Briefspiel:Kadron und Djamilla (6)

Aus Liebliches-Feld.net
Zur Navigation springenZur Suche springen

Auge-grau.png

Horasreich-klein.png Briefspiel Horasreich-klein.png
Datiert auf: 1014 BF Schauplatz: vor allem Marudret und Clameth Entstehungszeitraum: im letzten Jahrtausend
Protagonisten: siehe Übersichtsseite Autoren/Beteiligte: Stefan Deutsch, Marcus-René Duensing, Christel Scheja, dazu Clemens Bock, Eckart Hopp, Martin Lorber, Lars-Torben Oltrogge, Steffen Popp, Dennis Schmidt, Karl-Heinz Witzko; bearbeitet von Michael Hasenöhrl und (fürs Wiki) Armin Bundt
Zyklus: Übersicht · Die Kunstfestspiele zu Marudret · Abendliches Begrüßungsbankett · Feierliche Eröffnung · Erster Tag: Bücher und Gedichte · Zweiter Tag · Dritter Tag: Bildhauer · Vierter Tag · ...

Dritter Tag: Bildhauer

A

m Morgen des dritten Tages waren alle Adligen bereits im Bankettsaal versammelt und nahmen ihr Frühstück ein, dabei ging eine Neuigkeit wie ein Lauffeuer um, zumindest zu denen, die noch nichts von dem nächtlichen Streit zwischen Herrn Sumudan und Baronin Elanor erfahren hatten:
Gestern Nacht gegen die erste Efferdstunde, Herr Sumudan wollte gerade wieder in sein Gemach zurückkehren, hörte er in dem Zimmer von Baronin Elanor ein lautes Stöhnen. Herr Sumudan, aufgrund seiner Aufgaben im Geheimrat des Alten Reiches schon vorbelastet, dachte natürlich gleich das Schlimmste: "Dort geschieht ein Verbrechen!" Auch war die Türe verschlossen.
Sofort lief er zu einem seiner Cavallieros und zerrte ihn mit zur Tür zum Schlafgemach Elanors. Mittlerweile war drinnen alles still, doch Herr Sumudan ließ sich nicht von seinem Verdacht. So befahl er, die Türe aufzubrechen. Der Cavalliero rannte mit voller Wucht gegen diese, und sie sprang krachend auf. Drinnen sahen zwei erschrockene Gesichter Herrn Sumudan und seinen Cavalliero an. Das eine erkannte der Baron von Kabash sofort, es war Elanor, doch wer war der Mann in ihrem Bett?
Jetzt erkannte er ihn, der Gardehauptmann Marik Slin von Efferdas, und rief: "So ein Skandal! Ich dachte, sie würde einem Verbrechen zum Opfer fallen, und dann das, ein Mann, dazu noch ihren eigenen Gardehauptmann, also ... skandalös, einfach skandalös! Das muß die Kaiserin erfahren!"
Doch Elanor, die sich mittlerweile von dem Schock erholt hatte, schrie Herrn Sumudan an: "Was erlaubt Ihr Euch eigentlich, mitten in der Nacht in mein Gemach zu brechen, und überhaupt, was geht Euch an, mit wem ich in meinem Bett liege? Das wird noch Folgen für Euch haben, das schwöre ich Euch, einfach in mein Zimmer zu brechen und dann noch unter so einem scheinheiligen Vorwand. Nein, das wird Euch teuer zu stehen kommen, sowie ich wieder in Efferdas bin, werde ich die nötigen Schritte gegen Euch einleiten!"
Unterdessen waren die anderen Gäste von dem Geschreie aufgewacht, doch bevor sie zum Ort des Geschehens gelangten, kam ihnen Herr Sumudan mit zornigem Gesicht entgegen. "Diese Elanor, dieses Flittchen, steigt sogar mit ihrem eigenen Gardehauptmann ins Bett. Ein Skandal! Aber das wird Folgen für sie haben." Dann rannte er schon weiter, und man hörte einige Schritt weiter nur noch eine Tür zuknallen. Stille, so daß die Gäste mit ihren Fragen alleine gelassen wurden und wohl oder übel wieder in ihre Gemächer zurückkehren mußten.

U

m punkt Phex dann war alles wieder vergessen, es begann der offizielle dritte Tag der Kunstfestspiele, und Macrin trat auf die Bühne auf dem Macrin-Platz. "Guten Morgen, liebe Kunstliebhaber aus nah und fern! Heute sind unsere Ausstellungen in der Akademie, Schloß und Stadthaus den Bildhauern gewidmet, mit dabei unter anderem eine Büste meiner Wenigkeit, geschaffen von einem nicht so bekannten Künstler aus Marudret namens Rubert Horting.
Gestern abend ist man an mich herangetreten und fragte, wann denn endlich wieder ‘Montruberg’ euer Herz erfreuen würde, denn ich hatte ja angekündigt, daß Ehrenbert und ich ab und zu kleine Einlagen zum Besten geben werden. Nun, es stimmt, gestern war das Programm so voll gestopft, daß Montruberg dort nicht mehr hineinpaßte, aber natürlich wollen Ehrenbert und ich diesen Verlust wieder gut machen und haben uns für heute morgen ein ganz schönes Lied ausgeheckt. Ehrenbert, unsere Bühne!"
Ehrenbert kam mit seiner Laute auf die Bühne und stellte sich neben Macrin, der inzwischen auch seine Geige genommen hatte. "Unser Lied schildert, und das wird den einen oder anderen schon interessieren, wie ich Geigespielen lernte, ich weiß bis heute noch nicht, ob es an meinem Fleiß oder an meiner Begabung gelegen hat, daß ich zu solch erstaunlichen Fertigkeiten gekommen bin." Macrin setzte seine Geige ans Kinn und begann zu spielen und singen:

Als ich vor Jahren geboren war,
wurde es meinen Eltern klar,
zumal sie niemals der Muse fremd,
daß ich zum Geigen hab' Talent.

Ehrenbert:

Als er dann zwölf Jahr' alt war,
wurde es seinen Eltern klar,
zumal sie von äußrer war'n verehre,
der Macrin braucht eine Geigenlehre.

Geigensolo von Macrin

Macrin:

Der Lehrer hieß Herr Schneidewind,
und zeigte meiner Eltern Kind,
was in dem Fall ja ich wohl war,
die ersten Töne rein und klar.

Geigensolo von Macrin

Ehrenbert:

Emsig übte er bis die Arme schlapp,
seinen Eltern fielen die Ohren ab,
doch weil sie 'nen großen Keller hatten,
übte er dann vor den Ratten.

Geigensolo von Macrin

Macrin:

Nach Wochen sprach Herr Schneidewind:
Du bist ein begabtes Kind,
da durfte ich spielen, man glaubt es kaum,
am Geburtstag meines Vaters Baum.

Geigensolo von Macrin

Ehrenbert:

Als er vierzehn Jahr alt war,
wurde es seinem Vater klar,
der Macrin kann jetzt Geigen schon,
darum spielt er bei der Tanzformation.

Geigensolo von Macrin

Macrin:

Und dann spielte ich viel Musik,
Paquamon und Edwart Klieg,
kurzum höhere Geisteszonen,
und auch eig'ne Kompositionen.

Geigensolo von Macrin

Nachdem Montruberg geendet hatte, schäumte die Begeisterung der Zuschauer fast über. Sie forderten lautstark eine Zugabe. Macrin und Eherenbert ließen sich wie immer breitschlagen und sangen noch ein weiteres Lied mit dem Titel "Der Egel":

Ich sprach zu einem Egel:
Du bist ein rechter Flegel!
Du trinkst von meines Blutes Saft,
Du hast mir damit Pein verschafft!

Da sprach der blut'ge Egel:
Nein Du, Du bist der Flegel!
Ich sah ihn an betroffen,
der Egel war besoffen.

Er hat in seinem Mut
genascht von rauschig Blut!

Wieder dankte es ihnen das Publikum mit tobenden Applaus, und immer wieder mußten sich die beiden verneigen. "Danke. Vielen Dank, liebe Freunde. Ich verspreche euch, daß wir noch mehrmals auftreten werden. Versprochen. Doch nun möchte ich einen bedeutenden Künstler ansagen, wohl der bekannteste aus den Marudreter Landen, schon in Havena hat er Massen mit seiner Musik verzaubert. Nun ist er hier: Herber Grölemey mit seiner Gruppe ‘Silberlöwen’."
Frauen und Mädchen begannen zu kreischen, Männer klatschen wie wild, als der dunkelblonde, neununddreißig Jahre alte Herber, Idol vieler junger Musiker, die Bühne betrat. Er verneigte sich elegant und die Silberlöwen begannen zu spielen. Die Zuhörer erkannten schon an den ersten Takten das Lied und sangen mit:

Tief im Süden, wo die Sonne verstaubt,
ist es besser, viel besser als man glaubt,
Tief im Süden, tief im Süden.

Du bist eine Schönheit, vor Häuser ganz bunt,
du liebst dich ohne Schminke, bist 'ne ehrliche Haut,
leider total unbekannt, aber gerade das macht Dich aus.
Du hast'n Pulsschlag aus Gold.
Man hört es laut in der Nacht.
Du bist einfach zu bescheiden.
Dein Grubengold hat uns wieder hochgeholt,
du Blume im Reich.

Marudret, ich komm'aus dir,
Marudret, ich häng'an dir. Glück auf! Marudret.

Du bist keine Weltstadt.
Auf deiner Macrinschaussee finden keine Paraden statt.
Hier, wo das Herz noch zählt, nicht das große geld.
Wer wohnt schon in Vinsalt?

Marudret, ich komm'aus dir,
Marudret, ich häng'an dir. Glück auf! Marudret.

Du bist das Himmelbett für Künstler,
und ständig auf Musik.
Hast in der Akademie Deine Kinder,
machst mit einen Doppelpaß
jeden Gegner naß, du und deine Panther.

Marudret, ich komm'aus dir,
Marudret, ich häng'an dir. Glück auf! Marudret.

Dieses Lied ist schon eine Art Hymne Marudrets geworden, dieses merkte man auch, als Herber zwar schon geendet hatte, doch die Marudreter weitersangen, so daß Herber wieder einsetzte und mitsang. Danach folgten noch weitere bekannte Lieder, bei denen er immer wieder das Publikum aufforderte, mitzusingen. Er verstand es, sie mitzureißen.
Während dieser Darbietung hörte ich durch Zufall, wie eine Tochter zu ihrem Vater sagte: "Ist dir eigentlich aufgefallen, daß Delhena-Naila und ihr Mann Malbeth so gereizt wirken?"
"Das mag sein, mein Kind, schließlich weißt du ja, daß Seine Hochgeboren Malbeth hier in Marudret nicht gerne gesehen wird und nur geduldet ist, da sie ihn unbedingt mitnehmen wollte." antwortete der Vater.
"Ja, und ich kann mir auch denken, warum. Sie hat ein solch großes Herz, daß sie manchmal nicht merkt, daß nicht alle Wunden zu heilen sind. Nun, so lange sie sich nicht entzweien? Das werden die Kinder aber schon verhindern... bei dem Unsinn, den sie anstellen..."
"Mich wundert nur, daß sie noch nichts ... oh ... zu spät ... heruntergerissen haben." entgegnete der Vater.
Doch zurück zum Geschehen. Macrin trat wieder auf die Bühne. "Ja, unser Herber ist schon ein ganz Großer. Erst durch ihn wurde Marudret bekannt. Doch nun zu einer nicht weniger bewundernswerten Künstlerin aus Suderstein, Sharisad Dania."
Eine sehr hübsche, rothaarige Frau von vielleicht fünfundzwanzig Jahren kam auf die Bühne. Inzwischen hatte schon Mezzek ibn Josan an seiner Harfe Platz genommen, mit der er Dania begleitete. Man merkte sofort, daß die beiden ein eingespieltes Team waren. Dania tanzte wie eine Fee zu den weichen Klängen der Harfe und verzauberte regelrecht das Publikum, auch ich bekam eine Gänsehaut. Als sie endete, mußten sich die Besucher erst wieder fangen, sie waren mit der Musik und dem Tanze in ihre Träume dahingeschwommen, so daß es erst ein wenig dauerte, bis der Applaus der Besucher alles übertönte und auch den letzten aus seiner Traumwelt holte. Auch Dania verbeugte sich mehrmals, bevor beide die Bühne verließen und eine zweistündige Mittagspause begann.

A

m Nachmittag pünktlich um Efferd stand eine große Attraktion auf dem Programm, auf die vor allem die Zwerge schon so lange gewartet hatten. Die Marudreter Bergmannskapelle wollte ihr Debut geben. Vor der Bühne auf dem Macrin-Platz hatten sich schon Hunderte von Besuchern wieder eingefunden, um dieses Spektakel beizuwohnen. Und hierbei möchte ich noch ein großes Lob an die Marudreter Menschen aussprechen, die die kleineren Zwerge vorließen, so daß sie genügend sehen konnten.
Zuerst kamen die vierzehn Musiker auf die Bühne, und sogleich brach Jubel aus. Dann folgte der wohl zur Zeit berühmteste musikalische Zwerg, der Dirigent der Bergmannskapelle, Gaubert. Als er auf die Bühne trat und sich verneigte, schlugen ihm Sprechchöre: "Bertl, Bertl!" entgegen, und der Applaus wollte nicht aufhören. Ich hatte soetwas noch nie erlebt, denn man muß sich vorstellen, daß sie noch nicht einmal gespielt hatten, aber schon so einen Ruhm besaßen. Nach etwa fünf Minuten, als der Jubel langsam schwächer wurde, trat Gaubert auf das Podest und tickte mit seinem Taktstock auf den Notenständer, was Silentio, also Ruhe bedeutete. Alles verstummte, und man war gespannt, was jetzt kommen würde.
Doch zum Erstaunen aller spielten sie die Hymne unseres Hofmeisters Macrin, der dann auch die Bühne betrat. Alle waren überrascht, doch Macrin klärte dieses schnell auf: "Liebe Freunde, ich möchte Euch nur eine Minute aufhalten, denn hiermit sage ich die Marudreter Bergmannskapelle unter der Leitung von Gaubert an. Applaus." Und schon verschwand er wieder von der Bühne unter dem Lachen der Besucher. Ja, unser Macrin ist halt immer noch ein Kind geblieben, nur Blödsinn im Kopf, aber gerade das macht ihn sympathisch und unberechenbar.
Doch jetzt ging es endlich los. Die Zwerge spielten, was die Instrumente hergaben. Jeder gab sein Bestes und die Besucher dankten es ihnen mit tobenden Applaus und verlangten immer wieder Zugaben, so daß der Auftritt über zwei Stunden dauerte und erst Viertel nach Boron zu Ende war. Alle Musiker verbeugten sich mehrmals und dankten für den Applaus. Zeigten sie doch, daß auch Zwerge etwas von Musik verstehen und waren sie gewiß ein Anwärter auf den Ersten Preis im Kunstbereich Musik oder vielleicht sogar in der Gesamtwertung. Doch bis dahin würden wir noch viel erleben können.
Punkt Hesinde kündigte Macrin dann die nächste Attraktion an. "Liebe Kunstfreunde! Kurz bevor Praios hinter dem Horizont verschwindet, möchte ein Magier mit Namen Trikodemus aus Clameth um eure Aufmerksamkeit bitten."
Ein kräftig gebauter Mann trat auf die Bühne, und ehe sich’s die Besucher versahen, marschierten Elefanten auf der Bühne im Kreis. Ja, Meister Trikodemus war ein Spezialist auf dem Gebiet der Illusionsmagie. Er verzauberte sein Publikum mit phantasievollen Trugbildern, und nach jedem seiner Kunstwerke dankten sie ihm mit tobenden Applaus, so daß er einige Zugaben geben mußte, vorher ließen ihn die Zuschauer nicht gehen.
Dann betrat Macrin wieder die Bühne und kündigte eine Künstlergruppe mit Namen „Dreizack“ an. Dabei handelte es sich um eine dreiköpfige Gauklertruppe. Ihre Vorführungen reichten von Schwert- und Feuerschlucken über Messerwerfen bis zur hohen Kunst des Entfesselns. Auch diese mußten immer wieder neue Kunststücke zeigen, bis sie sich zum Abschied nocheinmal verbeugten und versicherten, im nächsten Jahr wieder zu kommen.

A

m Abend aber lud Macrin seine Ehrengäste zu einem Ball im Marudreter Schloß ein. Dafür hatte man eigens den Bankettsaal des Schlosses leergeräumt und in einen Tanzsaal umgewandelt, denn das Schloß war zu klein für solche Anläße, es war halt nur ein kleines Stadthaus. Dies wurde auch daran deutlich, daß Macrin einige seiner Gäste in der Nobeltaverne "Zum Säbelzahntiger" unterbringen mußte, da die Räumlichkeiten im Schloß nicht ausreichten.
Zur halben Phexstunde war es dann soweit. Der ehemalige Bankettsaal war zum Tanzsaal umfunktioniert, und die Ehrengäste hatten sich darin versammelt. Unter all den Herrschaften fiel mir vor allem die beiden Baronessen auf. Elanor hatte sich ein blaues Seidenkleid angelegt und trug dazu passende Spangenschuhe, Delhena-Naila übertraf aber auch dies. Sie trug ein goldfarbendes, samtig schimmerndes Kleid mit Rosenstickereien aus roter Seide, in die kleine Schmucksteine eingesetzt worden waren. Die Ärmel waren eng, aber das Dekolleté war offen und tief ausgeschnitten. Um den Hals glitzerte ein filigranes goldfarbenes Collier mit einem einzigen Rubin. Auf dem Kopf befand sich ein ähnlich gestaltetes Diadem mit einem kleinen Smaragd, auffallend auch ihre filigranen Ohrringe. Der Fächer war als Gegensatz dunkelbraun, fast schwarz. Die Taille des Kleides lag hoch, der Rock schwang recht weit und zeigte so einen der roten Unterröcke. Ferner trug Delhena rote Schuhe. Sie war ein richtiger Rubin neben ihrem Gemahl, der sich nur in schlichtes Schwarz gehüllt hatte.
Auf einem Podest saß das Marudreter Stadtorchester, das später zum Tanz aufspielte, doch zuvor richtete Macrin noch einige Worte an die Herrschaften: "Werte Gäste. Ich möchte euch nochmals danken, daß ihr alle gekommen seid, um mit mir gemeinsam die ersten Kunstfestspiele zu feiern. Heute Abend nun habe ich zu einem kleinen Ball geladen, denn immerhin werden sich so manche Barone vor allem aus dem Neuen Reich noch nicht kennen. Dies kann man wohl nicht besser machen als auf einem Fest. Daher habe ich mich kurzfristig entschieden, am dritten Tage der Kunstfestspiele einen Ball zu geben. Jedoch ist mein Schloß zu klein für größere Feste, so daß kurzfristig der Bankettsaal leergeräumt und notdürftig eingerichtet werden mußte. Ich hoffe, euch stört nicht diese Provisorität. Ansonsten wünsche ich uns einen fröhlichen Abend, für Musik ist gesorgt, und es darf auch getanzt werden."
Nach dieser kurzen Ansprache erwartete man nun von Macrin, daß er den Ball eröffne, doch die Spannung war groß, denn da Macrin noch ledig war, müßte er sich unter den Gästen eine Tanzpartnerin suchen. Alle waren gespannt, wen er wählen würde. Auch Macrin wußte um die Spannung und ging absichtlich langsam durch die Reihen, bis er plötzlich bei Myjan von Carson, die Schwester des Landherrn Kadron Ilmar von Carson zu Clameth, stehen blieb und ihr lächelnd in die Augen sah. Man merkte Myjan die Aufregung an, als Macrin ihr den Arm anbot und somit zum Tanz aufforderte.
Die Gäste waren überrascht, und als die beiden sich zur Musik bewegten, werden nicht wenige gedacht haben, die beiden seien wie geschaffen füreinander, ein Traumpaar, wie es im Buche steht. Danach folgte Kadron mit seiner Tanzpartnerin Delhena-Naila, und auch die anderen Gäste taten es ihnen gleich.
Nur in einer stillen Ecke fachsimpelten die Magier Kemoc von Shumir, Adaon von Veliris, Thorkan Philokan, Borber Toberlin und Borbardus Donkart, Vertrauter des Barons von Otterntal, über Zauberei. An einem anderen Tisch saßen derweil Troyan zu Urbet und Sumudan zu Kabash bei Rinfa Drachenfeuer zu Terubis und schienen ihn nur so mit Fragen zu überschütten. Ja, der neue Baron von Terubis war wohl der Überraschungsgast der Festspiele. Doch wurde diese Unterhaltung plötzlich unterbrochen, denn Elanor zu Efferdas stürmte von der Tanzfläche geradewegs auf den Tisch der drei Herren zu und forderte überraschend Rinfa zum Tanze auf. Dieser war so überrascht, daß ihm die Röte ins Gesicht stieg, doch er willigte ein und verschwand im Heer der Tanzenden. Später sah man Rinfa und Elanor allein an einem Tisch sitzen und sich angeregt unterhalten. Nur für ein paar Minuten gesellte sich Adaon von Veliris zu den beiden.
Unterdessen sah man Elvore Diepenstelz, eine etwas rundliche Händlerswitwe, mit Myros von Metenar in angestrengter Unterhaltung. Es war nicht zu verbergen, daß sie es auf den für sein Alter durchaus noch attraktiven, er wird im Rahja fünfzig, Freiherren abgesehen hatte. Dieser wies ihre Annährungen jedoch stets dezent und höflich zurück. Überhaupt zeigte er sich ausschließlich gelassen ablehnend, wenn ihm eine Dame ihre Offenheit präsentierte. Wer ihn kennt, weiß, daß er früher, wie der hochgeschätzte Gastgeber auch, durchaus offener, ja gar schürzenjägerisch war. Dieses Verhalten zeigt er seit seiner Heirat mit Frau Paraya, spätestens jedoch seit deren tragischen Verbleichen vor etwa zwei Jahren, nicht mehr. So lehnte er also auch hier die Aufwartungen der geschätzen Frau Elvore ab. Diese jedoch ist in weiten Kreisen als überaus willensstark, ja um nicht zu sagen hartnäckig, bekannt, so daß sie sich nicht davon abbringen ließ. Als die Annährungsversuche zunehmend direkter wurden, zuckte Myros kurzerhand auf und winkte seine Tochter Jileia zu sich. Diese rannte sofort freudig zu ihrem Vater, die weiße Katze noch immer zärtlich in ihren Ärmchen haltend. Vergnügt sprang sie auf den Schoß des Barons und fing an, ihre Erlebnisse des Tages zu erzählen. Schon bald begannen Vater und Tochter ausgelassen, manchmal gar fast albern mit der kleinen Katze zu spielen. Nun stand die sich sträflich vernachlässigt fühlende Elvore eilig auf und zog schmollend von dannen, einen ihr mit erhellter Miene hinterherlächelnden Myros zurücklassend. Wie man später am Rande bemerken konnte, war nun Gisbris zu Schwarzbuckel das neue, bedauernswerte Opfer der Dame Elvore Diepenstelz.
Doch wo war der Gastgeber? Macrin saß mit Myjan Carson an einen der Tische und schien mit ihr den morgigen Tag durchzugehen, unterdessen flirtete ihr Bruder Kadron auf freundschaftliche Weise mit Delhana-Naila, doch man merkte durchaus, daß sie es nicht so ernsthaft meinten, weil sich Delhena bis auf kleinen Spannungen wohl doch gut mit ihrem Gemahl Malbeth verstand. Die Baronin saß übrigens bei Adaon von Verliris, der versuchte, ihr das Spiel "rote und weiße Kamele" zu erklären. An diesem Tisch tauchte nach einer Weile auch Danilo von Crés auf, der sich zu den beiden setzte, doch er erkannte schnell, daß die beiden ganz in ihr Spiel vertieft waren, so daß er sich zu Macrin und Myjan gesellte. Auch Feutas, der Begleiter Toberlins, hatte bei Delhena kein Glück.
Da fiel mir jetzt erst Delhenas Gemahl Malbeth auf, der sich scheinbar bewußt im Hintergrund hielt. Er wirkte verdrossen und frostig, und man sah ihm an, daß er von Delhena gewaltsam mitgeschleppt wurde, ich erkannte das auch schon vorher, denn die beiden Eheleute tauschten ärgerliche Blicke aus, und wenn sie einmal miteinander sprachen, schienen beide zornig. Ja, Malbeth war das ganze Gegenteil zu Delhena, die sich wie immer gesellig und fröhlich zeigte.
Plötzlich entdeckte ich, wie Elanor und Rinfa Drachfeuer händehaltend den Ballsaal verließen - hatte es Elanor geschafft, den doch recht roh wirkenden Geweihten für sich zu gewinnen?
Unterdessen hatten sich wieder neue Paarungen gebildet. Jetzt saßen Toberlin, Bleskar Summrob und Jobar Perdanwall an einem Tisch und schienen sich ausgiebig über politische Themen zu unterhalten, wobei es manchmal heiß her ging, denn man hörte immer wieder, daß einer von Dreien auf den Tisch haute, um seine Meinung zu unterstreichen.
Was machten eigentlich unsere Gäste aus dem Neuen Reich? Areana Schladromir, die Schwester des Barons von Otterntal, saß bei Kjaskar Knallfaust, ihrem Nachbarn, und schien über mögliche wirtschaftliche Beziehungen zu verhandeln, dazu stieß alsbald Gisbris mit seiner Gemahlin.
Zu tanzen schienen nur noch die Begleiter und Begleiterinnen der Herrschaften, diese saßen lieber an einem der Tische und diskutierten über irgendwelche Themen.
Ein kleines Mädchen kam in den Ballsaal gerannt und lief geradewegs zu Myros. Jetzt erst erkannte ich seine Tochter Jileia. Mit einem Schmatz auf die Stirn verabschiedete sich nun die kleine Jileia von ihrem Vater, war es doch längst Schlafenszeit für sie geworden. Und auch Macrin, der am gleichen Tisch saß, wurde kurz von ihr umarmt, Jileia schien auch ihn in ihr kleines Herz geschlossen zu haben, hatten sie beiden doch schon gleich am Anfang des Festes Freundschaft geschlossen, aber wen wundert es. Macrin mit seinen langen schwarzen lockigen Haar und mit seinen erst zweiunddreißig Wintern wirkt er wie ein lieber Onkel für sie. Coletta, das Kindermädchen, trug dann das müde Kind in sein Zimmer, begleitet wurden die beiden von der weißen Katze, die das Mädchen offensichtlich inzwischen ins Herz geschlossen hatte.
Gerade war Jileia verschwunden, da torkelte ein Mann in den Ballsaal. Es war Hato Wulfmann, der sich aus Liebeskummer laufend betrank. Er taumelte zu dem Tisch, wo Kjaskar sich immer noch mit Areana unterhielt, blieb am Stuhlbein von Areana hängen und stürtze geradewegs auf Kjaskar, der ihn wieder aufrichtete. "Aaaach, Duu bisssst daaas, deer koomischee Thoooorwaaalller mit deeer kooomischeen Muuusikk!" Wenn man Kjaskar verärgern will, muß man gerade seine Musik kritisieren. Und wie erwartet baute sich Kjaskar vor dem betrunkenden Hato auf und schlug ihm mit seiner Faust mitten ins Gesicht, so daß Hato auf den Boden stürzte. Sogleich waren Diener zur Stelle, die den Geschlagenen in seine Kammer schleppten. Sofort kam Jobar von Perdanwall, der Intendant des Arivorer Theaterbundes und somit der Herr Hatos, zu Kjaskar gerannt und entschuldigte sich vielfach für das Benehmen von Hato, doch Kjaskar setzte sich wieder seelenruhig hin und tat so, als ob nichts gewesen sei.
Doch nicht nur mit Hato hatte der Intendant Ärger. Seine Schauspielerin Mania von Altenburg hatte sich auffällig aufreizend angezogen und fiel fast jedem Gast, der auch nur das geringste Interesse für sie zeigte, "an den Hals", denn sie suchte jetzt, wo ihre Schönheit langsam abnahm, einen Mann für’s Leben, auch die ständigen Rügen von seiten Jobars ließen sie ihr Tun nicht beenden. Immer wieder mußte Jobar daher zu einem Gast eilen, um sich für Mania zu entschuldigen.
An einem anderen Tisch, weit ab von den anderen, entdeckte ich Areana Schladromir, die Schwester des Barons von Otterntal, und Selina von Laranberg, die Stellvertreterin des Barons von Marudret. Sie unterhielten sich angeregt. Sie hatten einander auch viel zu erzählen, denn ihre beiden Männer, Baskan und Macrin, waren erbitterte Feinde. Ihre Briefe warfen den anderen immer wieder neue Beleidigungen an den Kopf und beschuldigten ihn des Wahnsinns. Jetzt saßen die beiden Frauen zusammen und schlossen Freundschaft miteinander. Sie würden in Zukunft versuchen, die Streithähne an einen Tisch zu bekommen und sie zwingen, einander zu entschuldigen und auch Freundschaft zu schließen.
Gegen Travia wurde die Gesellschaft immer weniger,und schließlich war der Ball beendet und alle zogen sich zurück in ihre Gemächer, um den morgigen Tag ausgeruht zu genießen.