Briefspiel:Königsturnier/Ruhmesglanz und Götterwille

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Horasturnier.png Geschichten am Rande des Königsturniers Horasturnier.png
Datiert auf: 20. Rahja 1038 BF Schauplatz: Schwerterfeld zu Arivor Entstehungszeitraum: April bis Mai 2015
Protagonisten: Debero Zorgazo, Mythraela Oliviano, Syranon ya Aragonza und Weitere Autoren/Beteiligte: Familie Zorgazo.png Toshy Haus re Kust.png GrK

Die folgende Geschichte ereignet sich am Rande des Königsturniers im Rahja 1038 BF im Turnierzelt von Debero Zorgazo sowie dem Turnierlazarett.

Vom Glanz des Ruhms und der Götter blutigem Beitrag

Sie erwachte erschrocken.
Wie spät es wohl war?
Mythraela hatte sich nur kurz hingelegt.
Sie fühlte sich müde und schlapp.
Die Reise zum Königsturnier war für sie eine Strapaze gewesen, die sie nicht hätte auf sich genommen, wenn es nach ihrem Gatten gegangen wäre.
Aber Mythraela war stolz und stur.
Sie erhob sich mühevoll aus dem Feldbett mit den übertrieben vielen Kissen und musste dabei laut seufzen. Die Sonne schien auf das Zelt und erwärmte den Innenraum, sodass die Luft stand und ihr den Schweiß aus den Poren drückte.

"Wo stecken die nur wieder?", murmelte sie vor sich hin und meinte ihre beiden Zofen, die sie auf der Reise begleiteten. Die junge Adlige war jedoch keine dieser wohlgeborenen Salonlöwinnen, die den ganzen Tag dem Minnegesang lauschten und sich ihren Stickereien widmeten. Und so ging sie die wenigen Schritte mühevoll und kurzatmig selbst, öffnete die Zeltplane und schob sie beiseite.
Der Gestank vieler Menschen und Pferde stieg ihr in die Nase und die Geräusche eines Ritterlagers prasselte auf sie ein.
Ein ungutes Gefühl nahm plötzlich von Mythraela Besitz.
Der Wind drehte ruckartig und trug laute Jubelschreie vom Turnierfeld herüber. Eine Böe erfasste das Banner der Zorgazo, welches neben dem Zelteingang an einer Lanze wehte, und schlug es Mythraela ins Gesicht.
Die junge Adlige zuckte vor Schmerz zusammen.
Das Kind in ihrem Bauch hatte ohne Vorwarnung seine hochschwangeren Mutter getreten.
"Bei allen Göttern, Amalia... Traviane... wo steckt ihr?", brüllte sie sich schmerzverzerrt den Frust aus der Kehle.
Wieder ein Tritt. Oder war es eine Wehe? Die Gattin Debero Zorgazos war sich nicht sicher.
Sie ging vor dem Zelt auf die Knie und versuchte gleichmäßig zu atmen.
"Herrin, Herrin!" Ein in ein grünes Samtkleid gehülltes junges Mädchen mit geflochtenem Knoten im Haar stürzte aufgeregt zwischen zwei Zelten hindurch auf Mythraela zu.
"Geht es euch gut?" Die Zofe kniete sich herunter, um ihrer Herrin aufzuhelfen.
"Es ist nichts", sagte die Angesprochene. "Das Kind hat nur getreten." Sie richtete sich auf und bemühte sich zu lächeln.
"Wo wart ihr denn nur?" Die Angesprochene errötete und senkte den Kopf.
"Wir waren dem Herrn Debero bei seinem Tjost zusehen... es... es... es ist etwas Schreckliches passiert..", stotterte die Zofe nervös, ohne den Kopf zu heben.
Mythraela fasste ihr grob an den Oberarm: "Sprich schon!" Ihre Stimme zitterte jetzt auch.
"Er... er fiel vom Pferd. Die Lanze... ein Stück der Lanze... ging durch die Rüstung... hat ihn verletzt und... und..."
"Was sagst du da?" Mythraela schüttelte die Zofe ungewollt grob. Sie wartete jedoch keine Antwort ab, sondern schritt entschlossen dem Turnierfeld entgegen, so gut es ihre Verfassung zuließ.

Im Turnierlazarett

Kor hatte an diesem ersten Turniertag bereits fleißig gekeltert. Als Mythraela Zorgazo in des Lazarettzelt stolperte, sah sie ein halbes Dutzend der Feldbetten in Benutzung. Der Geruch von Blut und gelegentliches Stöhnen lagen in der Luft.
„Wo ist er!?“, herrschte sie den Erstbesten von einem guten Dutzend Leuten an, die zwischen den Patienten standen oder liefen, und offenbar um deren Versorgung bemüht waren. Sie zog den Feldscher drängend am Hemdkragen. Als er sich umdrehte, blickte die junge Frau in das verblüffte Gesicht eines Endvierzigers. Seine buschigen Augenbrauen waren mehr grau als blond, ebenso das zerzauste Haupthaar, seine Schürze war mit Blutflecken unterschiedlicher Färbung besprenkelt. Sein Gesicht saß vogelartig scheinbar direkt auf einem mageren Leib, die graublauen Augen musterten sie verwundert, aber auch interessiert.
„Wer denn, Hochachtbare Dame?“, wollte er schließlich wissen, nachdem sie ihre Frage drei Mal mit steigender Lautstärke wiederholt hatte. Sanft nahm er ihre Hand von seinem Kragen, wobei ihr die spinnenhafte Länge seiner Finger auffiel: „Ihr müsst wissen, dass wir hier mehr als einen Verletzten haben“, sagte er beruhigend, „und zahlreiche Heilkundige verschiedener Fachrichtungen. Mein Name ist übrigens Syranon ya Aragonza di Storpa, Magister extraordinarius Curativae aus Methumis. Wen sucht Ihr, und wer seid Ihr? Oder benötigt Ihr eventuell selbst einen Medicus?“, fügte er nach einem Blick auf ihren Bauch an.

Mythraela war kurz verblüfft. Damit hatte sie nicht gerechnet. und es brachte sie aus dem Konzept: „Ich... nun... meinen... meinen Gatten... Debero... meinen Gatten Debero Zorgazo.“ Sie brauchte mehrere Anläufe.
Während sie noch dem Magister antwortete, erspähte die junge Adlige zwischen den herum wuselnden Leuten die Kleider ihrer Mägde. Ohne eine Antwort abzuwarten schob sie Syranon beiseite und schritt auf das Lager ihres Gatten zu, der reglos darauf lag. Eine der Mägde tupfte seine Stirn mit einem Tuch ab. Mythraela verharrte am Fußende. Die Farbe wich ihr aus dem Gesicht.
Ohne ihren Blick von Debero abzuwenden, stellte sie die Frage, die ihr mit aller Macht über ihre zitternden Lippen kam und sich nicht aufhalten ließ: „Wird er es überstehen?" Die Frage hatte sie ziellos in den Raum gestellt. Erst jetzt bemerkte sie den Magister wieder neben sich, welcher sich scheinbar angesprochen fühlte.
Sie holte tief Luft und wappnete sich für schlechte Neuigkeiten. Dabei hielt sie sich den schwangeren Bauch und presste die Hand ungewollt fest darauf, als könnte sie so das ungeborene Kind beschützen. Sie riss ihren Blick von Debero los und fand die Augen des Magisters neben sich. Syranons Augen sagten mehr als es sein Mund gekonnt hätte, und noch ehe die erste Silbe über seine Lippen kam atmete Mythraela erleichtert aus.

„Es sah schlimmer aus, als es tatsächlich ist“, legte der Mann, den sie Anfang 50 schätzte, ihr beruhigend die Hand auf die Schulter. In ihrer Erleichterung ignorierte sie diese überraschende Vertraulichkeit und hörte weiter zu, was der Magister zu sagen hatte.
„Wäre es keine Turnier-, sondern eine Kriegslanze gewesen, wäre die Spitze wohl durch den Panzer gedrungen und hätte den Brustkorb Eures Gemahls auf der linken Seite zwischen Costa fluctuantis superior und Costa spuria quinta durchstoßen. Der linke Lungenflügel wäre in dem Fall unweigerlich lädiert worden, und mit einiger Wahrscheinlichkeit auch die Cardia, zumindest peripher. Da hätte selbst der Medicus an der Turnierbahn nur schwer noch etwas retten können.“
Mythraelas Miene war von Erleichterung wieder zu Sorge gewechselt. Sie verstand von dem Fachbosparano Aragonzas gerade genug, um so verstehen, dass ihr Ehemann gerade noch einmal von Golgaris Rücken gesprungen war – meinte sie. „Aber die Polsterung hat rondraseidank genau das verhindert“, fuhr Syranon in fast begeistertem Ton fort. "Die Lanze traf den Panzer mit voller Wucht, verbog ihn gar ein Stück, was Seiner Edelgeboren trotz der Unterkleidung eine üble Platzwunde bescherte, die wegen eines nach innen geplatzten Panzersplitters noch ein Stück aufriss, als man ihn aus der Rüstung schälte. Das hat geblutet, als ob er...“ Der Magister hielt inne, als er den zunehmend entsetzen Blick der Frau bemerkte, hüstelte und ergänzte in sachlichem Ton: „...nun, jedenfalls war die Erstversorgung ordentlich, die Blutung gestoppt, als Euer Gemahl hier eintraf. Es ist gut möglich, dass zwei Costae angebrochen sind, aber bevor der intrakutane Bluterguss nicht abgeklungen ist – eine Sekundärfolge des Aufpralls -, kann ich das nicht sicher sagen. Ich habe angeordnet, frische Verbände anzulegen, und ihm etwas Beruhigendes einzuflößen. Seine Wunde wird in jedem Fall kein Fieber hervorrufen, dafür habe ich danach gesorgt. Ich würde gerne noch mehr für den Cavalliere tun, aber im Rahmen dieses Turniers ist mir untersagt, alle Möglichkeiten auszuschöpfen...“
Die Adelige nahm plötzlich das Siegel in Syranons rechter Handfläche merkwürdig bewusst war. Ein Heilzauberer war er, richtig...

Mythraela blickte ihren bewusstlosen Gatten an, der von ihren beiden Mägden liebevoll umsorgt wurde. Nachdem der Magister zuende gesprochen hatte, nickte sie ihm dankend zu und rang sich ein höfliches Lächeln in ihr sorgenvolles Gesicht. Dann schritt sie neben das Bett ihres Gemahls und nahm seine Hand um sie zu streicheln.
Die Umstände ihrer Vermählung waren alles Andere als Glücklich gewesen. Ihr Vater war durch einen Unfall vor Boron getreten, kurz nachdem er erfolgreich das Familienerbe versoffen und verspielt hatte. Ihr Bruder war auf der Flucht. Ein gesuchter Verbrecher. Auch wenn Mythraela ihrem Bruder Danilo nie sonderlich nahe gestanden hatte, war dieser Umstand doch sehr schwer für sie zu akzeptieren. Duridanya Zorgazo, die Cousine Deberos hatte bei dem Versuch Danilo zu ergreifen viele Menschen getötet, die Mythraela seit Kindertagen an kannte. Als einzige Verbliebene der einst ehrbaren Familie Oliviano blieb ihr gar nichts anderes übrig, als sich von Duridanya Zorgazo in einen Traviabund mit dem jungen Debero zwingen zu lassen. Viele Monate hatte sie ihrem angepressten Gatten ihre Abneigung spühren lassen. Dann hatte sie nach und nach begriffen, dass Debero nicht der Feind in ihrem Bett war, sondern dass er ein liebevoller und wunderbarer junger Mann war, der ihre Ansichten und Leidenschaften teilte. Mythraela war fest davon überzeugt, dass der Mann dessen Hand sie nun hielt, einmal ein großer Mann und Anführer sein würde. Ehrbar und Geschätzt. Und sie war Glücklich, sein Kind in ihrem Leib zu spühren. Sie lächelte und strich sich mit der Hand über ihren Bauch.
Ein zuckender Schmerz riss sie aus ihren Gedanken. Sie sah in das erstarrte Gesicht ihre Magd und folgte irritiert deren Blick zu Boden. Zwischen ihren Füßen hatte sich eine Pfütze gebildet und Mythraela begriff. Ehe sie es selbst aussprechen konnte, hatte sie die Magd unter die Arme gehakt und schrie durch das Zelt: "Das Kind kommt.. schnell, holt warmes Wasser!"

Magister Syranon warf nur einen Blick auf das Fruchtwasser und entspannt sich dann: Klar, weder rot noch grün. Das war gut. "Keine Panik", mahnte er mit ruhiger Stimme die Magd. "Wir lassen deine Herrin in ein ruhigeres Zelt tragen. Ein Ritterlazarett ist nicht der richtige Ort um zu gebären. Nun hol eine Hebamme, die prüfen soll ob der Kopf des Ungeborenen schon in der richtigen Position ist", sagte er gelassen.

Im & vor dem Kreißzelt

Die Magd tat wie ihr befohlen und rannte los. Kurz darauf betrat sie mit einer älteren Dame und einer Waschschüssel voll dampfenden Wassers das kleine Zelt neben dem Ritterzelt. Dorthin hatte man Mythraela gebracht und auf eine Liege gelegt.
Die rothaarige Adlige in ihrem Kleid wirkte so fehl am Platz wie man es nur konnte. Das Zelt war eigentlich eine Art Waffenlager. Überall hingen Schilde, Speere, Schwerter und Rüstungsteile an improvisierten Ständern.
Die zweite Magd war von Deberos Seite an die Seite ihrer Herrin geeilt, und als die Hebamme das Zelt betrat, schrie sie bereits nervös um sich: "Es kommt, es kommt, man sieht schon den Kopf!" Mythraela stieß einen weiteren von vielen Schmerzensschreien aus. Schweiß lief ihr von der Stirn. Die Hebamme, die Mythraela auf ihrer Reise begleitet hatte, nickt und wusch sich die Hände. "Dann wollen wir mal" sagte sie freundlich. "Ein bisschen früh dran, der Racker. Vielleicht möchte er noch das Finale vom Turnier sehen?" Sie lächelte schelmisch und versuchte ihrer Herrin durch ihre ruhige Stimme die Nervosität zu nehmen.
"Ein Junge? Ist es ein Junge?" stöhnte Mythraela schmerzverzerrt. "Das Werden wir gleich wissen mein Kind", sagte die Hebamme beruhigend.

Syranon ya Aragonza hatte einen Boten zum Lazarett gescheucht, dass man ihn vor dem Zelt finden würde, falls es dringlich wäre. Nun wartete er hier, auf einer aus einem ganzen Baumstamm gehauenen Bank sitzend, sein Maiskolbenpfeifchen schmauchend.
Die Weile zog sich, wurde zu einem, wurde zu mehreren Wassermaß. Man konnte nie sagen, wie lange es nach dem Reißen der Fruchtblase dauerte, bis sich der neue Derenbürger tatsächlich auf den Weg machte. Gut, dass er Geduld hatte. Satinav war der heimliche Verbündete Peraines.
Schließlich mischte sich in das auf und ab schwellende Stöhnen und Schreien der Gebärenden, in des beruhigende Murmeln und Singen der Hebamme, der helle Schrei eines neugeborenen Kindes. Syranon klopfte seine Pfeife aus. Und wie erwartet kam bald darauf die Zofe aus dem Zelt geeilt: "Es ist ein Mädchen!", strahlte sie. "Die Herrin wünscht, dass Ihr einen Blick auf es werft."
Syranon nickte nachsichtig. Er würde auch einen Blick auf die Mutter werfen. Und Madas Kraft fließen lassen. Solange er in der Nähe war, würde sie nicht das Fieber bekommen. Nicht mit mir, Monarchin des Siechtums!, schwor er kampfeslustig, während er durch den Zelteingang trat.

Debero Zorgazo trat ins Freie und war dankbar, das Zelt der Verwundeten hinter sich lassen zu können. Doch seine Gedanken kreisten in diesem Moment um andere Dinge. Mythraela! Die Schmerzen seiner Verletzung und der Prellungen ignorierend, näherte sich der junge Zorgazospross dem Zelt, in das nach Aussage der Magd seine hochschwangere Frau gebracht worden war.
Plötzlich vernahm er Schreie und humpelte die letzten Schritte zum Zelt. Er riss panisch die Plane zur Seite und sprang hinein. "Wo ist meine...?", setzte er an und erblickte seine Frau zwischen den Beteiligten, auf einer Liege gebettet, mit einem kleinen rosa Etwas auf dem Arm. Sein Herzschlag verdoppelte sich, als die herumstehenden Personen zur Seite traten und den Blick auf seine Frau und sein Neugeborenes freigaben. "Es ist ein Mädchen lächelte sie ihren verdutzten Gatten an."
Tränen stiegen dem jungen Krieger ins Gesicht und er trat an das Bettlager seiner Gattin, um ihr liebevoll die Haare aus dem Gesicht zu streichen. "Sie hat deine Augen", sagte er vor Glück auflachend, als er dem Baby auf ihrem Arm durchs Gesicht streichelte. "Wie sollen wir sie nennen?" fragte er.
"Pira! Nach meiner Großmutter", schlug die frisch gebackene Mutter vor.
Debero lächelte und nickte. "Aber bei einem derartigem Geburtsort hat die Herrin Rondra ihre schützenden Hände über das Kind gehalten. Wir sollten ihr zu Ehren das Kind nach ihr benennen."
Mythraela lächelte und nickte ihrem Gatten zu. "Einverstanden. Dann also Pira Rondralina." "Gefällt mir" lachte Debero glücklich auf.
"Wartet." Mythraela griff die Hand Syranons. "Danke für alles", lächelte sie den Magister an. "Ich wüsste nicht, was ich ohne Euch getan hätte. Liebling? Meinst du es wäre noch Platz für einen weiteren Vornamen?" Der angesprochene Debero nickte lächelnd. "Dann soll das Kind den Namen Pira Rondralina Syrania tragen." Magister Syranon zwirbelte verlegen eine buschige Augenbraue, von dieser Ehre sichtlich gerührt.

- Ende -