Briefspiel:Feuernacht (27)

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Stadt Urbasi klein.png Briefspiel in Urbasi Stadt Urbasi klein.png
Datiert auf: ab 7. Rondra 1035 BF, abends Schauplatz: Stadt Urbasi, besonders Palazzo Casciano Entstehungszeitraum: Juni bis Dezember 2013
Protagonisten: Haus Urbet und viele zum Fest geladene Patrizier Urbasis Autoren/Beteiligte: Familie Aspoldo.png Aspoldo, Haus della Pena aeH.png Dellapena, Haus di Onerdi.png Di onerdi, Haus Doren.png Dorén, Haus Urbet-Marvinko.png Gonfaloniere, Haus della Pena jH.png Horasio, Familie ya Ranfaran.png Ranfaran, Haus di Salsavur.png Rondrastein, Familie Dalidion.png Storai, Haus di Tamarasco.png Tamarasco, Familie Zorgazo.png Toshy, Haus della Turani.png Turani, Familie Carasbaldi.png ZarinaWinterkalt


Im Dunkeln

Autor: Gonfaloniere

Entferntes Knallen und Knistern war das einzige, was die drei Mädchen noch an das Grauen erinnerte, dem sie soeben entkommen waren. Und ihr abwechselndes, den Anstrengungen der Flucht geschuldetes Schnaufen.
„Aua!“
In Selinde Travianas Stimme mischten sich Verzweiflung und Angst, aber auch trotzige Empörung, als sie von der hinter ihr laufenden Cousine gegen die harte Tunnelwand geschubst wurde.
„Seli, warst du das?“
Nun war es Rahjadas Stimme, die ähnlich eingeschüchtert die absolute Dunkelheit durchbrach, in der sie sich mittlerweile befanden. Die Erbin des Hauses Urbet musste sich aber mehrere Schritt hinter der Geschubsten befinden, wie eben diese mit kindlicher Schläue befand.
„Auri, pass doch auf“, schalt die Erbin des Hauses Torrem die jüngere ihrer Cousinen, die als einzig mögliche Verursacherin daher übrig blieb.
„Tschuldigung“, gab die zurück. „Ich hab‘ dich nicht mehr gesehen.“
Tatsächlich war der schwache Feuerschein, der ihnen durch die Geheimgänge unter der Oberstadt von ihrem einstigen Zuhause gefolgt war, von einem auf den anderen Augenblick gänzlich erloschen. Dass hinter ihnen ein weiterer Gang eingestürzt war, interessierte die drei jedoch erstmal nicht.
„Nicht so schlimm“, beeilte sich Selinde zu entgegnen und dabei die eigene aufkommende Angst zu unterdrücken. Zu spät für die Jüngste unter ihnen, die längst leise und abgehackt schluchzte.
„Auri, nicht“, forderte die ältere Schwester sie auf, sich zusammenzureißen – und war doch selbst kurz davor jede Hoffnung fahren zu lassen.
„Ich will nicht sterben“, schluchzte die jüngere.
„Mama sucht bestimmt schon nach uns …“
„Jada hat recht“, sprang ihr die Cousine bei, „deine Mutter würde nie zulassen, dass dir etwas passiert!“
„Wir haben nicht auf sie gehört“, widersprach Aureliana, während ihr die Tränen die Wangen herunterliefen, „wir sind nicht im Zimmer geblieben. Wir haben nicht auf sie gehört!“
Dass die drei Mädchen der Bewachung ihrer Ammen und Aufpasserinnen nicht zum ersten Mal entflohen waren, als sie heimlich weiter das Fest beobachten wollten, spielte für die jüngere der Schwestern keine Rolle. Dies alles schien allein die Strafe für ihren Ungehorsam zu sein. Und sie war sich nicht sicher, ob ihr die eigene Mutter dies verzeihen könnte.
„Sie sucht bestimmt nach uns“, weigerte sich Rahjada dem Gedankengang der Schwester zu folgen, „bestimmt …“ Doch auch ihre äußere Fassade der Selbstsicherheit bekam Risse, selbst wenn die anderen beiden Mädchen dies in der Dunkelheit nur anhand der Färbung ihrer Stimme zu erahnen vermochten.
„Oder der Freund eures Vaters tut’s“, wandte Selinde ein und meinte dabei unzweifelhaft Tarquinio della Pena, der sie überhaupt in dieses Labyrinth geführt hatte – um die Erbinnen Travianos unerkannt aus dem Flammeninferno zu retten, ohne dass sie den sicherlich schon vor dem Palast postierten Mördern aus dem Haus di Salsavûr in die Hände fallen konnten. Doch der erste einstürzende Gang hatte ihn bereits von den Mädchen getrennt. Ob er überhaupt noch lebte, das wussten die drei nicht. Der Kloß im Hals der beiden älteren im Dunkeln sitzenden Comtessas wurde immer größer, während Aureliana weiter vor sich hin schluchzte.
Dann sahen sie nicht hinter, sondern diesmal vor sich wieder einen Lichtschein, der näher zu kommen schien. Schwere Schritte schallten ihnen durch das teils tropfnasse Gemäuer entgegen …

****

Jetzt blieb ihm nur noch abzuwarten, wurde Auricanius bewusst. Und er hasste das! Die Hohe Lehrmeisterin hatte mit seiner Botschaft für den belagernden Baron den Tempel soeben verlassen. Ob sein Vorhaben zur Überführung seiner Familie ins Kloster vor der Stadt gelang, hing nurmehr von ihren Worten ab. Zu dieser Ungewissheit kam jene des Verbleibs seiner übrigen meistgeliebten Menschen. Yandriga hatte er fortgeschickt, doch war sie nun in Sicherheit? Und Preciosa, die er den Medici Maestra Peraijanas übergeben hatte? Von Aureliana fehlte sogar jede Spur …
Zumindest Istirde war nun an seiner Seite, versuchte er die dunklen Gedanken abzuschütteln. Doch als er ihr ins Gesicht sah, sah er vor allem ihre ehrliche Besorgnis, die wohl seinen eigenen Verbrennungen galt.
„Es ist nichts“, nahm er ihr jede Frage vorweg, „nichts als ein paar Spuren, die vergehen werden!“
Istirde spürte gleichwohl, wie ungern Auricanius sich seine eigenen Verletzungen eingestehen, geschweige denn darüber reden mochte. Fast beschämt wandte sie ihren Blick daher wieder auf das Neugeborene, dem im Tempel längst eine behelfsmäßige Wiege gebaut worden war. Das Neugeborene, das seltsamerweise überhaupt gar keine Spuren des Palastbrands trug.
„Und sie hat bisher nicht ein einziges Mal geschrieen?“ Auricanius war dem Blick Istirdes gefolgt und nahm die mögliche Ablenkung von all seinen düsteren Gedanken nun nur zu gerne an.
„Überhaupt nicht, nein. Sie liegt die ganze Zeit schon einfach nur da und scheint alles zu beobachten, was um sie herum geschieht.“
„Befremdlich“, urteilte der Geweihte über die eigene Tochter, zu der sich ihm noch keine rechte Verbundenheit einstellen wollte.

****

„Sie suchen nach uns, siehst du“, keimte in Rahjada wieder Hoffnung auf, als sich die Schritte weiter näherten. Aurelianas Schluchzen versiegte.
„He, halt mal an, da war doch was“, hörten die drei Mädchen die raue Stimme eines der Lichtträgers vor ihnen. Und die schweren Schritte verstummten.
„Ach, mach dir nicht ins Hemd“, befand ein anderer, „wer sollte hier unten schon sein … Oder glaubst du an Gespenster?“ Hämisches Lachen ertönte.
„Nein, da war wirklich etwas, ich hab’s doch gehört“, gab der erste dem zweiten empört zurück.
„Ach was, du bist ein Schisser! Ich hab‘ jedenfalls nichts gehört … Ich seh‘ nur den Berg von Gold vor mir, der auf uns wartet, solange wir schnell genug sind. Also halt’s Maul und weiter!“
Dann schienen sich die Schritte in einem anderen, abzweigenden Gang wieder zu entfernen.
„Sie suchen nach uns“, redete Rahjada sich selbst weiter Mut ein, und schrie ihnen sogleich nach: „Heda, ihr, hier sind …“
Beim letzten Wort presste Selinde ihr schon die Hand auf den Mund und flüsterte: „Die hören sich nicht wie ehrliche Männer an.“ „Plünderer“, stellte Aureliana trotz ihrer Angst und für ihr Alter eine erstaunlich scharfsinnige Vermutung auf, bevor die entfernten Stimmen auch sie wieder verstummen ließen.
„Siehste, da war doch was“, flaumte der eine Mann den anderen an.
„Das hörte sich aber an wie ein Kind“, stellte der andere überrascht fest.
„Stimmt. Aber warum sollten hier unten Kin… Aua!“ Der andere unterbach den einen offensichtlich unsanft mit einem Ellenbogen in die Seite.
„He, Kinderchen, wir sind hier um euch zu retten!“
Obwohl es die erhoffte Botschaft war, schien auch Rahjada den Worten des Fremden keinen Glauben mehr zu schenken. Als sich das Licht näherte, brach stumme Panik unter den drei Mädchen aus. Verzweifelt krochen sie rückwärts über den dreckigen Tunnelboden und versuchten sich in irgendwelche Nischen zu drücken. Sie fanden aber keine.
Bald waren die beiden Männer mit ihren Fackeln herangekommen. Zwei grobe Gestalten mit ärmlicher Kleidung, aber umso verschlageneren Gesichtern, wie es den Comtessas erschien.
„Oho, was haben wir denn hier“, begrüßte der Anführer der beiden Männer die drei Mädchen.
„Verzogene Bälger“, befand der andere, „die sich hier verlaufen haben.“
„Und die jetzt Bekanntschaft mit unseren Klingen machen, denn Mitwisser unserer Streifzüge können wir nicht gebrauchen“, fällte wieder der Anführer ein schnelles Urteil. „Also, welche der Damen will zuerst?“
Die Fackel in der linken, das Schwert in der rechten Hand grinste er den drei Mädchen hämisch entgegen. Die waren hingegen wie erstarrt.
„Nun, da ihr euch alle so vordrängelt, machen wir’s kurz, denn wir haben ja noch was anderes vor …“
Der Anführer der beiden Männer ging einen Schritt weiter auf die Mädchen zu, betrachtete kurz Selinde zu seiner rechten, Rahjada zu seiner linken und stieß dann mit der Klinge auf die letztere ein …
„Nein“, brüllte plötzlich Aureliana, die hinter den beiden Leidensgefährtinnen auf dem felsigen Boden saß, und stieß reflexartig die rechte Handfläche vor. Bevor das Schwert des Mannes ihrer Schwester etwas anhaben konnte, verbrannte dieser selbst im sich aus seiner Fackel entzündenden Flammenkegel, der auch seinen Komplizen noch erfasste.
Grauenvolle Schreie begleiteten ihren nicht minder grauenvollen Tod. Die Mädchen aber rannten abermals mit dem Lichtschein in ihrem Rücken, bis sie nach etlichen Abzweigungen irgendwann wieder im Dunkeln saßen.