Briefspiel:Königsturnier/Blutlese

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Horasturnier.png Geschichten am Rande des Königsturniers Horasturnier.png
Datiert auf: 21. Rahja 1038 BF Schauplatz: Die "Blutlese" ein Weinkeller zu Arivor Entstehungszeitraum: April/ Mai 2015
Protagonisten: Fulvian ya Malachis, Cusimo di Ulfaran, Felian von Perainsgarten, Orina Praiosmin von Bregelsaum, Avessandra Bergenoor, Ancalita Sirensteen und Weitere Autoren/Beteiligte: Haus Doren.png Dorén Familie di Ulfaran.png Di Ulfaran Haus Sirensteen.png Erlan Familie ya Malachis.png Cassian Familie Luntfeld.png Luntfeld


Wenn der Tag auf den Schwertfeldern zu Ende geht, beginnt die Nacht in Morgunora. Gespräche zwischen verschiedensten Besuchern des Turniers belauscht in der Blutlese.


Ein Tisch illustrer Gäste findet sich

Fulvian ya Malachis

Die Blutlese war trotz oder gerade wegen ihres schaurigen Namens gut besucht.
Fulvian kannte das Lokal von früheren Aufenthalten in Arivor. Es war einer dieser urigen Weinkeller in Morgunora, wo in alten Gewölbekellern noch recht junger, daher günstiger, Wein ausgeschenkt wurde. Das Bild das neben dem Eingang auf die Lokalität hinwies gab dem martialischen Namen Blutlese eine etwas andere Bedeutung. War doch eine dralle, junge Maid zu sehen, die mit einem fast vollen Traubenkorb auf dem Rücken zwischen Rebstöcken stand und gerade einen neuen Träubel losschnitt.
Zu Zeiten als er noch ein gefeierter Opernsänger gewesen war, waren er und seine Kollegen dem Rummel des Theaterviertels hier entflohen, da sich höher gestellte Personen eher selten in die Blutlese verirrten. Fulvian hatte den rustikalen Gewölbekeller mit seinen zahlreichen Säulen und Nischen immer als sehr gemütlich empfunden. Die Wirtin machte sich sogar die Mühe auf die schlichten Holztische und Bänke bunt gewebte Decken zu legen und der einfache Landwein, den sie ausschenkte war immerhin aus Arivorer Blut gekeltert und somit besser als manch teurerer Wein.

Heute allerdings war der Geheimtipp scheinbar keiner. Kaum hatte der Sänger den Gewölbekeller betreten wurde ihm bewusst, dass das Publikum viel gemischter war als sonst. Er erkannte etliche Gesichter von Adeligen, die er heute schon auf der Tribüne gesehen hatte und auch den ein oder anderen Streiter selbst. Unschlüssig sah er sich um. Ein freier Stuhl geschweige denn Tisch war nirgends in Sicht. Aber da wurde er auch schon angerufen: „Signore ya Malachis! Fulvian! Alter Fiedler! Ein Sänger fehlt uns hier gerade noch! Kommt herüber!“
Die Ruferin war keine geringere als Avessandra Bergenoor, die er aus dem Cronconvent gut kannte. Ohne ihre wertvollen Ratschläge wäre er in der Anfangszeit seiner Delegatur regelrecht untergegangen. Sie saß an einem langen Tisch mit Bänken und rückte bereits, um Platz für ihn zu schaffen. Fulvian musste lächeln als er die illustre Gesellschaft sah, die sich hier zum Weine versammelt hatte. Scheinbar färbte die gelöste Feststimmung des Turniers auch auf manche Blaublüter ab. „Den Göttern zum Gruss, Signoras und Signori!“ Fulvian nickte in die Runde bevor er sich niederließ.

Orina von Bregelsaum

Einen kurzen Moment später schwang die Türe des Weinkellers erneut auf. Herein trat eine junge Frau von normalem Wuchs. Die Mittzwanzigerin, die ihr dunkelblondes schulterlanges Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden hatte, blickte erst erstaunt dann suchend durch das volle Lokal. Als sie die wenigen freien Stühle am Tisch der liebfeldischen Signori und Signoras entdeckt hatte, lenkte sie ihren Schritt zielstrebig darauf zu. Die recht schlichte aber ordentliche Kleidung der jungen Frau, bestehend aus einer schneeweißen Cotte und darüber einer roten Surcotte mit goldener Borte, entging dem aufmerksamen Beobachter nicht. Unter ihrem zweilagigen Tassel Mantel war deutlich der Griff eines Schwertes zu erkennen. Ein etwas abgegriffenes und speckiges Buch hatte unter den rechten Arm geklemmt. „Verzeiht, Herrschaften“, Orina war neben einen freien Stuhl an den Tisch herangetreten. „Wäre es mir erlaubt an eurer Tafel Platz zu nehmen?

Cusimo di Ulfaran

Cusimo seufzte innerlich. So viel also zu Horatios Ratschlag wenn man in Ruhe einen Wein trinken wollte. Der Fechtmeister saß schon eine Weile im Lokal mit dem ungewöhnlichen Namen und der Tisch an den er sich dazu gesetzt hatte wurde, wie der Rest des Lokales, immer voller.
Er hatte sich allerdings damit abgefunden. In Gesellschaft zu sein brachte in jedem Fall neuen Gesprächsstoff. Ausserdem genoss er es hier nicht die ganze Zeit die bohrenden Blicke von frisch gebackenen Kriegern, jungen Adelssprösslingen und draufgängerischen Schwertgesellen ausgesetzt zu sein, von denen die meisten sich gerne mit einem Duellsieg über einen Fechtmeister geschmückt hätten und die nur vom herrschenden Turnierfrieden aufgehalten wurden. Hier war er nur einer unter vielen.
Er blickte auf und sah, dass Orina den Stuhl zu seiner rechten mit ihrer Frage meinte. Er zog ihn ein Stück zurück und wies mit einladender Geste darauf. "Bitte setzt Euch doch dazu." Cusimo nahm einen weiteren Becher und die Karaffe mit Wein aus der Mitte des Tischs und schenkte ihr etwas ein.
Sie öffnete die Schließe ihres Mantels und ließ denselben von ihren Schultern rutschen. Mit einem gekonnten Griff nahm sie den ebenfalls rot-weißen Umhang und hielt ihn für einen kurzen Moment zur linken neben sich, als würde sie erwarten ihn würde jemand entgegennehmen. Verwundert blickte sie links neben sich, als dies ausblieb. Mit einem Schulterzucken legte sie den Mantel schließlich auf einen der übrigen freien Sitzplätze. Erst jetzt kam sie dem Angebot Cusimos nach und nahm am Tisch Platz. Die Fremde nahm ihr Buch, schlug es wortlos auf und begann zu lesen. Der alte Einband verriet nur wenig über den Inhalt, lediglich -- Ges[…] […]urea Heliodiani - Algrid Pra[…] I. -- war zu enträtseln.

Fulvian, Avessandra und Cusimo

„Ihr habt euch rar gemacht in Vinsalt.“ Hatte Avesandra währenddessen festgestellt und ihrem Bekannten aus dem Cronconvent einen Becher zugeschoben. „Nun, gelegentlich sollte ich mich in der Stadt, die ich vertrete, auch mal sehen lassen, findet ihr nicht? Ihr habt es da ja gut getroffen mit Vinsalt. Für mich bedeutet ein Besuch zu Hause immer eine mehrtägige Reise.“ Antwortete Fulvian, während er beobachtete wie sich eine weitere Dame in rondrianisch anmutender Gewandung an den Tisch gesellte. Etwas befremdet nahm er zur Kenntnis, dass sie sich sogleich anstatt in ein Gespräch in ein Buch vertiefte. Unwillkürlich wanderte eine seiner Augenbrauen in die Höhe. Signora Bergenoor, die seinen Blick auffing antwortete mit einem Schulterzucken welches wohl so viel heißen mochte wie jeder wie er beliebt, bevor sie fortfuhr: „Zumindest habt ihr in Vinsalt nichts von derebewegender Wichtigkeit verpasst. .. Ach werter Signor di Ulfaran würdet ihr Signor ya Malachis ebenfalls einschenken? Das wäre zu freundlich. Kennen sich die Herrschaften bereits?“ Dankend nickte Fulvian in Richtung des Schwertmeisters und erwiderte auf die Frage: „Nicht persönlich. Aber ich für meinen Teil habe natürlich schon von Cusimo di Ulfaran, dem sheniloer Schwertmeister gehört.“
Orina hatte sich inzwischen auf ihren Stuhl zurückgelehnt und schien ihr Buch zu lesen. Oft jedoch wanderten ihre Augen über die alten Seiten und den oberen Buchrand hinweg und sie musterte jeden Einzelnen am Tisch. Ob es Worte auf einer Seite waren, die die Gedanken des Schreibers offenlegten, seine Emotionen, seine Vorstellungskraft oder Menschen während einer Unterhaltung, sie ignorierte, was sie sagten und las stattdessen in ihren Minen, ihrer Körperhaltung, ihren Gesten. So hatte sie es bisher immer gemacht, wenn sie mal wieder fernab der Heimat auf Fremde traf.
Ein Schwertmeister? Mit einem Rapier? Und einige schienen irgendwelche Städte wo zu vertreten? War sie doch ausgerechnet am Tisch der Vögte gelandet, dachte sie sich. Irgendwie schien das ein Teil ihrer Bestimmung zu sein, Orina schmunzelte innerlich. Mit Vögten kannte sie sich nun aus, ihr Gemahl war ja selbst von diesem Stande.
Sie suchte eigentlich nur ein ruhiges Plätzchen um ihr Buch zu lesen und von der anstrengenden Heimreise ihrer Pilgerfahrt einen Moment der Ruhe zu genießen. Ruhig war es hier, im vollen Weinkeller gewiss nicht. Schon der Spruch draußen über der Eingangstüre auf dem alten Holzschild - "Lieber dichter als Denker" -, hätte sie darauf schließen lassen sollen, dass dies hier wohl wörtlich gemeint war. Sollte sie diesen Arivorer nochmals treffen, der sie hierher geschickt hatte, als sie nach einer ruhigen Taverne fragte, sie würde ihm was erzählen. Oder war sie am Theater falsch abgebogen, oder an diesem Markt?

Cusimo und Fulvian

Cusimo schenkte Fulvian ebenfalls Wein ein und orderte per Handzeichen eine neue Karaffe.
"Wie Signor ya Malachis schon sagte, hatten wir bislang nicht das Vergnügen uns persönlich kennen zu lernen. Obschon ich zugeben muss, dass SIgnor ya Malachis mir ebenso bekannt ist, wie ich ihm. Es gab wohl nur wenige Auftritte in Vinsalt die ich nicht gesehen habe." Cusimo neigte leicht das Haupt vor dem Musiker und Abgeordeneten des Cronconvent. "In der Tat haben mich Eure Auftritte stets sehr unterhalten und auch meine Frau schwärmt regelrecht von Euch" fügte der Fechtmeister mit einem freundlichen Lächeln hinzu. "Vielleicht gebt Ihr uns die Ehre einem Eurer Stücke zu lauschen?"

Felian von Perainsgarten

"Entschuldigt, ist hier noch Platz frei?". Alle Köpfe am Tisch wandten sich dem Sprecher zu und die Sitzenden mussten dabei den Kopf in den Nacken legen um ihm ins Gesicht zu sehen, denn der Neuankömmling ragte fast zwei Schritt hoch auf und schien die Schultern eines Trolls zu haben. Seine Kleidung wirkte zwar trotz ihrer Einfachheit edel, doch irgendwie fremd. Seine markante Stimme wirkte auf die anwesenden Damen irgendwie anziehend, aber auch sein Akzent war auf den ersten Ton nicht einzuordnen. Vielleicht aus dem Norden des Reichs? Aus Phecadien oder aus dem Yaquirbruch, dort trieb sich auch nach der Befriedung der Taifas allerlei Volk aus vielen Ländern herum. Einen Schritt hinter ihm und vom Riesen halb verdeckt stand seine blonde Begleiterin. Mit neun Spann Höhe war auch sie nicht gerade klein geraten doch neben dem Riesen verschwand ihre schlanke Gestalt fast. Sie schien sich im Trubel der vollen Schänke nicht sonderlich wohl zu fühlen. Vielleicht war sie das weitgeschnittene Kleid nicht gewohnt oder lag es daran dass sie sichtbar von Tsa gesegnet war? Beides hatte die Frau jedenfalls nicht davon abgehalten sich wie ihr Begleiter mit einem Langschwert zu gürten…
Fulvian, der gerade auf Cusimos Bitte hatte antworten wollen, blieben die Worte vorerst im Hals stecken und perplex musterte er den Hünen mit seiner Begleitung.
Der Mann überragte ihn bestimmt um einen Kopf, von der bulligen Statur mal gar nicht erst zu sprechen. Allerdings hatte er eine durchaus wohlklingende Stimme, was ihn in den Augen des Sängers gleich sympathisch machte. So fasste er sich recht schnell und erklärte lächelnd: „Sicher wird sich für euch noch ein Plätzchen finden. Wir sind hier wie es scheint eine recht offene Runde.“ Dabei deutete Fulvian auf einen scheinbar leeren Stuhl, ohne den rot-weißen Mantel zu bemerken, der da noch hing.

Ancalita Sirensteen

Wie sollte das Lokal noch mal heißen? Weinlese? Spätlese? Irgendwie sowas in der Art. Die rothaarige Frau schaute sich um und sah dann fast versteckt das Schild "Blutlese", welches in einen Gewölbekeller führte, wie es sie hier in diesem Teil Arivors zuhauf gab.
"Blutlese - das war es", dachte sie und versuchte von außen etwas aus dem Inneren zu sehen, das gelang ihr aber nicht. An und für sich wunderte sie sich, wieso ihre Schwester hierfür eine Empfehlung aussprechen konnte. Als ob sie damals viel Zeit in Arivor in irgendwelchen Weinschänken verbracht hätte... oder vielleicht doch?

Sie betrat das Gewölbe und musste sich erstmal an das Licht gewöhnen. Es war etwas dunkler als draußen, aber immer noch ausreichend hell um festzustellen, dass eigentlich nirgendwo ein freier Tisch mehr war.
Belustigt stellte sie fest, dass der eine oder andere Gast sogar hier etwas las. Sie konnte sich bessere Orte zum lesen vorstellen.

In einer Ecke des Schankraumes sah sie einen langen Tisch an dem schon einige Personen saßen, während ein Hüne und seine blonde Begleiterin sich gerade bereit machten sich ebenfalls dort hinzusetzen. Und war da nicht noch ein Platz frei? Sie musste jetzt ja hier bleiben, da man sich ja hier verabredet hatte. Zuhause hätte sie einfach eine andere Schänke ausgesucht, aber hier in Arivor kannte sie sich nicht aus. Hier musste sie erst einmal bleiben.
Sie ging zu dem Tisch hin und fragte: "Ist hier vielleicht noch ein Platz frei?" Sie lächelte die anwesenden Damen und Herren am Tisch an und wartete auf eine Antwort. Die Gesellschaft am Tisch bemerkte die über acht Spann große Frau, deren grüne Augen einen interessanten Kontrast zu ihren langen roten, zu einem Zopf gebundenen, Haaren bildeten erst mit ihrer Anrede.

Orina und der Wirt

In diesem Moment erschien der Wirt. Polternd stellte er zwei verbeulte Zinnkrüge auf den Nachbartisch und wandte sich nun seinen neuen Gästen zu. Noch bevor er sich nach den Bestellungen erkundigen konnte, richtete Orina das Wort an ihn. Ihr Buch hatte sie aufgeschlagen vor sich auf den Tisch gelegt.
"Bring mir einen Krug mit kaltem Wasser, damit ich diesen Wein hier verdünnen kann. Sonst steigt er gleich zu Kopfe. Wurst und Käse mit gutem Brot für mich und meine Tischgenossen und was du sonst noch schmackhaftes in deiner Küche findest, bring es. Etwas von diesem einheimischen Ziegenkäse, falls du hast. Ach, bevor ich es vergesse, kümmere dich um meine Garderobe. Die Herrin Travia wird dir deine Gastfreundschaft vergelten und ich den Rest." Erstaunt blickte der Wirt Orina an. Ihre Zurückhaltung war einem anscheinend gewohnt befehlenden Ton gewichen. Der dickbäuchige Wirt in seiner fleckigen Schürze murmelte leise irgendetwas, nahm den Mantel der Auswärtigen vom Stuhle und fragte mit einem leicht schnippischen Unterton in der Stimme, "Möchte noch jemand der Herrschaften etwas bestellen?"

Fulvians feurige Fanfare

Da Fulvian schon gespeist hatte und bereits ein Becher mit Wein vor ihm stand, war er wunschlos glücklich.
Er nutzte die Zeit während die Neuankömmlinge am Tisch ihre Bestellungen aufgaben, um seine Rebec auszupacken und zu s
timmen.
Dabei ließ er die Atmosphäre des Weinkellers auf sich wirken. Laute, fröhliche Heiterkeit schien vorzuherrschen. So entschied sich der Musicus, der in den letzten beiden Tagen wahrlich genügend Epen über die hohe Minne beim Turney auf den Tribünen zum Besten gegeben hatte, für einen Gassenhauer, den er vor einigen Jahren, in einer durchzechten Nacht während der Goldenen Lanze zu Bomed geschaffen hatte. Ein Stück, das er persönlich sehr mochte, aber das erfahrungsgemäß polarisierend wirken konnte. So wandte er sich schmunzelnd an die Tischgesellschaft: „Werte Signori. Ich darf mich kurz vorstellen? Mein Name ist Fulvian ya Malachis, und da der Wunsch nach einem Stück an mich herangetragen wurde, will ich diesem gerne nachkommen und euch ein Lied zum Besten geben, das ich einst in einer ähnlich trauten Runde wie in diesem Weinkeller schuf.“ Fulvian spielte die Melodie des Kehrreims auf seiner Rebec einmal voraus bevor er mit klarer, volltönender Stimme, die es gewohnt war große Räume zu füllen zu singen begann (*):

„Kann sich irgend jemand vorstellen, um die falsche Rose zu freien?
Bei einer nächtlichen Klettertour im falschen Zimmer zu sein?
Soll ich euch sagen was es heisst, an's falsche Fenster zu klopfen.
Der Brauch besagt so musst du diese Rose denn auch... pflücken.

Ich bin ein stolzer Recke und ich gewann einst ein Turnier.
Die schönste Jungfer schenkte mir eine Rose nicht nur zur Zier.
Sie zeigte mit ihr schönstes Lächeln und zwinkerte zu mir.
In ihren Augen las ich die Lust und auch die Gier.

Ja, voller Lust begann ich nachts die Mauer hochzuklettern.
Doch hätt ich's unterlassen sollen mich vorher so zu zubrettern.
Im zweiten Stock ein Fenster auf und ich stieg in der Raum.
So begann in dieser Nacht mein ganz persönlicher Alptraum.
Kann….

Ja völlig im Rausch, da lallte ich der Jungfer holden Namen.
Da spürte ich wie riesige Hände meinen Körper nahmen.
Sie rüttelten und schüttelten und rieben mich volle Kanne.
Da merkte ich nicht die Jungfer war's, sondern die dicke Amme.

Stunden später war's vorbei und ich durfte wieder gehen.
Frisch war ich schon lang nicht mehr und nichts war noch am Stehen.
Doch wollt ich nicht aufgeben und ich schlich durch die nächste Tür.
Ach hätt ich's einfach nicht getan, da gäb ich heut viel dafür.
Kann…

Es war das Gemach des Grafen und er war ganz splitternackt.
Ganz komisch sah er mich an, wie man Frauen mit Blicken sonst packt.
Er flüsterte rau, er wolle heut noch eine Rose pflücken.
Da ließ er seine Seife fallen ich solle mich nach ihr bücken.

Gebückt vor meinem Grafen und schon war's für mich zu spät.
Ich spürte nur den stechend Schmerz
Vom gräflichem Gerät
Als ich gebückt von dannen schlicht, da hab ich mir nur gedacht:
So war denn meine eigene Ros' der Preis für diese Nacht.
Kann….“

Ein letztes Mal wiederholte Fulvian den Kehrreim, bevor er das Lied mit einem kurzen Nachspiel auf der Rebec ausklingen ließ.

(*) Text nach und mit freundlicher Genehmigung von Feuerschwanz

Ancalita

Nachdem der Musicus mit seinem Stück geendet hatte, nutzte Ancalita den kurzen Moment der Stille um sich von ihrem Platz, den sie gerade erst im wahrsten Sinne des Wortes besetzt hatte, aufzustehen. Sie richtete das Wort an den Künstler, schaute dabei auch in Richtung zu den anderen Gästen der Runde:

"Fürwahr, ein ganz keckes Lied, was Ihr dargeboten habt. Da fühlte man sich ja eher an Belhanka denn an Arivor erinnert. Oder gar an Unterfels - da komme ich übrigens her. Darf ich mich vorstellen?" - und ohne auf eine Antwort zu warten fuhr sie fort: "Mein Name ist Ancalita Sirensteen und ich komme aus Unterfels. Habt Dank für den freien Platz. Ich vermute Ihr seid auch alle wegen dem Königsturnier hier. Ich begleite vor allem meine Schwester, die an dem Turnier teilnimmt. Sie hatte mir als Treffpunkt dieses Lokal empfohlen - nur scheint sie selber den Weg noch nicht hierhin gefunden zu haben."

Orina

Rein aus Höflichkeit und sehr verhalten applaudierte der auswärtige Gast wenige Male. Beim Heiligen Emmeran mit der Rute dachte sich Orina, wo war sie denn hier nur gelandet. Ihr Mund stand vor Staunen immer noch einen Spalt offen. Sicher war es nur eine Frage der Zeit, bis sie alle von den Bütteln aufgegriffen werden würden und sie, wenig würdevoll, im Arivorer Kerker landete. Nicht auszudenken. Wie kann man nur so derbe Lieder singen. Schnell einen kräftigen langen Schluck vom verdünnten Wein. Sie blickte sich hastig im Schankraum um. Es herrschte ein starker Tumult von Kommenden und Gehenden, ein Geschwirr von Stimmen, ein Läuten an Gläser und von Bechern. Der Rauch einiger weniger Zigarillos und der Qualm der Speisen quollen zäh und stickig durch den Raum. Heisere Rufe nach dem Wirt, denen das eintönig rhythmische "Bitte sehr", "Bitte, die Herren" wie eine schläfernde Singweise folgte. Dazu das schrille Geklapper der Teller. Der ganze Lärm eines vielbesuchten Wirtshauses. Nachdem der Applaus von den Nachbartischen für den Geiger Fulvian abgeklungen war, ging alles wieder seinen vermeintlich normalen Lauf. Es schien sich niemand daran zu stören, was ihr Tischnachbar soeben lauthals von sich gegeben hatte. Nach einem kurzen Moment fing sich Orina wieder und richtet das Wort an Fulvian, "Guter Musikus ya Malachis, da wir nun zusammen speisen will ich mich zu förderst einmal vorstellen. Ich bin Orina Praiosmin von Bregelsaum, Pilgerin und Lichtverehrerin auf der Rückreise von den Zyklopeninseln. Als ich im Hafen in Methumis von Bord ging und von dem Turnier zu Arivor hörte, beschloss ich mit meiner kleinen Bedeckung den Landweg zu nehmen und mir dieses Spektakel einmal anzuschauen, bevor dann meine Reise in die Heimat weitergeht." Dann, mit einem gewichtigen Räuspern die Stimme klar machend, fuhr sie fort.
"Ich muss zugestehen ihr habt wirklich ein Talent für dieses Instrument, jedoch würde ich, also wenn ich an eurer Stelle wäre, dann würde ich für Gastspiele nördlich des Eisenwaldes mich auf die Melodie des Liedes beschränken und den Text weglassen. Ungeachtet dessen, dass wenn ich an eurer Stelle wäre ich solch ein Schmählied überhaupt nicht singen würde. Welchen Grafen meintet ihr denn?", nahm sie den Text allzu ernst. Wieder machte die Adlige eine Pause, diesmal jedoch um sich an den beiden reichhaltigen Platten zu bedienen, die der Wirt inzwischen auf den Tisch gestellt hatte. "Bedient Euch Schwertmeister", forderte sie Cusimo auf, "ein starker Waffenarm braucht doch sicher gehaltvolle und deftige Speisen, so ist es zumindest bei uns."

Cusimo

Cusimo ließ das Lied noch in seinem Kopf nachklingen. Auch wenn der Text sehr provokant war, so ließen doch virtuoses Instrumentenspiel und die Stimme ya Malachis Cusimo darüber hinwegsehen.
Anders als seine Tischnachbarin applaudierte er ohne mahnenden Gesichtsausdruck.
Als sich Orina vorgestellt hatte, zog Cusimo leicht die Augenbrauen hoch. Soso, eine Bregelsaum, dachte er. War nicht der Herr von Warunk auch aus dieser Familie? Als er angesprochen wurde lächelte Cusimo dankbar. “Ich danke Euch... Wohlgeboren?!? Ich hoffe die Anrede war korrekt. Obwohl ich dankend annehme, möchte ich doch hinzufügen, dass ich die Meisterschaft mit dem Rapier erlangt habe. Natürlich ist eine gewisse körperliche Stärke von Nöten, doch ist Kreativität und Finesse ein weitaus wichtigerer Aspekt.“ Cusimo nahm ein Stück Braten und biss davon ab, nahm einem Schluck Wein und entzündete einen Zigarillo, den er aus einem silbernen Etui nahm und dessen Rauch sich mit dem der anderen Zigarillos unter der Decke sammelte. Mit einladender Geste legte Cusimo das Etui geöffnet auf den Tisch.
“Auch glaube ich, dass es sich bei dem von Euch erfragten Grafen eher um eine Kunstfigur handelt, als um einen real existierenden. Ähnlich wie im Theater aber ich lasse mich gerne korrigieren falls nötig.“ sagte Cusimo erst in Richtung Orina und danach zwinkernd in Richtung Fulvian.

Fulvian

Ein wenig verkrampft diese Dame aus dem Mittelreich, aber durchaus scharfsinnig konstatierte Fulvian gedanklich und lächelte leise als er sich an die Nacht in Bomed erinnerte als das Lied entstanden war. Er und seine zwei Freunde von den Vinsalter Vaganten hatten es damals tatsächlich vorgezogen die Schenke auf dem kurzen, schnellen Weg durch das Fenster zu verlassen. Leider waren unter den Gästen auch etliche recht humorlose Anhänger des damaligen Grafen gewesen. Aber welch herrliche abenteuerliche Nacht! Nun grinste der Sänger breit und antwortete: „Hier in Arivor residiert bekannter weise kein Graf sondern der Comto Erzherrscher. Somit zielt der Text ja auch nicht auf eine bestimmte Person. Das Stück allerdings zu anderen Zeiten an anderem Orte vorgetragen kann eine gewisse Brisanz aufweisen, da gebe ich euch Recht.“

Felian und Edelhild

Auch der Riese und seine schwangere Gefährtin klatschten artig Beifall, wenngleich ihnen anzumerken war dass sie eher Orinas Gedanken teilten. "Fürwahr ein wahrhaft starkes Stück", hob er an, um dann seine Stimme zu senken "doch wie ihro Gnaden andeutete würde euch dafür woanders vermutlich der Pranger winken. Sei's wie es sei," winkte er sofort ab, "euer Spiel ist tatsächlich bemerkenswert, da könnten einige Spielleute die ich kenne noch was lernen. Doch ehe wir unser Essen kalt wird: Gestatten, Felian von Perainsgarten und Edelheid von Keilholtz aus Garetien, auf Familienbesuch im Land. Als echte Ritter konnten wir uns ein solches Schauspiel wohl schwerlich entgehen lassen… Und wäre meine Gattin nicht von Tsa gesegnet, so hätte sie sicher heute eine vortreffliche Lanze geschlagen." Die so Gelobte, die noch nicht so recht wusste wie sie sich in dieser Gesellschaft verhalten sollte, errötete leicht und zog es vor anstelle einer Antwort das ihr fremde Nudelgericht auf ihrem Teller zu mustern.

Cusimo

Cusimo schaute sich die Anwesenden alle nochmals an. Es ist schon erstaunlich, dachte er bei sich, dass es so leicht ist die Horasier von den Auswärtigen zu unterscheiden. In seinem Empfinden wirkten vor allem die Garetier sehr steif und humorlos. "Nun, man mag über den Text denken was man will, doch denke ich, dass die Satire klar genug zu erkennen ist, wenn man sich ihr nicht verschliesst. Deswegen von mir auch nur ein weiteres Formidabel, Signore" sagte Cusimo und hob seinen Becher in Richtung Fulvians. "Um aber einem jedem gerecht zu werden, vielleicht kennen ja die Damen und Herren Mittelreicher ein passendes Liedgut, welches sie zum Vortrag bringen wollen?" Cusimo war gespannt, ob sich einer der Anwesenden darauf einlassen würde und wenn ja, was für ein Lied man gleich zu hören bekäme. Solange es kein rondrianisches Epos wurde, wäre er zufrieden.

Orina

Herrje, dachte sich Orina, dieser Garetier wusste offensichtlich nicht einmal wie man einen Geweihten des Herrn erkannte. Dem Fiedler mit dem frivolen Liedgut schien es an Demut und Gläubigkeit zu mangeln. Gab es in.... dort wo ihre Tischgenossen auch immer geboren worden waren, denn keine Schulen oder jemanden der göttegefällig erzog? Wie sollten sie es lernen zu unterscheiden zwischen Recht und Unrecht, zwischen Diener und Herr und nicht zuletzt zwischen gut und böse, wenn die wissbegierige Schwester des Herrn der Gefilde Alverans ihnen, wenn überhaupt, nur Unfug beibringen lies. Sie beschloss sich dem Schwertmeister zu widmen, vielleicht waren ja wenigstens einige ritterlichen Tugenden in diesem Land erhalten geblieben. "Seid ich den Traviabund geschlossen habe, präferiere ich die Anrede Euer Hochgeboren, verehrter Schwertmeister. Es kann schon sein, dass es den Grafen aus dem Lied nicht wirklich gibt, doch liegen mir Tradition und Ordnung sehr am Herzen und so kam der Wunsch in mir auf einmal nachzuhaken. Aber sagt, was treibt Euch hierher? Habt ihr vor, in die Dienste einer Kompanie zu treten oder gar eure Klinge zukünftig im Namen der Herrin des Krieges und des Sturms zu....schwingen? Ja, sitzen wir hier mit einem baldigen Rondrianer am Tisch? Oder seid Ihr wegen des Turniers hier?," versuchte Orina neugierig den Grund des Besuchs von Cusimo in Arivor zu erfragen.

Cusimo

Cusimo verschluckte sich beinahe an seinem Wein als er die Frage Orinas hörte. Er tupfte sich die Mundwinkel mit seinem Taschentuch trocken bevor er antwortete. "Verzeiht Hochgeboren. Um Eure Fragen zu beantworten. Das Turnier zu Arivor ist nicht nur ein wichtiger Anlass für die rondrianischen Recken des ganzen Kontinents, sondern stellt, vor Allem in diesem Jahr, ein gesellschaftliches Großereignis dar, was der Hauptgrund für meine Anwesenheit ist." Cusimo räusperte sich, denn der Wein brannte noch immer in seiner Kehle. "In eine Companya einzutreten ist nicht meine Absicht, ebenso wenig der Kirche der ... Rondra beizutreten" Cusimo zögerte kurz bevor er den Namen der Göttin aussprach und auch die Betonung des Namens war merkwürdig. "Ihr müsst wissen, dass ich Leiter einer Schwertgesellenschule im schönen Shenilo bin. Allerdings möchte ich auch nicht verschweigen, dass manch ein Zeitgenosse frech behauptet, dass ein Schwertgeselle nicht den selben gesellschaftlichen Status innehabe wie zum Beispiel ein Krieger." Cusimo zog an seiner Zigarre, was das Brennen im Hals nicht unbedingt besserte. "Meine Zeit in der Companya habe ich bereits in der Vergangenheit geleistet, als ich an der Schlacht an den Schwarzen Marschen teilnahm, falls Euch das ein Begriff sein sollte."

Cesara della Carenio

„Auf welcher Seite habt ihr bei Shumir gekämpf, Schwertmeister?“ Eine Frau, kaum über dreißig Sommer, gekleidet in Umhang und Waffenrock, die beide auch im schummrigen Licht der Blutlese rötlich schimmerten, schob mit dem Stiefel einen Hocker an den Tisch. Ich war damals noch ein Kind, eine junge Knappin in Diensten meines Onkels – wir werden also nicht die Klingen gekreuzt haben – dennoch interessiert mich, unter welchem Banner ihr gefochten habt.“ Die Frau blickte in die unterschiedlich verdutzten Gesichter der Umsitzenden – immerhin war sie mitnichten die Erste, die sich zu der Runde gesellt hatte – und grinste. Sie stellte langsam einen Weinpokal vor sich auf ein freies Stück Tisch und verneigte sich knapp. „Ihr erlaubt? Cesara della Carenio nenne ich mich. Ritterin in Diensten des Orden zum Heiligen Blute.“ Die goldene Glyphe auf ihrem Wams war gut zu erkennen. An der Tür zur Blutlese war auf der Treppe ein weiterer Mann in rötlicher Gewandung erschienen – vielleicht ebenfalls ein Mitglied jenes Ordens wie die Signora Cesara? Er blickte sich eine Weile im Schankraum um, bevor er der Ritterin zunickte und mit düsterer Miene an die Theke schritt. Ein paar der Zechenden machten dem Mann Platz, der zwar nicht besonders breitschultrig war, dem aber nach kurzem Blick kaum einer im Wege stehen wollte. Signora della Carenio selbst nahm kaum Notiz vom Tun ihres Begleiters, sondern blickte weiter neugierig den Schwertmeister an.

Cusimo

Cusimo erwiederte das Grinsen Cesaras, nachdem er seine Überraschung über die unerwartete Wortmeldung überwunden hatte, mit einem freundlichen Lächeln. "Bitte, wenn Ihr noch Platz findet gesellt Euch zu unserer illusteren Runde hinzu. Ich hatte seinerzeit die Ehre unter dem heutigen Comtoprotector zu dienen, für unsere mittelreichischen Gäste, die unter Umständen die Rangbezeichnung nicht kennen, ich spreche von Ralman Firdyon-Bethana. Ich hatte sogar die Ehre mit ihm zu speisen" Cusimos blick schweifte kurz ab, als die Erinnerungen aus dieser Zeit mit aller Kraft zurück drängten. Auf der einen Seite die Ehre von Ralman für einen Sonderauftrag auserwählt worden zu sein aber auf der anderen Seite auch der schmerzliche Verlust seines Vaters, der zu den wenigen Gefallenen auf der Seite der Horasier gehört hatte.

Cusimo räusperte sich, um den Klos der in seinem Hals im Entstehen begriffen war wieder los zu werden. "Aber sagt Signora, auf welcher Seite kämpfte denn Euer Onkel und was treibt zwei Herrschaften aus dem Horaskaiserlichen Hausorden vom heiligen Blut ausgerechnet in die Blutlese?"

Orina

"Amantibus justitiam, pietatem, fidem. (etwa: denen, die Gerechtigkeit, Gottesfurcht und Treue lieben.) Ich bin erfreut eure Bekanntschaft zu machen, Ordensschwester Cesara della Careni." Die Fremde aus dem Norden hatte kurz gestutzt als sie die Montur des Neuankömmlings erkannt hatte und sich dann aber im nächsten Augenblick gefasst und mit ruhiger Stimme ebenfalls Ritterin della Careni vorstellte. Höchstselbst hatte sie noch keinen Heilig-Blutler getroffen. Ihr Schwertvater und ein Mentor in Beilunk hatten ihr einst über den regionalen Orden erzählt. Sie waren selbst in Kreisen der Praiosjünger nicht unumstritten, zumindest außerhalb des Horasreiches, das wusste Orina. Bestimmt dachten einige hochrangige Kirchenführer ähnlich wie sie und die Blutler waren bestenfalls als fanatischer Laienordner akzeptiert. Deshalb wurden sie bisher nicht in den Rat des Lichts berufen, in dem sonst beinahe alle großen Orden des Götterfürsten vertreten sind. Schon ein weiteres Mal nach dem "Eid auf den Zinnen" führte die Vereinigung von weltlicher und göttlicher Macht in einer Person ins Chaos. Für die junge Akoluthin gehörte nicht zusammengeführt, was schon so viel Leid in vergangenen Tagen gebracht hatte. "Ein Mann der Feldschlachten", stellte Orina mehr an sich selbst gerichtet fest. An Cusimo gerichtet fuhr sie fort. "Vom Arivorer Turnier habe ich selbst noch nicht viel mitbekommen, muss ich gestehen. Was man sich in der Stadt so erzählt gewiss, ich habe aber noch keine Einladung zu einem Empfang der Stadtoberen Häuser erhalten. Das war aber auch nicht Zweck meiner langen Reise, so habe ich meine Zofe auf Burg Bergheim gelassen und sie nicht in die Salons der Mächtigen Arivors geschickt, um mein kommen anzukündigen. Bevor ich weiterreise, ich werde den Jahreswechsel im sicheren Tempel des Herrn in Kuslik verbringen, will ich eine Waffe aus der Schmiede yá Ferragon erstehen und vielleicht noch eine Zweite für meinen Gemahl." Verriet die Nordmarkerin ihre weiteren Pläne.

Ancalita

Als Ancalita vom drahtigen Schwertmeister den Namen ihres entfernten Verwandten, den sie aber alle Onkel nannten, hörte, war sie erfreut. Endlich kannte sie mal jemanden, von dem hier gerade die Rede war - und stieß mehr überrascht als überlegt ein kurzes "Oh, Onkel Ralman" hervor und hielt sich direkt danach die Hand vor dem Mund, als ob sie damit die geäußerten Worte wieder einsperren konnte.

Doch anscheinend hatte sie niemand gehört, denn weder der Ritter vom Adlerorden, noch jemand anderes reagierte in diesem ersten Augenblick auf sie. Vielleicht kam ihr zu gute, dass gerade im hinteren Raum eine Dame ein ziemlich gut zu hörendes - um nicht zu sagen kreischend-lautes - Gelächter los ließ. Im gleichen Moment, als der Ritter vom Adlerorden sich räusperte und seine Unterhaltung fortsetzte, kam auch schon der Wirt und stellte einen Krug Wein vor ihr ab.

Cesara

Die Ritterin nahm einen Schlug von ihrem Getränk. "Mein Onkel war Romualdo ya Cantarra, Signore Schwertmeister. Er hat damals für die Lilie gefochten, aber auch den Waffenstillstand mit ausgehandelt, als die Schwarzen Marschen zuende waren. Leider hat sich sein Gemüt in den Folgejahren verdunkelt - wie so viele, ist ihm das Blutvergießen zwischen Bomed und Inostal in sein Denken gesickert, als er starb, war er mir fremder, als vor unserer ersten Begegnung, als ich noch am Gewandzipfel meines Vaters gen Carindôr kam." Sie blickte eine Weile trübsinnig in ihren Pokal, um dann noch einen Schluck zu nehmen. "Aber bitte, lasst uns nicht über derlei Verflossenes brüten. Ich wollte euer Gespräch nicht unterbrechen, mir lediglich eine Weile der Ruhe gönnen, bevor morgen wiede Sattel und Lanze rufen!"

Fulvian

„Nun dem stimme ich doch aus vollem Herzen zu. Der Tag gehört dem Schwerte und der Lanze, die Nacht der Muße und dem Vergnügen.“ Lächelnd prostete Fulvian der Heiligblutritterin zu. „Gaudiamus igitur! Wie die Gelehrten sagen.“ Bei diesen Worten nickt er in Richtung der reisenden Praiosgeweihten und stößt auch mit ihr an. Noch von dem ein oder anderem am Tisch wird der Trinkspruch des Barden aufgenommen. Fulvian gibt noch einige Stücke zum Besten, die nicht ganz so frech sind wie sein erstes, aber doch zu einem fröhlichen Trinkabend passen. Und so steuert der Abend in der Blutlese allmählich seinem Höhepunkt entgegen. Die Tische orderten fast nur noch zusätzlichen Wein, das würzige Brot und der ein oder andere Grieskloß, der noch in den Stunden zuvor gern bestellt worden war, war inzwischen ausgegangen oder wurde jedenfalls nicht mehr nachgefragt. Entsprechend stiegen die Wetteinsätze und veränderten sich die Quoten, die an der großen Tafel angebracht waren immer wieder einmal. Zum Ende des Stundenglases sollten die Wettquoten allerdings bis nach dem dritten Turniertag fixiert werden. Neben den Teilnehmern der Finalforderungen wurde inzwischen auch bereits - indes noch zögerlich - auf den Sieger im Tjost gewettet, was an den Wettquoten ablesbar war.

So fiel zunächst kaum einem der Gäste auf, als wieder einmal ein Name mit einer neuen Quote versehen wurde. Dort stand unter dem einstigen Turniersieger Reo di Valese - 3:1 - und den beiden Veliris-Geschwistern - 6:1 für ihn, 5:1 für sie - der bisher nur wenig bekannte Fidorion von Wulfenbein mit einer Quote von 8:1. Als nun ein Knecht der Blutlese zum Schwamm griff und die Quote korrigierte, glaubte mancher Beobachter an eine Steigerung des Gewinns. Immerhin hatte sich Fidorion in seinem Duell mit Duardo ay Oikaldiki als Mann von Ehre erwiesen, weswegen es möglich schien, dass schon aufgrund der Vorlieben des Arivorer Publikums vielleicht Mancher aus Sympathie auf den Mann mit dem Wolfsschädel wetten mochte - eine Gelegenheit für Wirt und seinen Patron, mehr Geld zu machen, sollte sich die Sympathie als verfehlt herausstellen. Stattdessen aber ersetzte der Knecht durch kurzen Kreideschwung die 8 durch eine 3...

Orina

Langsam schien die Bregelsaumerin etwas aufzutauen. Es war nicht das Gasthaus Güldener Greif zu Elenvina, in dem sie hier saß, das wusste Orina nun. Jedoch hatte sie ja auf den Umweg über den Landweg bestanden, um sich die Gepflogenheiten eines anderen Landes einmal anzuschauen. Nachdem sie mit Signore yā Malachis und den anderen der Runde angestoßen hatte, drehte sie sich zu der Tafel um. Da waren einige, ihr meist unbekannte, Namen notiert. "Wem traut Ihr den Sieg dieses Jahr zu?", ging ihre Frage an niemanden bestimmten in der Runde. Sie weitete ihre Augen und hob eine Augenbraue, als hätte sie Schwierigkeiten die Schriftzeichen des Knechtes zu entziffern. "Puh, das sind wahrlich und leibhaftig viele, viele Streiter. Leider kenne ich davon kaum einen oder habe auch nur von wenigen je gehört." Nach einigen Augenblicken des Nachdenkens gab Orina ihren Tipp ab. "Ich sage Ihre Hochwohlgeboren Gerone vom Berg wird mit der Götter Willen den Sieg davontragen. Sie ist ein erfahrener Recke und soll eine exzellente Reiterin sein. Man sagt sie sei auf einem Gestüt aufgewachsen. Wusstet ihr, dass sie um einige paar Ecken herum mit dem Herzog der Nordmarken verwandt ist? Wohlan dann, nach dem Sieg, wird sich ihr und ihren Getreuen auf dem langen Marsch kein Verräter mehr in den Weg stellen. Das Glücksspiel ist mir zuwider, wünschen tue ich mir so ein Zeichen der Götter." Ohne sich wieder zurück zu drehen schlug Orina ihr Buch auf dem Tisch mit der linken Hand schwungvoll und gut hörbar zu.

Fulvian

Auch Fulvian hatte die Änderung an der Wetttafel bemerkt und sie mit einem Stirnrunzeln quittiert.Antwortete aber zunächst auf die Aussage der mittelreichischen Praiota: „Sicher wäre einer Gerone vom Berg ein Sieg bei einem Tjost zuzutrauen, aber als Miles Horanthis würde ich sich doch nicht unbedingt sehen wollen. Zumal ich glaube, dass es im Teilnehmerfeld weit talentiertere Lanzenreiter gibt. Außerdem ist das Wetten auf die Streiter bestimmt moralisch überdenkbar, aber bei weitem kein reines Glücksspiel. Bei den jeweiligen Wettquoten ist Können und bisheriges Abschneiden der Teilnehmer durchaus berücksichtigt. Es ist eben viel wahrscheinlicher, dass ein namhafter Streiter wie Adalrik von Schreyen den Sieg erlangt als ein unbeschriebenes Blatt wie Fidorion von Wulfenbein. Von daher verblüfft es mich doch sehr, das letzterer gerade eine solche Favoritenquote zugeordnet bekommen hat. 3:1 ist die Quote eines Spitzenreiters auf den Sieg. Also nach dem was ich bisher gesehen habe, kann ich das nicht nachvollziehen, allerdings bin ich auch kein versierter Ritter. Ist jemand hier am Tisch wohl kundiger und vermag mir dies zu erklären?“ Fragend blickte Fulvian in die Runde und blieb kurz auf den Gesichtern des garether Ritters und des Fechtmeisters hängen.

Felian und Edelhild

Die beiden Garetier schauten sich gegenseitig an. "Nun, wir kennen die Tjoster in diesen Landen leider viel zu wenig um ein kompetentes Urteil abzugeben...", hob Felian zu einer Antwort an, wurde von seiner Frau aber überraschend unterbrochen: "Immerhin, wenn der Hirschfurten hier gewesen wäre, dann wüssten wir zumindest wer Favorit auf den zweiten Rang wäre." Die beiden Garetier grinsten sich einen Moment lang vergnügt an über einen offenbar nur ihnen bekannten Witz. Danach klärten sie den Rest ihrer Tischrunde auf: "Baron Nimgalf von Hirschfurten ist der bekannteste Turnierritter Garetiens und hat auch schon das ein oder andere Turnier gewonnen. Weitaus häufiger jedoch findet er sich im finalen Gang als Verlierer wieder, was ihm von übelwollenden Zeitgenossen auch schon den Spottnamen "Nimgalf der Zweite" beschert hat. Vermutlich ist er zurzeit aber zu sehr damit beschäftigt seinen Teil am Feldzug der Kaiserin gegen den Erzverräter Haffax vorzubereiten, sonst wäre er doch sicher hier angetreten – er ist eigentlich immer im späten Travia oder Boronmond im Horasreich zu Gast bei irgendwelchen Feierlichkeiten. Ist er nicht sogar Mitglied in einer dieser Logen?", fragte Edelhild ihren Gatten. "Die Loge vom goldenen Strome beider Yaquirien" oder sowas ähnliches meinte Khardan jedenfalls", antwortete dieser, "aber ich glaube wir sind vom Thema abgekommen."

Fulvian und Cesara

Während sich nun unter der Tischgesellschaft ein Gespräch über die Loge beider Yaquierien entspannte, ließ Fulvian die kleine Ungereimtheit bei den Wettquoten aber noch keine Ruhe. Schließlich erhob er sich und schlenderte hinüber zum Tresen, um einige Sätze mit dem Wirt zu wechseln. Als er sich wieder an den Tisch setzte wirkte seine Mine nachdenklich. „Fulvian, was verhagelt euch denn gerade die Stimmung? Ist dem Wirt der Wein ausgegangen?“ fragte ihn halb neckend halb ernst Signora Bergenoor. „Nein, das ist es nicht. Ich habe mich bei ihm nach den Wettquoten erkundigt, insbesondere nach der erstaunlich niedrigen für Fidorion von Wulfenbein. Der Wirt meinte, einer seiner Stammgäste, der oft im Süden weile habe ihm dazu geraten die Quote anzupassen. Dieser habe Wulfenbein in Drôl streiten sehen und auch noch bei anderen Gelegenheiten. Jedes Mal habe er den Eindruck gewonnen, dass der Ritter den Sieg hätte erringen können, aber dies wohl absichtlich unterlassen hatte. Er hält ihn für weit besser, als allgemein vermutet wird. Tja und nun frage ich mich, warum in der Götter Namen ein Streiter so etwas tun sollte? Was kann ein Tjoster damit bezwecken sich unter Wert zu verkaufen?“ Cesara della Carenio blickte hinter dem Barden her. Zwar war ihr die Loge durchaus bekannt aus ihrer Zeit im Yaquirbruch, aber die Sache mit diesem Chababier hatte doch ihr stärkeres Interesse geweckt. Daher mischte sie sich sogleich ein, als sich Fulvian wieder an den Tisch gesetzt hatte. "Seid Ihr dem Geheimnis des Mannes, der hinter dem Wolfsschädel fechtet, näher gekommen? Vielleicht gar ein Wettschwindler?" Schnell machte der Sänger eine dämpfende Geste mit der Hand. „Piano, Piano mit solchen Vermutungen. Es scheint mir doch, als würde das Wettgeschäft hier als etwas überaus Ernstes betrachtet." Leise, und der Dame zugeneigt, fügte Fulvian hinzu: „Aber ich bin tatsächlich ähnlicher Ansicht wie ihr. Es gelüstet mich wahrlich danach diesen chababischen Ritter ein wenig genauer auf den Wolfszahn zu fühlen und ich denke es geht euch ähnlich.“ Ein knappes Nicken der Heiligblutritterin war die Antwort, so dass Fulvian mit einem verschwörerischen Lächeln hinzufügte: „Also ich für meinen Teil werde mich nun zurückziehen, es war ein unterhaltsamer Abend, Seniores, seid bedankt für diese illustre Runde.“ Der Malachis erhob sich mit einer kleinen Verbeugung vom Tisch sprach noch einige persönliche Worte mit dem ein oder anderen und wandte sich dann dem Ausgang zu.

Familientreffen

Auf halbem Wege allerdings wurde er von einer hellen Stimme gerufen: „Fulvian? Fulvian ya Malachis? Ist das möglich?“ Sich nach der Sprecherin umblickend erspähte der Sänger eine kleine, recht dunkel gewandete, dafür sehr hellblonde Person, die ihm vage bekannt vorkam. Navina ihrerseits trat lächelnd auf den Vetter zu: „Du bist es wirklich, meine Güte Fulvian, du siehst kaum älter aus als vor 10 Jahren. Ich bin Navina…“ „Aber natürlich! Liebe Base! Ich hätte dich wirklich kaum erkannt.“ Endlich fiel auch bei Fulvian der Heller. Vor ihm stand die seit vielen Jahren verschwundene Tochter Cantanos und spontan schloss er seine Base in die Arme. Dannach wollten ihm schier tausend Fragen über die Lippen quellen, die er an die Verwandte stellen wollte, aber auch Navina und ihr Begleiter waren gerade im Begriff gewesen, das Lokal zu verlassen. „Fulvian, triff mich doch morgen und wir sprechen dann in Ruhe über alles. Ich denke wir haben uns beide viel zu erzählen.“ Schlug daher Navina vor , was der Sänger nur bestätigen konnte. „Was für ein ereignisreicher und überraschender Abend . Und er ist ja noch nicht zu Ende.“ ging es ihm durch den Kopf als er die Treppe emporstieg und sich draußen suchend nach Seniora Cesara della Carenio umsah, die er letztlich einige Schritt entfernt erspähte. Fulvian schloss zu ihr auf und gemeinsam verließen sie Morgunora.