Briefspiel:Eteria 1036 BF/Unruhen im Norden des Bundes

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Beteiligte (irdisch)
Familie Menaris klein.png Haus di Selshed klein.png Haus Gabellano klein.png Athanasius
Haus Calven.png Calven
Haus di Côntris klein.png Di Côntris
Familie di Ulfaran.png Di Ulfaran
Haus Doren klein.png Dorén
Haus di Matienna.png Di matienna
Haus ya Papilio.png Gishtan re Kust
Haus Carson klein.png OrsinoCarson

Nachdem Cusimo di Ulfaran seine Nachrichten aus Millenis überbracht hat, enthüllt er eine weitere, bis dato weithin unbekannte Neuigkeit über Vorgänge an der Delfinküste.

Eine doppelt abgefangene Nachricht

Nachdem Endor die Halle verlassen hatte begann Cusimo wieder zu sprechen:
"Wie ich sagte, war der Tod ya Grendols nicht die einzige schlechte Nachricht. Auf meinem Weg von Millenis nach Shenilo wurde ich von zwei Wegelagerern überfallen. Ich konnte sie überwinden und einer von ihnen befindet sich nun in Gewahrsam bei der Stadtwache. Scheinbar galt ihr Begehren der Botentasche, die ich mit mir führte, denn bei ihnen fand ich eine weitere, welche ein geöffnetes Schreiben enthielt, welches an Euch adressiert zu sein scheint, Signore von Calven. " Cusimo holte eine ramponierte und verschmutzte Botentasche unter seinem Kurzmantel hervor und übergab sie an Marino. "Dieser Nachricht nach sind es schwere Zeiten in Calven und man bedarf dort Hilfe. " Cusimo gab Marino die Zeit, die Nachricht zu lesen.

Nachfragen aus Arinken

“Signore Cusimo”, ertönte die Stimme der Baronin von Arinken, die sich bisher nicht viel zu Wort gemeldet hatte.. Sie legte ihren Fächer beiseite und nutzte die Stille, die von der im Saal herrschenden Anspannung herrührte aus, um das Wort zu ergreifen. “Wenn ihr mir diese Unterbrechung erlaubt, während der Monsignore seine Botschaft liest. Habt Ihr Kenntnis davon, in welche Richtung sich der Übeltater auf und davon machte? Millenis grenzt an mehrere Herrschaften des Bundes, es könnte weise sein, die Autoritäten vor Ort von den Geschehnissen in Kenntnis zu setzen, auf dass sie unserem allseits geschätzten Angrond volle Unterstützung gewähren.”

Cusimo schüttelte den Kopf. “Leider kann ich Euch nicht mitteilen in welche Richtung der Malefikant entflohen ist. Es war von Anfang an Signore Menaris, der seine Spur nach seiner Flucht wieder aufnahm und ihn verfolgte, während ich in Millenis verblieb."

Verwirrung und Beunruhigung des Gransignore

Das ist alles seltsam, wohl eher ein Überfall als ein Duell. Welcher Mann von Ehre würde dies ohne die Formalitäten einfach so zu zweit ausfechten. Kaum vorstellbar. Seit den Ereignissen um Gishtan war Orsino empfindlicher für verwirrende Ereignisse dieser Art geworden. Nichts ist meist so, wie es anfangs scheint. Aber ob das, was am Ende herauskommt, klarer oder angenehmer ist, sei dahingestellt. Nun gelte es wohl zunächst, auf Kunde zu warten, ob man des Malefikanten habhaft werden konnte. Dann möge sich wohl einiges besser aufklären. Orsino blickte herüber zu Endors leerem Stuhl. Der Herr von Millenis war ein Ehrenmann, auch wenn er sich bei der Affäre um Ludovigo einst auf der anderen Seite befunden hatte, aber dies hatte sich ja nicht eben als eine falsche Wahl herausgestellt… Und als es darauf ankam, im großen Krieg um den Thron, da stand er fest auf der Seite des Rechts. Orsino ließ seine Gedanken weiter schweifen und versuchte sich zu erinnern, wer für ein Attentat auf diesen Mann infrage käme. Dies zumindest war bei Gishtan einfacher gewesen. Eine Rache der Galahanisten? Aber war er so wichtig? Sein Besitz schien Orsino ebenso wenig bedeutsam, als dass es darum Streit gebe. Es musste also etwas anderes dahinterstecken.

Schockierende Heimatnachrichten

“Für mich - eine Nachricht? Ich… Ich danke Euch, Signore. Auch ich will Euch den Botenlohn nicht schuldig bleiben, Euer Mut soll nicht umsonst gewesen sein.” erwiderte Marino von Calven, als er die Botentasche etwas verwirrt in Empfang genommen hatte.
Aber nun war es der Höflichkeiten genug! Marino hatte schon bei den unheilsschwangeren Worten des di Ulfaran das Schlimmste befürchtet. Was er auf dem zerknickten Pergament lesen konnte, überstieg jedoch alle seine düsteren Erwartungen. Das Siegel, die Unterschrift seines Cousins Carion: das Schreiben war ohne Zweifel echt. Eher unbewusst, als um die übrigen Ratsmitglieder zu informieren las Marino halblaut, aber in der Halle durchaus vernehmbar, Fetzen des Schreibens vor. Anscheinend waren es jene, die ihn besonders bewegten: “...haben blutige Wogen Calven heimgesucht… Nordmänner überfielen den Hafen, plünderten Schiffe, Werft und Kontore… Bedrückendes von den Küstenorten Covi und Efhardis ...unter dem doppelten Fischbanner haben Mietschwerter dort Quartier bezogen. ... zum Gehorsam gezwungen…” Diese letzten Worte ließen den Schirmer der Flut verstummen. Es war jene gespannte Stille, die einem Sturm vorherging; aber dieser ließ nicht lange auf sich warten: “Diese Schlange…” Das bis dahin so blässliche Gesicht Marinos färbte sich tiefrot. “Elysmenia! Ist das die Rache? Wollen Du und Deine Mutter sich nun holen, was euch lange nicht mehr gehört? Wie zynisch seid ihr, in dieser bitteren Stunde die Schwäche meines Hauses auszunutzen, den Überfall äußerer Feinde für einen Coup nutzen?” Marino wusste, dass er seinen Zorn zügeln sollte, aber die heilige Wut seines Herrn überschwemmte alle Zweifel. “Was wollt Ihr denn? Habt ihr uns vielleicht noch mehr genommen? Ihr wisst wohl, wovon ich spreche! Meine geliebte Frau ist verschwunden, wollt ihr sie als Druckmittel nutzen? Welch ein niederträchtiges Verbrechen! Gesteht! Brüder, Schwester, wie können wir sie noch in unserem Kreise dulden, frage ich Euch?”

Elysmenia erklärt sich

Elysmenia di Selshed hatte sich nach der Abstimmung gedanklich bereits mit dem nächsten - und ihrer Ansicht nach wichtigeren - Frage befasst, die sich mit dem Schicksal von Baronie und Landstadt Côntris hätte befassen sollen. Dann war auf einmal der fremde Nobile aufgetaucht und hatte eine unvorhergesehene Nachricht nach der anderen ausgestoßen. Den Millenis hatte sie nicht näher gekannt, die heftige Reaktion des Landvogtes hatte sie dagegen mit keiner weiteren Regung zur Kenntnis genommen. Der Mann war ohne Frage seinem Wappentier in einigem ähnlich: Brennende Gefühle, Zorn wie Trauer und auch eine gefährliche Wut schienen ihm zu eigen zu sein. Ob seine Wohnstatt, der Yaquirstein - sie schmunzelte kurz über das Bild - allerdings einem Kaiser- oder doch eher einem Baumdrachen Lager war, mochte sie noch nicht entscheiden. Dann war ihre Aufmerksamkeit ganz auf die Nachricht aus dem Norden fixiert und alle anderen Gedanken rasch verflogen. Als sich binnem Kurzem die Gefühle eines weiteren Etero Bahn brachen erhob sich Elysmenia sogleich. Es galt der Sache Einhalt zu gebieten, bevor die Stimmung umschlug. “Versammelte Mitglieder der Eteria, Monsignore Marino. Ich bin selbst erst vor Kurzem über die Lage im Norden informiert worden. Ich bitte darum, dass die Eteria die Weisheit besitzt den verständlichen Kummer des offenkundig in einer schmerzlichen Lage befindlichen Patriarchen der Calven nicht zum Maßstab einer weisen Entscheidung macht.” Sie warf einen knappen Blick in Richtung Marinos von Calven, stellte seiner wogenden Brandung eine kühle Brise entgegen. “Das Haus di Selshed ist lediglich den Bestimmungen des Bundes nachgekommen, der alle Bundesgenossen zur Hilfe in der Not verpflichtet. Die Lage in Calven ist, sowenig wir darüber hier wissen, eine solche Notlage. Als Vikarin von Selshed hat meine Mutter zudem die Sicherheit der Salzstadt und seiner Signoria zu gewährleisten. Eine Aufgabe, die der Schirmer der Flut, Signore Marino - aufgrund der Situation in Calven wird dies offenkundig, aufgrund des Verschwindens seiner Frau wird dies verständlich - derzeit nicht ohne Unterstützung zu leisten imstande ist. Solange Nordmänner ungestraft die Küste heimsuchen, solange müssen alle Mittel zur Verteidigung ergriffen werden.” Sie blickte einige der Eteri nun einen kurze Weile direkt an, darunter die Barone von Arinken, Gilforn und Côntris, aber auch den Patriarchen der Gabellano. Eine zornige Falte stand nun auf ihrer Stirn, die sich allerdings nicht in ihren Worten oder ihrer Stimmlage abbildete. “Heftig entgegentreten möchte ich der Unterstellung, die trotz allem Kummer nur schwer zu verzeihen ist, das Haus di Selshed sei in das Verschwinden Eurer Frau, Monsignore, verwickelt. Vergesst nicht, dass Elaria weit vor der Heirat in euer Haus in das Haus meiner Mutter geboren wurde. Wir alle sind, wie ihr, um das Schicksal meiner Base in großer Sorge.”

Marino ereifert sich

Marino wischte die letzte Bemerkung mit einer abwehrenden Handbewegung fort. “Dass Du, Elysmenia, es mit Treue und Ehre nicht besonders ernst nimmst, davon konnte man beim Ende Deines Gatten erfahren, der allein im Kerker sterben musste, während seine Frau auf ihrem Gut saß und nicht einmal ein Gnadengesuch eingereicht hat! Wichtig war Dir nur dein Ruf, denn nachdem Amaldo vor dem Gericht Deinen Leumund bezeugt hatte, da mochte er wohl zum Schafott wandern! Aber genug davon!” Der Schirmer schüttelte das Haupt unwillig; langsam verebbte in ihm das Gewitter, dass sich so ungestüm entladen hatte. Aber eine letzte Woge wollte noch gegen den Strand donnern: “Vor kurzem hast Du - erst! - von den Vorgängen erfahren? Es war eine Hilfe, eine Bundespflicht gar, als eure Soldknechte unsere Besitztümer besetzten? Ha! Das kann ich Dir, Elysmenia kaum glauben! Denn wäre es nicht Hilfe und Bundespflicht zuerst gewesen, uns über diese Vorgänge in Kenntnis zu setzen? Im Palazzo Luciano ist kein Bote mit dem Fischwappen eingetroffen! Muss ich nicht annehmen, dass wir bewusst in Unkenntnis gelassen wurden? Und nun berichtet gar der Signore Ulfaran, dass düstere Gelichter die Nachrichten meines Vetters Carion abgefangen hätten. Thorwaler waren es wohl kaum, die da durch die Ponterra ritten - wer es sonst gewesen sein mag, der dem Raubgesindel dies eingegeben hat, das kann sich wohl jeder hier denken! Wäre es nicht außerdem, wenn ihr schon unsere Befestigungen besatzen wollt, nicht geboten gewesen - nicht nur aus gutem Willen, sondern schon von Rechts wegen - wenigstens unseren Repräsentanten in den Delfinlanden, meinen werten Vetter, um Erlaubnis zu fragen? So weit sind die Wege, zumal über die Via Silemia, nicht, als dass solcherlei nicht tunlich gewesen wäre. Sein Brief spricht davon nicht, nicht von Boten, sondern von ‘bedrückenden Gerüchten’! Kurz gesagt: Das nenne ich nicht Hilfe, das nenne ich einen arglistigen Coup!”

Endor erholt sich

Nach einiger Zeit betrat Endor Dorén wieder die Halle, die den Namen seiner Vorfahren trug. Er blieb jedoch einen Moment im Torbogen des großen Eingangsportales ruhig stehen und beobachtet die Szenerie der sich beratenden Eteri. Nachdem er sich nun mit den beiden Ritterbrüdern beraten und ihnen Anweisung gegeben hatte, die bis eben noch vor der Halle auf ihn warteten, schien er sich wieder etwas gefangen zu haben. Das edle Wams hatte er abgelegt und überreichte es nun dem Diener der soeben zwischen Tür und Angel leise ansprach. „Bringt mir noch einen Felsfeldener Sandwein, aber von einer frischen, noch kühlen Flasche aus dem Keller. Nicht von dem, den ihr bereits gestern geholt habt um ihn an die Luft zu lassen. Falls das hier immer so noch gehandhabt wird.“ Er schien selbst die Vorbereitungen, die die Dienerschaft vor so einer Sitzung traf genauestens zu kennen.„Und einen Krug kühlen Wassers dazu, verdünnen werde ich ihn selbst. Ach, und wenn ihr schon in den Keller hinabsteigt, werft doch einen Blick in Fässchen mit dem Tarsinioner Brannt und bringt mir einen kleinen Becher davon an meinem Platz, den brauche ich jetzt, das wäre alles.“ Rückwärtsgehend, mit einer Verbeugung bestätigte der Diener ,dass er Endors Anweisung sogleich ausführen würde. Nun, als sich der Diener zurückgezogen hatte, lehnte Endor, zwanglos im wegen der Hitze weit aufgeknöpften Leinenhemd, am Torbogen und betrachtete jeden Eterò einen Moment. War es ein Fehler gewesen solche Emotionen, offen vor allen, an sich heranzulassen? Welcher der Anwesenden hatte schon mal in gleicher Situation vom Tode eines engen Freundes erfahren? Würde es als Zeichen von Schwäche ausgelegt oder konnte er sich nun der Sympathie einiger Anwesender gewiss sein? Welches Spiel hatten die Götter mit ihm vor, und warum musste sein Freund Rendariell auf solche Weise dafür sterben? Musste er überhaupt sterben? Gedanke um Gedanke ging ihn seinem Kopf umher und es gelang ihm nicht einen tieferen Sinn zu ergründen. „Rendariell, alter Freund, möge dich der Seelenrabe über das Nirgendmeer tragen, sodass du deinen Platz an Rondras Tafel findest.“ Mit diesen leisen, letzten Worten an seinen Freund machte sich Endor auf den Weg zurück zu seinem Platz an die Tafel der Eteria. Gerade als der nächste Eteri einen sehr emotionalen Moment durchlebte, was man durch die lauten Worte des Marino von Calven und dessen Mimik unschwer schlussfolgernd konnte, nahm er beinahe unbemerkt seinen Platz ein. Den Anfang von Marinos Auftritt hatte er verpasst und den Grund dazu wohl auch, was aber auch nicht weiter schlimm war, dachte er. Vor einigen Tagen war eine Einladung, gesiegelt mit dem Abbild einer “offenherzigen” Seenixe, zum Ball in den Palazzo Baronale auf Yaquirstein eingetroffen. Auch die Verwandtschaft derer von Carinto stand auf der Gästeliste, so hätte er bestimmt die Gelegenheit sich vor Ort ein Bild von irgendwelchen Ereignissen zu machen und diese im kleinen Kreise zu besprechen.

Cusimo nickte Endor dezent zu, als er wieder die Ratshalle betrat. Hätte ich gewusst, dass sich Dorén und ya Grendol so nahe standen, hätte ich ihm die Nachricht in persönlicherem Rahmen überbracht. Ich hoffe er trägt mir das nicht nach.
Von Marinos Ausbruch wurde Cusimo aus seinen Gedanken gerissen, aber nicht überrascht. Er hatte damit gerechnet, als er das Ornat des Efferd-Geweihten erkannt hatte. Wovon Cusimo überrascht war, waren die Vorwürfe, die dem Ausbruch folgten, daher entschied sich Cusimo ersteinmal möglichst unauffällig im Hintergrund zu bleiben, bis er wieder angesprochen wurde.

Endor beteiligt sich

Nachdem Endor den Becher klaren Tarsionioner Schnapses in einem Zug geleert hatte, schienen seine Lebensgeister wieder etwas zurückgekehrt zu sein. Die wichtigsten Dinge zum Tode ya Grendols waren veranlasst, er hatte beschlossen direkt nach der Sitzung nach Millenis aufzubrechen und unter anderem einen Boten zur Burg geschickt, um die Pferde anspannen zu lassen, damit die Kutsche des Hauses ihn und seine gesamte Familie unverzüglich nach Ende der Zusammenkunft dorthin bringen würde.
Nun war es an der Zeit der Vettel di Selshed einmal zu zeigen, in wessen Revier sie wilderte und in wessen Teich sie ihre Netze ausgeworfen hatte, solch eine Scharlatanin hätte man auf dem Yaquirstein im besten Falle mit der Mistgabel vom Burghof gejagt.
Mit monoton-gelangweilter, aber gut vernehmbarer fester Stimme richtete Endor das Wort zuerst an Marino. "Monsignore von Calven, ich habe nicht alle Eure Worte vernommen, aber seid Euch meiner Konsternation über das Verschwinden Eurer Gemahlin gewiss. Da Ihr über einen rechtschaffenen Leumund verfügt, ich Euch als ehrenwerten Schirmer der Flut schätze, bin ich mir sicher, dass ihr Beweise für die Taten der di Selshed habt." Ein kurzes, schelmisches Grinsen umspielte die Mundwinkel des Landvogtes als er sich zu Elysmenia di Selshed wandte. "Nun zu Euch! Elysmenia di Selshed. Verzeiht meine anscheinend flapsige Anrede, werte Mitglieder der Eteria, aber Elysmenia hat es zum heutigen Tage weder zur Signorina noch jemals bis zur Signora geschafft und da sich der Bund nun in Gefahr befindet, wer mag es mir da verübeln den Dingen ins Auge zu sehen und so wiederzugeben wie sie sind.
Sagt also, Elysmenia, um wie viele Angreifer aus dem Norden handelt es sich? Wie viele Schiffe nennen sie ihr Eigen? Sind diese von der Machart einer Otta? Also wendig, mit wenig Tiefgang. Oder sind es Winddrachen, schwerfälliger aber besser bewaffnet? Das sind doch sicher Dinge, die Ihr in Eurer Besorgnis um den Bund bereits aufgeklärt habt? Wieviel Truppen stellen die di Selshed um selbstlos der Gefahr zu begegnen? Ich frage deshalb, weil es mich verwundert, dass Euer Haus über große Kontingente an Männern verfügt. Wann gedachtet Ihr uns über den Angriff in Kenntnis zu setzen? Zu dem Moment wenn die Vandalen aus dem Norden vor den Toren Shenilos stehen etwa?" Eine kurze Pause ließ er di Selshed. "Sehe ich es richtig, dass Ihr hier ruhig mit uns und an einem Tisch sitzt und verschweigt, dass es im Keller brennt? Elysmenia, ich glaube euch keine Wort, ihr und euresgleichen seid Kollaborateure, wie ihr es schon früher zu Zeiten der Firdayon-Baliiri ward! Nun ob der überraschenden Nachricht in Verlegenheit geraten, ohne Skrupel und getrieben von Rache, Habsucht und Machtgier. Mit sowas an einem Tisch zu sitzen bringt uns alle, wie wir hier anwesend sind, früher oder später nach Naumstein!
Seht mein Eingreifen trotz meiner Trauer als wohl gemeinte Warnung an das Patriziat des Sheniloer Bundes und als Zeichen meines Großmutes und Beharrlichkeit, trotz der zahlreichen Niederlagen die auch ich verkraften musste.“ Gerade wollte sich der Landvogt aufgebracht wieder auf seinen Platz setzen, da begann er erneut zu sprechen. „Ach, Diener! Bringt doch unserem Gast endlich einen Stuhl!“

Cusimo setzte sich mit einem dankbaren Nicken in Richtung Endors, doch fiel dem aufmerksamen Beobachter auf, dass sich Cusimos Gesicht schmerzvoll verzog als er sich setzte. Als wäre nichts gewesen blickte er zwischen Dorén und di Selshed hin und her. Das sind ja reichlich schwere Vorwürfe die Signore Dorén erhebt. Sollte er allerdings mit seiner These Recht behalten, so sind auch die von ihm aufgezeigten Konsequenzen durchaus möglich. Ich bin gespannt was Signora di Selshed dazu zu sagen hat und egal was es ist, ich werde aufmerksam sein, dachte Cusimo bei sich, während er seine Sitzposition schon wieder änderte.
Eins war ihm klar, sollte es einen Grund geben, würde er nicht zögern den Adlerorden zu informieren, wie er es als Adlerritter musste, vor Allem dann, wenn tatsächlich wieder die Firdayon-Baliiri involviert waren. Comto Ravendoza würde in diesem Fall wahrscheinlich persönlich erscheinen.

Orsino schlichtet - und hinterfragt

Orsino hatte sich mit sorgenvoller Miene die Ausführungen Elysmenias und Endors angehört. Und uns nennt man Streithähne… “Signores, Signoras, wir alle sollten einen Moment innehalten und uns ein wenig beruhigen. Eure Mitteilung, werte Elysmenia, beinhaltet, wie mir scheint, kein ruchbares Verhalten, sofern denn stimmt, was Ihr da sagt. Die Zweifel Signor Endors leuchten mir andererseits ein, vor allem, warum solch eine Nachricht die Eteria oder Shenilo allgemein nicht früher erreichte. Ich hätte erwartet, dass Ihr diese sogleich auf den obersten Platz unserer Themenliste gesetzt hättet, denn hier scheint Eile geboten, mehr als bei der Wahl einer Heroldin oder einer Reform des Consiliums. Dies würde ein tadelnswertes Fehlverhalten sein und eines solchen Tadels würdet Ihr Euch dafür auch aussetzen lassen müssen, da es die Sicherheit des Bundes gefährdet, wenn schnelle Reaktionen verzögert werden. Die Anschuldigungen des Signor Endor indes gehen um einiges weiter. Schwere Anschuldigungen, die, sofern sie sich als unbegründet erweisen, Grund für ernsthafte Konsequenzen sein müssten, auch wenn ich die Aufwallung seiner Gefühle für verständlich halte angesichts der eben erhaltenen schlimmen Nachricht, was sich mildernd auswirken müsste. Ernsthafte Konsequenzen wäre ebenso geboten für den Fall, dass sich die Anschuldigungen als wahr erweisen. Diese Frage lässt sich aber wohl kaum in dieser Sitzung klären. Wenn die Nordmänner, wie Ihr berichtet, und dieser Punkt erscheint mir einstweilen plausibel, das Gebiet unseres Bundes angegriffen haben, so liegt es am Bund, zu reagieren - sollte das uns berichtete schnelle Eingreifen der di Selsheds Schlimmeres verhütet haben, so gebührt Ihnen Dank, ansonsten wäre eine Alarmierung des Bundes die richtige Reaktion gewesen - , denn der Bund verfügt über eigene Truppen, deren Schlagkraft sich nicht nur vor Gilforn gezeigt hat. Wir sollten also unseren neuen Constabler damit beauftragen, die Drachenreiter in den Norden zu entsenden, um die Lage aufzuklären, die Truppen des Hauses di Selshed zu entlasten, denn Ihnen obliegt bereits der Schutz Selsheds vor den Nordmännern, und um die Küsten des Bundes wirksam vor den Thorwalerpiraten zu schützen. Zudem sollte an dieser Stelle natürlich auch die Flotte des Horas alarmiert werden, dass sich derlei Gesindel in unseren Gewässern herumtreibt.” Orsino setzte sich wieder und schaute fragend zu Endor.

Rechtfertigungsversuche

Elysmenia war ruhig geworden, als die Beschuldigungen und Beleidigungen auf sie einprasselten. Damit war zu rechnen gewesen. Der Landadel der Ponterra war nicht nur auf dem Felde der Rondra streitbar, er schien diese seine herausragende Begabung auch immer auf dem Feld der Politik beweisen zu wollen. Eine stolzere Frau hätte jetzt vielleicht nach Satisfaktion verlangt. Ihre Mutter, Mazarina, hätte es mit Sicherheit getan. Aber die Vikarin war nicht hier. Elysmenia war weder stolz noch eitel. Sie war auch keine Frau der mitreißenden Reden oder nächtelangen Bälle. Einmal, in ihrer Kindheit, hatte sie eine ganze Nacht am Strand vor Selshed verbracht und hatte einem gestrandeten Wal beim Sterben zugesehen. Ihr Onkel Alexandrian hatte im Dorf nach Leuten gesucht, die ihm helfen konnten, das Tier wieder ins Meer zu schieben und hatte Elysmenia den Auftrag erteilt, den majestätischen Fisch vor menschlichen oder tierischen Räubern zu schützen. Das Tier hatte keinen schönen Anblick abgegeben, es roch nicht gut und der Beleman hatte sie bis auf die Knochen durchfroren, aber Elysmenia war dageblieben. Nicht so sehr aus Angst vor ihrem Onkel. Das Tier hatte sie fasziniert – und die Erkenntnis, dass etwas so mächtiges, ein Wesen, das manchen als heilig galt, wie ihr Onkel erklärt hatte, so einfach sterben konnte, hatte sie daran gehindert, davonzulaufen und sich einen wärmeren Fleck zu suchen. Sie erinnerte sich noch heute gut an jene Stunden und an all die Gedanken, die ihr damals durch den Kopf gegangen waren. Sie hatte nur warten müssen. Irgendwann war ihr Onkel gekommen und hatte sie fortgebracht. Gemeinsam mit dem Diener, der einen Stuhl für den Neuankömmling brachte, betrat eine hochgewachsene gutaussehende Frau von gewissem Alter den Raum. Sie war in eine wallende, blaue Pluderhose gewandet und näherte sich dem Stuhl Elysmenias, ein zusammengerolltes Pergament in der Rechten. Sie schien die Blicke, die mit einem Mal auf ihr ruhten, nicht zu spüren, sondern überreichte di Selshed das Dokument und zog sich dann mit einer knappen Verbeugung wieder zurück. Elysmenia öffnete das Pergament und überflog das Geschriebene. „Lasst uns dieses hitzige, Geist und Sinne vernebelnde Gewitter durch einen klaren Wind beiseitefegen lassen, werte Eteri. So wie es der ehrenwerte Gransignore vorgeschlagen hat. Dies ist eine Nachricht meines Bruders Yulio, Eures Schwiegervaters, Monsignore Marino, die soeben aus der Zitadelle von Selshed eingetroffen ist. Vor ihrem Eintreffen zögerte ich, das Wenige und Unklare, was ich aus dem Norden wusste, mit der Eteria zu teilen. Die Ereignisse der vergangenen Augenblicke haben gezeigt, was ungenaue, verkürzte oder verzerrte Hinweise bewirken können.“ Ihr Blick in die Runde war kühl, aber nicht anklagend. „Soviel mein Bruder berichtet ist die Lage an der Küste die folgende: Vor einigen Tagen hat eine marodierende Otta die Hafenstadt Calven überfallen und die Verteidiger niedergemacht. Wie dies möglich war, kann uns vielleicht Monsignore Calven genauer erklären, ich vermute, dass Streitkräfte des Schirmers mit ihm in Bethana weilten, um seine Suche nach seiner Gattin zu unterstützen?“ Sie wartete nicht auf eine Antwort Marinos, hatte sie doch eine plausible Erklärung bereits mitgeliefert. „Eine formelle Bitte um Unterstützung vom Vogt aus Calven unterblieb aus unbekannten Gründen. Ist Carion von Calven selbst verwundet worden? Sind seine Boten von den Thorwalern abgefangen worden? Wir wissen es nicht. Was wir wissen ist jedoch, dass die Thorwaler sich nach ihren Plünderungen efferdwärts davonmachten und dass die sogenannte Delfinküste ungeschützt und für Raubzüge bereit vor ihnen lag. Die starken Mauern Selsheds bieten zwar Schutz, aber welche Gefahr mochte den Fischern und Kapitänen drohen, die an der Küste segelten? Daher hat mein Bruder Kontakt mit den Mercenarios der Cohorte Cyclopäia aufgenommen. Diese haben in den vergangenen Monden verstärkt für die Nordlandcompagnie, darunter auch einige Familien aus Ruthor und den Salzherr Malthuis aus Selshed gearbeitet und deren Schiffe beschützt. Mein Bruder ist nun einen Kontrakt mit dem zyklopäischen Condottiere Eriakos eingegangen, um für den Schutz der Salzherren, ihrer Schiffe und der anderen Bürger an der Küste sorgen zu können. Da in den Orten Covi und Efhardis keinerlei Befestigungen, wie ihr sie nanntet, Monsignore, des Schirmers oder des Hauses Calven befindlich sind, haben die Mercenarii dort Stellung bezogen.“ Sie faltete das Schreiben Yulios und blickte die Signori aus Calven und Sodanyo eine Weile mit unlesbarer Miene an.
„Das zu einem Teil eurer Fragen. Was den Vorschlag des geschätzten Gransignore Orsino betrifft, so empfiehlt sich sicherlich die Entsendung einer Truppe des Bundes, um die Sicherheit Calvens zu gewährleisten. Nur will ich das Folgende zu denken geben: Hart waren die Worte des Monsignore Marino und hart ist der doppelte Schlag, den er so kurz hintereinander hinnehmen musste. Der Constabler, Leomar di Gondolfini, ist ein alter Dienstmann seines Hauses – Müssen wir im Norden nicht mit einem ebenso harten Vorgehen rechnen, das vielleicht die nötige Umsicht missen lässt? Nun aber will ich schweigen und hören, was andere in diesem Rund zu sagen haben.“

Guiliana stellt geschickte Fragen

Guiliana hatte die Ereignisse bisher mit Spannung verfolgt und hatte mehrfach der Versuchung widerstanden, auf gewisse Ungereimtheiten aufmerksam zu machen. Letztendlich hatte sich das als weise herausgestellt, auf Endor war in dieser Hinsicht in letzter Zeit Verlass. Mit gewohnter Taktlosigkeit hatte er dennoch genau die Worte in den Mund genommen, die wohl den meisten Eteri auf der Zunge lagen. Und mit ebensolcher Verlässlichkeit war er über das Ziel hinausgeschossen.
Ein Übergriff der Thorwalpiraten in Calven also, Elysmenia wusste davon und hielt es nicht für nötig, die Eteria in Kenntnis zu setzen, während diese die Besetzung eines völlig bedeutungslosen Amtes beriet. Der Auftritt der Botin änderte allerdings Guilianas Sichtweise. Mit etwas gutem Willen, den sie Elysmenia trotz deren selbstgefälligen Gehabe noch entgegenbringen wollte, war es in der Tat möglich, dass sie die Ankunft der Botin erwartet hatte, um die Angelegenheit zur Sprache zu bringen. Einige Dinge waren dennoch sehr dubios. Der Überfall fand vor unerwartet langer Zeit statt. Außerdem war es sehr unglaubwürdig, dass das Haus Selshed mit viel Geld Söldner anheuerte, um die Besitztümer eines Feindes zu schützen, aber, als es um Shenilo ging, vor den Toren Gilforns nichts Nennenswertes beigetragen hatte. Sie erinnerte sich an den Besuch Leomar Gabellanos in ihrem Palazzo vor den Wahlen, als der alte Gransignore mehr oder weniger damit drohte, dass die alte Selshed vorhatte, den Sheniloer Bund zum Begleichen alter Rechnungen zu missbrauchen. Sie beschloss, diese Gedanken für später aufzuheben, naheliegendere Dinge anzusprechen und erhob sich. “Verehrte Signora Elysmenia, ich möchte euch danken, auf diese Weise Licht ins Dunkel gebracht zu haben. Mir selbst waren nur Gerüchte über Schwierigkeiten mit Thorwalern in Sewamund zu Ohren gekommen, die eher nach einer Rauferei als nach einem handfesten Überfall klangen. Ich will mich meinem guten Freund Orsino anschließen, die Drachenreiter scheinen ob ihrer Mobiliät das geeignete Mittel, ich möchte gar sagen, das einzige Mittel zu sein, einer Bedrohung durch Thorwalpiraten zu begegnen. Darüber hinaus befürchte ich, ist der Sheniloer Bund zur Untätigkeit verdammt, diese Gefahr kann nur von der Flotte aus der Welt geschafft werden, nicht mit unseren Mitteln. Doch bitte erlaubt mir eine womöglich bedeutendere Frage.” Guiliana wartete nicht lange, bis sie fortfuhr. “Wisst ihr, wie die Lage in Calven ist? Konnte die Bevölkerung rechtzeitig fliehen? Wie viele Tote gab es? Wir alle sollten nicht vergessen, den Leidenden beizustehen. Oder habt ihr auch diesbezüglich bereits die Initiative ergriffen?” Guiliana nahm wieder Platz. Wollen wir doch einmal sehen, wie gut ihr es wirklich meint.

Cusimo sucht nach seinem Platz

Cusimo wusste nicht so recht, was er von dieser Diskusion halten sollte. Die Eteria Shenilos scheint mir doch sehr streitbar zu sein, dachte Cusimo, doch war das nicht unbedingt ein Nachteil, wenn sie mehr mit sich beschäftigt waren. Eigentlich wollte er noch persönliche Belange ansprechen, doch schien dies momentan mehr als unangebracht. Ich hoffe doch, dass sich bald eine Gelegenheit dafür ergibt oder zumindest keiner der Anwesenden mich heraus bittet.

Elysmenia weicht (geschickt) aus

Elysmenia runzelte die Stirn, als die Baronin von Arinken geendet hatte. “Ich kann nur für die Lande um Selshed und die Küste sprechen. Der Bericht meines Bruders behandelt nur die Handlungen des Hauses di Selshed. Wir haben keine gesicherten Informationen aus der Stadt Calven selbst, die über das Gesagte hinausgehen. Ich glaube, keiner, der den Verlauf dieser Debatte mitverfolgt hat, glaubt, dass eine Hilfsmission meines Hauses direkt nach Calven in diesem Rat oder gar in Calven selbst mit Wohlwollen aufgenommen worden wäre - unter den gegebenen Umständen.” Sie ließ sich bereits wieder nieder, unterbrach sich aber dann und hob die Linke, um etwas anzufügen. “Das Haus di Selshed möchte sich heute jedoch nicht als Retter des Hauses Calven gerieren. Dann hätte man mir mit dem Vorwurf der Heuchelei kaum ein Unrecht getan. Die Aufgabe eines Bundesmitgliedes ist es, den anderen in Zeiten der Not beizustehen. Zum Bund gehören auch die Untertanen der Häuser, die den Frieden unterzeichneten oder sich dem Bund anschlossen - dazu zählen auch die Einwohner Covis und Efhardis. Die Entsendung von Bewaffneten an die Küste habe ich als eine solche Hilfe in Notzeiten bezeichnet. Die Aufgabe der Vikarin ist es aber auch, die Bürger Selsheds und deren Interessen zu schützen. Das hat meine Mutter getan, denn sie ist Mitglied des Bundes und Vikarin von Selshed.”

Vorschlag zum Handeln aus Calven

Marino tobte nicht weiter gegen die in seinen Augen ungerechtfertigten Worte Elysmenias an. Er hatte seine Ruhe wiedergefunden; in ihm lag nach einem kurzen, heftigen Unwetter wieder eine blasse Sonne über der blanken See. Aber es war keine ausgeglichene Ruhe, sondern eine erschöpfte. Fühlte er sich durch seinen Ausbruch müde und leer oder durch die Sorgen, die schwer auf seinen Schultern lasteten? Er würde allerdings noch etwas sagen müssen, es sollte nicht so aussehen, als habe Marino haltlose Vorwürfe vorgebracht. “Verehrte Signori, liebe Brüder und Schwestern”, hatte Marino in priesterlichem Tone eröffnet, “auch wenn ich es für unwahrscheinlich halte, dass die Signora di Selshed und ihre Mutter so ganz uneigennützige Motive hatten, die Delfinküste zu besetzen, und ihr Mandat für den Schutz sich eigentlich vor allem auf die Stadt Selshed bezieht, so ist die Gesamtsituation noch zu unklar, um ein endgültiges Urteil zu finden. Ich sehe mehrere Verfehlungen, die auch bei gänzlich freundschaftlichem Dienste zu rügen wären, ich sehe aber auch, dass vielleicht nicht alle meine Vorwürfe gerecht waren. Was das Verschwinden meiner geliebten Elaria angeht, der alle Zwölfe beistehen mögen”, Marino stockte die Stimme und die Anrufung der Zwölfe erschien mitnichten als bloß konventionelle Formel, “so will ich meine Anklage einstweilen nicht aufrecht erhalten. Sollte sich jedoch im Nachhinein eine Beteiligung des Hauses di Selshed an der Entführung, deren Hintergründe noch wenig beleuchtet sind, herausstellen, dann gnade Euch und Euren Gevattern Praios der Gerechte und seine elf Geschwister!” Marinos Züge waren hart geworden und seine Stimme lauter, als er es beabsichtigt hatte. Er fing sich wieder etwas. “Die weiteren Punkte, was Eure, Elysmenias, Absichten der Besetzung unserer Lehen angeht, und was das Abfangen von Boten aus dem Norden betrifft, so kann ich nicht anders, als die Vorwürfe für gerechtfertigt zu erachten, wie es wohl auch unser verehrter Freund Signore Endor tut. Ich schlage deshalb vor - auch um unseren Gast, den Signore Ulfaran, nicht in die Verlegenheit zu bringen, sein Erscheinen habe nur zu Streit und Hader im Bunde geführt - die Diskussion in diesem Punkte mit einem Beschluss zu beenden, der wie folgt lauten möge. Marino nickte dem Protokollführer zu, der damit aus seiner Sprachlosigkeit erwachte.
“Die in der Eteria der Hohen Stadt der Drachen vereinten Signori beschließen hiermit,

primo: dass eine Schwadron der Drachenreiter nach Norden nach der Stadt Selshed und in deren Umland entsandt werde. Die Zusammenstellung der Truppe und ihre genauen Wege bleiben dem Ratschluss des obersten Kommandierenden der Drachenreiter überlassen. Ziel der Entsendung ist der Schutz der Küsten des Bundes und die schnellstmögliche Klärung der Lage. secundo: Der ehrwürdige Consiliere Fuldigor oder, wenn dieser abwesend, seine Exzellenz der Erste Rat der Stadt Shenilo, mögen unsere allerhöchstmächtige, Kaiserliche Majestät, Khadan-Horas I., und seinen allerdurchlauchtigsten Verweser, den Comto-Protector von den Vorgängen in Kenntnis setzen. Das Haus Calven sorgt für eine Verständigung Ihrer Hochwohlgeboren der Gräfin von Bethana, die als Lehnsherrin der betroffenen Ländereien wie auch der Stadt Shenilo als erste zuständig ist. tertio: Was die gegen die Signora di Selshed und ihre Familie, die Glied des Bundes ist, vorgebrachten Vorwürfe angeht, so soll deren Wahrheitsgehalt durch den Bund überprüft werden und, wenn sie sich als wahr herausstellen, die Suspendierung aller Rechte, allen Schutzes des Hauses di Selshed durch den Bund ausgesprochen werden. So sieht es der Sheniloer Frieden in seinem ersten Absatz zum Ende hin vor.” Marino räusperte sich und stellte sicher, dass der Schreiber den Antrag aufgenommen hatte. “Und nun noch privatim ein Wort an meine Base Elysmenia. Ich halte die Zweifel an der Integrität Signore Leomars, der dieser Stadt als Constabler diente, für eine Infamie, über die er in jedem Falle erhaben ist. Er war dieser Stadt im Sheniloer Buhurt sein Leben zu opfern bereit. Er hat für sie gefochten und hat Wunden für sie empfangen.” Und damit errang er hundert mal mehr Verdienste für Shenilo, als Du, Schlange, setzte Marino in Gedanken hinzu. “Er diente in den letzten Jahren nicht meinem Hause, sondern unser aller Herrin, der Gräfin Hesindiane. Wenn er einen Konflikt seiner Loyalitäten sieht, was ich für unwahrscheinlich halte, so wird er seine Konsequenzen zu ziehen wissen. Diese Entscheidung obliegt aber jedenfalls nicht Euch, Signora.” Marino blickte in die Runde, um die Anwesenden aufzufordern, ihre Zustimmung oder Ablehnung zu dem Antrage zu verdeutlichen, und kritzelte dann auf ein Pergament einige Worte, die auch die umsitzenden Signori nicht zu lesen vermochten.

Leomar gibt zu bedenken

Leomar Gabellano, Patriarch seines Hauses und Präfekt von Côntris, erhob sich nun. “Ich will mich nicht an Vermutungen beteiligen, aber etwas zum ersten Punkt Eures Entwurfes fragen, Monsignore: Wenn, wie es scheint, die Lage in Calven unklar und in Calven das zweifelsfreie Unrecht geschehen ist - warum sollte dann die Mission der Drachenreiter in Selshed beginnen? Wie wir soeben gehört haben ist der Schutz der Küste Selsheds - wenn auch unter noch zu klärenden Bedingungen - gewährleistet, während die Thorwaler in Calven gelandet, in Calven geplündert und getötet haben. Sollte nicht der erste Weg der Drachenreiter daher nach Calven sein, wenn ihr erster Auftrag der Schutz der Küste ist und die Klärung der Lage, mit der ihr die Schwadron ebenfalls beauftragen wollt, ihr obliegen, wenn der erste Auftrag erfüllt ist?”

Marino blickte von seinem Pergament auf, als Leomar zu sprechen begonnen hatte. Nachdem dieser geendet hatte, erwiderte Marino: “Signore Leomar, es lässt sich über die Vokabel “Schutz” im Kontexte des Vorgehens der di Selshed trefflich streiten. Gleichviel, Eure Worte, verehrter Signore, haben durchaus Gehalt. Ich hätte es vorgezogen, diese Entscheidungen den militärischen Fachleuten zu überlassen. Meinetwegen soll der Antrag wie folgt geändert werden: statt ‘nach der Stadt Selshed und ihrem Umland’ setzen wir ‘nach der Stadt Calven und in der Folge gen Westen hin’. Dieser Weg ist ohnehin wahrscheinlich, weil naheliegend. Ich würde mir aber einen baldigen Aufbruch wünschen, wenn Ihr, meine verehrten Brüder und Schwestern, diesem Antrage zustimmt.”

Endor vermutet ein größeres Spiel am Werke

„Weise Worte, Monsignore Marino“, mit einem Lob an den Schirmer der Flut erhob Endor Dorén erneut das Wort an die Versammlung. „Euren Vorschlag zu diesem Beschluss würde ich, und somit mein Haus, unter gewöhnlichen Umständen sicher unterstützen.“ Er machte eine kurze Pause, es schien als würde der Landvogt etwas mit sich herumtragen, über das er nur ungern sprach, auch wenn es nur die Abneigung, ja beinahe der Hass auf diese di Selshed war, fiel es ihm schwer Worte zu finden. „Verehrte Anwesende, die Abneigung meinerseits gegen das Haus di Selshed dürfte nun jedem bekannt sein. Diese beruht aber nicht auf allgemeiner Zanksucht, die Gründe hierfür genau wiederzugeben, würde das Ende dieser Sitzung sicherlich bis in die Nacht verschieben.
Ich mäßige mich deshalb und beschränke meine Worte auf die Auslese der hier dargebrachten Argumente, von deren Richtigkeit, ja gar aufrichtigen Ehrenhaftigkeit, sich jeder sein eigenes Bild machen darf und sollte. Zuvorderst möchte ich am Rande notieren, dass es durch das Geheimhalten der Nachricht des Angriffes durch Elysmenia di Selshed, möglichenfalls zu sinnlosen Opfern unter der Bevölkerung der betroffene Region kam, ob hier ein Tadel ausreicht um dieses zu vergelten, wage ich zu bezweifeln. Dann bitte ich die Versammlung genau zu prüfen, wer! zuvorderst den Vorschlag unterbreitet hat die Drachenreiter zu entsenden und unter welchen Umständen genau! Aus meiner neutralsten Sicht, die mir die Umstände zulassen, sind die Dinge über die wir heute gewahr werden, von wem auch immer, von langer Hand geplant und somit möchte ich meinen Zweifel darüber anbringen, ob wir die Eskadron der berühmten Drachenreiter mit der Aussendung nicht ins sichere Grab schicken.“ Damit lehnte Endor sich auf seinem Stuhl zurück und sehnte bereits das Ende der Versammlung herbei.

Elysmenia lenkt ein

Elysmenia nahm einen Schluck aus dem messingfarbenen Pokal, der vor ihr stand, um ihr Schmunzeln zu verbergen. “Signore Endor, mich dünkt ihr wollt mich nun endgültig zur Duellforderung treiben. Den Gefallen, mich, die ich keine kriegerische Ausbildung genossen habe, aufs erste Blut zu demütigen, werde ich euch nicht tun. Oder ist es nur der doppelte Verlust, den ihr soeben erlitten habt, der euch nach hitzigen Worten und gewalttätiger Auseinandersetzung streben lässt?”
“Und lasst mich auch eines zu eurer neuerlichen Anklage sagen, ich hätte Menschenleben gefährdet: Selbst wenn wir auf Basis der schieren Tatsache, dass mein Haus Truppen an die Küste gebracht hat, um einen Angriff auf Calven zu begegnen, direkt verhandelt hätten, hätte doch kein einziges Menschenleben im fernen Calven gerettet werden können - der Gewaltakt der Nordmänner liegt doch schon Tage zurück und so eilig reiten nicht einmal die treuen Reiter des Bundes!”
“In der Sache stimme ich der Entsendung von Truppen gen Norden zu, unter der Bedingung, dass ein Passus aufgenommen werde, dass es sich dabei um eine Friedensmission für die Mitglieder des Bundes und nicht eine Strafmission gegen ein Mitglied des Bundes handelt - die angebliche Unbefangenheit des frischgekürten Constablers hin oder her.”

Asteratus mahnt zur Mäßigung

Asteratus Menaris räusperte sich. “Ich gebe zu, dass auch mich die Komplexität des Gesagten, Vermuteten und Gemeldeten an die Grenzen meiner hesindialen Gaben treibt. Aber hinter allem und jedem eine Verschwörung zu vermuten, die von einer Beteiligung des vernichteten Hauses Firdayon-Baliiri, über die Entführung eines Mitglieds des Hauses di Selshed durch seine eigenen Verwandten bis zu einer Falle für die Drachenreiter reicht - kann uns das wirklich dabei helfen, einen klaren Beschluss zu fassen? Die Kirche des Nandus lehrt, dass Weisheit auch darin besteht, das Mögliche vom Wahrscheinlichen zu trennen - und sich bei wichtigen Entscheidungen eher von Sicherem, denn Wahrscheinlichem leiten zu lassen.”