Briefspiel:Greise Gesandte und alternde Schwertmeister

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Beteiligte (irdisch)
Haus Gabellano klein.png Familie Menaris klein.png Athanasius
Haus Calven.png Calven
Familie di Ulfaran.png Di Ulfaran
Haus Doren klein.png Dorén

Die Briefspielgeschichte Greise Gesandte und alternde Schwertmeister umspannt die Ereignisse einiger Monde im Sommer 1035/1036 BF und behandelt die letzten Tage des Schwertmeisters Rendariell ya Grendol und die Hintergründe seines Todes. Sie ist als Meisterinformationen zur Eteriadebatte in Shenilo im Rondra 1036 BF zu begreifen und daher mit Vorsicht zu konsumieren.

Millenis, im Burghof der Feste Millenis, 1. Ingerimm 1035 BF

Dumpfes Schwerterklirren hallte über den Burghof. Avesto taumelte unter einem beidhändig geführten Hieb gegen seine Deckung, die aber standhielt. Er schwitzte am ganzen Leib, sein Atem ging pfeifend und sein Körper schmerzte dort, wo er getroffen worden war. Niemand, der die beiden Kämpfenden beobachtet hätte, hätte geahnt, dass Avesto der sehr viel jüngere Mann war.
Rendariell ya Grendol war wahrhaft ein Schwertmeister. Der Herr von Millenis kämpfte mit einer Gelassenheit und Geschmeidigkeit, die Avesto die Schamesröte ins Gesicht getrieben hätte, wäre nicht ohnehin alles Blut bereits vor Anstrengung in seinen Kopf gestiegen. Keuchend wich Avesto einige Schritt zurück und breitete die Arme aus, suchte nach einer Lücke in der Verteidigung seines Gegenübers. Rendariell hielt dabei seine Klinge, ein fremdländisches Tuzakmesser, hoch über dem Kopf und wartete fast bewegungslos auf die nächste Attacke. Auf seinem Gesicht war kein Zeichen von Anstrengung zu erkennen, lediglich auf seinem markanten Kinn waren einige Schweißtropfen zu sehen. Mit einem wütenden, aber kraftlosen Schrei sprang Avesto nach vorne, um den älteren Mann vor sich herzutreiben. Einige Hiebe kamen dem Leib ya Grendols nahe, wurden aber pariert. Dennoch erkannte Avesto seine Chance: Ein Bein Rendariells war nicht so geschmeidig wie das andere zurückgezogen worden, zog eine kleine Spur über den Sand im Burghof.
Avesto zögerte kurz, bevor er den nächsten Angriff wagte. Jetzt, oder nie, sonst bin ich ohnehin erledigt, dachte er dann. Mit einem schwachen Lächeln auf den Lippen sprang der junge Perainidâler nach vorne. Die Attacke mit seinem Anderthalbhänder zielte hüfthoch und war beidhändig geführt. Als ya Grendol seine Klinge hinabbrachte, um den Schlag zu parieren, hielt Avesto die Luft an und ließ seinen Schlag tiefer fahren, auf das linke Knie Rendariells. Die Tulamidische Taktik hatte Erfolg, er durchdrang die Deckung des Signors und sah, wie sich dessen Gesicht – zum ersten Mal an diesem Nachmittag – vor Schmerz verzerrte. Nun hab ich dich, du parfümierter Misthaufen!
Der triumphierende Gedanke war kaum zu Ende gedacht, als Avesto seinerseits aufschrie, als ihn das Tuzakmesser Rendariells in der Armbeuge seiner Schwerthand traf. Der Herr von Millenis hatte seinerseits fintiert, hatte blitzschnell von Abwärtsparade zu einem geschmeidigen Aufwärtshieb gewechselt, war ein getarnter Angriff auf Avesto, keine gescheiterte Parade gewesen. Grangorer Block!, schoss es dem jungen Schwertkämpfer durch den Kopf. Dann ging er zu Boden, als der ältere Mann ihm die Schulter in den Leib rammte. Was er Rendariell noch eben gewünscht hatte, blühte nun Avesto: Er landete schmerzhaft auf dem Rücken, verlor die Waffe aus dem schmerzenden Griff. Vinsalter Stich!“, hörte er Rendariell ya Grendols schnarrende Stimme sagen, als er eine Klingenspitze an seiner Kehle spürte.
„Ich ergebe mich!“, stöhnte Avesto und blickte eine Zeit lang fassungslos in den fast wolkenlosen Himmel über Millenis. „Eure Schwertkunst ist diesseits des Yaquirs einzigartig, Signore!“, sagte er dann, als ihm der Herr der Feste Millenis auf die Beine half. Rendariell verzog das Gesicht, aber wohl nicht zum Dank. Er schonte das linke Bein, soviel erkannte Avesto. Mit schmerzerfüllter Miene musterte der jüngere den älteren Mann, wie dieser die Tücher von seiner Waffe entfernte. „Wenn Ihr mir nicht erzählt hättet, dass Euer Bein versehrt ist, hätte ich es kaum bemerkt.“ Er klopfte sich mit der Linken den Staub von den Kleidern und begann seinerseits, seine Waffe von den Übungslappen zu befreien. „Erlaubt mir dennoch die Frage, warum Ihr keinen Magus aufgesucht habt? Nicht, dass es nötig scheint: Ihr kämpft wie immer – wie ein jüngerer Mann!“, sagte er dann, voller – widerwilliger – Bewunderung. Rendariell ya Grendol lachte rau auf und verzog das Gesicht in offensichtlichem Abscheu. Waren es nicht Magier, die mir überhaupt die Verletzungen beigebracht haben? Warum sollte ich mich von einem solchen nun behandeln lassen? Und wisst Ihr überhaupt, was dieser ‚Magister Adlim‘ verlangt?
Avesto schüttelte den Kopf und zuckte dann die Schultern. „Ihr habt sicher recht, Signore. Wenn Ihr mich eine Weile entschuldigen wollt, suche ich nach einem Heiler – und nach meinem Stolz.“ Er lächelte gequält und ging, den Arm gegen die Seite gepresst, auf das Tor zum Palas zu.


Avesto fluchte, als er zum wiederholten Male einen Tintenfleck auf das Pergament fallen ließ. Dieser verfluchte Rendariell. Ich werde den Arm noch eine Weile kaum benutzen können!
„Lieber Vetter. Was wir über den Herrn von Millenis und seine derzeitige Verfassung gehört haben, trifft zu…“, fing er dann erneut an.

Muros, außerhalb der Mauern Bethanas, 5. Ingerimm 1035 BF

Wiederkehr des Camerlengo - Trutzo Gabellano in seinem Element

Ein blonder Mann mit edler Brokatweste und korrekt geschwungenem, nicht zu dickem, aber auch nicht zu dürrem Oberlippenbart ließ sich aus seinem Sattel sinken. Dort fanden seine Stiefel die verschränkten Hände eines bärigen Mannes mit ausdrucksloser Miene, der dem recht kleinen Edlen beim Absteigen half. Der mehr als eineinhalb Kopf größere Mann mit dem robusten Lederwams und der Klinge an der Seite trat daraufhin zurück und stellte sich abwartend an die Flanke des Pferdes während sein Herr die Lederhandschuhe abstreifte und mit spöttischem Gesichtsausdruck das Anwesen musterte, vor dem beide Männer soeben ihre Pferde gezügelt hatten. Ohne den Blick abzuwenden reichte der kleinere dem größeren die Reithandschuhe und schritt dann auf das Tor zu. „Also gut, Umbario, dann lasst uns doch mal sehen, was der alte Gharmin heute sein Heim nennt.“ Damit betrat Trutzo Gabellano, Camerlengo Horasio della Penas, des Grafen von Bomed, den Innenhof des Anwesens.


Gharmin von Sewaklauf-Shumir war alt geworden. Trutzo fragte sich, ob es die Kerkerhaft in beiden Reichen am Yaquir oder das viele Reisen zwischen Punin und Bethana und anderen Orten gewesen war, das zu dem faltigen, leicht aufgequollenen Gesicht und den dunklen Flecken im Haaransatz geführt hatte, die der alte Gharmin nicht verbergen konnte. Sicher war der Aufenthalt auf der Feste Millenis nicht derart unangenehm gewesen – aber Al’Muktur? Trutzo schauderte bei dem Gedanken an die Geschichten, die er, auch aus jüngeren Tagen, über diese almadanische Niederhölle gehört hatte. Seine feingliedrigen Hände, deren weiße Behaarung sie fast wie die Beine einer Spinne aussehen ließen hielten den Kopf eines Stocks umfangen, der in einer Eisenspitze endete.
„Was habt ihr mir also anzubieten?“ sagte der Alte jetzt. Trutzo biss sich auf die Lippen um nicht zornig zu knurren. Der Alte war aus noch älterem Adel, soviel war sicher und sogar beinahe einmal Baron geworden. Aber er war auch eine gefallene Gestalt, in Almada gescheitert und auch in der Heimat wollte ihn keiner haben. Und dennoch behandelte er Trutzo wie einen Küchenjungen, den er beim Brotstehlen erwischt hatte! Es wäre sicher ein Leichtes für den Gabellano gewesen, seine Finger um den dürren Hals zu schließen und dem Elend so ein Ende zu bereiten. Der Camerlengo lächelte bei diesem Gedanken, blieb aber ruhig sitzen und räusperte sich stattdessen. „Tatsächlich hat der Graf einen vielversprechenden und geeigneten jungen Mann in seinem Gefolge, der für Eure Bedürfnisse geeignet erscheint. Ihr habt sogar eines gemein – auch Mondino war, und das sogar bis vor kürzerer Zeit, im Genuss der besonderen Gastfreundschaft almadanischer Kerkergewölbe.“ Trutzo lächelte schmal. „Wenn ich mich nicht irre, dann ist der letzte große Duellerfolg Eures alten Freundes auch schon ein paar Götterläufe her, nicht wahr?“ Gharmin lächelte nicht, sondern ließ lediglich ein schwaches hustendes Lachen vernehmen. „Mondino hat sicherlich die Fertigkeiten, die nötig sind, Euren einstigen Gastgeber zu fordern. Allerdings...“ „Er soll ihn nicht fordern können, er soll ihn besiegen!“ unterbrach ihn der alte Shumir, den Stock wütend erhoben. Trutzo schluckte eine heftigere Erwiderung herunter und zuckte stattdessen die Schultern. „Dafür sind die Götter zuständig, nicht wahr?“ Der Camerlengo deutete mit der Linken auf sein Knie. „Und wenn ich auch nicht für Rondra sprechen mag, so sagte man mir doch, dass der Herr von Millenis in einem der Gefechte der vergangenen Jahre verwundet wurde und die Hilfe der Herrin Peraine bedurft hätte. Vielleicht vermag dies ja wiederum Phexens Gunst zu der unseren zu machen?“
Gharmin blickte noch immer skeptisch drein und ging einige gemächliche Schritte durch den Raum, sein Stock machte unregelmäßige, schabende Geräusche auf den Dielen. Trutzo zog ein Pergament mit der Gabel seiner Familie auf dem Siegelwachs hervor und gab es dem alten Mann zu lesen. „Wie Ihr lesen könnt haben wir Informationen direkt aus dem Umfeld Eures einstigen Gastgebers.“
Der alte Mann blickte auf Trutzo herab, wie er in seinem Sessel saß. Eine Konstellation, die Trutzo immer unangenehm war. Dann nickte der Greis und lächelte, ob aus Zufriedenheit über das Gesagte oder über die unzufriedene Miene des Gabellano, blieb unklar. „Das sollte genügen.“ Aus seiner dunkelgrauen Robe mit rotem Saum nahm er einen Lederbeutel in dem es vernehmlich klirrte. „Nur Silberlinge und Heller, also nicht zu auffällig. Aber dafür schwer.“ Trutzo krümmte sich, als Gharmin den Geldsack in seinen Schoß fallen ließ. Ein kaum unterdrückter Fluch kam über seine Lippen. Er stieß lange und ohne aufzublicken die Luft aus, blickte kurz prüfend ins Innere des Lederbeutels. „Eine beachtliche Summe, Signore Gharmin. Ich kann Euch versichern, dass das reichen wird, wie Ihr sagtet.“ Der alte Shumir nickte und machte eine Geste mit dem Stock zur Tür. „Dann sind wir hier fertig.“ Es war eine Feststellung, keine Frage. Unter Aufbringung all seiner Würde verbeugte sich Trutzo Gabellano und verließ den Raum. Du kannst nur dankbar sein, dass der Graf deine Freundschaft will, du Greis. Aber ich kann dir versprechen, dass du das heute eines Tages bereuen wirst!

Am Fuße der Feste Millenis am frühen Morgen des 15. Rondra 1036 BF

Dichte Nebelschwaden zogen vom Yaquirtal hoch und brachen sich wie Meereswellen am Fuß des trutzigen Festungsbaus, der das Dorf Millenis überragte. Der Ort lag noch tief in Bishdariels Armen, als die Praiosscheibe sich über die Goldfelsen schwang und das Land in ein dunstiges Rosenlicht tauchte. Der Signore von Millenis schauderte. Es war nicht so sehr die Kälte, als die Erinnerung. Jahre waren vorübergegangen, doch der Morgen vor der Schlacht auf den Schwarzen Marschen war ihm gegenwärtig vor Augen: die rote Sonne wie heute über dem Land, das Bewusstsein, dass sich hier eitler Adel um Nichtigkeiten schlug, die Gemeinen für diese kindischen Träume starben, auf der anderen Seite des Kontinents aber die Heere der freien Welt für die Schöpfung und gegen die Finsternis fochten.
Die Jahre des Krieges um ihn herum hatten alle Eitelkeit in ihm ausgebrannt und nur noch die Gewohnheit ließ ihn die alte Hofmode tragen, Duftwässer auftragen und sich im Klingenspiel üben. Aber doch - der alte Schwertmeister fühlte sich durchaus geschmeichelt, als der junge Streiter, der ihm gegenüber stand, gestern in später Nacht an das Tor der Feste Millenis gekommen war und nach ihm verlangt hatte. Um den Titel eines Schwertmeisters von Yaquirien wolle er kämpfen, um sich seinem Dienstherrn als würdig zu erweisen, hatte der Neuankömmling ihm eröffnet. Damit war er nicht der erste, die jungen Löwen strichen um den Thron des alten. Eine Überraschung hatte der Herrn von Millenis erst erlebt, als er den Namen des Dienstherren erfahren hatte: Sein alter Feind, der selbsternannte Graf von Bomed - Horasio della Pena.
"Sinnt Ihr noch nach, gegen welche Regeln des Codex Duello wir verstoßen, Signore?" Die Stimme des jungen Mannes, der Rendariell gegenüber stand, troff von Spott. "Wenn Ihr so weitermacht, bin ich bald so alt wie Ihr und Ihr nur noch Asche auf dem Boronanger!"
In seinem hämischen Lachen hörte Mondino von Calven ein leises, metallisches Schaben. Er sah die Klinge des Milleniers nur aus dem Augenwinkel, brachte die Klinge seines Rapiers jedoch nicht rechtzeitig aus der Scheide. Aber ya Grendols Attacke hatte ihn nicht treffen sollen, war einen halben Spann vor seiner Brust zum Stehen gekommen.
"Merkt Euch das, Capitano: Wer kämpfen will, soll nicht reden." Rendariell musste lächeln. Auch er war einst ein solcher Heißsporn gewesen. Er ließ das Tuzakmesser sinken und begab sich in die Grundstellung.
Mondino brodelte vor Zorn, er hatte sich wie ein Kadett vorführen lassen. Es hatte Zeiten gegeben, da er sich von anderen Fechtlektionen geben lassen musste. Doch diese Zeiten waren vorbei. Hier und heute würde er den Willen Horasios erfüllen. Rendariell musste beseitigt werden, damit ein anderer seine Stellung einnehmen konnte. Das würde seines Herrn westliche Flanke entlasten und damit würde seine Schuld getilgt sein. Er würde nicht schon wieder fehlen.
"Eure Ratschläge könnt ihr behalten, alter Mann!"
Bethanische Eröffnung - ein Blitz des Rapiers - eine von der Erfahrung eines Kämpferlebens getragene Parade, leichter Hand - Gegenangriff in einem weiten Bogen. Ein Schwertgewitter brach los, das vom ersten Donnerschlag an keinerlei spielerische Züge hatte.

Derweil, einige Meilen östlich von Millenis

Auf dem Weg in ein kompliziertes Abenteuer - Cusimo di Ulfaran

Zügig fuhr die zweispännige Kutsche über die Straße. Der Kutscher, ein junger Mann der auf den Namen Horatio hörte, wusste, dass Signor Cusimo gerne so schnell wie möglich bei seinen Zielen ankommen wollte, ohne dabei von der Strasse durchgeschüttelt zu werden, bevorzugte er es doch die Reisen lesend zu verbringen.
Also bemühte sich Horatio den Ansprüchen des Signors gerecht zu werden, der tatsächlich wie vom Kutscher vermutet in einem Buch schmökerte. Eine recht anregend geschriebene Geschichte über Bosparan. Die gute alte Zeit, dachte Cusimo bei sich. Der Domicello legte das Buch zur Seite und streckte sich. Bald müsste er ankommen. Er blickte nochmals an sich herunter. Gekleidet in eine nach modischen Aspekten geschneidert Fechtkluft mit den hohen Stulpenstiefeln die vor Allem bei Kämpfern wegen ihres festen Standes beliebt waren. Neben Cusimo lag sein Hut mit der Pfauenfeder und sein Waffengurt mit seinem reich verzierten Rapier. Dazu ein Linkhand. Aufmerksam schaute Cusimo aus dem Fenster der Kutsche. Zügig zog die Landschaft der Herrschaft Millenis vorbei, sodass Cusimo nochmals sein Äußeres richtete, wollte er doch bei dem Signor und Waffenmeister einen guten Eindruck hinterlassen.
Auch wenn Cusimo nichts für den Kampf mit dem maraskanischen Anderthalbhänder übrig hatte, musste er doch zugeben, dass es eine wahre Augenfreude war, einem Meister dieser Waffe zuzusehen. Der weitaus wichtigere Grund für den Domicello war es einen Unterstützer zu gewinnen, wenn es darum ging in der Zukunft eine Schwertgesellenschule zu eröffnen. Sowohl die Unterstützung als Dozent oder aber als Mitfinanzier wäre sehr gelegen und willkommen.
Gedankenverloren richtete er seinen eigenen goldenen Schwertgesellenring, der auch ihn als Schwertmeister auszeichnete, seinen Siegelring und schliesslich den Onyxring den er immer trug, als die Kutsche auch schon zum Stehen kam.
Cusimo musste nicht lange warten bis Horatio die Tür des Verschlages öffnete und einen kleinen Tritt vor der Kutsche platziert hatte, sodass der Domicello mit Eleganz selbige verlassen konnte und seinen Hut aufsetzte, um seine Augen vor den Strahlen der Rondrasonne zu schützen. So wartete er vor dem Tor der Feste, dass seine Ankunft bemerkt und er in Empfang genommen werden würde, hatte er sein Kommen doch schon im Vorraus schriftlich angekündigt.

Vor den Toren der Feste, einige Zeit später

Statt der erwarteten Dienerschaft begrüßten den Domicello die Geräusche eines wütenden Handgemenges vom Zwischentor. Während Horatio die Pferde abschirrte näherte sich der Fechtmeister mit gerunzelter Stirn dem Ärgernis und gewahrte schließlich drei Gestalten, deren zwei, im Kettenhemd gekleidet, einen dritten, der mit einem leichteren Lederwams bekleidet war, mit drohend erhobenen Schwertern über die Brücke trieben. Der Mann, der sein drittes Lebensjahrzehnt wohl schon hinter sich haben mochte, trug nicht nur einen langen Zopf, sonder war seinerseits nicht unbewaffnet. Er bewegte die Rechte über die Schulter zurück zum Griff des Anderthalbhänders, der über seinem Rücken befestigt war. „Greift nach der Klinge und ich strecke Euch nieder, Menaris!“ warnte der vorausgehende im Kettenhemd und Wappenrock. „Versucht es, wenn ihr könnt, Barsiono!“ antwortete der Angesprochene lauernd. Als nun die beiden Gerüsteten des sich nähernden Domicello Gewahr wurden hielt der Vorausgehende, ein breitschultriger Mann mit schwarzem Rundhaarschnitt und etwas teigigen Wangen, inne und rief den Neuankömmling an. „Gebt acht, Signore! Dieser Mann hat sich ohne Fug und Recht Zutritt zur Feste zu verschaffen versucht.“

Selbstsicher näherte sich der Domicello der Szenerie, während seine Instinkte als Kämpfer sein Handeln besimmten, sodass er mit einem schnellen Griff unter den Kusliker Kurzmantel eine Balestrina zu Tage beförderte, die er mit entschlossenem Blick auf die kleine Gruppe richtete.
Die Waffe war weder gespannt, noch war sie geladen, doch wusste Cusimo, dass dies von außen nicht zu erkennen war, was ihm schon mehr als nur einmal das Leben gerettet hatte, wirkte doch der Lauf einer Balestrina erstmal auf jeden einschüchternd.
So blieb er mit der Balestrina im Anschlag etwa sieben Schritt vor der kleinen Gruppe stehen und fixierte jeden von den drei Männern ohne dabei zu blinzeln, dass kaum ein Wind wehte erleichterte ihm dies, war es doch eher beschämend von einem Sandkorn zu tränen gebracht vor seinem Gegner zu stehen.
Das ist ja grandios, dachte Cusimo bei sich. Das erste was ich nach Ankunft in Millenis mache, ist jemanden zu drohen, das wirft ja ein sehr vertrauenserweckenden Eindruck auf mich. "Hier wird zunächst niemand niedergestreckt! Haben die Herren mich verstanden? Ich hätte nun gerne erfahren, mit wem ich es wohl hier zu tun habe, bevor irgendjemand verfrüht vor den Herrn Boron treten muss. Um das zu gewährleisten, bitte ich nun die Herrschaften ihre Waffen abzulegen und mir ihre Namen zu nennen. Damit die Herrschaften auch wissen mit wem sie es zu tun haben, mein Name ist Cusimo Danino di Ulfaran und ich bin als Gast des Signore von Millenis hier."
Auffordernd deutete der Domicello mit der Balestrina auf die Waffen der drei Männer, jederzeit bereit, seine Finte gegen sein Rapier zu wechseln.

Angrond Menaris war verärgert. Er war nur wenige Tage aus dem Arinkelwald zurück. Er hatte sich notdürftig neu einkleiden und einer Rasur unterziehen können. Der Gestank nach Tier, Erdboden, Baum und Schweiß stach ihm noch immer in die Nase. Seine Suche nach seinem Neffen war erfolglos, wenn auch nicht ereignislos, verlaufen. Und als sei dies nicht genug, hatte man ihn in Millenis abgewiesen. Signore Rendariell hatte ihn nicht einmal empfangen, ihn stattdessen einen Tag lang in einer Herberge schmoren lassen. Im Alter war der Schwertmeister offenbar nachtragend geworden. Dabei war es eine andere Menaris, die den Feuerball warf, der ihn vor nunmehr drei Jahren verwundete. Und die ist mittlerweile die Schwiegertochter seines Verbündeten Endor. Er war nicht ohne Verständnis für Rendariells Motive – aber seine Taten waren nicht recht!
Nachdem ihn auch der Wirt wie einen Malefikanten behandelt hatte – und er mit einem Müller und seinen Söhnen in eine mit reichlich Bewegung ausgetragene Diskussion geraten war, hatte Angrond an diesem Morgen beschlossen, den Signore zu besuchen, um dieses hesindeverlassene Dorf endlich hinter sich lassen zu können. Dass er sich dagegen entschieden hatte, Barsiono und seine Gardisten von diesem Vorhaben zu unterrichten, hatte bei diesen zu einer vollends übertriebenen Reaktion geführt. Nicht, dass ich nicht gerne meine Klinge mit diesem aufgeblasenen Helmschädel kreuzen würde. Aber Blut auf der Zugbrücke zu vergießen würde mein Onkel sicher als falsches Signal bewerten... Und nun richtete ein Fremder in Vinsalter Hofmode seine zwergenhafte Armbrust auf ihn. Einen Augenblick erwog der Schwertgeselle, ob es ihm wohl gelänge, die Entfernung zu diesem Signor Cusimo in der Zeit, in der dieser die anderen beiden Männer fixierte, zu überbrücken und den Mann zu entwaffnen. Dann erkannte er den Ring an der ausgestreckten Hand des Neuankömmlings. Heute nicht, Angrond. Er grinste, ließ vom Griff seiner Waffe ab und hob entschuldigend die Schultern in Richtung des sich nun allmählich beruhigenden Anführers der Garde des Signors. „Verzeiht, Barsiono. Ich dachte, nachdem die entsprechende Wartezeit vorüber war, sei ich als Gast des Signore Rendariell willkommen. Ein Missverständnis.“ Er wandte sich vom Tor der Feste ab und lief in Richtung des Signore di Ulfaran, dabei zeigte er durch eine entspannte Körperhaltung und eine angemessene Entfernung zum Bewaffneten, dass er keine Angriffsabsichten hegte. In Flüsterreichweite angekommen raunte er dem Schwertmeister zu. „Signore ya Grendol ist ohnehin nicht auf der Burg, wie mir ein Blick in seine Stallungen zeigte. Wenn Ihr mögt, begleitet mich, Signore Cusimo. Ich glaube zu wissen, wo man den alten Meister finden kann.“

Cusimo zögerte nur kurz aber merklich. Er musterte Angrond genau und vergewisserte sich, dass der Gardistenführer Barsiono zurück blieb, zumindest außer Kampfreichweite bevor er sich dazu entschloss die Ballestrina wieder unter dem Kurzmantel zu verstauen. Der wohl bekannte leichte Druck an seinen Unterarmen, der ihn an seine Drolina und seinen Springarm erinnerte, verschaffte ihm zusätzliches Selbstvertrauen.
Mit einem Griff an die Hutkrempe verabschiedete er sich von dem Mann mit dem Namen Barsiono und wandte sich Menaris zu. Da dieser bereits weitergegangen war, beeilte sich Cusimo wieder zu ihm aufzuschließen und gab dem herbeigeeilten Horatio ein Zeichen, dass er hier warten solle. „Verzeiht, aber mit welchem Herrn Menaris habe ich das Vergnügen zu sprechen? Und viel wichtiger: Woher wisst Ihr wo Signore Rendariell zu finden ist wenn sein Pferd nicht im Stall steht?", fragte Cusimo neben Angrond gehend ohne diesen anzusehen. „Außerdem hätte ich Interesse zu erfahren, was zwischen Euch und dem Signore Barsiono vorgefallen ist. Ich hoffe doch, ich habe Euch nicht einer Rache oder eines Heldentodes beraubt“, schloss Cusimo mit einem leicht tadelnden Lächeln an.

Am Rande der offenen Befestigung, die auf halbem Weg zur Feste lag, hatte Angrond sein Reittier, eine almadanische Stute, die er aus dem Oberyaquirischen mitgeführt hatte, angepflockt. Angrond hatte sich beeilt, den wachsamen und noch immer zornigen Blicken Barsionos zu enteilen – er wollte sich selbst der Versuchung berauben, den Mann unter den Augen des Schwertmeisters weiter zu reizen. Nunmehr hielt er es aber für geboten, seine Unhöflichkeit gegenüber dem Gleichgesinnten aufzugeben. Er neigte Kopf und Oberkörper leicht. „Angrond Timshal aus dem Geschlecht der Menaris von Shenilo. Außerdem – wenn auch mit anderem Vehikel – auf dem Weg zu jener Meisterschaft, die ihr bereits errungen zu haben scheint.“ Angrond wies auf den silbernen Ring an seiner Linken. „Ich lernte den Kampf zu Anderthalbhand bei Maestro Comante in Methumis.“
„Ich kam hierher, um den alten Signore ya Grendol um etwas zu bitten. Leider trägt er mir oder meiner Familie eine vergangene Gegnerschaft nach, in deren Zuge er verletzt worden ist. Offenbar war er gar der Meinung, dass ich ihn zum Duell fordern wollte, denn er ließ mir ausrichten, dass er die Nachtruhe seiner Untertanen nicht stören wolle – schon gar nicht zweimal in einer Nacht.“ Angrond bestieg sein Pferd und wartete, bis der Diener Signore di Ulfaran ebenfalls ein abgespanntes Reittier gebracht hatte. „Erst habe ich das nicht verstanden, aber dann hörte ich davon, dass ein großspurig auftretender Fremder mit Rapier im Dorf aufgetaucht sei. Als ich dann sah, dass Signore Rendariell nicht in der Feste ist, habe ich mir einen Reim darauf machen können, dass er wohl bereits zu einem Duell geladen war.“
„Was Barsiono angeht – er ist der Anführer der Festungswache des Signors und hat mir die ganze Zeit auf den Stiefelspitzen gestanden, wenn ich an der Feste vorsprechen wollte. Also habe ich diesen schönen Sommermorgen dazu benutzt, mir den Burghof einmal ohne seine Begleitung umsehen zu können – aber offenbar ist er ein eifersüchtiger Geselle...“ Angrond grinste und gab der almadanischen Stute die Sporen. „Eilen wir uns, Signore di Ulfaran? Vielleicht kann ich noch ein paar Kniffe lernen oder mich dem Signore gar als Sekundant andienen...“

Cusimo schaute sich das abgeschirrte Pferd welches Horatio ihm gebracht hatte skeptisch an. Er konnte zwar leidlich reiten, doch konnte er dieser Art zu reisen nie viel abgewinnen, vor Allem nun, da er ohne Sattel reiten sollte.
Er blickte kurz zu Angrond hinüber, der eine sichere Figur auf seinem Almadaner machte. Der Aufstieg auf das Pferd gelang Cusimo noch problemlos, doch sah man ihm an wie verspannt er auf selbigen saß.
In diesem Moment erinnerte nichts mehr an die eleganten und sicheren Bewegungen des Schwertmeisters. Im Gegenteil, wirkte er verkrampft und beinahe plump auf dem Rücken des Pferdes. "Nun gut, Menaris, dann lasst uns eilig reiten. Das Duell des Schwertmeisters will auch ich nicht verpassen." Cusimo schlug dem Pferd die Hacken in die Flanke und hielt verkrampft die Zügel, als sich dieses in Bewegung setzte.
Hoffentlich breche ich mir nicht den Hals bevor wir ankommen, denn das wäre in der Tat ein äußerst unrühmliches Ende für einen Schwertmeister, dachte Cusimo bei sich, während er versuchte das Tempo das Angrond vorgab zu halten, was ihm auch, eher dem Pferd geschuldet denn seinen Reitkünsten, irgendwie gelang, sodass die beiden Männer schnell voran kamen.

Zu Füßen der Festung

Mondino schnaufte. Dieser Kampf brachte ihn an seine Grenzen. Sein Wams war durchgeschwitzt und blutbespritzt. Rendariell hatte ihm den linken Arm aufgeschlitzt und von seiner rechten Schläfe sickerten rote Tropfen über sein Gesicht.
Doch er hatte wohl bemerkt, dass ya Grendol geschwächt war. Er zog sein linkes Bein ein wenig nach, genau wie man es ihm berichtet hatte. Mühsam wehrte er einen Hieb auf sein rechtes Bein ab. Auch der Herr von Millenis kämpfte nicht mehr so mühelos wie am Anfang des Gefechts, aber nur ein einziger schwacher Treffer hatte wenigstens den Saum seines Gewandes durchschnitten.
Mondino musste sein Glück wagen, abermals, und den Alten schlagen. Doch der stieß zwischen den Hieben Worte hervor: "Junge, gebt's auf", ein metallisches Klirren, "erstes Blut war abgemacht", Beidhandhieb auf die Leibesmitte, "zweites will ich gelten lassen", Riposta, "aber nun lasst es gut sein." Rendariell stellte sich vor ihn und ließ das Tuzakmesser ein Stück sinken.
"Auf's zweite Blut?", Mondino lachte rau und keuchend. "All'extremo, Signore!" War es Angst, die er in den Augen seines Gegners sah?
Und abermals erklang das Fauchen der Hiebe, langsamer nun, aber nicht weniger ernst. Eine misslungene Finte leitete eine Arivorer Attacke ein, eine Meisterparade konterte den Vinsalter Stoß. Über eine halbe Stunde fochten die beiden Kontrahenten mittlerweile.
Die Dorfleute waren wohlweislich in ihren Häusern geblieben, aber jemand anders kam dort von Ferne heran und näherte sich dem Kampfplatz von Westen- zwei Reiter. Rendariell ya Grendol wandt seinen Kopf, kaum merklich, aber doch zu sehr, um die beiden Gestalten in seinem Rücken zu sehen. Mondino sah seine Chance gekommen: Ein Hieb - ungewöhnlich genug mit dem Rapier - auf das rechte Bein Grendols, den dieser nicht mehr parieren konnte, nur ein Wegducken nach links blieb ihm noch - und dort pochte noch immer die Wunde, die ihm einst die Magier von Cinanzia gerissen hatten. Er knickte ein und kam einen Moment zu spät wieder auf die Beine. Einen Lidschlag zu spät nur - doch der bedeutete das Ende des Schwertmeisters.

Der Fremde musste sein Pferd direkt hinter der nächsten Ecke abgestellt haben, denn schon hallten die Hufe durch die Gassen des Ortes. Angrond Menaris schaute herab zu dem alten Mann, der eine Legende unter den Kämpfern des Yaquirtals gewesen war. Soeben wich der letzte Atem aus seinen Lungen. Seltsam, nun sah er wieder so jung aus... Aber der tiefe Stich in der Brust ließ keinen Zweifel, dass Golgari sich seiner bemächtigt hatte. Eine dunkelrote Pfütze hatte sich um den Signore ya Grendol gebildet. Aber warum hatte sich der Fremde mit dem schwarz-grünen Wams nach Rendariells Sturz zu diesem niedergebeugt? Angrond wollte zunächst glauben, dass er dem Niedergestreckten helfen wollte. Doch als er Rendariells Hals sah, wusste er, was dessen Gegner getan hatte: Die Kette, die der Signor getragen hatte, war dem Toten mit Gewalt vom Leib gerissen worden.
Angrond war fassungslos. Eben noch hatte er sich über die Arroganz des Signores geärgert, jetzt schämte er sich fast, im Angesicht des Toten. Der Fremde war ein Strauchdieb und Wegelagerer nicht mehr – nur zu fechten weiß er, wie’s scheint.
Er schaute Cusimo di Ulfaran ins fragende Gesicht, als dieser aus der Richtung, wo sie den Flüchtenden vermuteten, zurückkam. „Ich werde ihn nicht so leicht davonkommen lassen, Signore Cusimo.“ Er blickte auf das schnaubende Kutschpferd des Schwertmeisters, vermied aber jeglichen Kommentar über dessen Reitkünste. „Ich kenne das Land hier, Signore. Wenn ihr die Nachricht zu Feste und Verwandten bringen wollt, dass Signore Rendariell sein letztes Gefecht geschlagen hat, dann will ich sehen, ob sein Gaul meiner Stute das Wasser reichen kann.“
Da nun das Kampfgeschehen verstummt war, schauten die ersten Einwohner des Ortes aus ihren Häusern. Angrond stieg zögernd auf sein Pferd und erhob dann seine Stimme: „Höre, Millenis: Dein Herr ist tot! Trauere Millenis, der Meister liegt erschlagen...“ Er gab seiner treuen Stute die Sporen - weit konnte der Mistkerl noch nicht sein.

Wo wir die Protagonisten wiedertreffen