Briefspiel:Magistratswahlen 1036 BF/Gransignorewahlen

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Beteiligte (irdisch)
Familie Menaris klein.png Athanasius
Familie Brahl klein.png Brahl
Haus Doren klein.png Dorén
Haus Carson klein.png OrsinoCarson
Familie Wankara.png Wankara

Die Gransignorewahlen des Jahres 1036 BF, denen die Vorstellung der Kandidaten in der konstituierenden Sitzung der Eteria im neuen Jahr vorausging, werden im vorliegenden Text briefspielerisch aufbereitet. Zuvor hatten verschiedene Akteure sich und ihre Verbündeten in Stellung gebracht. Dem neu gewählten Gransignore wurden später die in einer [Bearbeiten von Briefspiel:Magistratswahlen 1036 BF/Consiliumsdebatte[|Debatte]] beschlossenen Listen für die zu wählenden Magistratsämter vorgelegt.

Dorén-Halle, Geronsstadt Shenilo, 1. Praios 1036 BF

Die erste Sitzung der Eteria nach Beginn des neuen Jahres diente in erster Linie der Vorstellung möglicher Kandidaten für die anstehenden Gransignorewahlen. Zwar waren schon die Wochen davor von manchem für die Profilierung seiner eigenen Person oder der seines Favoriten verwendet worden, aber nun wurden erste Reden der Kandidaten erwartet.

Die Vikarin spricht

Eine hellblaue Robe lag über Schultern Mazarina di Selsheds, die sich erhob. Ein weißer, sittlich geschnittener Ledermieder und kupferne Armreifen ließen die Frau, obwohl wie alle Eteri unbewaffnet, dennoch kriegerisch wirken. Ihre Arme verrieten, dass die ins Alter gekommene Frau immer noch Kraft besaß. „Barone, Signori, Gesandte, Eteri“, begann die Vikarin der Salzstadt zu sprechen, „ nicht über meine Person möchte ich heute zu Euch sprechen. Der scheidende Gransignore Leomar hat Stadt und Bund aus den Trümmern aufgerichtet, die andere, Feinde im Inneren wie Äußeren, hinterlassen haben. Gemeinsam mit den Räten und dem Popolo haben wir die Toten begraben und die Ruinen wieder aufgerichtet. Dank seiner Arbeit und der Arbeit vieler anderer haben wir nunmehr die Möglichkeit, Aufgaben anzupacken, die in den letzten Jahren unangetastet blieben, unangetastet bleiben mussten, als die Not des Popolo groß war. Und richtig war es, deren Nöte zu lindern.“ Mazarina blickte entlang der Reihen der Sitzenden, ließ ihre Augen auf dem ein oder anderen Gesicht ruhen, „Doch ich glaube, Eteri, das nunmehr die Zeit gekommen ist, um auch den Nöten der Nobili und Patricii zu begegnen. Daher möchte und werde ich, wenn diese Versammlung der Gefährten des Einhändigen mich für würdig erachten für die Wiederherstellung des Rechts und die Bewahrung des Friedens im Sheniloer Bund einsetzen.“
„Der Despot Ludovigo hat dieseits und jenseits der Wälder Ordnungen zerschlagen und althergebrachte Rechte mit Füßen getreten. Altehrwürdige Häuser wurden aus ihren Heimen vertrieben, während sich andere wie Khoramsbestien in ihren Hallen einnisteten.“ Mazarinas Augen bohrten sich geradezu in die Gesichter der Anwesenden, die sie nacheinander noch einmal musterte. Dass sie dabei ein Gesicht ausließ, bemerkte nur der Betroffene selbst, wenn er auch kein besonderes Bedauern verspürte, diesem glühenden Blick entgangen zu sein. „Damit soll nun Schluss sein! Wenn ich für würdig erachtet werde, werde ich, gemeinsam mit Magistrat und Eteria, alle Wege gehen und alle Anstrengungen unternehmen, um das Unrecht der vergangenen Jahre zu tilgen.“ Als habe sie eine ungestellte Frage unter den Eteri vernommen, fuhr die Matriarchin des alten Rittergeschlechts fort, „Und fürchtet nicht, dass mir hier mein Name und meine Geburt Scheuklappen haben aufsetzen können, so dass ich nurmehr das Unrecht sehe, das mir und den meinen widerfahren ist. Mit gleicher Entschlossenheit werde ich all jene unterstützen, die mit Siegel und Blut ihr Recht bezeugen können, das ihnen vorenthalten oder genommen wurde!“ Mazarinas Rede, deren Intensität mit ihren Worten zugenommen hatte, hielt an dieser Stelle einen Augenblick inne, so mancher Etèro rutschte auf seinem Stuhl in eine bequemere Haltung, ohne dessen Gewahr zu werden hatte sich der ein oder andere unmerklich angespannt.
„Ordnung im Inneren verlangt Sicherheit nach Außen“, fuhr Mazarina dann fort.
„Hinter dem ehrenwerten Gransignore Leomar hängen die im Blute von Feind und Freund geweihten Fahnen des Sieges der Geronsstadt. Und fürwahr, die Tapferkeit des Einhändigen beseelt den Schlachtenmut des Bundes und seiner Mitglieder. Vor mehr als sechs Jahren durfte ich zugegen sein als Axtblatt, Schwerthieb und Bucklerstoß die Freiheit gegen die Pertakker sicherten. Vor mehr als zwei Jahren vermochte mein Pailos einen bescheidenen Beitrag zum späteren, großen Sieg bei Gilforn beizutragen. Doch noch immer gieren die Pertakker nach dem, was wir uns erstritten haben.“ Mazarina hob die Rechte und schloss sie zur Faust. „Signore Leomar hat damit begonnen, die Grenzen des Bundes abzudichten, um unsere Sicherheit zu gewährleisten. Einen Weg, den ich weiter beschreiten will und werde, wenn diese Versammlung mich dabei unterstützt! Aurandis und Orsofina sind durch Kastelle gesichert, so sollen auch Mesaverde und Chetan zu Bollwerken wider die gierigen Finger der Yaquirstadt aufgerüstet werden.“ Mazarinas linke Hand öffnete sich. „Doch mit Panzern und Waffen allein, kann der Frieden nur erstritten, nicht bewahrt werden. Daher werde ich der Eteria, sollte ich gewählt werden, einen Vorschlag unterbreiten, der uns Bündnispartner bescheren wird, so dass nicht der gierigste Pfeffersack es mehr wagen wird, die Hand nach dem Bund auszustrecken. Ich werde vorschlagen, dass Verhandlungen aufgenommen und eine Gesandtschaft aus klugen Köpfen zusammengestellt wird, um Clameth den Beitritt zum Sheniloer Bund zu unterbreiten!“

Orsino schlägt zurück

Nachdem Mazarina geendet hatte, erhob sich Orsino Carson von seinem Stuhl und schritt vor die Versammlung der Eteria:
„Ich möchte meiner Vorrednerin Dank sagen für die tapfere Leistung, die sie als Kriegerin auf dem Schlachtfeld vor Gilforn zeigte. Mit ihrem Pailos wurde nicht nur Shenilos Freiheit, sondern auch den Besitz meines Hauses verteidigt. Doch es geht hier nicht um rondrianische Ehren, um mutigen Kampf und die Aufopferung auf dem Schlachtfeld, sondern um die Führung von Stadt und Bund Shenilos. Und ich muss euch nicht in Erinnerung rufen, wer die Truppen Shenilos vor zwei Jahren zu diesem, wie die edle Mazarina es nannte, „großen Sieg“ führte."
"Aber ich will offen sprechen: Mein Amt als Constabler war mir bislang ebenso eine hinreichende Ehre wie auch eine Freude, entsprach es doch meinen Begabungen ebenso wie meinen Interessen. Nur das vielstimmige Bitten aus den Reihen der klügsten Köpfe und vornehmsten Häuser Shenilos bewog mich, daran zu denken, mich für dieses Amt zur Verfügung zu stellen. Ihr alle wisst, dass ich Shenilo in großer Dankbarkeit und Treue verbunden bin, der Stadt, die mir und den meinen in großer Not ein neues Heim bot, ja sogar mich dabei unterstützte, meine Ehre wiederherzustellen. Was immer ich in den vergangenen Jahren tat, tat ich für das Wohl, die Sicherheit und die Freiheit dieser Stadt und der Mitglieder unseres Bundes. Ich weiß, wie es ist, wenn einem die geliebte Heimat genommen wird, wenn andere herrschen, wo sie zu herrschen nicht berechtigt und befähigt sind. Wir müssen in der ungewissen und keinesfalls ruhigen Zukunft – meine Vorrednerin schätzte die Gier, die uns aus Osten droht, durchaus richtig ein – ein starker und einiger Bund sein. Hierbei geht es nicht zuerst um vergangenes Unrecht, sondern es muss unser Blick zuallererst nach vorne gerichtet sein, damit nicht neues Unrecht geschieht, das nicht zwischen uns liegen mag, sondern uns alle betreffen und in großes Unglück stürzen kann. Shenilo muss stark sein, seine Truppen, um deren Aufbau ich mich vor und nach der Schlacht von Gilforn als Constabler gekümmert habe. Aber mir ist bewusst, dass nicht allein militärische Stärke, sondern ebenso politischer Einfluss – dazu später mehr – und wirtschaftlicher Erfolg von entscheidender Bedeutung sind. Das Aufblühen Gilforns ist das Werk meines Onkels und seines Sohnes. Ich werde also guten Rat aus treuem Munde erhalten, wenn es um diese Dinge geht. Guten Rat aus Gilforn und natürlich auch aus Shenilo. Mir ist weder entgangen noch entfallen, womit die Truppen, die ich in der Fahnenschlacht führte, angeworben wurden.“ Bei diesen Worten ließ er seinen Blick durch die Halle schweifen und blickte in nicht wenige Augen…
"Um Shenilo zu stärken, sollten die Verteidigungsmaßnahmen, die ich vor der Gilforner Schlacht begonnen habe, fortgesetzt und ausgeweitet werden – sobald die Mittel dazu hinreichend sind. Die Côntris-Frage muss, zur Zufriedenheit aller Beteiligten, ergo in kompromissbereiter Art, geklärt werden. Côntris ist ein Schlüssel zum Wohl des Bundes. Ich habe in der Vergangenheit die Stärke des Bundes erhöht: Als ich Gilforn in den Bund führte, als ich Clameth in den Bund führte, auch wenn dies zu bewahren uns nicht vergönnt war, und auch, als ich mich für die Rechte unseres Ersten Rates stark machte. Shenilo liegt nahe am Herzen des Lieblichen Feldes, durch das Gebiet unseres Bundes führen Yaquir und Yaquirstieg, wir sind umgeben von mächtigen Metropolen, in deren Mächtespiel die Ponterra immer eine wichtige Rolle spielte. Meine Familie kann hier wichtige Vermittlung leisten: Unser Stammsitz Imdallyo verbindet uns mit Arivor, wohin aus langer Tradition und dem festen Glauben an die Herrin Rondra ohnehin treue Bande führen. Das Haus Carson wird stets gehört auf dem Goldenhelm! Wer hieran zweifelt, lese die Chroniken des Krieges der Drachen. Seit dem Waffenstillstand von Paquirella bin ich zudem als Baron von Gilforn Vasall des Großfürstentums Kuslik. Zusammen mit meinen Freunden aus Arinken u.a. werde ich also zu vermitteln wissen, wenn nicht allein das kleine Pertakis, sondern die großen Mächte des Landes Fragen, oder gar Händel zu klären haben, die uns nicht unbetroffen lassen könnten, ob im Kronkonvent oder wo immer es nötig ist. Ich habe den Comto Protector als weisen und außerordentlich fähigen Mann erlebt und werde nichts unversucht lassen, sein Gehör zu finden, wenn es sein muss, auf dass ihm die Ruhe im Herzen des Reiches, von der wir derzeit so sehr profitieren – und das sage ich als Mann Rondras! – auch weiter so am Herzen liegt."
"Darüber hinaus habe ich in Shenilo in den vergangenen Jahren zwar manchen neuen Freund gefunden, und auch Travia dabei nicht außer Acht gelassen. Auch habe ich, wie es das Geschäft der Politik stets mit sich bringt, sicher manchmal auch Unwillen und Zorn erregt. Aber das Haus Carson hat zwar eine lange und ehrwürdige Tradition, die ich gerne in den Dienst Shenilos stelle, jedoch noch nicht lange ist es in Shenilo ansässig. Deshalb kann ich wohl mehr als andere ein Mann des Ausgleichs sein. Ich werde als Gransignor jede Stimme hören und abwägen, auf dass Shenilo mit einer Stimme nach außen spricht, was es im Innern will. Der Palazzo Petilliani steht jedem offen, dem das Wohl Shenilos am Herzen liegt!“

Endor Dorén ergreift das Wort

"Werte Eteri, liebe Sheniloer", "Shenilo wächst und gedeiht, wir sind auf dem besten Wege die Spuren der Herrschaft des Tyrannen Ludovigo aus unserer schönen Stadt zu tilgen und die hohen Häuser sind sich einig wie selten zuvor. Endors Blick wandert durch die Runde, von den Monsignores Calven und Menaris zu Baron Orsino Carson.
"Der Bund, der den Namen der Landstadt, trägt gewinnt an Bedeutung in den Kernlanden und dessen Söhne und Töchter sind weit über die Grenzen bekannt und geschätzt. Unser Augenmerk sollte, wie ich finde, in den nächsten beiden Götterläufen wieder mehr auf unser' aller Heimat, der Stadt Shenilo liegen. Die Landstadt ist Garant für einen sicheren Sheniloer Bund und für unseren allen Wohlstand. Wir, mein Sohn Sybaris und ich, haben bereits auf Gut Zweiflingen mit Signor re Kust, Erster Rat der Stadt, darüber gesprochen, dass uns eine schwierige aber nicht unlösbare Zukunft in Shenilo bevorsteht. Unsere Obliegenheit muss es sein, die Probleme in Shenilo anzugehen und diese zu lösen um die von Horas gegebene Ordnung zu erhalten. Auch die Würde des Amtes des "Ersten unter Gleichen" sollten wir, einige Götterläufe nach dem Tyrannen Ludovigo, nicht außer Acht lassen." "Es liegen zwei bedächtige Götterläufe, die wir wohl der Politik der ruhigen Hand des Signore Gabellano zu verdanken haben, hinter uns. Ja, zu großem, wie zum Beispiel das für die ganze Ponterra entscheidende Thema, der Bau des neuen Kaiserkanals wurde gar ganz geschwiegen. Und es verwundert mich wenig dass gerade ihr, Signor Leomar die alternde Matriarchin des Hauses di Selshed für eure Nachfolge vorschlagt. Wir sollten uns alle die Frage stellen ob diese besonnene Politik unser aller Wunsch entspricht und uns eine sichere Zukunft bescheren kann. Was hat uns der vorletzte Gransignor, der an der Grangorer Bucht seine Wurzeln hatte gebracht?" Endors blickt wandert erneut durch die Runde, bevor er mit fester, lauterer Stimme fortfährt.
"Ich sage es euch, Leid, Trauer, Zwist und Armut".

"Was kann uns in diesem Amt eine Signora, die bekannt ist für "die Beharrlichkeit in ihrer Sache", um in euren Worten zu sprechen, Signor Gabellano von Nutzen sein? Wenn es doch um unser aller Zukunft geht. Warum brauchen wir eine Gransignora von der Küste des Bundes wenn es doch hier in Shenilo gleich mehrere Häuser gibt die Attribute besitzen, die von euch aufgezählt wurden. Es ehrt euch Signora di Selshed, dass ihr wohl einige Orte des Bundes mit Namen kennt, aber über deren Lage habt ihr euch wohl nicht richtig informieren lassen. Was sollte ein Kastell in Orsofino bringen, habt ihr etwa das Gut Papilio und den Ort Falcino und somit die Straße nach Arinken, bereits aufgegeben? Nun gut, bestimmt hatten die früheren Herren der Signorie Sodanyo Dringlicheres zu tun als sich mit der Umgebung zu befassen. Das Einigeln des Bundes halte ich für ein falsches Zeichen in Richtung Pertakis, wir sollten uns für neue Mitglieder öffnen, nur dies kann der richtige Weg für die Zukunft sein um neue Beziehungen zu knüpfen und alte zu pflegen. Um ein Zeichen in Richtung der Pertakiser zu senden, denke ich wäre eine Aufstockung der Truppenstärke der Sheniloer Drachenreiter das richtige und weitaus offensivere Mittel."
"Um ein Zeichen für Neumitglieder des Sheniloer Bundes zu setzen, und auch wegen seiner ruhmreichen Heeresführung in der Fahnenschlacht von Gilforn, für Shenilo und wider Pertakis, gebe ich meine Stimme für das Amt des Gransignores von Shenilo an seine Hochgeboren Orsino Carson."

Ein Außenstehender widerspricht

Nicht sein Vetter schlägt Horathios Kandidatur vor, sondern er selbst

Nachdem der Beifall von Orsinos Unterstützern verklungen war, erschalle eine weitere Stimme: "Nach nur einer kurzen, friedensstiftenden Amtszeit unseres geschätzten Gransignores, Signore Gabellanos, dürstet es die Bundesbrüder bereits nach mehr Waffen? Nach "offensiveren Mitteln"? Nach einem Heerführer als Ersten Shenilos?" Vorgetreten war Horathio Brahl, ehemaliger Agent der Geronsbank und Hoflieferant in Horasia. Einige Anwesende hatten sich bereits gewundert, was der alternde Bankier mit dem Praiosamulett in der Dorénhalle verloren hatte. Die Brahl hatten noch nie einen Sinn für Traditionen - selbst frisch begründete.
"Verzeiht mein Auftreten vor der Eteria Shenilos, zu der nicht ich, sondern nur mein Vetter Daryl als Oberhaupt meines Hauses gehört. Doch es ist hier, vor den Ersten Shenilos, die über die Zukunft meiner geliebten Heimat entscheiden müssen, dass ich zu sprechen gedenke. Hier möchte ich einen Eid ableisten. Ein Versprechen, Shenilo mit friedlichen Mitteln zu vertreten - so Ihr mich als Euren neuen Gransignore dazu befähigt!"
Während ein Murmeln durch die anwesenden Eteri ging, hielt Horathio kurz inne. Er war kein geübter Redner vor größeren Versammlungen, doch er schlug sich wacker. "Signore Dorén warf soeben Signora di Selshed vor, nicht aus Shenilo als dem Kern des Bundes zu stammen. Gar mit einem meinem Empfinden nach unlauteren Vergleich zur Herkunft des Despoten Ludovigo! Will denn niemand ihm entgegnen, dass auch das Haus seines Favoriten, das Haus Carson, keine sheniler Wurzeln hat? Nein? Mit gutem Grund, sage ich! Denn der neue Gransignore wird nicht nur Shenilo vertreten, sondern den gesamten Sheniloer Bund! Wem steht es da zu, einer Kandidatin, dessen Haus ein treues Bundesmitglied ist, ihre Herkunft vorzuwerfen? Und zugleich eine wahllose Erweiterung eben jenes Bundes zu fordern!"
"Ich will nicht für das schwere Amt des Gransignore kandidieren mit dem Verweis, dass mein Haus seit langem direkt in der Stadt seine feinen Weine keltert - im Gegenteil: Ich möchte nicht als Brahl kandidieren, nicht als Sheniler - sondern als Sheniloer, als Bundesbruder! Meinen hier versammelten Brüdern möchte ich gar schwören, nicht nach Blutsbanden oder Versprechungen in den Hinterzimmern der Palazzi zu handeln, sondern nur nach meinem Gewissen und Vertrauen in die Götter. Praios möge mein Zeuge sein: Die Gerechtigkeit ist blind auch für Gefallen an die eigene Familie!"
Die Stille im Saal verriet die angespannte Atmosphäre. Horathio hatte auf etwas mehr Begeisterung denn Misstrauen gehofft. Hatte er zu lange gezögert mit seiner Kandidatur? Merklich nervöser ergriff er erneut das Wort, um seine Rede glücklicher enden zu lassen: "Ein Versprechen von Ehrlichkeit, mögt ihr nun denken, dafür allein soll ich diesen Herrn wählen? Mitnichten! Ich... ich sollte mich vielleicht genauer vorstellen, verehrte Eteri. Ich, Horathio Brahl, bin Hoflieferant und Bankier zu Horasia. Als ehemaliger Agent der Geronsbank weiß ich, wie schwer die leeren Kassen der Stadt auf seinem Magistrat lasten. Hier jedoch höre ich von neuen Ausgaben, von Verstärkungen der Truppen, vom Burgenbau, wo doch noch immer die Stadt unter der Abgabenlast ächzt, die den Wiederaufbau Porta Pertakias ermöglicht. Ist es wahrlich die Aufgabe des Gransignores, den Magistraten vorzugeben, wie mehr und mehr Gelder auszugeben seien? Und wo Orsinos Unterstützer eine Rückbesinnung auf die Stadt Shenilo selbst fordern, wo Signora Mazarina zur Bestrafung des vergangenen Unrechts der sogenannten Landherrenhändel aufruft, da sage ich: Nicht nur mit uns selbst dürfen wir uns beschäftigen! Der Sheniloer Bund ist Teil des Reiches des göttlichen Horas! Darum will ich mich bemühen, ein Ohr am Horashofe zu finden; Shenilo UND seine Bundespartner im Reiche zu vertreten! Ist nicht dies die wahre Aufgabe des "Ersten unter Gleichen"? Soll er nicht seine friedensstiftende Stimme für die geliebte Heimat erheben, statt den eitlen Lenker des gesamten Bundes zu spielen? Darum, meine Brüder, trete ich an für dieses ehrbare Amt, diese schwere Bürde. Und darum, meine Schwestern, bitte ich um eure Stimme!"

Geronsstadt Shenilo, 15. Praios 1036 BF

Die Geronsstadt platzte aus allen Nähten. Zu den üblichen Pilgern hatten sich Rondrianer gesellt, die den Halmars-Tag in der Nähe des Grabes eines noch größeren Helden verbracht hatten. Daneben waren einige fromme Gläubige der Göttin der Weisheit nach der Feier zu Ehren des Heiligen Argelion, des legendären Tempelstifters, im St.-Brigon-Tempel in der Stadt verblieben.
Das Gros der Krieger und Diurnisten, Hofpächter und Kirschwinzer, Tagelöhner und Schausteller, das den Geronsplatz und König-Khadan-Platz schier überquellen ließ, war allerdings wegen der anstehenden Gransignorewahlen nach Shenilo gekommen. Zum einen sicherlich, um das Wahlspektakel am 15., besonders aber die Amtseinführung des Gransignore am 17. Praios, vom Balkon des Magistratpalastes zu verfolgen. Zum anderen freilich auch, um dem eigenen Patron, der als Magistrat oder Gransignore kandidiert hatte, die Unterstützung zu gewähren. Vor allem aber hofften die Meisten auf ein großes Fest, das in der Vergangenheit noch meist vom siegreichen Gransignore oder von seinen Parteigängern durchgeführt worden war, um Popolo und Patriziat am Sieg teilhaben zu lassen. Kaum zwei Wochen nach Beginn des Jahres war die Lust der Menschen nach Feier, Trank und Gesang, die in den Tagen zwischen den Jahren ruhen mussten, umso stärker.
Dementsprechend hatte die Stadtgarde, ohnehin mit den zweimal zwölf Köpfen latent unterbesetzt, alle Hände und Füße damit zu tun, die Ordnung aufrechtzuerhalten. Schon sah man den ein oder anderen Mann im Rock der Geronsritter oder mit dem Emblem eines Adelshauses vor Tempeln und Palazzi stehen, um Übermütige von Treppenfeiern, Spottgesängen oder verbrecherischerem Tun abzuhalten.

In der Dorén-Halle, Shenilo

„... so bleibt mir denn in meiner letzten Sitzung der Eteria, die zugleich die erste des künftigen Stadtoberhauptes der Geronsstadt sein wird, den Mitgliedern dieses Hauses für die gemeinsame Arbeit für Wiederaufbau und Wohl Shenilos zu danken. Die Götter mögen geben – ich werde in jedem Fall auch weiterhin alles daran setzen – dass Landstadt und Bund weiterhin Garant für Stabilität und Gerechtigkeit für Patricii und Popoli in der Ponterra und darüber hinaus sein können."
Erlaubt mir, Eteri, zum Abschluss einen persönlichen, wenn auch politischen Ratschlag: Ich bin überzeugt, dass Mazarina Eugenie di Selshed eine vortreffliche Gransignora von Shenilo abgeben würde. Mit ihrer langen politischen Erfahrung, ihrem Weitblick, der sie auch mit den Geschehnissen nördlich des Banquir und südlich des Yaquir vertraut gemacht hat und ihrer Beharrlichkeit, die sie im Kampf für ihre Sache erworben hat, wäre sie geeignet, Shenilo im Inneren zu führen und nach Außen mit Weisheit und Durchsetzungsvermögen durch die Wellen der kommenden beiden Jahre zu lenken!“ Damit setzte sich Leomar Gabellano, Patriarch seines Hauses und für wenige Stunden noch Gransignore von Shenilo und überließ die Eteria ihren Diskussionen.

die Dorén-Halle gegen Anbruch der Dämmerung

Tankred Menaris blinzelte durch die Fenster der Dorén-Halle und hob eine Hand vor die Augen als das untergehende Praiosmal ihn blendete. Die Hitze würde bleiben, hatten sich die Steine des Gebäudes und der Straßen doch mit den Sonnenstrahlen vollgesaugt. Er hatte schon den ganzen Tag eine gewisse Schwere in den Knochen verspürt, als läge schlechtes Wetter in der Luft. Eigentlich ein Gefühl, dass sich nur einstellte, wenn etwas Unangenehmes bevorstand. Im Laufe der Abstimmung hatte das Gefühl nicht wirklich nachgelassen. Eigentlich gab es dafür gar keinen Grund.
Er blickte sich kurz im Saal um, wog die Zusammengehörigkeit von Eteri ab, die beieinander saßen und gruppierte andere, die noch kaum ein Wort gewechselt hatten. Durch Klienten und Verbündete wusste er so Manches, aber Vieles war ihm noch verborgen. Mühlstein dreht sich durch den Wein. Jeanos Wankara unterstützte also die Brahl mit ihrem Kandidaten Horathio. Genauso klar war, dass die Haus Gabellano ihre Verwandten aus der Septimana favorisierten, also hinter Mazarina di Selshed standen. Es stand zu befürchten, dass die Gesandten des Landes sich durch ihre kollektive Erhebung in den Stand der Cavallieri ebenfalls dieser Allianz angeschlossen hatten. Auch Tankreds eigenes Zusammengehen mit den Patriarchen der Häuser Dorén und Calven war durch die Doppelhochzeit kein Geheimnis mehr – spätestens nach der Rede Endors war auch allen Anwesenden klar, wen die drei Geschlechter zum Gransignore machen wollten. Einiges sprach dafür, dass man weitere Stimmen gewonnen hatte. Falter und Häuser.
Doch wie verhielten sich die alten Signorsgeschlechter? Die Schwarzenstamms und Aurandis, wie die Kaufherrenfamilien, die Cordur und di Asuriol, deren Patriarchen zu denjenigen gehörten, die wiederholt miteinander im Gesporäch gesehen wurden. Schließlich die Baronshäuser. Würden sie ihren Standesgenossen Orsino unterstützen oder wollten sie ihn im Gegenteil von noch mehr Macht fernhalten, um die ihre nicht in den Schatten zu stellen?
Als die Abstimmungen begannen wurde Tankreds Unwohlsein nicht besser. Nicht, was ich nicht weiß, ist das Problem, sondern das, was ich zu wissen glaube. Die erste Überraschung lag in der Stimme Daryl Brahls. Horathio Brahl war der Name, den Tankred aus seinem Munde zu hören erwartete. Stattdessen nominierte der Patriarch der Brahl Mazarina di Selshed! Mit einem dankenden Nicken nahm diese die Unterstützung von Seiten der Brahl entgegen, während in der Halle Gemurmel ausbrach. Eine Finte? Oder düpiert Daryl seinen eigenen Vetter? Diese Fragen beschäftigten Tankred nur kurz. Er wechselte Blicke mit dem Schirmer und dem Landvogt, die ähnlich alarmiert dreinblickten. Er schenkte dem Calvener ein humorloses Lächeln, während er in Gedanken Mühlstein und Traubenpresse zu Gabel und Fischen gruppierte. Mit Spannung erwartete er daher die nächsten Stimmabgaben.Gabellano Als schon einige der anwesenden Personen ihre Stimme abgegeben hatten, erhob sich der Patriarch der Familie Cordur von seinem Platz um zu sprechen. Mit „Werte Anwesende“, wartete er, bis die Versammlung wieder Ruhe gefunden hatte nach dem letzten Redner „wir haben nun verschiedene Stimmen gehört zu den einzelnen Kanidaten. Deshalb will ich es kurz halten mit meiner Stimmabgabe. Meine Stimme bekommt Orsino Carson, da meine Familie in ihm die einzige Möglichkeit sieht, die politische Struktur in dieser Stadt weiter zu festigen.“ Danach setzte er sich wieder hin, da er keine Schmähreden wider den anderen Kandidaten halten wollte.
Mit dieser Stimmabgabe hatte sich der junge Patriarch der Cordur in eine Tendenz seiner Vorredner eingeordnet, die – mit Ausnahme Dartan di Côntris‘ und Daryl Brahls – alle dem ebenfalls noch in besten Jahren befindlichen Baron von Gilforn ihr Vertrauen geschenkt hatten. Je älter der Eteró, desto älter die Gransignora? fragte sich Tankred mit einem angedeuteten Lächeln.
Jetzt ging alles sehr schnell: Der komplette Westen des Sheniloer Bundes – mit Ausnahme der Carsons aus Gilforn selbst – hatte Mazarina gewählt: Schwarzenstamm, di Côntris und – in einer Einmütigkeit, die wiederum für Unruhe sorgte – auch die Landstadt Côntris und die Gabellanos. Zu ihnen gesellten sich auch die Gesandte der Felsen, Gilmone Silandris aus Chetan, der ungeheuer angespannt wirkende Ilmordro de Maltris aus Sodanyo, der die Blicke des Landvogtes Endor mied und – nach dem Überraschungscoup Daryls – die Familien Brahl und Wankara. Neun Stimmen, mir ihrer eigenen!
Aber der Osten des Bundes stand fast ebenso geschlossen hinter Orsino. Ihn unterstützten die Aurandis aus Elemantessa, die Matienna aus Arinken und die ya Papilio vom gleichnamigen Gut.
Die entscheidende Stimme gab der alte Potros Tuachall ab, der sich auf einen knorrigen Stock stützte, der seinen verkrüppelten Beinen helfen sollte – „Die Tuachall unterstützen Orsino Carson!“ Zehn Stimmen! „So knapp war es seit Ludovigo nicht mehr!“, murmelte einer der Eteri in Tankreds Nähe. Mit professionellem Lächeln gratulierte der scheidende Gransignore Leomar derweil dem neugewählten Orsino. Während zuerst verhalten und dann energischerer Applaus aufbrandete, musterte Tankred die versteinerte Miene der Vikarin von Selshed und fragte sich, warum das Gefühl in seinem Leib nicht endlich verfliegen wollte. Er war froh, dass er den nun aufgetischten Speisen – „Zur Feier des erneuten Beweises unserer guten Ordnung“, wie es Leomar Gabellano ausdrückte – und Weiterem aus dem Weg gehen konnte, als er sich anschickte, das Consilium Draconis über den Ausgang der Wahl zu informieren und die Dorén-Halle verließ.

Ein Grätenvorfall

Einige Zeit später am gleichen Ort...

Grätige Zeichen

„Gebt mir nur ein Stückchen Brot“, verneinte der Nandus-Geweihte die Nachfrage des Dieners, der ihm soeben eine Scheibe von dem kräftigen Schinken abschneiden wollte, der als erster Gang aufgetischt worden war. Asteratus hatte den leeren Platz seines Patriarchen Tankred eingenommen, der seinen Pflichten als Consiliere Naclador nachgekommen und in den Praios-Tempel gegangen war. Ein Mitglied der Familie Menaris sollte dennoch an der Tafel sitzen, die die endgültige Befreiung des Gemeinwesens vor der Anarchie feierte.
Das erste Stundenglas verging und allmählich verflog die angespannte Grundstimmung, die Asteratus beim Betreten der Dorén-Halle vorgefunden hatte. Die Partei des Siegers hatte es verstanden nicht allzu laut zu jubeln, und allmählich war der verdrießliche Gesichtsausdruck der knappen Verliererin Mazarina einer gefassten Ruhe gewichen. Eine kleine Gruppe von Spielleuten, ein kleiner Mann mit Backenbart und Schalmei, ein hübscher Jüngling mit Laute und eine alternde Schönheit mit ihrem Gesang sorgten für eine angenehme Atmosphäre. Speis‘ und Trank taten ihr Übriges und Asteratus freute sich schon seinem Familienoberhaupt erklären zu können, dass sich dessen Sorge um ein unglückliches Ende des Wahltages nicht bewahrheitet hatte. Der ernste Blick, den Tankred seit einigen Jahren kaum noch ablegte, würde zwar nicht vergehen, aber vielleicht zumindest der angespannte Ausdruck um seine Augen? Asteratus hatte die Weisheit seines Patriarchen immer geschätzt, sich aber manchmal gefragt, ob sie nicht zum Preis einer von allzu großem Weitblick gespeisten Sorge um allzu viele Dinge erkauft worden war.

Jetzt trugen sie die Hauptspeisen auf: dampfendes Wild, duftende Soßen und weitere, von silbrigen Deckeln verborgene Speisen auf hölzernen Brettern. Ihm gegenüber stand nun die Vikarin von Selshed auf und hob ihren bläulichen Glaskelch, den Mann grüßend, der ihr um Haaresbreite die Amtskette des Gransignores davongeschnappt hatte. Während ein Diener ihre Speise von deren Deckel befreite verstummten die Gespräche nach und nach, um den Glückwünschen Mazarinas für Orsino lauschen zu können. Asteratus lehnte sich zurück, während sich Mazarina räusperte, ein schmales Lächeln aufsetzte und einen Blick auf ihr Hauptgericht warf. Mit einem lauten Klirren, der sogar die Spielleute zur Ruhe brachte zerbarst das Glas in Mazarinas zitternder Rechter. Soviel zur Sorge eines Patriarchen, dachte Asteratus, als er Mazarinas steinharter Miene und ihrem glühenden Blick folgte.
Auf dem Holz waren zwei Fische ausgebreitet, die allerdings wohl niemandem mehr zum Verzehr angeboten werden würden: In Gegenrichtung übereinanderliegend lagen dort zwei Fischgräten, deren unversehrte Köpfe sie als augenlos starrende Forellen, eine silbrig-weiß, eine bläulich, identifizierten.

In ungewohnt rechtschaffender Rolle: Daryl

Endor Dorén

"Ist Euch der Appetit vergangen, Signora di Selshed?", unterbrach Endor das ruhige Staunen der Anwesenden, indem er grinsend die Vikarin ansprach, die sich wohl an der Hand verletzt hatte. Er hatte sich zuvor angeregt mit Sharane ya Papilio, die rechts von ihm Platz genommen hatte, unterhalten. Es ging wohl auch um die Reitkünste ihrer Nichte Rahjada ya Papilio, die man neuerdings mit ihrer Schimmelstute über die Straßen des Umlandes preschen sah. "Ich kann Euch den Fasan empfehlen", Endor zeigte mit der Gabel, von der er gerade noch ein Bruststück des Bratens gegessen hatte, auf die fast schon leere Platte, die ein Diener vor geraumer Zeit in seiner Nähe platzierte. "Butterzart gegart, die Haut knusprig und die Pilze harmonieren überraschend vorzüglich. Ihr müsst Euch aber sputen, sonst kommt Euch auch hier ein ehrenwerter Signor zuvor." Endor konnte sich ein breites Grinsen nicht verkneifen, als er den Kelch mit Sandwein zum Mund führte, um das letzte Stück der Bratens hinunter zu spülen.

Daryl Brahl

Noch bevor der hochroten Vikarin ein Wort über ihre bebenden Lippen kam, erhob sich ruckartig Cavalliere Brahl von seinem Platz an der Tafel. Einen Moment zögerte er, wie selbst von seiner unüberlegten Reaktion überrascht. Doch wenngleich Signore Daryl Orsino und einige seiner Parteigänger keinesfalls als Feinde betrachtete, schien ihm dieses unsittliche Verhalten zu empörend, als es unter wahltechnischen Bedenken unbeantwortet zu lassen.

„Wenn Ihr mich bitte entschuldigen würdet... ich habe meine Theaterkarten daheim vergessen." Der schneidende Ton seiner Stimme unterstrich Daryls Empörung, als er darauf zu den Türen schritt, wo seine Leibsekretärinnen auf ihn warteten – und er ohne weiteren Gruß den Saal mit ihnen verließ.

Asteratus Menaris

Asteratus Menaris war nicht der Einzige, der seinen Stuhl einen Schritt weit nach hinten schob, als er sah, wie Mazarinas Hand nach einer Waffe griff, die sie glücklicherweise nicht mit sich führte. Aber ihr Blick genügte, um zu erahnen, welchen Vogel sie damit butterzart zerteilt hätte, erhielte sie die Gelegenheit. "Diese...Beleidigung wird gesühnt werden, wie die anderen zuvor, Eteri, merkt Euch diese Worte!"
Ihr Stuhl fiel scheppernd zu Boden, als die Vikarin sich auf dem Absatz umdrehte und - einen stetig lauter werdenden Aufruhr hinter sich lassend - aus dem Raum schritt. Der Nandus-Geweihte blickte unterdessen Endor Dorén mit neuen Augen an. Er galt als Mann des Krieges, mehr denn als Mann der Politik. Wer hätte gedacht, dass er auch das feine, aber schmerzhaft schneidende Stilett politischer Inszenierungen und Symbole so fein zu schwingen imstande war?

Tyerka Wankara

Tyerka Wankara brauchte geraume Zeit bis sie Ihr Entsetzen überwunden hatte. "Geschmacklos", war ihr erster Kommentar, ihren Sitznachbarn gegenüber. Dann wurde sie bestimmter: "Wer immer dies ersonnen und veranlasst hat, hat nicht nur die Eteria kompromittiert. Auf was für ein Niveau sind wir gesunken?", dabei warf sie dem Baronet Dorén einen verächtlichen Blick zu. "Ganz zu schweigen, welche Schmach es für den Gransignore ist, dass sich solch ein Affront an seiner Tafel ereignen kann." Sie schüttelte den Kopf. "Bleibt nur zu hoffen, dass man in der Lage ist, zeitnah einen geständigen Schuldigen zu präsentieren."

Endor Dorén

...einige Zeit später

Nachdem sich der Tumult in der Dorén-Halle wieder etwas gelegt hatte, erhob sich Endor Dorén von seinem Platz und ergriff das Wort: „Euer Wohlgeboren Orsino, werte Eteri, zu allererst möchte ich dem neuen Gransignor zu seinem Sieg gratulieren. Möge es nicht der letzte gewesen sein, im Felde als auch auf dem Parkett, und möge er Shenilo in eine neue, für uns alle gute Zeit führen und stets die richtigen Entscheidungen treffen! Wie schon mein Mentor an der Hohen Schule der Kriegskunst des Heeres immer sagte: „Ein Feldherr ist wie ein Gastgeber: Erst wenn etwas schiefgeht, zeigt sich sein Talent.“ Auf Euch, Gransignor Orsino!“ Endor senkte kurz sein Haupt zu einer Verneigung, bevor er fortfuhr: „Meine Worte waren in den letzten Tagen nicht sonderlich mit Bedacht gewählt und erregten wohl einige zarte Gemüter. Dies möge man mir anlasten oder es mir nachsehen, wie auch immer. Von von langer Hand geplanten Bloßstellungen oder gar Handlungen wider den Frieden von Shenilo, beschlossen im Jahre 1030 nach dem Fall des hunderttürmigen Bosparan, müssen ich und mein wohlgeborenes Haus jedoch aufs schärfste Abstand nehmen und diese zurückweisen, beim göttlichen Ucuri! Dies war nie die Vorgehensweise der Dorén und wird es auch nie werden. Falls es Signora Mazarina di Selshed nach einem klärenden Gespräch hierzu verlangt, sei sie, wir Ihr alle, auf Burg Yaquirstein im Sinne Travias willkommen. Dies möge man der Signora berichten als Ausklang dieser Sitzung.“

Leomar Gabellano und Asteratus Menaris

Leomar Gabellanos Miene war kaum zu lesen, als er das Wort an Baronet Endor und die Versammelten richtete.
"Wenn ein Gransignore sich die Schmach dieses Ereignisses aufladen muss, dann bin ich es, werte Eteri und sicher nicht der Baron von Gilforn, der - noch - keine Macht über diese Hallen hat."
Asteratus Menaris saß noch immer zusammengesunken auf seinem Stuhl und beharrte auf seiner ursprünglichen Einschätzung, dass es besser war, sich einstweilen aus der Sache herauszuhalten. Dennoch musste er jetzt etwas schmunzeln, versuchte dies aber hinter wohlwollendem Gesichtsausdruck über die Worte des Patriarchen der Gabellano zu verbergen. Wenn man diese Sitzung zum Vorbild nimmt, dann muss man sich ohnehin fragen, wer unter Gransignore Orsino die Macht in Bund und Eteria in Händen hält dachte er.
"Meiner Entschuldigung über diesen Küchenfehler werde ich gerne Eure Erklärung, Signore Endor, beifügen und beides wortgetreu an die Vikarin weiterleiten, um dieses Missverständnis zu beseitigen", fuhr Leomar nun fort. Nun war das anerkennende Nicken des Nandus-Geweihten nicht mehr gespielt. Er blieb dennoch stumm und kommentierte die Worte Leomars lediglich in Gedanken. Eine solche herrschaftliche Anweisung an Gleichgestellte als "Erklärung" zu bezeichnen verlangt wahrhaft die Gaben eines Diplomaten. Derweil wanderte sein Blick zum Schirmer der Flut, der bisher - und sicher mit gutem Grund - stumm geblieben war. Denn wenn ein solcher Akt einem der anwesenden Häuser aus politischen Gründen zuzutrauen war, dann dem Hause Calven. Freilich, dem Wesen des Signore Marino waren derlei Akte sicher eher fremd, soweit Asteratus dies zu sagen vermochte.

Endors Vorschlag

Endor spürte so manchen bösen, aber auch mahnenden Blick einiger Anwesender. Sogar die eigentlich ganz reizende Signorina Tyerka Wankara müht sich, ihrem Antlitz etwas Bedrohliches zu verleihen, dachte er und musste schmunzeln. Hatten nicht die meisten an dieser Tafel noch vor wenigen Jahren auf dem Schlachtfeld gegen ihn gestanden oder ihn und seine wenigen Getreuen in Sodanyo belagert? Hatten Sie nicht seine Burg berannt und damit gar das Leben der Mitglieder seines Hauses bedroht? Wie viele Böse Blicke wären von ihm deshalb gerechtfertigt gewesen? Nun, die meisten ehrenwerten Häuser und Familien hatten ja rechtzeitig das sinkende, in dem Fall wohl eher brennende Schiff des Ludovigo verlassen und es galt nun nicht in Erinnerungen zu schwelgen, sondern Shenilo in eine bessere Zeit zu führen.

Endor Dorén war sich bewusst darüber, dass die kommenden Jahre zu einer Zerreißprobe für den Sheniloer Bund werden würden und war keinesfalls so zuversichtlich wie es seine Worte glauben ließen. Dies hatte den Ursprung wahrlich nicht in seinem kleinen Spaß hier an der Tafel der Eteria, sondern spiegelte sich bereits im Wahlergebnis der gerade ausklingenden Gransignorewahl wieder. Sie sollten ihm danken, ja, danken, fand Endor, dies auf eine zugegeben recht unkonventionelle Art kund zu tun. Er musste für das Wohlergehen des Bundes sorgen und dazu einige Fäden in den Händen halten, zumindest im Hintergrund. Endors Stirnfalten, die man nur sah, wenn er angestrengt nachdachte, zeigten sich und er drehte den fast leeren Kelch Wein in seiner rechten Hand.
Nach einiger Zeit erhob er sich erneut, den Kelch gedankenverloren immer noch in der Hand und sprach „Werte Anwesende, liebe Freunde meines Hauses, ich möchte diese Zusammenkunft so vieler Edler Signores und Signoras nutzen um einen neuen Amtsträger für das seid langem verwaiste Amt des Herold des erstarkten Sheniloer Bundes zur Ernennung vorzuschlagen, er solle immer und überall in den Städten, Dörfern und Gütern des Bundes und seiner ehrenwerten Mitglieder das Wort unseres Wohlgeborenen Gransignores und die Beschlüsse des Magistrates verkünden, über die Wappen der Ahnenbücher wachen und bei Verstößen und Titelanmaßung das Heraldische Tribunal anrufen um die von Praios gegebenen Ordnung wieder herzustellen! Ich schlage ein Mitglied meines Hauses, meine Großnichte Avessandra für dieses Amt vor, sie ist Gemahlin des Sohnes unserer Heroldin aus vergangenen Tagen, aus dem ehrenwerten und wohlgeschätzen Hause der ya Satara, denen soviel Unheil mit diesem Amt widerfuhr, das bis heute ungesühnt ist, es aber nicht mehr lange bleiben wird, darauf mein Wort.“ Nun bemerkte Endor den wohl etwas unpassenden Weinkelch in seiner Hand, stellte ihn kommentarlos auf die Tafel und nahm Platz.

Leomars Gegenvorschlag

Leomar Gabellano lächelte seinen Amtsvorgänger freundlich an.
"Darf ich vorschlagen, dass wir diese Sitzung vertagen und das in der Tat seit mehreren Monden brennende Thema des Heroldsamtes in der ersten Sitzung nach der Neuzusammensetzung des Magistrates gemeinsam mit anderen drängenden Fragen erörtern? Das hätte auch zur Folge, dass die Eteri Brahl und di Selshed sich an der Debatte beteiligen könnten, was zumindest in meinen Augen nicht unwichtig sein dürfte. Ich werde mich dann baldmöglichst gen Norden begeben um der Vikarin die Worte des Signore Endor zu übermitteln."