Briefspiel:Argentum in Corde (6)

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Stadt Urbasi klein.png Briefspiel in Urbasi Stadt Urbasi klein.png
Datiert auf: ab Phex 1037 BF Schauplatz: Urbasi und Bassalo Entstehungszeitraum: ab August 2014
Protagonisten: Pamina und Norinia di Bassalo, einige weitere Autoren/Beteiligte: Haus Urbet.png Gonfaloniere, Familie di Bassalo.png Klimpermädchen, Familie di Bassalo.png Neli, Haus Doren.png Dorén
Zyklus: Übersicht · Der Unfall · Das Erwachen · Die Ankündigung · Der Freundschaftsbesuch · Eine unverhoffte Visite · Erstes Kennenlernen

Erstes Kennenlernen

Den ganzen Morgen tigerte Norinia bereits durch den Salon. „Dabei ist es gar nicht mein Zukünftiger, der gleich kommt ...“ Doch die Aussicht Pamina ihrem Verlobten offiziell vorzustellen machte sie so nervös wie sie es schon lange nicht mehr gewesen war. Nach ihrem Ausbruch und der Flucht nach Bassalo hatten sie ein langes, emotionales Gespräch geführt, an dessen Ende Pamina eingewilligt hatte Naziro kennen zu lernen. Heute war die Familie Cestor eingeladen, und Naziro wollte mit seiner Mutter seine Aufwartung machen. Ivica war angehalten ebenfalls anwesend zu sein. Sie gesellte sich gerade zu Norinia in den Kleinen Salon. „Ich habe ihr ausgerichtet, dass sie das neue Kleid anziehen könnte, wie du es vorschlugst. Sie wirkte nicht gerade begeistert, aber sie wird es wohl tun.“ Ivica lächelte ob der Nervosität ihrer älteren Schwester. Diese verzog nur das Gesicht und murmelte: „Ich hoffe, sie benimmt sich ...“

Währenddessen lief Pamina ähnlich aufgewühlt wie ihre Schwester (im Salon) in ihrem Gemach auf und ab. Sie schwankte zwischen dem Wunsch sich so unmöglich zu benehmen, dass die Cestors gleich auf dem Absatz kehrt machen würden und dem Versprechen, das sie ihrer Schwester gegeben hatte, sich zusammenzureißen und das Ganze würdevoll ablaufen zu lassen. ‚Ich könnte meine Rüstung anziehen statt dem Kleid … da würden sie sicher blöd gucken.’ Doch so verlockend dieser Gedanke ihr auch vorkam, sie war sich bewusst, dass sie keine zwölf mehr war und solch kindisches Verhalten ihr jetzt auch nicht gut zu Gesicht stehen würde. Also trat sie wieder an ihr Bett, auf dem ein wunderschönes blaugraues Kleid mit feiner Spitze lag. Auch wenn sie normalerweise eher Reiterkleidung oder robuste Alltagskleidung bevorzugte, konnte sie diesen feinen Stoffen ihren Reiz nicht absprechen, und genoss es durchaus sich für einen Abend in feiner Gesellschaft herauszuputzen. Normalerweise ging es dabei aber nicht um etwas so wichtiges wie ihren zukünftigen Gemahl. Pamina seufzte tief und rief dann nach ihrer Zofe. Sie sollte sich lieber in dieses Kleid helfen lassen, bevor sie es sich doch noch anders überlegte. ‚Dieser Naziro wir schon früh genug merken, wo meine Interessen liegen, ich muss sie ihm ja nicht so plump unter die Nase reiben. Dann kann er sich ja überlegen, ob ich ihm überhaupt passe! – Hm, vorausgesetzt seine Mutter gewährt ihm mehr Mitspracherecht, als meine Familie es für nötig hält.’ In dieser Art grübelte sie weiter, während Lyna ihr in das Kleid half und ihre Haare bändigte.

Zerto saß in seinem gepolsterten Sessel und blickte finster drein. Den ganzen Tag hatte er die Dienerschaft auf Trab gehalten, und nun blitzte alles sauber und dezent geschmückt. Es gab nichts mehr, was er bemängeln konnte, und so hatte er sich darauf verlegt stumm in der Mitte des Saales zu sitzen und dem zu harren, was da kommen würde. Norinia wusste, dass es ihm mehr zu schaffen machte, als er jemals zugeben würde. Es war der erste größere Besuch, den er seit seinem Unfall erwartete. Immerhin hatte Ingrima Cestor zugestimmt ihnen die Aufwartung zu machen, wofür sie sehr dankbar war. So hatten ihr Vater und auch ihre Schwester zumindest die vertraute Umgebung als moralische Unterstützung. Ihr Vater trommelte leicht mit den Fingern auf seiner Lehne, einziges Zeichen seiner Ungeduld. „Wo bleibt deine Schwester nur? Bist du sicher, dass sie noch in ihrem Zimmer ist? Und nicht wieder auf und davon auf ihrem Pferd?“ So grummelnd er auch sprach, sah es nicht so aus, als würde er seine Worte ernst meinen. Auch er hatte lange Gespräche mit seiner Tochter geführt und wusste, dass sie ihn jetzt nicht so im Stich lassen würde. Einen kleinen Vorteil hatte diese Invalidität wohl doch und er scheute sich durchaus nicht ihn zu nutzen. In dem Moment kam ein Diener herein und kündigte die Ankunft von Ingrima and Naziro Cestor an. Norinia wollte schon Ivica losschicken um zu gucken wo Pamina nur blieb, als diese gerade noch rechtzeitig die Halle betrat und an die Seite ihres Vaters eilte. Norinia lächelte ihre Schwester an und gab ihr mit einem kleinen Zeichen zu verstehen, dass sie ganz wunderbar aussah. Pamina grinste nur kurz, um gleich darauf ihr Gesicht hinter einer Fassade aus Reserviertheit zu verbergen. Sie hatte sich wohl daran erinnert, dass sie eigentlich noch böse auf ihre Schwester war. Erwartungsvoll schauten sie den eintretenden Gästen entgegen.

Naziro war nervös. Die ganze Zeit schon nestelte er an seinen Klamotten herum. Seine Mutter hatte ihn schon wiederholt mit Blicken ermahnt. Ingrima Cestor war selbstverständlich die Ruhe in Person. Es braucht schon mehr als solch ein Treffen um sie in Aufregung zu versetzen, auch wenn viel davon abhing. Vor allem da sie es war, die überhaupt auf eine Hochzeit drängte um, wie sie sagte, „das Familienerbe sicher zu stellen“. Aber für Naziro war das noch etwas mehr. Schließlich sollte er heute nicht irgendeine Frau kennen lernen, die seine Freunde ihm an den Hals hängen wollten. Dies sollte seine Ehefrau werden, seine Gefährtin vor Travia.
Pamina di Bassalo.
Er hatte sie vor einigen Jahren schon einmal gesehen, aber er kannte sie nicht wirklich, und vor allem wusste er nicht, wie sie sich in dieser Zeit verändert hatte. Nur mit ihrer Schwester hatte er schon häufiger in geschäftlichem Kontakt gestanden. Er hatte sich noch nie Gedanken darüber gemacht, welche Qualitäten er in einer Ehefrau suchen würde und jetzt war es wohl auch zu spät dafür. Er würde sich von dieser Signora wohl überraschen lassen müssen. Sie erreichten den Palazzo der Patrizierfamilie und er atmete einmal tief durch. ‚Nun reiß dich aber zusammen, du bist schließlich keine sechzehn mehr und total unfähig im Umgang mit Damen.’ Das hätten auch die Worte seiner Mutter sein können, dachte er schmunzelnd, aber diese beschränkte sich nur auf ein aufmunterndes Lächeln und ließ sich von ihrem Sohn in das Anwesen seiner Zukünftigen führen.
Als sie endlich den Saal betraten, bemühte Naziro sich um eine entspannte Miene. Sie wurden von der Familie erwartet, die ihnen wahrscheinlich genauso neugierig entgegenblickten. In der Mitte saß auf einem Sessel der invalide Familienpatron, umgeben von seinen Kindern. Auf einer Seite standen Norinia, die jüngere Tochter und der Sohn. Die Frau auf der anderen Seite konnte dann ja nur Pamina sein. Er musterte sie, als sie durch den Saal schritten, um sich noch vor der Begrüßung einen ersten Eindruck zu verschaffen. Ihm gefiel durchaus, was er sah. Pamina war schlank aber durchtrainiert. Man sah ihr die Ausbildung zur Kriegerin an, auch wenn sie jetzt ein feines Kleid trug. Der seidige Stoff umspielte ihre Figur vorteilhaft und ihre Haare schimmerten warm im Licht der Lampen. Ihr Gesicht war ebenmäßig aber bei seinem Eintreten hatte sie die Augenbrauen leicht zusammengezogen und musterte ihn herausfordernd. Was sie wohl von dieser geplanten Verbindung hielt?

„Seid uns willkommen! Ich freue mich, dass ihr es einrichten konntet. Darf ich vorstellen, meine älteste Tochter und Erbin Pamina.“ Wie gewohnt kam Zerto di Bassalo direkt auf den Punkt. Eine Eigenschaft, die wenige Patrizier teilten, die Ingrima Cestor jedoch sehr zu schätzen wusste. Sie verneigte sich vor Zerto und entgegnete lächelnd: „Habt Dank, Zerto, wir sind hoch erfreut heute hier zu sein und“, sie nickte in Paminas Richtung, „eure Bekanntschaft machen zu dürfen.“ Dann drehte sie sich zu Naziro um, stellte ihn ebenfalls vor. Darauf folgten längere Gespräche über die geschäftliche und politische Situation in Urbasi, die hauptsächlich von den beiden Familienoberhäuptern geführt wurden. Pamina und Naziro blieb so die Möglichkeit sich einen ersten Eindruck von einander zu verschaffen, wobei ihm bald auffiel, dass Pamina sehr zurückhaltend und ruhig war. Nach einiger Zeit schlug Zerto vor, die jungen Leute könnten doch noch einen Spaziergang durch den Alveranspark machen und er würde derweil Erfrischungen ordern. So fand sich Naziro bald zwischen den Bassalo-Schwestern in dem schönen Park wieder, der direkt hinter dem Palazzo di Bassalo lag. Anfangs bemühte sich Norinia ein Gespräch am Laufen zu halten, doch irgendwann ließ sie sich mit der jüngeren Schwester zurückfallen. Um kein peinliches Schweigen aufkommen zu lassen, begann er zaghaft Pamina Fragen zu ihrem Leben zu stellen. Er erzählte auch etwas von sich, und im Laufe des Gespräches schien sie langsam ihre Zurückhaltung aufzugeben. Als sie den Palazzo wieder erreichten, hatte er den Eindruck gewonnen, dass seine Gesprächspartnerin sich absichtlich sehr reserviert gegeben hatte und dies normalerweise nicht ihrem Charakter entsprach. Ein hoffnungsvoller Gedanke.

Ein kleines Geschenk ...

Nachdem sie wieder bei ihren Eltern angekommen waren, wollten diese offenbar wieder auf den Grund für diesen Besuch zurückkommen. Seine Mutter schaute ihn eindringlich an und gab ihm zu verstehen, dass nun die Zeit für sein Geschenk gekommen war. Naziro räusperte sich kurz und zog dann eine kleine Schachtel aus seiner Manteltasche. „Liebe Pamina, ich habe ein kleines Geschenk für euch.“ Klein war zwar größentechnisch eine passende Beschreibung, stellte aber dennoch eine starke Untertreibung dar, wenn man sich den reich mit grün funkelnden Edelsteinen besetzten Ring ansah, den er ihr überreichte. Pamina zog bei dem Anblick die Augenbrauen vor Überraschung in die Höhe. Sie sah fast ein bißchen erschrocken aus und warf ihrer Zwillingsschwester einen schnellen Blick zu. Dann hatte sie sich wieder gefangen und nahm zögernd die kleine Schachtel entgegen. „Habt Dank, Naziro!“, sagte sie leise und streifte den Ring über einen Finger. Er passte perfekt. Es war das erste Mal, dass sie seinen Namen gesagt hatte und es kam ihm ungewohnt bedeutsam vor, dass ihn diese Tatsache so freute. Ja, er konnte sich gut vorstellen diese Frau zu lieben, wenn sie ihm nur gestattete sie näher kennen zu lernen.

„Und, was sagst du?“ Kaum das die Cestors den Raum verlassen hatten, schaute Norinia ihre Schwester erwartungsvoll an. Diese erwiderte erstmal nichts und betrachtete gedankenverloren die Lichtreflexe, die sich in den Steinen des Ringes brachen. „Das war nicht abgesprochen“, sagte sie leise und schaute von ihrer Schwester zu ihrem Vater. „Ich dachte, es sollte sich nur um ein Kennenlernen handeln, aber jetzt bin ich ja quasi schon verlobt. Wie soll ich ihn denn jetzt abweisen, nach diesem Geschenk?“ Norinia wollte schon zu einer Antwort anheben, aber Zerto kam ihr zuvor. „Bevor du dich wieder aufregst, das haben auch wir nicht erwartet“, brummte er, „aber es beweist die Erwartungen, die sie an uns stellen. Und das wusstest du auch vorher schon, mein Kind.“ Pamina zog eine kleine Grimasse. „Ja Vater, sicher habt ihr während unseres Spazierganges schon die Verlobungsfeier geplant, nicht wahr?“ Norinia schüttelte genervt den Kopf. „Jetzt hör schon auf, Mina! Sag schon, willst du ihn denn abweisen? Fandest du ihn so schrecklich? Das kann ich kaum glauben.“ Erwartungsvoll blickte sie Pamina an. „Leider ist er kein hässlicher, ungehobelter Drecksack, also komme ich aus der Sache wohl kaum wieder raus. Ihr habt gewonnen, zufrieden? Ich werde ihn heiraten“, sagte sie widerstrebend, küsste jedoch ihren Vater auf die Wange. „Sehr schön, ich bin froh, dass du es eingesehen hast. Die Verlobung werden wir groß im Rahja feiern, die Hochzeit dann im nächsten Götterlauf.“ Pamina stöhnte auf bei diesen Worten und verließ mit einem gemurmelten „Ihr habt die Feier also wirklich schon geplant“ die Halle. Norinia sah ihren Vater vorwurfsvoll an und folgte ihr.

E N D E