Briefspiel:Der Dolch in der Menge

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Sheniloneu3k klein.png Briefspiel in Shenilo Sheniloneu3k klein.png
Beteiligte (irdisch)
Familie Menaris klein.png Athanasius
Familie Cordur klein.png Cordur

Der Dolch in der Menge ist eine Geschichte aus den Landherrenhändel im Jahr der Nachbeben 1033 BF. Die Geschichte ereignet sich im Praios des Jahres in Shenilo, während der Proklamation Ludovigos von Calven zum Gransignore.

Shenilo, auf der Treppe der Dorén-Halle, 20. Praios 1033 BF

Der Vorplatz der Dorén-Halle ist Schauplatz der Geschichte

Tankred stand zehn Schritt hinter dem reich gewandeten Ludovigo von Calven, der soeben die Huldigung der Sheniloer entgegennahm. Der Hohe Lehrmeister war beunruhigt. Die Menge schrie, aber es waren nicht nur Jubelrufe, die zu ihm nach oben vor die Dorén-Halle drangen. Den ein oder andere Ruf nach „Gransignore Endor oder „Decurio Potros!“ meinte er herauszuhören. Und wusste er, ob diejenigen, die Ludovigo eben zujubelten, nicht in Wahrheit die Dolche hinter ihrem Rücken verbargen? Waren unter den Männern mit ausladenden Mühlsteinkrägen, die er im Schatten des Rondra-Tempels sehen konnte, vielleicht nicht auch Muntleute der Familie di Asuriol? Alleine ein halbes Dutzend Männer der Tempelgarde standen mit Ludovigo und den anderen Consilieri auf den Stufen, vorgeblich, um die Sicherheit der Consilieri zu gewährleisten. Aber Tankred hatte sichergestellt, dass sein Neffe vor allem für die Sicherheit Ludovigos Sorge tragen würde. Der Gedanke ließ ihn sich etwas besser fühlen. Aber seine Sorge blieb. Es war das ungute Gefühl, dass er in jeder Garadan-Partie hatte, wenn er wusste, dass bald ein unvorhergesehener Zug kommen würde, noch bevor er sehen konnte, welcher es sein würde. Der Hohe Lehrmeister schüttelte stirnrunzelnd den Kopf. „Ich beginne schon wie der Alte zu denken. Es ist alles vorbereitet. Wer seine Kamele immer nur im Trockenen bewegen möchte, wird nie eine Oase erobern können.“ schalt er sich.

Tumulte auf dem Geronsplatz im Geronsviertel

Unruhe entstand in der Menge, die bisher an Ludovigos Lippen gehangen hatte. Ein Dutzend Männer im Gewand der Stadtgarde bahnte sich seinen Weg nach vorne. „Beendet diese Veranstaltung, Calvener. Sie ist selbst für Euch unwürdig!“ Tankred seufzte als Hauptmann Rondrian Vistelli am Fuße der Treppe aus der Menge trat, er hatte gehofft, dass es nicht zu einer Konfrontation mit dem Wortführer Endors kommen würde.
Angrond trat ihm entgegen. Tankred beobachtete die beiden ungleichen Männer genau. „Nun beweise deine Weisheit, Neffe!“ dachte der Patriarch der Menaris. Angrond hob die Hand und begann zu sprechen. Seine Weisheit konnte er nicht mehr unter Beweis stellen: Einer der Stadtgardisten stieß mit einem Mal einen wütenden Schrei aus und hieb mit der stumpfen Seite seiner Waffe nach einem direkt hinter ihm stehenden Sheniloer. Der Mann stolperte und fiel in eine neben ihm stehende Frau mit rotem Gesicht hinein. Sofort entstand um die beiden herum ein Gerangel. Frauen schrien nach Vergeltung, Männer schüttelten die Fäuste und benutzten sie. Die Tempelgardisten auf der Treppe rückten enger an den Gransignore und seine Begleiter heran. Während Tankred noch hoffte, dass die Katastrophe abgewendet werden würde, immerhin hatte sich Angrond erst vor einigen Monaten in einer solchen Situation bewährt, brach der Stadtgardist, der den Tumult verursacht hatte, blutend zusammen, die Hand an seiner Seite war blutverschmiert. Jetzt schrien und wüteten auch die Stadtgardisten, der Hohe Lehrmeister hörte nicht, ob Rondrian Vistelli den Befehl zum Blankziehen gegeben hatte.

Beunruhigt rief Tankred nach seinem Neffen „bring den Gransignore in Sicherheit!“, doch der Hauptmann der Tempelgarde hatte bereits Befehle gebrüllt und seine Leute zogen den offenbar unwilligen Ludovigo in Richtung der Pforte der Dorén-Halle. Neben ihm meinte er einen Fluch zu hören, wo er Praiosdan vom Lohenfels wähnte. Tankreds Schmunzeln gefror, als die Menge der rangelnden und kämpfenden Gardisten und Bürger mit Gewalt auf die Treppe drängte, Vistelli und seine Männer wurden eher getrieben, als dass sie sich zurückzogen. Zwei Männer in dreckigen Wämsern trieben mit Knüppeln – der Hohe Lehrmeister hatte noch Zeit sich zu fragen, ob sie bewaffnet zur Dorén-Halle gekommen waren – eine Stadtgardistin zwischen ihn und die Tempelgardisten, die gerade im Inneren der Dorén-Halle verschwanden. Eine Hand griff nach seiner Schulter und schob Tankred energisch die Treppe nach oben, er nickte abwesend in Richtung des Cavalleristo Rondrigo Cordur. Hier war auch er nicht mehr sicher.

„Hesinde möge dir vergeben, Vistelli. Wenn Phex nicht mit dir ist, dann wirst du den heutigen Tag nicht überleben.“ Dachte der Hohe Lehrmeister erbost, er hatte gehofft, in Vistelli einen Schlüssel zur Begrenzung des Konflikts zu finden, stattdessen hatte er für eine Eskalation gesorgt. Mit einem Mal war da ein vertraut wirkendes Gesicht in seinem Blickfeld. Noch bevor Tankred wusste, woher er die Gestalt kannte, war sie heran. Etwas Scharfes blitzte im Schein der mittäglichen Sonne und ein scharfer Schmerz schoss durch Tankreds Körper. Er krallte sich an der Gestalt fest, die ihm am nächsten stand, zerrte am Waffenrock der Stadtgarde, die der Mann trug und sank zu Boden. Er hörte laute Geräusche, Schreie, Rufe, Waffengeklirr. Gesichter drängten sich in sein Gesichtsfeld, das von einem enger werdenden schwarzen Kreis eingerahmt war. Der düstere Blick des Cavalleristo beunruhigte ihn schwach, der sorgenvolle Blick seines Neffen überraschte ihn. Kurz meinte er das scharf geschnittene Antlitz des Calveners zu erkennen. „Die Götter mögen Shenilo helfen, wenn ich dir nicht helfe!“ dachte er. Eine Hand tastete nach seiner Hüfte und fluchte, ein heftiger, verzehrender Schmerz fuhr noch einmal durch Tankreds Glieder. Dann war da nur noch Schwärze.