Briefspiel:Liebestolle Delphine/Jammerstimmung

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Briefspiel in Efferdas
Datiert auf: 24. Praios 1041 BF Schauplatz: Efferdas Entstehungszeitraum: Herbst 2019
Protagonisten: Familien aus Efferdas Autoren/Beteiligte: Haus di Camaro.png;Dajin, Haus Efferdas.png Elanor, Familie Trenti.png Trenti, Familie Gerber.png Amalia Gerber, Haus ya Pirras.png VivionaYaPirras
Zyklus: Übersicht · Jammerstimmung · Die Zeit läuft... · Die Suche nach einem Ausweg · Vorbereitungen auf den Ball · Das Gongfest · Nach dem Tanze


Dartan

Der 24. Praios 1041 nach Bosparans Fall. Im Lieblichen Feld mag dieser Tag ein bedeutungsloser sein. In Efferdas, genauer im Stadtteil Sanct Parvenus ist dieser Praiostag ein optischer und kulinarischer Festtag. Vor allem in den engen Gassen des Schmiedewinkels riecht es noch mehr nach Backwaren und Grillgut als sonst. Die kulinarische Verführung ziehen sich an diesem Tage bis in die höheren Gassen Parveneos hinauf. Die engen Gassen sind weiterhin gesäumt von einer Vielzahl an verzierten, brennenden Kerzen und wo immer die Straßen es zulassen, findet man Tische, an denen man sich für ein Getränk oder einen Imbiss niederlassen kann. Eine Vielzahl an Barden lässt die Gassen zudem mit lieblichen Melodien fluten. Rund um den Platz der Freiheit findet sich dann eine große Anzahl an Bänken und eine Bühne zum Tanz. Was hier gefeiert wird? Da gibt es eine offizielle und eine Inoffizielle Begründung.

Das Fest ist immer am Praiostag vor dem Gedenktag der zweiten Dämonenschlacht (dem 30. Praios jeden Jahres). Der offizielle Grund des „Parvener Lichterfestes“ ist, dass einst unter König Dettmar eben jener Gedenktag zu einem Tag erklärt wurde, an dem es angemessen wäre, für jeden verstorbenen dieser Schlacht eine Kerze anzuzünden. Dies machte einige Kerzenzieher in Parvenus zu reichen Leuten und aus dem Tag, an dem diese ihre Kerzen für den Gedenktag verkauften, wurde irgendwann ein Festtag, der auch dafür sorgte, dass viele aufwendig dekorierte und geschnitzte Kerzen in den Gassen zum guten Ton gehörten. So gibt es heuer sogar Wettbewerbe über die schönste brennende Kerze in den Gassen.

Da störte es die Parvener auch nicht, dass die meisten Kerzen inzwischen von Häftlingen Efferdossas hinter dessen Mauern gezogen werden. Mit einem lachenden „Wir sind die Qualität“ nehmen die Kerzenzieher das Werken der Sträflinge kaum wahr. Vor allem nicht an diesem Tage, wo sie ihre Kerzen feiern, während die Häftlinge weiter ihrer Sühne hinter den dunklen Mauern der Inselfestung nachgehen müssen.

Es ist aber vor allem auch die Gaumenfreude dieses Festes, die einen ganz anderen Grund für das Parvener Lichterfest denkbar macht. Denn auffällig ist auch die hohe Anzahl an Grillgut und gekochten Eintöpfen. Es wirkt, als sei jeder Haushalt des Stadtteiles bemüht, an diesem Tag etwas in ihrer Küche zu kochen und es vorbeigehenden anzubieten. Auch hier spielt eben jener Gedenktag der zweiten Dämonenschlacht seine Rolle. Der Tag wird normalerweise im Horasreich überhaupt nicht gefeiert. Der Efferdtempel in Efferdas jedoch nimmt den Tag zum Anlass, ein Festmahl im Tempelkomplex zu geben. Natürlich fühlt sich jeder Bürger der Stadt verpflichtet, an diesem Festmahl teilzunehmen. Allein... die Efferdkirche nutzt für die Herstellung dieses Essens ganz efferdgefällig kein Feuer. Gerichte wie das Obacda oder in Algen eingelegten rohen Fisch essen die Efferdasi dann höflich, aber sicher nicht mit großer Vorfreude. Und man munkelt sehr gerne, dass das Parvener Lichterfest ausschließlich dazu da ist, vor diesem seligen Mahl vorher nochmal „was richtiges“ zu essen.

Welchen Grund das Fest nun auch immer wirklich haben mag, es ist beim einfachen Volke genau so beliebt wie bei der Obrigkeit. Es ist gerade in den engen Gassen nicht immer möglich, diese beiden Gesellschaftsschichten voneinander abzuhalten, aber zumindest wurde eine Straße zum Freiheitsgong stets für die Feierlichkeiten gesperrt. Offiziell, damit Lieferanten besser zur großen Bühne und den dortigen Bänken gelangen kann, es fällt aber auch auf, dass es meist die Adeligen der Stadt sind, die diesen Weg nutzen, um zum Gongplatz zu gelangen. Und auch das Volk selbst weiß, dass sie in einer anderen Welt leben. Entsprechend lassen sie die Hohen der Stadt meist in Ruhe, sofern diese nicht von sich aus auf die vielen Handwerker und Dienstleister der Stadt zugehen.

An diesem Praiostag im Jahre 1041 BF, an diesem 24. Praios war auch Dartan di Camaro ein Teilnehmer dieses Festes. Seine Laune jedoch schien nicht gerade berauschend zu sein. Sein Bruder Vigo schaute ihn etwas mitleidig an. „Du genießt deinen Wein mit einer Freude, als sei er von Firun persönlich.“ Dartan kommentierte die Aussage nicht einmal mit einer Gesichtsregung. Grummelnd blickte er weiter ins nichts und hielt dabei seinen eigentlich sehr gut schmeckenden Wein in der Hand, ohne daran nur zu nippen.

Doch warum sollte er auch gute Laune haben. Seit den Rahjastagen 1040 hatte er ein echtes Problem. Das Problem hatte er genau genommen schon länger. Es war die Brautschau seines Bruders vor drei Jahren, die den Stein ins Rollen brachte. Damals heckten sein Bruder Croënar und er eine List aus, um die Treueabsichten einer Teilnehmerin der Brautschau, Terantina ya Pirras zu testen. Zum Spaß verführte Dartan die efferdische Edeldame und sie ging äußerst bereitwillig darauf ein. Die Turtelei eskalierte an diesem Abend jedoch und während die beiden eine äußerst rahjagefällige Nacht nebst ähnlich rahjagefälligen Morgen hatten, legte das Boot mit der restlichen Hochzeitsgesellschaft ab Richtung Karsina. Ohne die beiden.

Für Dartan nichts Besonderes, er hatte schon viele solcher Nächte erlebt. Und auch Terantina schien dies nicht weiter zu stören, sie sah so ihren Weg zur Akkoluthin der Rahjakirche in Belhanka geebnet. Die beiden hatten nur die Rechnung ohne ihre Eltern gemacht. Gerade Terantinas Tante Viviona war vom plötzlichen und unerwarteten Fehlen ihrer Base wenig begeistert. Zusammen mit Dartans Vater Esteban di Camaro ersannen die beiden eine Strafe für das Verhalten. Die beiden würden einfach miteinander verheiratet. So erklärten einige Monate nach der Brautschau die beiden Familien die Verlobung. Natürlich ohne Dartan und Terantina darüber vorab zu informieren.

Viviona und Esteban hatten natürlich erwartet, dass die beiden sich dagegen wehren würden. Sie hatten bisher sogar auf Mitgiftverhandlungen verzichtet, weil es ihnen viel eher darum ging, den beiden eine Lektion zu erteilen und dabei zuzusehen, was die beiden sich einfallen lassen würden, um es nicht so weit kommen zu lassen. Sie rechneten nicht wirklich damit, dass die beiden diesen Bund wirklich eingehen würden, es war wie als wenn diese ganze Verlobung nicht viel mehr als ein böser Scherz auf die Kosten der beiden sein sollte.

Und tatsächlich kamen die Familienoberste in den folgenden zwei Jahren durchaus auf ihre Kosten. Immer wieder wurde ein neuer Termin der Heirat in die Luft gesetzt und urplötzlich wurde dann einer der beiden Krank, eine Reise verzögerte sich, einmal gar war der Traviageweihte urplötzlich verhindert, weil jemand dessen Kutsche zerbrochen hatte. Doch auch für die beiden selbst kamen mit dieser Verlobung Probleme auf. Dartan war noch in der Lage, seine Probleme einigermaßen zu verarbeiten. Zuvor hatte er großen Spaß daran, mit den Damen der Stadt eine Liaison nach der anderen zu haben. Durch den Stapel „verlobt“ waren seine vielen Freundinnen in ihrer Bereitwilligkeit auf ein Techtelmechtel deutlich verhaltener. Terantina ihrerseits wurden durch diese Verlobung echte Steine auf ihrem Weg zur Rahjageweihten gelegt. Denn als Rahjageweihte war es nicht gestattet, vorab verheiratet zu sein. Die Verlobung war also Karriereschädigend. Immerhin wurden auf diese Art und Weise Terantina und Dartan enge Freunde, denn immer wieder mussten die beiden sich abstimmen, um eine neue, kreative Möglichkeit zu finden, die Ehe zu verzögern. Und sie selbst begannen durchaus, Spaß daran zu empfinden.

Über zwei Jahre war der Status der beiden also ein quälendes hin und her. Doch erst mit den Tagen Rahjas 1040 BF wurde die Angelegenheit ernster. Terantina hatte sich nach Belhanka begeben, um dort an den Feierlichkeiten teilzunehmen. Aus einer Laune heraus ließ sie sich gar als Anwärterin auf das Amt der Geliebten der Göttin nominieren. Und erhielt überraschend sehr sehr viele Stimmen. Für das Amt selbst reichte es nicht, aber zumindest dazu, Aufmerksamkeit zu erregen. Vor allem vor dem Horas persönlich, welcher ebenso in Belhanka zu gegen war und sich mit vielen der Rahjanis vor Ort unterhalten hatte.

Und genau diese öffentliches Zurschaustellung ihrer Nähe zur Geweihtenschaft ließ aus diesem „Witz“ der Eltern urplötzlich blanker ernst werden. Bisher konnten Außenstehende noch mit einem Lächeln vom „Unglück der beiden verlobten“ berichten. Viviona und Esteban hatten vor, die Verlobung irgendwann mit dem Grund, dass „die vielen Unglücke einfach ein göttliches Zeichen sein müssten, dass die Verlobung nicht zustande kommen könne“ zu lösen. Jetzt aber hatte Terantina auf höchster Ebene öffentlich zur Schau getragen, dass sie gar nicht die Absicht habe, diese Hochzeit einzugehen. Die Scharade war so für die Häuser nicht mehr aufrecht zu halten, denn umgehend wurde aus dem Lächeln Außenstehender ein verwirrtes „was erlaubt sich die Frau?“ Durch die erhöhte Aufmerksamkeit bis hoch zum Kaiser war Terantinas Verlobung auch ein viel größeres Politikum geworden. Und daher blieb Viviona gar nichts anderes übrig, als Esteban zu bitten, aus dieser Scherzverlobung ernst zu machen.

Genau diese Information hatte Dartan zuvor erhalten. Esteban hatte ihn an seine Ehepflichten erinnert. Aber mit einem anderen Unterton. Bisher hatte Dartan erkannt, dass Esteban Spaß daran hatte, ihn leiden zu sehen. Doch nicht heute. Heute war es ihm ernst und Esteban hatte ihm für sein bisherigen Verhalten gehörig den Kopf gewaschen. So saß er nun am Parvener Lichterfest und grübelte.

Vigos Hand wischte vor seinen Augen herum, um ihn aus seinen Gedanken zu holen. „Hallo? Dartan? Bist du noch auf Dere?“ Er schreckte auf. „Was? Ach... ja... bin ich. Wäre ich nur wo anders.“ „Du tust wirklich so, als sei es das schlimmste der Welt, Terantina ya Pirras heiraten zu müssen.“ „Es ist für mich das schlimmste der Welt, heiraten zu müssen. Ich weiß, du kannst du nicht nachvollziehen, du bist dahingehend ja ganz auf dem Kurs von Paps und Mamou. Aber wenn du wie ich einmal die Früchte Rahjas gekostet hättest... Das liebliche Spiel von Versuchung, der spannende Kampf um Entdeckung, der Nervenkitzel... eine Heirat mit Terantina wäre wie, als würde man alles, was uns ausmacht löschen; mit einem Eimer Wasser übergießen. Alles, was spannend, wäre weggenommen und bieder gemacht.“ „Tja, gewöhne dich daran. So wütend, wie Paps klang, würde ich sagen, es gibt kaum noch eine Möglichkeit, wie du dieser kalten Dusche entkommen könntest.“ „Da ist alle Kreativität gefördert, du hast recht. Aber trotzdem. Diese Heirat kommt für mich nicht in Frage. Ich mag Terantina, aber wenn es hart auf hart kommt, wird es nicht die Familie di Camaro sein, die den schwarzen Parvenus zieht. Dann wird sie es sein, die die Verlobung löst und das Gesicht verliert. Was stellt die sich da auch zur Wahl, die blöde Kuh...“ „Du weißt, dass die Pirras das höchst wahrscheinlich genau so sehen wird? Ich sag ja, du hast ein großes Problem.“ Vigo musste sich anstrengen, ein hämisches Grinsen zu unterdrücken. Zum Glück hatte er in seiner Mutter eine sehr gute Lehrmeisterin, wenn es darum ging, ein grimmiges Gesicht aufrecht zu halten.


„Ja... das einfachste wäre vermutlich, wenn das Problem sich einfach neu verlieben und jemand anderes heiraten wollen würde. Aber wie soll das gehen?“

Terantina

Terantina war ratlos, während ihre Freundin der Edeldame den leeren Weinbecher nachschüttete.

Ihr klangen noch die mahnenden Worte ihrer Großtante Viviona in den Ohren, die ihr auf ihre typische Art und Weise erklärte, das es jetzt an der Zeit wäre den Traviabund mit dem jungen Herrn di Camaro einzugehen und es keinerlei Ausflüchte mehr gibt. "Durch deinen Fauxpas in Belhanka bleibt uns jetzt nichts anderes mehr übrig.", tadelte Viviona ya Pirras sie streng. Ihr Widerspruch wurde mit einem Hinweis auf den guten Namen des Hauses, den man nicht noch mehr zu diskreditieren gedenkt, von ihrer Tante beiseite gefegt. Sie werde jetzt persönlich die Ausrichtung der Feierlichkeiten in die Hand nehmen, teilte sie ihr zum Abschluss des Monologs mit. Als ob das nicht schon genug wäre wurde sie freundlich aber bestimmt dazu aufgefordert hier in Efferdas in einem der Gästezimmer im Palazzo ya Pirras zu verweilen bis alle Vorbereitungen abgeschlossen sind.

"Terantina, meine Liebe. Du bist mit deinen Gedanken wieder ganz woanders.", hörte sie die Stimme ihrer Freundin. Sie schreckte kurz auf und verschüttete etwas Wein aus ihrem Becher. Eine Bedienstete, die völlig reglos in einer Ecke des Wintergartens stand kam eifrig herbei und beseitigte das Missgeschick."Und wenn du damit fertig bist trollst du dich. Ich benötige deine Dienste im Moment nicht mehr.", sprach Terrantina sie mit einem gereizten Unterton an. "Aber..", begann diese zu entgegnen, doch der Blick Terantinas duldete keinen Widerspruch. Hastig verschwand das junge Mädchen ins Innere des Palazzo.

"Wahrscheinlich wird sie gleich wieder mit der Hauswirtschafterin auftauchen oder Schlimmerem.", erklärte Terantina ihrem Gast. "Es ist hier fast so schlimm wie in Efferdossa. Ich kann kaum einen Schritt ohne Beobachtung gehen, geschweige denn reden. Meine Großtante meint es wirklich ernst. Aber egal, nutzen wir die kurze ruhige Zeit. Neu verlieben hört sich sehr einfach an und wäre mit Sicherheit auch im Sinne der Göttin Rahja, aber wir reden von Dartan di Camaro. Einem Schwerenöter wie er im Buche steht. Dieser Mann ist genauso wenig für einen Traviabund geschaffen wie ich.". Sie schüttelte energisch den Kopf. "Dann löse die Verlobung doch einfach auf. ",schlug Nella vor und nippte an ihrem Weinbecher. "Und löse damit einen Familienstreit wie damals bei den di Onerdi und Calven-Imirandi aus? Glaube mir, auf diesen Einwand meinerseits folgte eine lange ausführliche Erklärung meines Onkels Valerio, der mir in allen kleinen Details die gesellschaftlichen, politischen und finanziellen Folgen einer Auflösung der Verlobung meinerseits nach sich ziehen würde. Und das beim gemeinsamen Abendessen im Kreise der Familie. Die Familie di Camaro wird bestommt genauso denken,solte Dartan diesen Vorschlag unterbreiten." Terantina seufzte leise auf als jemand den Wintergarten betrat. Sie rechnete schon wieder mit Ärger doch dann sah sie ihren Cousin Niccolo, der mit diversen Zeichenutensilien und einem Lächeln im Gesicht auf sie zukam. Zuerst begrüßte dieser den Gast des Hauses mit der Vorstellung seiner Person. "Niccolo ya Pirras, Studioso der Tsa-Schule an der Universität zu Methumis. Zu euren Diensten.", sprach er gefolgt von einer formvollendeten Verbeugung und einem Handkuß. Danach wandte er sich auch seiner Cousine zu und begrüßte sie ebenso. "Werte Cousine Terantina, ich denke meine Gesellschaft hier ist euch weitaus angenehmer als eine weitere Diskussion wegen einer gekränkten Bediensteten. Ich habe mich dieser Angelegenheit angenommen und da bin ich nun, werde mich in den Hintergrund zurückziehen und weiter an meinen Zeichnungen arbeiten. Lasst euch von mir nicht stören.",sagte er, verbeugte sich kurz und zog sich in den Hintergrund des Wintergartens zurück.

"Ein höflicher junger Mann, meine Teuerste.", bemerkte Nella. "Und einer der wenigen in diesem Haus, der mich mit dieser unglückseligen Geschichte in Ruhe läßt.", entgegnete Terantina "und dazu noch künstlerisches Talent hat. Ihr solltet ihn im Auge behalten. Eines Tages wird er sich bestimmt einen Namen machen. In den nächsten Tagen wird er nach Methumis zurück reisen und sein Studium in naher Zukunft beenden, damit……", unterbrach Terantina ihren Redefluß, denn ihr kam ein Gedanke, wen sie in dieser Sache um Rat fragen könnte, sei es aus kirchlicher oder gesellschaftlicher Sicht. Ihre Mentorin aus ihrer Zeit in Methumis. Ja, ihr würde sie ein Schriftstück ohne viel Aufsehen und mit Hilfe von Niccolo zukommen lassen. Vielleicht kann sie mir einen Rat geben, dachte Terantina und ihre Laune besserte sich zusehends.

Terantina wandte sich ihrer Freundin zu." Sagt, wollt ihr mich auf einen Spaziergang begleiten? Es dürstet mich nach Abwechslung. Ich muß meinen Kopf klar bekommen.". Sie wartete die Antwort gar nicht erst ab, sondern wandte sich Niccolo zu. "Werter Cousin, ich schulde euch noch einen Besuch im Tempel der blühenden Nacht. Wir wollten uns doch die dort ausgestellten Kunstwerke ansehen und darüber philosophieren. Ihr erinnert euch doch? Ich werde mich nur kurz erfrischen und erwarte euch beide dann in der Eingangshalle." Mit diesen Worten stand Terantina auf und begab sich zu ihren Gemächern.

Ein Spaziergang

Auch das Flanieren durch die Gartenanlagen sorgte bei ihr noch nicht für bessere Laune. Das Problem mit Dartan nagte an ihr. Irgendwie musste doch jemand zu finden sein, für den Dartan diese alberne Scharade aufheben würde und den Ehrverlust, den ihre Eltern ihnen aufgezwungen hatten in Kauf zu nehmen. Auch Niccolo merkte, dass Terantina immer noch in Gedanken ganz wo anders war. „Ihr wisst, für eine philosophische Debatte über Kunstwerke muss man auch miteinander sprechen?“ Ertappt seufzte die Pirras. „Ja ich weiß, Entschuldigt. Es ist wie immer, wenn die Liebe mitspielt, sorgt das für jede Menge ungewollte Ablenkung.“ „Ja, diese ewig andauernde Verschiebung eurer Ehe stelle ich mir auch sehr belastend vor.“ „Äh... um ehrlich zu sein, dass sind eher die kleinen Erfolge in diesen Zeiten. Unter uns... wenn es nur nach mir ginge, hieße meine Zukunft nicht „Zeuge ein paar Camaro-Kinder“, sondern „Hallo Belhanka“. Niccolo schmunzelte. „Was ihr nicht sagt. Da wäre ich ja gar nicht drauf gekommen. Und was geht in eurem der Philosophie über Kunstwerke gerade so unfähig gegenüber gestellten Hirn diesbezüglich vor?“ Ein weiteres Seufzen folgte. „Es liegt eben nicht an mir. Ihn müssten wir dazu bekommen, alles hin zu schmeißen.“ „Gilt Dartan di Camaro nicht auch als der Rahja sehr zugetaner Galan seiner Zeit? Da muss es doch jemanden geben, für die er alles andere vergisst?“ „Wenn ich das nur wüsste. Dass Dartan kein Kostverächter ist, weiß ich natürlich genauso. Aber er ist eben auch ein gut erzogener Galan und so lässt er dieses Thema in unseren Gesprächen vollends aus. Das ist das eigentlich verrückte. Er will diese Ehe genau so wenig wie ich. Wir sind selbst auch wirklich gute Freunde mit einigen anderen Vorzügen, die ich durchaus genieße. Und dennoch behandelt er mich mit so viel Rücksicht, als wäre ich die Ehefrau, deren Gefühle es nicht zu verletzen gilt. Es ist zum Haare raufen, er wäre eine gute Partie. Aber eben eine gute Partie für ein Leben, dass ich einfach nicht führen will. Und er auch nicht.“ „Also da sollte es doch Möglichkeiten geben, dennoch an solche Informationen heran zu kommen. Ist eure Bereitschaft zur Spionage so klein?“ „Ganz sicher nicht!“ reagierte Terantina energisch. „Aber selbst dann, was tun mit solch einer Information?“ Niccolo lachte auf. „Was tun mit der Information, wem Dartans Herz zugewandt ist außer euch, in einer Situation, in der ihr wollt, dass sich Dartan genau diesem Herz zuwendet? Nachhelfen vielleicht?“ „Soll ich jetzt meinen Verlobten verkuppeln? Das fällt doch gleich wieder auf mich zurück.“ „Solange ihr mit Worten kuppelt bestimmt. Das klingt nach einem Fall für ein Schattenspiel.“ „Ich weiß. Und das scheue ich noch. Wie gesagt, er ist mein Freund. Und eigentlich hat er es nicht verdient, dass ich ihn mit fiesen Tricks ins Unglück stürze.“ „Die Alternative ist, dass ihr euch dafür ins Unglück stürzt. Ich an eurer Stelle würde zusehen, dass er stürzt und Sorge tragen, dass er einfach nicht all zu tief und schmerzvoll stürzt. Das muss doch hin zu bekommen sein. Euch fällt niemand ein, der über das innere von Dartans Herzen Bescheid weiß?“ „Er hat ein sehr enges Verhältnis mit seinen Geschwistern. Doch ich bin nicht sicher, ob die plaudern würden. Sein Bruder Croënar weiß bestimmt alles, was ich wissen müsste, doch allein schon, weil wir beide seine Brautschau fast gesprengt haben, würde er mit Genugtuung schweigen. Vigo kommt zu sehr nach seiner Mutter, der hat das Schweigen gelernt und würde meine Verzweiflung vermutlich sogar mit Genuss zur Kenntnis nehmen. Oder schlimmer noch es danach seiner Mutter erzählen. Simiona lebt nicht mehr Efferdas, wäre zudem vermutlich die letzte Person, die sich für Tratsch und Liebesgeschichten interessiert. Die ist eh etwas verschroben. Und Phelippa ist zu tumb, als dass ich ihr zutrauen würde, dass Dartan sich ihr offenbart. Wobei...“ Terantina geriet ins Grübeln. „Was ist los?“ „Phelippa. Dartans Herz wird sie vielleicht nicht kennen, aber wenn es um den Stadttratsch geht, dürfte sie ausgesprochen gut vernetzt sein. Sie könnte zumindest die Personen kennen, die ein Auge auf ihren Bruder geworfen haben... ja... das könnte ich versuchen...“ „Na denn... was machen wir noch hier? Geht und trefft euch mit Phelippa. Und ich...“ Niccolo gewann ein schelmisches Grinsen. „... ich würde gerade kurz weg gehen, um einige... Erledigungen zu tätigen...“ Ein fragender Blick, dann ein Lächeln im Sinne eines „Ich will es vielleicht gar nicht wissen.“ Beendete dann den kleinen Besuch im Park und Terantina begab sich zum Stadtfest, wissend, dass Phelippa di Camaro garantiert dort anwesend sein würde.

Natürlich war sie da. So wie Terantina es erwartet hatte. In bester Laune, so sehr aufgebrezelt als wäre sie eine eigene Sonne und auch ihre „Satelliten“, eine Schar von jungen Damen, die von ihrem Glamour wie Motten angezogen wurden, hoffend, dass so der ein oder andere Galan von ihr auf sie abfallen würde, waren auch anwesend. Eine kleine Globule rahjanischer Skandale und oberflächlicher Trivialitäten, die eines Tages, wenn das Gesicht die ersten Falten erhielt, wie ein Kartenhaus zusammen brechen würde. Terantina wollte darüber nicht urteilen, denn sie kannte dieses Spiel und sie gab zu, dass sie es selbst gespielt hatte. Vielleicht etwas „berechnender“ als Phelippa, vielleicht etwas bewusster. Aber sie verstand, warum die Camaro diesen Lebensweg für sich gefunden hatte. Lob und Anerkennung können verführerisch sein und einen glauben lassen, man sei mehr als nur die Summe seiner Teile. Etwas größeres, etwas Besonderes. Eine Anerkennung, die Phelippa von ihrer Familie zumindest bestimmt nicht erhalten hatte. Wie auch. Der Vater ein Mann der See, die Mutter gefühlsarm und nüchtern, ja gar bedrohlich. Der älteste Bruder als Erbe des Hauses auf einen Sockel gestellt, der zweite Selbstständig und Selbstbewusst, die ältere Schwester zudem ein anstrengender Fall. Als viertes Kind erhielt man kaum Beachtung, zumindest nicht die gleiche Beachtung wie ihr jüngerer Bruder Vigo, der dadurch sogar noch den Nesthäkchen-Faktor genoss, den sie nicht hatte. Kein Wunder, dass man die Anerkennung dann in der Ferne suchte.

Terantina wusste entsprechend genau, wie sie Phelippa in ein Gespräch bekam. Ein Lob über ihr Kleid als erstes, ein „habt ihr schon gehört“ als nächstes, hier ein nettes Detail, da eine Information über eine neue Mode... sie hatte Phelippa schnell dort, wo sie sie haben wollte. Es reichte, kurz nur das Wort „Familie“ ins Gespräch einzubringen, schon fand Phelippa von sich aus ins Thema hinein.

„Und ich freue mich ja auch so sehr, wenn ihr dann bald auch zu unserer Familie gehört. Dartan kann so froh sein, mit jemandem wie euch verlobt worden zu sein.“ „Ohja, ich kann es auch kaum erwarten, wenn all diese Umstände endlich bei Seite geschafft sind. Auch wenn ich immer noch die ein oder andere Sorge habe.“ „Ach, das müsst ihr nicht. Bei uns Camaros wird die Herzlichkeit der Familie in großen Lettern geschrieben. Ich wüsste nicht, dass ihr gegen jemanden aus unserem Hause einen großen Grund zum Groll hinterlassen hättet. Nicht mal bei meiner Mutter.“ „Ihr seid sicher? Isaura kann bis weilen sehr einschüchternd wirken.“ – Das konnte sie tatsächlich. Wohl ein weiterer Grund, warum Terantina Skrupel hatte, Dartan in sein Unglück zu stürzen war die mögliche Rache seiner Mutter... Sie hatte diesen Charme der Mengbillaner Giftmischerin in den fast 40 Jahren, die sie nun schon in Efferdas lebte, nie abstreifen können.“ „Sie mag ob der Vorfälle bei der Brautschau ihre Ressentiments haben, aber auch ihr ist Familienglück wichtig. Sie hätte diese Verlobung nie zugelassen, wenn sie euch nicht als gute Partie für ihren Sohn gesehen hätte.“ „Schön und gut. Aber ich muss ja auch meinem Ehemann gefallen. Und da habe ich doch bedenken. Er gilt ja doch auch als der Rahja zugeneigt.“ Eine kurze Pause und das Verschwinden des Lächelns auf Phelippas Gesicht verrieten Terantina, dass sie die Camaro nun genau da hatte, wo sie sie haben wollte. „Das... ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Aber da solltet ihr keine Angst haben. Ihr habt doch alle Vorzüge dieser Welt. Ihr solltet doch in der Lage sein, mit eurem Aussehen und eurem Intellekt auch Dartan davon zu überzeugen, dass es nichts besseres auf diesen Straßen geben kann, als euch.“ Terantina schmunzelte. Für Phelippa musste es aussehen wie eine Reaktion auf ihr Kompliment, doch eigentlich schmunzelte Terantina darüber, dass sie natürlich genau über ihre Qualitäten bescheid wusste. Natürlich konnte sie Dartan davon überzeugen, dass sie die beste Partie der ganzen Coverna war. Doch das konnte sie eben auch mit jeder anderen Person der Coverna. Das Phelippa glaubte, man müsste Terantina an ihre Talente erinnern, war schon fast aberwitzig. Wie konnte die Camaro sie nur so unterschätzen? Welch miserable Menschenkenntnis. Aber so war das nun mal mit diesen Leuten, die ihren eigenen Kosmos hatten und die sich keine Gedanken um die Talente anderer machten, solange sie ihnen selbst keinen Vorteil brachte. Wieder einmal konnte Terantina das zusammenbrechen von Phelippas Kartenhaus am Tag x kaum erwarten. Das würde ein Spaß... „Ja, diese Vorzüge habe ich wohl. Da habt ihr so recht, Danke für die netten Worte.“ lächelte sie zurück. „Aber als zukünftige Ehefrau wäre es natürlich schon einfacher zu wissen, bei wem ich da auf die Finger gucken müsste. Ich muss das ja nicht Blauäugig angehen.“ „Das stimmt natürlich. Aber da kann ich euch beruhigen. Dartan ist vielleicht sprunghaft, aber genau darin liegt auch das verlässliche. Er hat gar kein Interesse, sich mit einigen Damen näher zu befassen. Ihm geht es um das Rahjanische. Ich behaupte ja immer, dass er sich selbst als eine Art Hauptpreis sieht. Er glaubt, er müsste nur die Hand ausstrecken und darauf warten, dass eine Dame die Gelegenheit nutzt und die Hand ergreift. Wer als erster zugreift hat für die Nacht gewonnen, doch irgendwann muss die Hand los gelassen werden und dann beginnt das Spiel aufs neue. Warum sich bewegen, wenn die Schmeißfliegen ganz von alleine auf ihn zufliegen.“ Terantina machte ein stutziges Gesicht. „Ihr klingt... genervt. Vielleicht etwas Neidisch?“ „Ach... nein. Neidisch nicht. Aber er ist natürlich auch mein Bruder. Und seiner Familie wünscht man sich ja stets immer das Beste. Und ... ich bin auch eine Frau. Ich finde, als Frau darf man auch einmal Stärke zeigen und beweisen, dass man es den Männern nicht immer zu einfach machen sollte.“ „Natürlich völlig richtig...“ „Auch deswegen freue ich mich ja so sehr, dass ihr ihn nun bald heiratet. Ich halte euch für eine so starke Frau, ihr werdet ihm diese Sünden sicher austreiben können.“ Terantina war sich sicher, dass nun der bloße Neid aus Phelippa sprach. Dabei war sie dahingehend kein Stück besser als Dartan. Auch sie hielt nur ihre Hand nach vorne und wartete darauf, dass er der nächstbeste Mann ihre Hand küsste. Natürlich gab es für beide entsprechende Erfolge. Und genau so einen Haufen Leute, die sich an Oberflächlichkeit nicht begeistern können und solche Offerten zurück wiesen. Der Unterschied zwischen Dartan und Phelippa waren, dass Dartan diese Form der Zurückweisung nichts ausmachte. Dahingehend tickte Dartan ähnlich wie Terantina, er nutzte, was ihm gegeben wurde, aber den oberflächlichen Weg zu gehen, war eine Bewusste Entscheidung. Er konnte auch anders. Phelippa hingegen traute die Pirras dieses Bewusstsein nicht im selben Ausmaß zu. Und so knabberte die offensichtlich geltungssüchtige Phelippa deutlich mehr daran, wenn sie von manchen Menschen zurück gewiesen wurde. „Da könnt ihr sicher sein, ja. Diese Zeiten des Hauptpreislebens werden für ihn bald zu Ende sein.“ Terantina musterte die Damen um Phelippa herum und tatsächlich blickten ein oder zwei ob dieser Worte betrübt. Das war genau das, worauf sie gewartet hatte. Sie knöpfte sich das Mädchen, dass am deutlichsten ihr Lächeln verlor umgehend vor. „Ihr seht aus, als wäre das für euch problematisch?“ Das Mädchen fühlte sich ertappt. „Oh... nein... nicht doch, Frau ya Pirras. Alles wunderbar. Ich freue mich für euch und für Dartan... ihr werdet so ein tolles Paar sein...“ „Ach... macht mir nichts vor. Ich sehe euch doch an der Nasenspitze an, dass euch das Thema nicht liegt. Sprecht offen, habt ihr die Genüsse Dartans auch schon genossen? Ihr habt nichts zu befürchten. Wenn das alles bisher für ihn nur ein Sport war, habe ich keinen Grund, euch dies krumm zu nehmen.“ „Nun... ich habe mit ihm schon mal getanzt. Es ist so ein guter Tänzer... wie er mich umherwirbelte, das war schon toll und habe ich seitdem nicht mehr so erfahren. Daher bin ich vielleicht etwas... wehmütig. Aber ich schwöre, da ist nicht mehr gewesen als nur ein Tanz.“ Terantina lachte. „Ach... nur ein Tanz also. Da macht euch mal keine Gedanken, das werde ich verkraften können. So wie das klingt, müsste ich mir ja nur Sorgen machen, wenn er von jemandem einen zweiten Tanz wollte. Und das scheint ja nicht der Fall gewesen zu sein. Oder kennt ihr da jemanden, wo sich Dartan wirklich mal etwas mehr bemüht hätte.“ Ein vielstimmiges „Nein nein, gar nicht.“ Kam wie aus einem Katapult geschossen. Diese Mädchen wussten mehr, das merkte sie. „Ganz sicher?“ „Ja... also... naja...“ druckste eine Dame herum. „Ja?“ „Naja, ich war da mal auf einem Fest, wo er auch war. Er wollte mit einer Dame tanzen, die hat ihn aber abgewiesen. Das kommt schon das ein oder andere mal vor, danach tanzt er dann eben mit einer anderen Dame. Hier wirkte er aber eher etwas... beleidigt. Ich war die Dame, die danach mit ihm tanzte und er... lächelte mich nicht an. Ich musste mich etwas anstrengen, um ihn auf andere Gedanken zu bringen...“ „Sieh an. Genau sowas will ich hören, gut gemacht, Mädchen. Ich schulde dir was. Wie hieß die Dame denn, die nicht mit ihm tanzen wollte?“ „Ich denke, das war die Tochter von Niccolo Gerber. Frisch aus Methumis zurück, von der Travia-Schule. Ich meine... kein Wunder, dass die den Tanz ablehnt. Travia und so. Aber keine Ahnung, warum ihn das mitnimmt.“ „Die Tochter von Niccolo Gerber? Das ist doch Belisa?“ mischte sich Phelippa ein. Die kennen sich schon etwas länger. Noch aus der Zeit, bevor sie nach Methumis gegangen ist. Da war sie noch ein jüngeres Mädchen, vielleicht 15 Jahre alt und dabei, sich selbst zu finden. Die beiden haben sich gut verstanden, aber ich glaube, da war damals nichts. Er ist ja 10 Jahre älter. Die wird bestimmt nur irgendwas grobes gesagt haben.“ „Ja... das wird es sicher sein.“ Gab auch Terantina hinzu. Und dennoch. Sie hatte ihre Beute ausgemacht und war nun bereit zum Sprung. „Jetzt müsst ihr mich aber entschuldigen. Ich muss noch einige Besorgungen machen für das Fest...“

„Um genau zu sein brauche ich drei Alraunen, ein Hahnenkamm, 7 Biberklötze, ein Büschel Ilmenblatt, ein halbes Skrupel Samthauch, 7 frische Erdbeeren und 10 Unzen Premer Feuer.“ „Huch... ja, das habe ich alles da, das habe ich, um genau zu sein sogar hier griffparat. Niccolo stutzte. „Was ist das denn für ein Zufall?“ „Naja, da war vorhin schon jemand da, der genau die gleichen Sachen wollte. Jemand, den ihr kennt? Ein Mann Anfang 20, südländischer Teint, schwarz gekleidet, kommt aber vom Akzent her eindeutig aus der Stadt...“ Hm. Nein. Sagt mir nichts. Aber nun gut... da hatte wohl einfach jemand eine ähnliche Idee wie ich. Wünschen wir ihm Glück.“ lachte Niccolo. Und auch der Händler für Alchimistische Güter lachte zurück. „Wünsche ich euch genauso. Aber nicht vergessen. Vorsicht mit dem Samthauch. Wenn euch die Mixtur kippt, kann die Wirkung deutlich länger anhalten als ihr wollt. Ich meine richtig lange.“ „Weiß ich doch. Keine Sorge, das wird nicht mein erstes Delphinoccospiel...“

Ein Wutausbruch

"... Und jetzt sieh zu, dass du Land gewinnst, Junge!" brüllte ein wütender Lessandero seinem Neffen hinterher. "In dem Alter noch am Lichterfest trübsal blasend in der Ecke sitzen und zudem noch ein gutes Stück Kernholz verhunzen, ich glaubs ja wohl!" Murrend kehrte er in die Werkstatt zurück und besah sich das "Werk" seines Gesellen: eigentlich ein altes Stück Eiche, dass noch in der Restekiste gelegen hatte und nun unschuldiges Opfer des Zorn eines enttäuschten Liebenden geworden war. Grob und Ziellos hatte Arbas es mit Raspel und Säge bearbeitet. Mit Beitel und Hammer große Stücke herausgeschlagen. Ohne erkennbares Ziel, ohne Absicht dem Herrn Ingerimm Tribut zu zollen. Er zog das festsitzende Werkzeug heraus, löste den schweren Block aus dem Spanntisch und drehte ihn. Vielleicht...

Draußen taumelte Arbas unter dem Gezeter in die helle Mittagssonne und strich sich seine braunen Locken aus dem Gesicht. Er hatte damit gerechnet, das ihm irgendwas hinterherfliegen würde, aber offenbar wurde sein Onkel alt. Er war wütend und frustriert. Auf seinen Onkel natürlich, der ihn herausgeworfen hatte wie einen Lehrling. Auf die junge Dame, die ihm erst so den Kopf verdreht und dann hatte fallen lassen wie eine heiße Kartoffel. Auf sich selbst, dass er sich davon jedes Mal so aus der Bahn werfen ließ. Missmutig stapfe er die Straße herab, bis ihn sein knurrender Magen und der verführerische Duft geräucherten Fisches daran erinnerten, dass er heute noch nichts gegessen hatte. So wandte er sich um und blickte in das strahlende Gesicht seiner Nachbarin, welche ihm einen Teller unter die Nase hielt: "Greif zu, Arbas. Man hört deinen Bauch ja noch im Hafen." Wortlos nahm Arbas den angebotenen Teller entgegen, schaufelte den Fisch in sich hinein und lief anschließend noch Lustlos eine Runde durch das Viertel, bis er wieder vor der Werkstatt stand... Vielleicht war Lessandero ja auch bereits wieder gegangen? Und zumindest aufräumen sollte er noch, also... Er hatte kaum die Lehrlingstische passiert da hörte er schon seinen Onkel hinter sich: "hast dir ja mächtig Zeit gelassen, Junge. Glaubst du, ich hätte den ganzen Tag nichts besseres zu tun als hier zu sitzen und auf dich zu warten?" Arbas erschrak und setzte zu einer Antwort an, doch der Meister ließ ihn erst gar nicht zu Wort kommen. "Setz dich, Junge." Lessandero schaute seinem Neffen mit grimmigen Gesicht in die Augen und rückte ihm erheblich dichter auf den Pelz, als es ihm lieb war. Er roch an seinem Gesellen, da erhellte sich sein Blick und er ging wieder auf normale Distanz. "Großartig!" rief er aus. Arbas war verwirrt, was ihm offenbar auch sehr deutlich ins Gesicht geschrieben stand. Sein Onkel schlug ihm kräftig auf die Schulter und lachte. "Pass auf mein Junge. Du wirst in deinem Leben noch von vielen Menschen enttäuscht werden. Die Frage ist nur, wie du damit umgehst. Möchtest du etwa enden wie dein Onkel Tolman?" "Wovon sprichst... Nein, natürlich nicht." und ergänzte im Kopf um ein feixendes "Junge.". Der Alte verbrachte einfach zu viel Zeit mit den Lehrlingen. "Na siehst du. Hatte ich auch nicht erwartet." Er deutete auf den zugerichteten Eichenblock, der jetzt wieder eingespannt auf der Werkbank lag. "Alkohol lässt dich nicht vergessen. Ebensowenig wie Wut. Es mag dich ablenken, aber auf lange Sicht bekommst du nur einen stumpfen Verstand und stumpfes Werkzeug. Und wer sein Werkzeug nicht ehrt..." "... ehrt die Arbeit seiner Ahnen nicht." brachte der junge Mann den Spruch missmutig zuende. "Immerhin habe ich als Lehrer nicht gänzlich versagt. So, und nun wirst du folgendes tun: du wirst deinen Wutausbruch zum Relief einer Rosenranke umarbeiten. Wenn es fertig ist und du es immer noch zerstören willst, dann sei es so. Wenn du es der schönen Göttin darbringen möchtest, steht dir auch das frei. Oder du stellst es zurück, bis zu ein Mädchen findest, das es wert ist, ihr Heim damit zu schmücken."

Ein Geschenk

Niccolo saß in seinem Zimmer und war verzweifelt. Jetzt hat er alle Ingredienzien beisammen, aber das Entscheidende fehlt. Ein Alchemist. Aber wer konnte denn auch ahnen, dass es in einer Stadt wie Efferdas nicht einen offiziellen Alchemisten gibt. Ist halt nicht Methumis. "Vielleicht war ich mit dem Kauf zu voreilig. ", ärgerte er sich, aber passiert ist passiert. Er zerbrach sich den Kopf, bis ihm auf einmal der entscheidende Gedanke kam. "Warum in der Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah", sprach er, stand auf und ging in einen anderen Bereich des Palazzo.

Ein Klopfen an der Tür ihrer Schreibstube riss Madolina aus ihrer Konzentration. Sie schaute von ihren Notizen auf und bat ihren Gast herein. "Niccolo, mein Lieber. Du siehst mich überrascht. Bist du nicht auf den Festlichkeiten in der Stadt?", fragte sie, stand auf und nahm ihren Neffen in den Arm. "Nimm doch bitte Platz. Möchtest du einen Tee?". Sie deutete auf die Sitzecke der Schreibstube. "Gerne, werte Tante.", bestätigte Niccolo mit einem Nicken und setzte sich in einen der weichen Ohrensessel. "Ich möchte Euch auch nicht lange behelligen. Ihr seht mich hier in einer wahren Bredouille Euch gegenübersitzen. Jemand der mir nahe steht benötigt ganz dringend Hilfe in einer diskreten Notlage. Ich habe vor diese Person zu unterstützen, war aber in meinem jugendlichen Leichtsinn zu vorschnell. Ich erwarb bei einem hiesigen Händler für alchemistische Waren gewisse Ingredienzien zur Herstellung eines Trankes. Nun fehlt mir aber derjenige der mir daraus diesen brauen kann und da dachte ich, daß Ihr vielleicht jemanden kennen würdet der mir in dieser heiklen Lage weiterhelfen könnte." Madolina nippte an ihrem Tee. "Einen Trank, so so…..", erwiderte Madolina mit einem Stirnrunzeln. "Welcher Natur soll den dieser sein? Ich hoffe nicht das die Person die euch nahesteht damit irgendein Schindluder anstellen will oder gar jemanden Leid zufügen will." Niccolo riß die Augen auf und machte eine beruhigende Geste. "Wo denkt Ihr hin. Dieser Trank ist ganz allein meine Idee und Ihr könnt euch sicher sein, dass er nicht dazu dient jemanden zu schaden oder gar Schlimmeres. Ganz im Gegenteil sogar.". Dabei konnte sich Niccolo ein Grinsen nicht verkneifen. "Trotzdem würde ich die genaue Beschaffenheit gerne für mich behalten und Ihr müsstet mir vertrauen. Es dient Eurem Schutz, denn es soll nichts auf Euch zurückfallen. Sollte mein Vorhaben scheitern, reicht es wenn Großmutter Viviona nur mich als Hauptschuldigen ausmacht. Über eine eventuelle Verstrickung Eurerseits wird kein Wort diese Lippen verlassen. Darauf bekommt ihr mein Wort." Madolina horchte auf und nippte noch einmal an ihrem Tee. "Großmutter Viviona, soso.", murmelte sie und war in Gedanken versunken. Nach einer Zeit des Schweigens das allein durch das Geräusch klappernden Teegeschirrs unterbrochen wurde räusperte sich Madolina. "Mein lieber Neffe, vielleicht kann ich Euch wirklich helfen. Schwört im Namen der Herrin Hesinde das Niemanden durch diesen Trank ein Leid geschehen wird und dann werde ich sehen, was ich für Euch machen kann. Und Ihr solltet auch zusehen, dass eure Geldkatze gut gefüllt ist, denn das werde ich euch nicht auch noch abnehmen."

Einige Tage später....Schlecht gelaunt stapfte Barbeta Ribario durch die Gassen des Gerberviertels. Während ihre Freunde die Humpen kreisen lassen, war sie auf dem Weg ins Alchemielabor der Familie Gerber. Am Eingang zu dem Gelände der Gerberei wurde sie kurz vom Wachmann Felian aufgehalten, der sie bedauerte Arbeiten zu müssen. "Meister Kilian ist halt unerbittlich. Diese Farbproben müssen sehr schnell fertig gestellt werden.", sagte sie, deutete damit auf die Kiste die sie dabei hatte und ging weiter. Nachdem sie das große Steingebäude erreicht hatte, öffnete sie die massive Stahltür mit Hilfe eines Zwergenschlüssels und betrat das Labor. Sie vergewisserte sich erst einmal das Ihr Meister nicht hier war. Es war nicht auszudenken was geschehen würde, wenn er sie erwischen würde. Ihren Posten als Gehilfin wäre sie los, ihr Ruf im Gerberviertel wäre ruiniert und noch vieles mehr. Um ehrlich zu sein wäre sie diesen Posten schon längst los, hätte sich Barundo Barini , der Akkoluth aus dem Hesinde-Tempel, nicht schützend vor sie gestellt als sie durch ein Missgeschick die Forschungsarbeiten mehrerer Wochen vernichtet hatte. Irgendwann müsste sie ihm dafür vielleicht mal einen Gefallen tun, hatte er damals gesagt und nun steht sie hier. Eine Kiste mit Ingredienzien, die sie von Barundo erhalten hat, einen verschlossenem Brief mit dem Rezept des Trankes den Sie brauen soll und einigen Münzen in der Tasche die ihr die heutigen Entbehrungen versüßen sollen. Sie atmete einmal tief durch. "Auf ans Werk ", sprach sie zu sich selbst und öffnete den Brief.

Und wieder einige Tage später....Es klopfte an der Tür zu ihrem Salon und nach einem kurzen "Tretet ein." betrat Niccolo den Raum. "Ich sehe Ihr seid bereit für die Abreise, werter Cousin.", begrüßte Terantina ihren Besuch und hauchte ihm zwei Küsse auf die Wangen. Niccolo nickte. "Ja, die Universität in Methumis ruft. Das Festspiele und die damit verbundene lernfreie Zeit sind vorbei. Aber ich werde Euch natürlich nicht verlassen ohne Euch viel Glück und Rahjas Segen zu wünschen." Er grinste Terantina spitzbübisch an. "Aber ich gehe nicht ohne ein Geschenk." Er klatschte in die Hände und ein livrierter Diener betrat den Raum mit einer kleinen Holzkiste. Niccolo nahm ihn diese ab, nickte dem Diener zu woraufhin dieser die Räumlichkeiten verließ und überreichte Terantina sein Geschenk. Es war eine Holzkiste aus dunklem Mohagoni mit eingearbeiteten Blumenornamenten im Deckel. Mit einem überraschten Gesichtsausdruck öffnete Terantina die Kiste und fand, eingeschlagen in dunkelrotem Samt, einen Parfümflakon aus geschwärztem Kristall. Niccolo deutete auf den Flakon. "Es ist nicht so wie es scheint, denn hier in Efferdas kann man nicht mit den Kunstfertigkeiten der Parfümerie in Belhanka mithalten. Vielmehr ist es ein Trank der im rahjanischen Sinne sehr ermutigend wirkt. Ich denke dieser kann Euch bei Euren weiteren Vorhaben nützlich sein. Nehmt dies als kleinen Dank für Eure kürzlich ausgesprochene Empfehlung meinerseits. Eure Freundin ist bereits an mich herangetreten. Aber nun muss ich Euch leider verlassen. Meine Kutsche wartet schon." Er verbeugte sich zu einem Handkuss und ließ eine sprachlose Terantina zurück.