlans.

Das erklärte auch, dass die Gesichtsfarbe des Sirensteen sich seiner Haarfarbe annäherte - innerhalb weniger Sekunden erbleichte er ob dieser Worte. Mit allen möglichen und auch unmöglichen Dingen hatte er gerechnet, aber nicht damit.

Erlan brauchte ein paar Augenblicke, bevor er sich fassen konnte und fragte mit barscher Stimme: "Ihr wollt bitte ... was?!"

Doch Mondino ließ sich nicht reizen und führte mit ruhiger Stimme fort: "Als meine Knappin. Was dachtet ihr denn?"

Bei den nächsten Worten stand Mondino von Calven auf und näherte sich Erlan. Letzterer schaute ihn mit einer Mischung aus Überraschung, Verzweiflung aber auch Ärger an, doch der Streiter des Horas' ließ sich davon nicht beeindrucken. Mondino stand jetzt fast vor seinem Gesprächspartner und ging demonstrativ leicht in die Knie, beugte erst das Haupt und sprach dann mit wieder aufgerichtetem Kopf zu ihm:

"Der Baron des Yaquirbruchs... mein Baron ... wird ja wohl seinem Vasallen, dem Herrn von Trecentia und dem Streiter des Horas' seine Tochter als Knappin anvertrauen?"

In Erlans Kopf rotierten die Gedanken. Die Argumentation hatte natürlich etwas für sich, aber dennoch: Das ging doch nun mal gar nicht. Auf der anderen Seite war das aber auch eine Chance die neu aufgeblühte Verbundenheit zu untermauern. Und so verkehrt konnte es auch nicht sein, jemanden beim Schwarzfisch zu haben, der aufpasste, was er so trieb.

Seine Antwort "So sei es" war dann auch nicht mehr so barsch wie zuvor formuliert und er reichte Mondino die Hand. Auch um sicherzustellen, dass jetzt nicht noch weitere Forderungen kommen würden, denn so langsam reichte es ihm. Von den ursprünglichen Plänen, die aus einem Verstoßenen im Yaquirbruch einen respektablen Cavalliere gemacht hätten, war ja nicht mehr viel zu sehen.

Mondino von Calven nahm die ihm gereichte Hand an und erklärte, dass das nun so vereinbart sei. Beide setzten sich jetzt nebeneinander an den Tisch und Erlan erklärte ihm anhand einer etwas detaillierteren Karte die derzeitige Lage in Trecentia.



Nägel mit Köpfen


Autor: Calven, Erlan

Die beiden waren so in diese Gespräche vertieft, dass sie die Schritte auf dem Flur nicht bemerkten. Erst die sich öffnende Tür, wie zuvor mit einem lauten Quietschen untermalt, wurde von beiden registriert. Erlan blickte nicht auf, sondern rief nur etwas unwirsch: "Shahane, was gibt es denn noch?"

"Ihr irrt Euch. Ich bin nicht die Comtessa."

Der so sprach, war niemand geringeres als der Graf von Bomed! Dieser stand - in Begleitung von mehreren Gardisten der Bomeder Buntröcke - nun mitten im Raum. Zwischen den Bewaffneten stand die sichtlich irritierte Comtessa Shahane. Erlan und Mondino waren völlig verblüfft und blickten sich verwirrt an.

Erlan sprach seinen Grafen an: "Rimon was ... was führt den Grafen von Bomed zu so später Stunde und so überraschend hierhin?"

Der immer noch wie ein gerade zum Mann gewordene Jüngling wirkende Graf grinste ein wenig: "Erlan, Du ... Comto Sirensteen, Ihr solltet wissen, dass der ehemalige Oberhofkämmerer sich hier auch noch gut auskennt und noch von dem einen oder anderen geheimen Gang weiß. Es erfreut uns sehr, dass Ihr - trotz der sicherlich vorhandenen und verständlichen Bedenken - unserem Wunsch entsprochen habt und das Gespräch mit dem Signore Calven gesucht habt."

Bei diesen Worten wandte sich der Graf von Erlan ab und wandte er sich nun direkt an Mondino:

"Es freut mich ebenso, dass die mir zugetragenen Informationen stimmen und ihr der Einladung des Barons gefolgt seid. Ihr sollt wissen, er sprach sie auch für mich aus. Zwar seid ihr dem Hause Sirensteen vermutlich eben so wenig zugetan, wie meiner Familie - aber zu Arivor habt Ihr Euch als wahrer Recke bewiesen, der auch die vergangenen Schatten abschütteln kann. Wäre der Baron beim Königsturnier zu Tode gekommen, ich hätte Euch nicht eingeladen. Vor allem nicht mithilfe des Barons..."

Mondino von Calven musste ob dieser Worte schmunzeln, während der Blick Erlans einfror.

Der Graf schien die Reaktionen bemerkt zu haben - mit Wohlwollen. "Die Signores scheinen aber ja schon übereingekommen zu sein. Jedenfalls sieht alles nach einer neuen Freundschaft aus." Erlan nickte beflissen und wollte ansetzen, der scharfe Blick des Grafen, den er so bisher gar nicht kannte, ließ ihn jedoch schweigen. "Signore Calven, berichtet doch, was der Baron und ihr zu so fruchtbar früher Stunde ausgehandelt habt." Der Angesprochene umriss in militärisch-knapper Weise das Ergebnis seiner Unterredung mit Erlan Sirenstee, ohne aber - wie Erlan bemerkte - konkrete Zahlen zum finanziellen Teil der Übereinkunft zu nennen.

Rimon lächelte und schien einen kleinen Augenblick zu überlegen, während er auf das ausgebreitete Kartenwerk schaute. "So, Trecentia und die Lande östlich der Oradella... Das erinnert uns daran, dass wir von unserer verstorbenen Mutter dort östlich des Flusses einige Ländereien erbten. Nicht nur der Yaquirbruch, sondern auch die ganze Grafschaft Bomed, die ich zu schützen habe, können Männer wie Euch brauchen! Daher habe ich Euch, als Streiter des Horas, hierhin geladen. Wir wären Euch in der Tat sehr verbunden, wenn ihr mit Euren profunden Kenntnissen der Region und des rondragefälligen Handwerks den Osten der Grafschaft absichern würdet. So Ihr Euch dieser Aufgabe gewachsen fühlt, dann sollt Ihr Trecentia erhalten."

In diesem Moment unterbrach Erlan seinen Lehnsherr: "Mein Graf, das sollte ..."

Weiter konnte der Baron nicht reden, da der Graf wieder - etwas lauter als vorher - das Wort ergriff: "... das sollte doch eine Selbstverständlichkeit sein, dass man Euch mit dieser Aufgabe betraut." Zurück zu Euch Mondino: Könnt Ihr Euch vorstellen, dass ihr mit Euren Männern und Frauen dort Fuß fasst und für eine Befriedung der östlichen Lande der Grafschaft Bomed sorgt? Übrigens: Unsere eben erwähnten Allodgüter östlich der Oradella wollen wir Euch noch zur Verfügung stellen. In Sachen Oradellabrück werden der Baron und ich sicherlich das eine oder andere Wort in Vinsalt oder im Sangreal zu führen wissen."

Rimon ließ dabei unerwähnt, dass weder seine Mutter noch er selbst die genannten Güter betreten, geschweige denn beherrscht hatte.

Mondino von Calven, überrascht von Rimons Verhalten, nahm sich noch einen Augenblick, um darüber nachzudenken, bevor er antwortete: "Zur Sicherung Trecentias kann eine Lanze der Schwarzen Bestie stets dort bleiben. Vom Boron- bis zum Tsamond ist das Winterlager in der Oradellaburg eine sichere Bewachung. Dies bedeutet jedoch für mich einige Kosten, Comto Salîngor. Die sollten durch einen Anteil von ... sagen wir drei mal zwölf vom Hundert ... Anteil an den Abgaben Trecentias und einem festen Fixum abgegolten werden."

Während Baron Erlan Sirensteen leicht irritiert schaute, war der Graf über die Antwort anscheinend sehr erfreut und bestätigte die Wünsche Mondinos, so dass auch diesem die Freude ins Gesicht geschrieben war. Ganz im Gegenteil dazu schaute aber der Baron aus.

"Dann sei es so. Ich schlage vor", und mit diesen Worten wandte er sich an Erlan, "ihr veranlasst alles Notwendige, damit Calven und Ihr standesgemäß nach Bomed kommt. Es geht nicht an, dass der Miles Horanthis wie ein Dieb in der Nacht durch meine Länder streicht.

"Das hat er aber vor Kurzem noch ganz anders gesehen", schoss es Erlan und Mondino gleichzeitig durch den Kopf.

"Die Belehnung und die abschließenden Feierlichkeiten sollten jedoch besser in Bomed stattfinden als hier. Da wirkt es doch festlicher - und für den Streiter des Horas ist das doch das mindeste. Ich denke... Der Miles und ich wollen die Gelöbnisse am 2. Rondra leisten."

Sirensteen schaute überrascht den Grafen an und fragte: "Ihr wollt...? Wie meinen...?"

"Ja, Comto Sirensteen. Wir halten das für angemessen. Ihr nicht?"

Der Baron des Yaquirbruchs wusste nicht so recht, wie er darauf antworten sollte. Das entsprach jetzt nicht so ganz den gemeinsam mit dem Grafen ausgearbeiteten Plänen. Es zeigte sich, dass die Stimmen aus Bomed, die feststellten, dass der Graf vermehrt selbst die Initiative ergreift zutreffend waren. Interessanterweise wartete Rimon gar keine Antwort von Erlan ab sondern fuhr weiter fort:

"Nachdem wir diese … handfesten Umstände geklärt haben, sei etwas weiteres nicht unerwähnt gelassen. Wenn ihr euer Leben für die Sicherung des Yaquirbruchs einsetzen wollt, ehrt euch das. Einen solchen Mann kann der Graf von Bomed wohl brauchen. Seid ihr bereit, nicht nur Yaquirbruchs Grenzwacht zu halten, sondern dazu eine Stellung einzunehmen, die … nun, ein guter Bekannter von euch schon innegehabt hat…“

Erlan schaltete schneller als Mondino, und sein Gesicht was erst vor kurzer Zeit wieder die volle Röte hatte, erbleichte erneut. Dass der kleine Rimon, und Erlan schalt sich in Gedanken selbst, dass er ihn - auch nur in Gedanken - noch so nannte, die vereinbarte Linie leicht verließ... sei es drum. Doch jetzt schien der Graf völlig unabgesprochen die Initiative zu ergreifen. Unabgesprochen mit dem Geheimen Rat von Bomed, unabgesprochen mit ihm.

Rimon bemerkte nicht das Stirnrunzeln Erlans, da er sich jetzt gänzlich Mondino zugewandt hatte und ihn fragte: „Signore Calven, wollt ihr Oberstrittmeister von Bomed sein?“'

Wenigstens war der Schwarzfisch genau so überrascht wie er selbst, bemerkte Erlan zynisch ob des ungläubigen Blickes von Mondino. Dessen Kiefer klappte unkontrolliert auf und wieder zu.Doch er fasste sich schnell und kniete ruckartig vor dem Grafen nieder und formulierte dabei die Worte "Bei den Zwölfen, es wäre mir eine Ehre, meinen Grafen als Oberstrittmeister von Bomed zu dienen."

Rimon blickte erfreut zu Erlan, der mit überraschend ruhiger Stimme feststellte: "Comto Salîngor - Euch ist bewusst, dass das nicht so einfach ist. Die Aufgabe des ... " - das nächste Wort betonte er - "Oberstallmeisters vergeben die Landstände von Bomed. Glaubt Ihr, dass die Adligen der Grafschaft sowohl efferd- als auch insbesondere rahjawärts des Yaquirs damit einverstanden sein werden?"

"Seht Ihr Signore Calven", und mit diesen Worten wandte sich Graf Rimon an den völlig überraschten Mondino, "deswegen schätze ich Vasallen wie den Comto Sirensteen. Er ist mir stets mit gutem Rat zur Hilfe und natürlich hat er recht." Rimon ging zu Erlan hin, klopfte ihm auf die Schulter und beendete seinen Vortrag: "... aber diese Probleme werden sicherlich dann zu lösen sein, wenn Ihr, Comto Sirensteen, bei der nächsten Versammlung der Landstände den Signore Calven als neuen Oberstallmeister vorschlagen werdet."

Erlans Lächeln, welches sich bei dem ersten Teil des Satzes in seinem Gesicht bildete, wandelte sich in ein firungefälliges Gesicht. Fürwahr, diese Nacht nahm eine andere Wendung als gedacht. Was würde Vascal dazu sagen? Und war das jetzt für ihn positiv oder eher nicht...

Noch während Erlan darüber sinnierte sprach der Graf ihn an: "Lasst nun bitte die Gemächer für uns herrichten, es ist noch Zeit bis Sonnenaufgang."

Nachdem der Graf die Gemächer des Barons verlassen hatte, hatte sich dieser wieder etwas gefasst. Und bevor Mondino auch in ein Gastgemach verschwand richtete sich Erlan noch einmal an ihn: "Seht ihr: Es ist immer gut, die einem angebotene Hand des Friedens anzunehmen. Manchmal entwickeln sich daraus Dinge, die Ihr Euch sicherlich selbst nicht hättet vorstellen können." Da war sich Erlan sicher, dass Mondino mit einem solchen Verlauf nicht gerechnet hatte. Erlan ja selbst auch nicht - und er ging noch bis vor kurzem davon aus, dass er genau gewusst hatte, was der Plan war. Aber man merkte, dass der kleine Rimon immer mehr den eigenen Gedanken gehorchte. Erlan erinnerte sich daran, dass Tilfur schon mehr als einmal davon berichtete.

Bevor Erlan sich für den Abend bzw. die Nacht von Mondino mit einem Boronsgruß verabschiedete, gratulierte er seinem Gegenüber und langjährigen Feind noch: "Ich beglückwünsche Euch und ich hoffe auf eine gute Zusammenarbeit. Da Ihr nun mit dem Grafen verhandelt habt, sollte es klar sein, dass unsere Vereinbarungen nicht mehr notwendig sind."

Erlan schloss die Gemächer - was er sonst eigentlich nie machte - von innen ab, auch wenn ihm klar war, dass das jetzt auch keinerlei Schutz bedeuten würde. Er notierte sich noch auf einem Fetzen Pergament etwas, bevor er zu später Stunde endlich zu Bett ging.

Auf dem Pergament fanden sich nur zwei Punkte "Verschärfte Sicherheitsmaßnahmen im Palazzo, bekannte Geheimgänge deutlichst absichern"... vermutlich hatte der Baron des Yaquirbruchs keine Lust mehr, solch überraschende Besuche wie den des Grafen zukünftig noch einmal zu erhalten.