Briefspiel:Für die Kirche, gegen die Familie

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Stadt Urbasi klein.png Briefspiel in Urbasi Stadt Urbasi klein.png
Datiert auf: 26. Ingerimm bis 8. Rahja 1032 BF Schauplatz: Kloster vor und Stadtpalast in Urbasi Entstehungszeitraum: 2010
Protagonisten: Alvinia ya Paredo, Talor von Andima, Auricanius und Yandriga von Urbet Autoren/Beteiligte: Haus Urbet-Marvinko klein.png Gonfaloniere

Die vorliegende Briefspiel-Geschichte Für die Kirche, gegen die Familie schildert (kurz) die Hintergründe, die Ende 1032 BF zum Rückritt Auricanius' als Familienoberhaupt des Hauses Urbet-Marvinko führten. Ihm folgte Anfang 1033 BF sein Vetter Panthino von Urbet nach.


Im Kloster der Turaniter zu Urbasi, morgens am 26. Ingerimm 1032 BF:

Das Echo hastiger Schritte auf steinernen Fliesen hallte im Korridor wider. Durch schmale Schießscharten fielen zaghaft die ersten Strahlen der Morgensonne in den kühlen Gang und tauchten ihn in ein eigentümliches Zwielicht. Für den Blick nach draußen, von der Hügelkuppe über die Gutshöfe in der sanft eingeschnittenen Senke und bis hin zur entfernten Stadtmauer im Osten, hatte die Verursacherin des Echos jedoch keine Zeit. Nicht diesmal.

Schwester Alvinia, die Archivarin, war gerade erst von der Andacht zurückgekehrt, als sie die Nachricht erreichte. Das Fehlen des Priors war natürlich nicht unbemerkt geblieben. Und da auch dessen Vertreter wieder einmal im Palazzo seiner Familie genächtigt hatte, musste Bruder Talor, der Hüter der Sakristei, kurzerhand die Leitung des Gebets übernehmen. Sie hatten sich dabei noch nicht viel gedacht. Dass das Alter und die damit einhergehenden Gebrechen den Prior zunehmend plagten, war innerhalb des Klosters längst kein Geheimnis mehr. Auch wenn Seine Hochwürden selbst eine dies berücksichtigende Sonderbehandlung stets energisch ablehnte.

Endlich kam sie an der Kammer des Priors an, verlangsamte ihre Schritte und strich sich noch einmal ordnend über die weiß-goldene Robe. Dann trat sie ein.

„Ah, Schwester Alvinia, hat mein Bote euch erreicht?“, stellte Bruder Talor ihr eine Frage, die mehr Feststellung war.
Der Sakristan war offensichtlich selbst nur ein – besorgter – Beobachter des Geschehens an der Lagerstatt des Hochgeweihten. Zwei in der Heilkunst besser bewanderte Ordensmitglieder beugten sich über den bleichen Alten.
„Er lebt“, nahm ihr Talor die wichtigste Antwort vorweg. „Zumindest atmet er, ist aber nicht bei Bewusstsein. Ich habe bereits nach den Dottores der Medici-Schule schicken lassen.“
Die Nervosität war dem Glaubensbruder dennoch anzumerken. Alvinia nickte nur, um ihre Zustimmung zu der getroffenen Maßnahme zu signalisieren. Zumindest war Talor überhaupt anwesend – im Gegensatz zu Subprior Auricanius von Urbet


Im Palazzo Casciano zu Urbasi, vormittags am 8. Rahja:

„Und?“
„Nichts und!“
„Es scheint sie aber doch mitzunehmen …?“
„Mag sein … Nun gut, du hast ja recht. Sie hat ihn nicht geliebt, soviel ist sicher. Dennoch trauert sie um ihn. Um die sichere Zukunft ihrer Töchter vielleicht noch mehr.“

Yandriga und Auricanius, die beiden mittleren der Urbet-Marvinko-Geschwister, durchquerten soeben den Corte segreto, den ‘geheimen’ Innenhof des familieneigenen Palazzos. Der Tod ihres ältesten Bruders, des Fürsten Traviano von Urbasi, lag nun drei Jahre zurück – und noch immer harrten viele ungelöste Fragen hinsichtlich der Verteilung seines Erbes innerhalb der Familie, oder auch nur der Geltung gewisser Ansprüche gegenüber Dritten, ihrer Antwort. Auricanius, der Jüngere, hatte sich im Konflikt auch mit den beiden anderen Geschwistern Odina und Rondralio als kommissarisches Familienoberhaupt durchgesetzt, doch lasteten verschiedenste Aufgaben und ein dunkles Geheimnis auf ihm. Er redete ungern über Travianos Witwe Preciosa und plagte sich zunehmend mit der Vielfachbelastung als Familienoberhaupt, Subprior des Turaniter-Klosters, Inquisitor sowie Custos Relicti Bosparani (Bewahrer der bosparanischen Relikte) der Stadt herum.

Palazzo Casciano in Urbasi

Nach einem Moment des Schweigens hielt er plötzlich unter den Arkaden an und fuhr fort: „Yandriga, ich habe dir etwas zu sagen. Etwas, das ich noch niemandem sonst anvertraut habe …“
Die nur ein Jahr Ältere zeigte sich irritiert: „Ja?“
„Ich werde mich nicht zur Wahl ins Consiglio aufstellen lassen.“
„Weil es noch immer Vorbehalte geben wird, oder warum?“
„Nein, weil ich auch die Führung der Familie abgeben will. Die Sache im Kloster … meine Versäumnisse dort haben mir aufgezeigt, dass ich engere Grenzen für mich selbst ziehen muss. Ich kann nicht auf Dauer zwei Herren dienen.“
„Haben sie dir dort Vorwürfe gemacht?“
„Nicht öffentlich. Ich spüre jedoch ihre Unzufriedenheit – und wie diese ein Spiegel meiner eigenen geworden ist. Das ist aber auch egal: Mein Entschluss steht fest!“
„Für die Kirche, gegen die Familie …“ Yandrigas Worte klangen vorwurfsvoller, als sie es beabsichtigte.
„Aus der Kirche, umso gefestigter für die Familie“, hielt ihr Auricanius seine Sichtweise entgegen. „Und bevor du weiterfragst: Ich habe Panthino bereits aus Urbet herbestellt. Wenn er dies nicht ablehnt, soll er mir als Oberhaupt nachfolgen. Das wird nicht jedem gefallen, vor allem Preciosa wohl nicht. Aber er ist der beste, der es machen kann. Wahrscheinlich besser, als ich es je vermochte …“
„Sei nicht ungerecht zu dir selber“, versuchte Yandriga die Selbstkritik ihres Bruders zu bremsen.
Ein dankbares Lächeln würdigte dies. Doch Auricanius wurde schnell wieder ernst: „Ich möchte aber auch dich in die Pflicht nehmen, Yandriga. Du erinnerst dich an die Idee bezüglich des Collegios? Kandidiere als Censora für Torneocampo, bitte. Tarquinio und seine Fleischer stünden sicherlich bereits hinter dir. Und viele andere verehren dich seit den 1000 Meilen oder manchem Turnier. Zeig dich vor allem beim Palio, dann hast du allerbeste Chancen …“