Briefspiel:Magistratswahlen 1036 BF/Consiliumsdebatte

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Beteiligte (irdisch)
Familie Menaris klein.png Athanasius
Familie Brahl klein.png Brahl
Familie Cordur klein.png Cordur
Familie Wankara.png Wankara

Die Magistratswahlen des Jahres 1036 BF in Shenilo bestanden, wie stets, aus einem längerem - teils öffentlich, teils nichtöffentlich geführten - Wahlkampf, der eigentlichen Wahl des Gransignore und der Erstellung von Kandidatenlisten zum Magistrat durch das Consilium Draconis. Die sich - in diesem Jahr auch um den Sheniloer Frieden rankenden - Debatten werden im vorliegenden Text aufbereitet.

Beleno benennt das Problem

Längst waren Betten in dem Kuppelbau aufgestellt worden, trennten schwere Vorhänge die schwüle Luft in Zellen für die müden Consilieri. Den ganzen Tag hatten die Unterredungen und Abstimmungen des Drachenrates gedauert und noch immer waren die Kandidatenlisten nach Sheniloer Recht unvollständig. Nur für das Amt des Cancellario konnte sich der Rat bisher auf drei der Nominierten einigen. Aber nicht Uneinigkeit war es, welche die Consilieri weiterhin in Klausur gefangen hielt, obgleich die Praiossonne Stunde um Stunde unbarmherzig über dem Gotteshaus stand. Nein, paradoxerweise schien ein Zuviel an Einigkeit die Konklave der geistigen Führer der Stadt andauern zu lassen.
Als am nächsten Morgen der goldene Gong erschallte und sich die Consilieri aufrafften, einen weiteren Tag über die Ämter der Stadt zu beraten, war es seine Hochwürden Brahl, der zuerst die Stimme erhob: „Guten Morgen, meine lieben Geschwister. Es ist der Fall eingetreten, den sicher nicht nur ich befürchtet habe: Diesem Rat des Ausgleichs und der Einigkeit gelang es, einiger denn je zuvor die Fähigsten der Ponterra für die uns zur Auswahl auferlegten Ämter von Camerlengo, Cancellario und Constabler zu benennen. Doch spreche ich nicht ohne Grund von Befürchtungen, wo manch einer Frohlocken vermuten würde! Der Sheniloer Frieden sieht vor, dass eine jede unserer Kandidatenlisten mindestens drei Männer oder Frauen mit jeweils mindestens drei Stimmen aus dem Rat enthält, bevor unsere hehre Pflicht getan ist."
Während sich einige der Anwesenden noch den Schlaf aus den Augen rieben, fuhr Beleno fort: „Ja, ihr hört richtig. Um der Ordnung gerecht zu werden, müssen wir uneinig sein! Wir müssen für Nominierte stimmen, die wir nicht für die Fähigsten halten, den Magistrat zu besetzen. Grotesk nenne ich das! Ich bin kein Jurist, kein Gelehrter des Rechts, und doch weiß ich, dass dies nicht richtig sein kann. – Aber auch, dass die alte Ordnung nicht rückwirkend umgestoßen werden darf. Darum will ich euch, meine Geschwister, darum bitten, auch nach dem Ende dieser Klausur nicht zu ruhen. Denn mögen wir auch dieses Mal noch an die alte Ordnung gebunden sein, können wir doch für die Zukunft und zum Wohl unserer Heimat diesen Missstand beseitigen. Ich schlage darob vor, zukünftig auf die Mindestzahl von drei Kandidaten je Amt zu verzichten. Streichen wir diese Regel, mag die Auswahl des Gransignores zwar beschränkt sein, doch warum sollten wir entgegen unserer Einigkeit, entgegen unserer Überzeugung stimmen und weniger fähigen Männern und Frauen unsere Empfehlung für diese Ämter geben? Ich sage, wenn das Consilium Draconis in traviengefälliger Einigkeit entschieden hat, dass nur ein Mann die Kassen der Stadt zu führen vermag, nur eine Frau die Piken und Schwerter, dann sei es so! Wenn der Gransignor zwischen den beiden Besten der Ponterra für ein Amt entscheiden muss, anstatt diese aus einer Liste herauszusieben, die durch einen weniger geeigneten Kandidaten verwässert wurde – was kann daran falsch sein? Darum mein Appell: Haltet nicht inne, wenn wir diese heutige Hürde genommen haben; schafft diese widersinnige Regel, dieses Uneinigkeit von den Einigen fordernde Recht ab und führt den Sheniloer Frieden in Tsas stetem Wandel näher an die vollendete Ordnung, die nur der Herr Praios allein zu schmieden vermag, nach der wir Sterblichen jedoch unentwegt streben müssen."

Kaum hatte der weitaus weniger beschwingt als üblich (aber ähnlich pathetisch) wirkende Rahjadiener geendet, verlor sich der Tempel im Wirrwarr der eifrigen Stimmen. Doch noch hatte Beleno nicht genug. Noch bevor ein anderer um Ruhe für eigene Worte bitten konnte, erhob der noch immer Stehende wieder seine Stimme. „Meine lieben Consilieri, Brüder und Schwestern, leider ist dies wie erwähnt nicht die einzige Frage, derer wir eine Antwort schuldig sind. Bevor wir unseren Blick auf die Zukunft richten können, müssen wir uns der Gegenwart widmen. Denn noch gilt das Recht, deren Anpassung ich herbeisehne! Darum will ich meine Stimme den Cavallieri Jeanos und Daryl entziehen ..." – Kaum war eine gebannte Stille im Saal eingekehrt, da brach bereits wieder ein Gemurmel hervor, das Beleno zur Pause zwang. – „... entziehen, nicht etwa, weil ich die werten Signori nicht mehr für die Fähigsten für das Amt des Camerlengos, respektive des Constablers halte – mitnichten! Nein, die Ordnung fordert es, dass ich meine Stimme denen entziehe, deren Eignung wir uns längst einig sind, um sie dem zweitbesten Mann zu geben. Nun sind wir uns bereits einig, dass dies keiner der Nominierten sein kann, welchen die drei nötigen Stimmen verfehlten. Und darum will ich einen weiteren Vorschlag machen; einen Vorschlag, den ich bisher zurückhielt, weil ich in Jeanos Wankara und Daryl Brahl die besseren Kandidaten sah."
„Meine Freunde, einen Moment eurer Geduld noch, ich bitte euch! Hiermit schlage ich für das Amt der Camerlenga Kusminela Ager vor. Wir alle kennen sie noch von der Wahl zur Marktrichterin Shenilos und als fähige Kontoristin, die der Aufgabe als Kämmerer der Stadt sicherlich gewachsen ist. Möge der Drachenrat in seiner Weisheit die Wahrheit in meinem Vorschlag erkennen! Und auch für das Amt des Constablers will ich nun für den Zweitfähigsten stimmen: Leuwenich von Leuwenstein! Der berühmteste Fechter Shenilos wird mit seinen flammenden Reden die Bundestruppen zu begeistern wissen, mit seinem unerschütterlichen Glauben an die Leuin den rechten Weg für Stadt und Bund erkennen und als pflichtbewusster Geronsritter sich der Aufgabe stellen. Ich bitte euch, meine Geschwister, blickt in eure Herzen und gebt diesen beide eure Stimmen, wie es euch Verstand und Glaube gebieten!" Als Beleno Brahl sich erschöpft gesetzt hatte, gab es wahrlich kein Halten mehr: Wie das Summen der Bienen, wenn der Imker nach dem Honig griff, ertrank der Kuppelsaal in der Vielstimmigkeit von Shenilos Rat der Einigen.

Jeanos sekundiert

"Auch ich wünsche euch einen gesegneten Morgen, werte Consilieri", begann Jeanos Wankara, während er in die Runde blickte. "Auch ich empfinde es als unangebracht, Kandidaten zu benennen, nur um dem Gransignore eine Auswahlmöglichkeit zu bieten. Wie mein werter Vorredner bereits dargestellt hat, habt ihr, werte Freunde, bereits jene bestimmt, die zum Wohle aller besagte Ämter zu besetzen vermögen. Gleichzeitig habt ihr jenen, die es nicht vermögen, einen deutlichen Verweis gegeben. Diese sollten meines Erachtens keine Rolle in unseren weiteren Betrachtungen spielen. Da nun auch die Unterstützung der eigenen Person von einigen als unangebracht erachtet wird, will auch ich wieder besseren Wissens, wer am geeignetsten ist, meine Stimme den beiden Kandidaten geben, die der ehrenwerte Beleno Brahl soeben vorschlug. In der Hoffnung, dass somit für die Consilieri unter euch, die ihre Stimme bislang noch bei den unerwünschten Kandidaten haben, eine für sie akzeptable Lösung erhalten."

Arana fährt auf

Ruhig bleiben, ermahnte sich Arana, ordne deine Gedanken. Es war ein Überraschungsangriff der Consiliere Brahl und Wankara gewesen, doch auch einen Überraschungsangriff konnte man zurückschlagen und den Kampf gewinnen oder wenigstens ein Patt erzwingen. Die Frage in diesem Falle war nur, wie könnte sie wiederum die beiden überraschen? Um einem Zornanfall zu verhindern, den sie noch etwas auf ihre Müdigkeit schob, warf sie sich Wasser aus einer bereitgestellten Waschschüssel ins Gesicht, um wach zu werden und um einen klaren Kopf zu bewahren. Sie atmete nochmal durch, trocknete sich ihre Haare, die etwas von dem Wasser abbekommen hatten, und band sie zu einem Zopf. Das Gerede und Getuschel der anderen Consiliere machte sie ganz unruhig und daher unterbrach sie es kurzerhand mit lauter Stimme. "Dürfte ich wohl um Ruhe bitten?" Sie wartete, bis auch der Letzte unter ihnen ihr die Aufmerksamkeit schenkte. "Es ist fürwahr ein überraschendes Manöver, was die beiden Consiliere Brahl und Wankara heute unternehmen, dennoch bitte ich die Anwesenden, nicht in lautes Geschnatter einer Gruppe Kinder vor dem ersten Unterrichtstag in der Praiostagsschule zu verfallen" Den Seitenhieb auf eine Gänseherde vor dem Traviatempel vermied sie, um nicht die Traviakirche zu verärgern. "Deshalb sollten wir, bevor wir voreilige Entscheidungen treffen, die meistens sehr schlecht sind für einen Konflikt, uns am Morgenmahl stärken." Das sollte ihnen erstmal den Kampfvorteil nehmen, dachte sie, als sie zur Tafel schritt, auf der Diener ein Mahl vorbereitet hatten.

Nachdem sich alle gestärkt hatten und die Teller und Platten wieder von den Tischen verschwunden waren, war in Arana eine Idee gereift, die verhinderte, dass sie den schwarzen Alrik in der Hand hielt. Sie stand von ihrem Platz auf und wartete, bis sie sich wieder alle etwas beruhigt hatten nach den Tischgesprächen beim Mahl, und hob dann an, um zu sprechen: "Selten waren die Familie Tuchall und Carson beziehungsweise Cordur sich in den letzten Jahren so einig gewesen, wie es hier im Consilium Draconis gestern geschehen ist. Und ich hoffe, dass unsere Familien nach den Vorkommnissen, die sie entzweiten, endlich wieder zusammenarbeiten können, ohne im Streit zu stehen. Deshalb tut es mir jetzt leid, dem Vorschlag von Scibor Tuchall zum Camerlengo dieser Stadt meine Stimme entziehen zu müssen. Doch dies ist die einzig richtige Reaktion nach Worten über unerwünschte Personen. Jeanos Wankara, den ich vor diesen Worten als geeignet fand, die Kassen der Stadt zu führen, entziehe ich meine Stimme und vergebe sie auch nicht an einen der anderen Kandidaten. Im Falle des Camerlengos enthalte ich mich meiner Stimme." Mit diesem Donnerschlag setzte sie sich wieder hin, in den Augen der Anderen sah sie, dass ihr eine gute Riposte gelungen war. Sie lächelte zufrieden.

Beleno besänftigt

Beleno sah man an, dass er von Aranas wütendem Gegenschlag vollkommen überrascht war. Er benötigte einen Moment, wie die meisten anderen Consilieri auch, setzte dann jedoch zu einer Antwort an: "Aber Reverendissima, Ihr wollt uns doch nicht etwa weismachen, dass Ihr Eure Stimme Signore Wankara nur gegeben habt, um im Interesse Eurer Familie Einigkeit mit mit den Familien anderer Consilieri zu erreichen! Da muss ich Euch sicher missverstanden haben ... und doch, Ihr bezeichnet meine legitimen Vorschläge als 'Manöver' und entzieht dem Kandidaten, den wir zuvor noch beide für den Fähigsten für das Amt des Camerlengos gehalten haben, Jeanos Wankara, nun die Stimme. Wenn dies – wie bei mir – dazu dienen würde, den Regelungen des Sheniloer Friedens zu entsprechen, das wäre mir verständlich. Doch Ihr enthaltet Euch Eurer Stimme? Zu welchem Zwecke? Im Trotz zu meinem Vorschlag gar? Ich bitte Euch, liebe Arana, überdenkt dies doch noch einmal!"
Deutlich bewegter waren die Worte des Rahjageweihten mittlerweile geworden. Mit derselben Eindringlichkeit wandte er sich darauf auch dem gesamten Consilium zu: "Und damit ihr es wisst, meine lieben Geschwister! Ich probiere mich hier nicht in Manövern oder Familienpolitik – ich fordere eine Alternative zu denjenigen Vorgeschlagenen, die bisher vom Consilium für unwürdig erachtet wurden, auf die jeweilige Kandidatenliste zu gelangen! Gerne höre ich mir auch eure Vorschläge an, doch von mir zu fordern, dass ich gegen mein Gewissen einen Nominierten wählen muss, nur weil Alternativen fehlen ... das könnt ihr nicht von mir verlangen!"

Tankred tadelt

"Ungern möchte ich die Consilieri Famerlor, Darador und Pyrdacor in ihrer Leidenschaft bremsen. Doch scheint mir hier der – berechtigte – Einwand des Consilieres Darador allzu rasch von seiner ursprünglichen Weisheit abzudriften." Tankred Menaris hatte die verschiedenen Nominierungen mit wachsender Unruhe verfolgt und rasch festgestellt, dass hinter den Kulissen offenbar beträchtliche Summen geflossen oder Anstrengungen unternommen worden waren, um einer ganz bestimmten Partei zum Vorteil zu verhelfen. Eine Tendenz, die schon die Abstimmung in der Eteria spürbar hatte werden lassen. Er fragte sich im Stillen staunend, warum keiner seiner Agenten von Gewinnüberschüssen oder versteckten Vermögen der Wankara oder der Brahl berichtet hatte. Eines von mehreren Versäumnissen, denen ich nachzugehen haben werde. Seinen Gedankengang unterbrechend, fuhr der Consiliere Naclador fort.
"Darf ich daran erinnern, dass durch keine der überraschenden Kehrtwenden, die wir soeben beobachten durften, eine Annäherung an die Ordnung des Sheniloer Friedens erreicht wurde? Auch die neuen Kandidaten haben nicht die nötige Unterstützerzahl. Und auch die – wenn auch in ihren Motiven unangreifbare – Enthaltung der Consiliera Famerlor in der Frage des Camerlengos ändert nichts daran, dass Jeanos Wankara auch ohne sie die nötige Unterstützerzahl – es sind deren nun noch vier – auf seiner Seite weiß. Beide Maßnahmen bringen uns also der Lösung unseres Problems nicht näher – im Gegenteil!"

Wankarische Erwiderungen

"Werte Consilieri!" Beschwichtigend hob Jeanos die Hände. "Lasst mich versichern, dass es mir fern liegt, Befindlichkeiten zu schüren oder gar unangebrachtes Ränkespiel oder, wie Ihr es nennt, werte Consiliera Famerlor, Manöver zu betreiben. Seid versichert, dass mein Ansinnen lediglich der gütlichen Einigung dienen sollte. Wie ich schon darlegte, sehe ich die Notwendigkeit, den, wie beschrieben, überalterten Vorschriften Genüge zu tun. Da offensichtlich ist, dass die Befürworter der gescheiterten Kandidaten nicht in der Lage wären, die Situation zu ändern, empfinde ich die vom ehrenwerten Consiliere Darador angebotenen Kandidaten als Chance, eine gütliche Einigung zu erlangen. Natürlich verstehe ich, dass es schwer fällt, vom eigenen Kandidaten – und ich bin mir sicher, ein jeder hat nach besten Wissen und Gewissen gehandelt – abzulassen. Daher sollte mein Handeln als Beispiel dienen, sich für die Sache und gegen die eigene Überzeugung zu stellen." Jeanos ging langsam zu Tankred hinüber, legte ihm die Hand auf die Schulter und sagte mit mitfühlender Miene: "Glaubt mir, ich weiß, was ich von Euch verlange, wiegt doch die eigene Familie doppelt schwer. Doch bedenkt, Ihr allein wärt in der Lage, eine Lösung herbeizuführen, und sind wir uns dessen auch bewusst, ohne eine Entscheidung vorwegzunehmen. Denn diese obliegt dem Gransignore so oder so."

Tankreds Zug

Die Stunden in Eteria und Consilium, die Ungewissheit des Wahlausgangs bis zu seinem Ende und der sich nun abzeichnende Fortgang des politischen Geschiebes – dies obwohl man die Dinge im Vorfeld für geregelt gehalten hatte – forderten schließlich ihren Tribut bei Tankred Menaris. Die Hand des Consilieres Pyrdacor ruhte noch immer auf seiner Schulter, als er diesem, der immerhin der Schwiegervater eines wenn auch verstorbenen Menaris war, streng erwiderte.
"Ich verstehe nicht recht, wie Ihr, der Ihr Eure eigene Kontoristin an Eurer statt zur Wahl vorschlagt, ausgerechnet mir erklären wollt, ich hätte mich gegen Überzeugung und Familie und für die Sache zu entscheiden."
Die steile Falte, die zwischen Tankreds Brauen entstanden war, verschwand teilweise wieder, als er sich nun an die anderen Consilieri wandte. "Doch ich möchte mir nicht nachsagen lassen, ich stellte die Interessen meiner Familie vor die Interessen von Consilium und Civitas. Es muss eine Entscheidung getroffen werden, soweit stimme ich dem Consiliere Darador zu. Möge sich ein jeder der Anwesenden daran erinnern, dass Worten auch Taten folgen sollten."
"Ich ändere hiermit meinen Vorschlag für das Amt des Camerlengo ab. Ich schlage die Handelsmeisterin Sanya Cordur als Camerlenga der kommenden Götterläufe vor und rufe alle, die mir bisher gefolgt sind und solche, die nun Weisheit in meinem Vorschlag sehen, auf, sie zu unterstützen."
Damit setzte sich der Consiliere Naclador und wartete ab, wie die Consilieri, deren Ringe von Famerlor und Aldinor geziert wurden, auf seine Worte reagieren würden.

Aranas Antwort

Was hat Tankred vor, ging der Consiliera Famerlor durch den Kopf, auf deren Stirn sich schon einige Schweißperlen gebildet hatten. Sie konnte jetzt nach ihrer Ansprache nicht umschwenken, das würde als Manöver ihrerseits gezählt werden. Ein schaler Geschmack machte sich in ihrem Mund breit, als sie aufstand, um erneut zu den Versammelten zu sprechen. „Hoher Lehrmeister, obwohl ich finde, dass Ihr einen guten Vorschlag für das Amt des Camerlengo beziehungsweise der Camerlenga macht, kann und werde ich nicht von meiner Enthaltung abweichen. Es könnte mir als Manöver ausgelegt werden.“ Bei diesen Worten sah sie nach den Herrschaften Brahl und Wankara. „Auch meine Stimme für den Constablerposten werde ich nicht ändern. Doch will ich versuchen, die ehrenwerten Anwesenden in diesem Fall für meinen Vorschlag zu erwärmen. Ich habe näher über die Kandidaten nachgedacht. Ich frage euch: Welchen Nutzen hat es, jemanden als Constabler zu wählen, der nicht weiß, wie es ist, auf einem Kampfplatz zu stehen? Daryl Brahl ist ein fähiger Mann der Finanzen und des Handels, das streite ich nicht ab, aber ist er auch ein Mann des Kampfes? Ich sage nein, er ist kein Mann des Kampfes und damit für das Amt des Constablers ungeeignet.“ Arana nahm einen kleinen Schluck Wasser, bevor sie weitersprach.
„Dann wäre da Leomar Gondolfini, ich bitte euch, er ist zwar ein Mann des Kampfes, aber hat Shenilo eine Flotte von Schiffen, die es zu befehligen gilt? Ich denke nicht. Wir benötigen jemanden, der weiß, wie es ist, auf dem Felde zu stehen, der weiß, was die einfachen Soldaten denken; der weiß, wie man auf dem Lande kämpft und deshalb ist Usvina Cordur die beste Kandidatin für diesen Posten. Einige von euch haben dies bei der letzten Wahl genauso gesehen. Deshalb bitte ich vor allem diejenigen, die auch das letzte Mal in meiner Schwester das Potenzial sahen, den Constablerposten zu besetzen, darüber nachzudenken, ihr wieder unter einen neuen Gransignore die Fürsprache auszustellen. Die beiden anderen Kandidaten sind fürwahr der Göttin Rondra so nah, wie es meine Schwester ist, dennoch denke ich, dass Usvina Cordur als Leutnanta der Sheniloer Drachenreiter den besten Einblick in die militärischen Belange des Bundes hat, besser als einer der anderen Kandidaten.“ Die Rondrageweihte hoffte, mit diesen Worten endlich die Waage in Richtung ihrer Schwester drehen zu können, denn sie konnte sich denken, wie ihre Schwester auf eine neuerliche Zurückweisung durch die Gremien der Stadt reagieren würde.

Belenos Beschwichtigung

Zügig entfernte sich der Consiliere Darador von der jungen Isida von Veliris-Balthâr und machte einige Schritte auf die Rondrianerin zu. "Aber Consiliera, Arana, ich beschwöre Euch! Wie weit sind wir gekommen, wenn einer der Unseren sich fürchten muss, seine Entscheidung sei nichts weiter denn politisches Geplänkel, ein Manöver wie im Kriege, wo wir doch ein Organ des Friedens sind? Ich bitte Euch, ob nun für Asteratus Menaris oder Kusminela Ager, ob für Khadan von Serillio, Eure Schwester Usvina oder Leuwenich von Leuwenstein, entscheidet Euch und harrt nicht aus in der Furcht, Eure Brüder und Schwestern des Consiliums würden Euch mit Missgunst strafen, wo immer auch Ihr Euren Fuß zu setzen gedenkt! Wie am Vortage schon, beharrt ein jeder Consiliere dieses Rats auf dem von ihm geschätzten Kandidaten, ob nun mit genügend Gleichgesinnten oder bar jeder Unterstützung. Doch wir müssen uns einigen, auf drei Kandidaten für jedes Amt! Wollt Ihr wahrlich Shenilo, den Bund und seinen neuen Gransignore Tag um Tag warten lassen, in der Hoffnung, ein anderer werde schon nachgeben? Bald schon, meine Geschwister, wird die Mittagssonne wieder glühend über der güldenen Kuppel dieses Gotteshauses stehen ...", endete Beleno schließlich mit unheilschwangeren Worten, den Finger gen Himmel gerichtet.
Defranda schluckte schwer, als sein Blick dem Finger des Rahjageweihten zur Kuppeldecke des Tempels folgte. Eine einzelne Schweißperle lief langsam seine Stirn hinab. Ein Vorbote, dachte der alte Magus sich selbst bemitleidend, während er sich den Tropfen von der Wange tupfte.

Während die Consilieri lieber zur Decke starrten und über die kommende Hitze des Tages nachdachten, statt ihre Position zu überdenken, konnte sich Beleno nicht wie geplant zurückhalten und ergriff erneut das Wort: "Und was die Eignung meines Vetters für das Amt des Constablers angeht: Wir schlagen hier keinen neuen Capitan für die Drachenreiter vor! Das Amt des Constablers ist ein Amt des Friedens, nicht des Krieges, werte Arana. Denn sollte der Bund in eine solche Notlage geraten, wäret doch Ihr es, die als Consiliera Famerlor die Führung über die Truppen übernehmen würdet! Müssen die Bundestruppen hingegen außerhalb des Bundes tätig werden, so übernimmt ein Condottiere deren Führung, zusammen mit seinen Söldlingen.
Was ist also die Aufgabe unseres Constablers? Ihm obliegt es, die Verträge mit den nötigen Condottieri und Söldnern auszuhandeln, den Preis für die Stadt gering zu halten und ihre Treue hoch. Er muss den Zustand der Rüstkammer, der Mauern und der Milizen überwachen, muss dort eingreifen, wo nötig, und dort sparen, wo dies den Bund nicht in Zukunft zu gefährden droht. Klingt das für Euch nach dem Amt eines Kriegers? Mehr noch muss der Constabler seinesgleichen überzeugen, in Notzeiten mit der Anheuerung zusätzlicher Söldner auszuhelfen, wie Signore Daryl es tat, und die Strategien der Bundestruppen erdenken und umsetzen lassen. Entwarf nicht Cavalliere Daryl einen Plan, dessen Umsetzung durch unseren neuen Gransignore Gilforn dem Bunde zu retten vermochte, ohne die überlegenden Truppen in der Fahnenschlacht vernichten zu müssen? Erst die Führung der Truppen in der Schlacht überlässt der Constabler der Consiliera Famerlor oder einem Condottiere – daher bedarf er ausgerechnet dieser Fähigkeit am wenigsten!"

Lossteine

Tankred Menaris versiegelte auch die dritte Liste, die die Namen enthielt, unter denen der künftige Gransignore, Orsino Carson, bei seiner Amtseinführung am 17. Praios - morgen, wie der Consiliere Naclador mit einem müden Lächeln in Gedanken hinzufügte - den neuen Constabler auszuwählen hatte. Die Consilieri hatten sich bereits daran gemacht, den Praios-Tempel, der während eines Abends, einer Nacht und eines Morgens zu ihrem zuhause geworden war, zu verlassen. Man trank die letzten Reste des Weines, einige steckten sich sogar verstohlen ein Hühnerbein in den Mund, man griff nach den Mänteln, die in der Hitze längst abgelegt worden waren und Defranda, der Consiliere Menacor, suchte unter der Liege, die ihm in der Nacht wie seinen Mitconsilieri als Schlafstatt gedient hatte, nach seinem Stab.
Müde rieb sich Tankred die Schläfen, seufzte unterdrückt und erhob sich dann. "Werte Consilieri, schmäht mich nicht, wenn ich Euch vor dem wohlverdienten Aufbruch daran erinnere, dass noch eine letzte Pflicht auf uns wartet - die Wirkungsstätte unseres scheidenden Gransignore, Leomar, in den kommenden Götterläufen muss bestimmt werden und es ist an diesem Rat, Losmann zu sein." Der Consiliere Naclador trat nun selbst zu seiner Liege und holte unter dieser ein Bündel hervor, das mit einer Kordel verknotet war, die er nun öffnete. "In den vergangenen Monden habe ich nach einer gerechten Methode gesucht, mit der wir das Losverfahren durchführen können. In den Tafeln des Tykates, soweit diese erhalten sind, fand ich schließlich eine Beschreibung, die zu einem Gegenstand gehört, wie man ihn in den Tagen der ersten Archonten des Archipels verwendet haben soll. Kundige Hände haben mir sodann bei der Herstellung eines solchen Gegenstandes geholfen, den die Consilieri Branibor und Menacor in den letzten Tagen untersucht haben, um jegliche Manipulation auszuschließen."
Tankred entfernte das Tuch um den eckigen Gegenstand, der nun erkennbar wurde. Er besaß die Form eines Quaders, höher als er breit war, aus einem hellen Stein gefertigt. In seiner Oberfläche fanden sich an jeder Seite Schlitze, dazu ein breiterer an seiner Oberseite. "Dies ist ein Losstein. Mit ihm werden wir - so hat es Tykates uns überliefert - zuerst den Losmann bestimmen, auf dass auch dieser von jeglichem Vorwurf der Manipulation verschont bleiben möge."
Tankred reichte den Quader an den nächststehenden Consiliere und holte nun eine Reihe von Steinscheiben aus dem Tuch.
"Auf diesen Scheiben sind die Symbole der 12 Drachen zu finden, deren Namen die Mitglieder dieses Rates in Ehren tragen. " Tankred verteilte nun die Scheiben an die Consilieri und wies sie an, sie nacheinander in den Losstein zu schieben. Als der Quader mit den 12 Scheiben gefüllt wieder bei Tankred angekommen war, trat Tankred in die Mitte der Consilieri und schüttelte den Stein. Nun zog er aus dem oberen Schlitz eine der Scheiben und zeigte sie den Versammelten. "Yalsicor. Die Consiliere Tsatalante hat die Ehre, die erste Losfrau zu sein. Ich schlage vor, dass sie es auch ist, die in zwei Götterläufen den Namen eines Mitconsiliere aus dem Losstein zieht."
Zwei größere Scheiben, die die Blume und die Schwerter Balthars und die Sonne Côntris' trugen, wurden nun der Consiliera Yalsicor überreicht. Tsatalante Friedensstimme drehte den Stein und schob die Scheiben scheinbar willkürlich in dessen Inneres. Noch einmal schaltete sich der Consiliere Naclador ein.
"Erlaubt mir kurz zu erinneren: Die Scheibe, die die Consiliere Yalsicor nun aus dem Losstein zieht markiert die Stadt, die fürderhin einen neuen Präfekten erhalten soll. Die Stadt der im Inneren verbleibenden Scheibe behält dagegen ihren bisherigen Präfekten."
Tsatalante und einige andere nickten. Es war offenkundig, dass Mancher diese Angelegenheit für eine unnötige Verzögerung erachtete, wenn auch den beteiligten Präfekten sicher an der Sorgfalt gelegen war, die der Consiliere Naclador einforderte.
Endlich schüttelte Tsatalante, die längst Tankreds Platz in der losen Mitte der Consilieri eingenommen hatte, den Stein und entnahm ihm eine der beiden Scheiben und hielt diese so hoch, dass das Zeichen gut sichtbar war.
"Die Sonne von Côntris. Dort wird Leomar Gabellano eine neue Aufgabe finden."
Damit waren die Consilieri endlich entlassen - alle bis auf einen, denn nun machte sich Tankred Menaris als Specher des Consiliums mit den Magistratslisten auf, um sie dem neuen Gransignore zu bringen.