Briefspiel:Malbeth und Delhena (6)

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Datiert auf: Ende 1012 BF Schauplatz: vor allem Ankram und Onjaro Entstehungszeitraum: im letzten Jahrtausend
Protagonisten: siehe Übersichtsseite Autoren/Beteiligte: Christel Scheja, Markus Hattenkofer, Niels Gaul; bearbeitet von Michael Hasenöhrl und (fürs Wiki) Armin Bundt
Zyklus: Übersicht · Malbeths Aufbruch · Von Onjaro nach Ankram · Delhenas Warten · Weitere Gäste ... und ein Tanz · Malbeths Zweifel · Treffen in der Nacht · Die Einladung · Jaarns Antwort · Die Feier zu Ankram · Eine besondere Überraschung · Jaarns Ankunft · Weitere Gäste · Das Fest beginnt · Unterbrochene Zeremonie · Bankett, Tanz und allerlei Reden · Gespräche abseits der Feier · Ein wenig festliches Ende · Die Kreisweihe ... · ... und eine druidische Trauung · Die Geburt der Erben Ankrams und Onjaros

Treffen in der Nacht

N

ach dem Fest hatte auch Delhena nicht schlafen können. Ihre Dienerinnen hatten ihr geholfen, sich umzukleiden, und so saß sie nun am Fenster und lauschte den leiser werdenden Gesängen der Nachtvögel in den Ästen der Bäume.
Sie war verwirrt, denn noch immer wußte sie nichts - wußte sie nicht, was sie tun sollte. In einem hatte sie sich bereits entschieden - sie wollte nicht länger alleine bleiben. Die Zeit, da sie ihren verlorenen Töchtern nachtrauerte, in der sie sich geweigert hatte, anderes in ihr Herz zu lassen, war vorbei.
Sie stützte den Kopf in die Hände.
Beide ... liebten sie auf ihre Art und Weise. Wer konnte leugnen, daß Jaarn Firunwulf der Mächtigere, der Lebhaftere war? Sie fand ihn interessant ... auf eine seltsame Art und Weise.
Malbeth Glandore hingegen war still und zurückgezogen, er besaß andere Eigenschaften, die ihre Seele berührten. In ihm fand sie Aufrichtigkeit und Treue, Wesenszüge, die sie in den vergangenen Jahren vermißt hatte.
Sie bezweifelte nicht, daß der eine wie der andere ... auf welch seltsame Gedanken kam sie da? Die Sharizad in ihr ermahnte sie, sich nicht in Gefühlen zu verstricken, Herrin der Lage zu bleiben.
Da hörte sie eine leise Melodie aus dem Garten. Wer sang hier und jetzt? Es war keiner der Barden Ankrams, nicht einmal Renardo, von dem sie es gewohnt war. Der alte Sänger tat dies manchmal aus reiner Freundschaft, nicht weil er sie liebte ...
Delhena verließ den Raum nun durch eine Seitentüre und schlich hinaus in den Garten.
Dann sah sie die auf einer Bank hockende Gesatlt, die tief in sich selber versunken war.
‘Im Tanz liegt Wahrheit ... aber auch in der Musik ... wenn du ein Teil von ihr bist ...’ dachte sie. Und er war es. Malbeth Glandore. So sehr sehnte er sich nach ihr? So sehr ...
Der leise, vielstimmige Gesang, die zarten Klänge berührten einen Teil ihres Selbst, den sie schon lange vergessen geglaubt hatte, und sein Zauber erweckte Erinnerungen in ihr.
‘So tief zu lieben und geliebt zu werden ... Als junges Mädchen liebte ich ihn ... den Sohn der Wüste so sehr, doch er spielte nur mit mir. Sein einziges Geschnek ist verloren! Und ich verzweifelte, und mein Herz verhärtete sich. Niemals mehr zu lieben, sich ganz zu verlieren ...’
Und nun spürte sie, wie durch den Gesang, durch die Worte und Töne, die allein durch die Gefühle des Mannes vor ihr bestimmt wurden, Schale um Schale brach, die die Jahre um sie herum gebildet hatten. Sie fühlte sich in ihre Jugend zurückversetzt, in die Nächte unter dem klaren Himmel Rashduls. Der Blütenduft lag schwer in der Luft, die Vögel sangen süße, schwere Lieder ...
Delhena fühlte sich gefangen und doch frei. So geliebt zu werden. So tief aus der Seele heraus.
Sie bemerkte gar nicht, daß er längst verstummt war und sie bermerkt hatte. Sie kam erst wieder zu sich, als sie spürte, wie jemand ihre Füße rieb und wärmte.
‘Oh Rahja’ dachte sie. Schon hatte sie sich wieder gefangen und bedeckte sich mit den Schleiern der Sharizad, als sie auf ihn hinunterblickte und den warmen Schimmer seiner Augen einfing.
Ein Kribbeln machte die Spannung in ihren Schultern spürbar. Delhena erschauderte leicht unter ihm, denn der Zauber des Augenblicks ließ sie stumm bleiben. Sie konnte ihn nicht mit einer belanglosen Bemerkung zerstören. Sie wagte es nicht einmal.
Sie blickte Malbeth nur weiterhin ruhig an und spürte, wie das, was sie zu verbergen suchte, nicht verborgen bleiben konnte. Stück um Stück gitten die Schleier von ihr, und auch wenn sie versuchte, sie noch zu erhaschen, so entwichen sie doch ihren zitternden, unsicheren Fingern.
„Oh Malbeth ...“ flüsterte sie plötzlich - verwirrt über ihre eigene zitternde und hilflose Stimme, ihren seltsamen Klang.
„Oh Malbeth ...“ Die Förmlichkeit und Distanziertheit der Landherrin wich von Delhena, wie auch die Angst schwand, als sie sich leicht vorbeugte und mit ihren Fingerspitzen seine Hände berührte. Dann versagte ihre Stimme.
Worte genügten nicht, waren gar fehl am Platze in diesem Augenblick, um das auszudrücken, was sie spürte. Sie vermochte es nicht in Worte zu kleiden ...
Auch er war keiner Rede fähig, blickte sie nur unverwandt an, seine Seele öffnend.
Delhena glitt in einer anmutigen Bewegung auf die Beine und zog ihn zu sich hoch.
Eine einzelne Träne glitt perlend über ihre Wange, und schon berührte der Mann vor ihr mit einer sanften Geste die Wange und hielt das kostbare und doch so vergängliche Juwel auf.
„Delhena?“
Seine Stimme war leise und zitternd wie die ihre.
‘Was tue ich? Was soll ich tun?’ Delhena weinte um ihrer Unentschlossenheit willen. Und wie durch ein kleines Wunder, nein Wissen tröstete Malbeth sie mit kleinen, scheuen Gesten.
„Oh, ich dachte, ich hörte jemanden ...“
Eine dunkle Stimme gellte störend, hereinbrechend wie ein Orkan, in ihren Ohren.
Delhena und Malbeth sahen sich an und flohen zurück in ihre Gemächer, noch ehe der Störenfried in ihr Blickfeld kam, der weiterhin taumelnd durch den Garten irrte.
Das Herz klopfte Delhena bis zum Hals, ehe sie ihre Gemächer erreichte und scheu aus dem Fenster blickte.
Es war wieder still, und doch konnte sie nicht recht Ruhe finden.
Wem hatte die Stimme gehört? In ihrer Gebanntheit und Aufregung über die Störung konnte sie sie nicht mehr erkennen, und auch jetzt blieb sie unpersönlich - fremd. Fremd wäre jeder in diesem Augenblick gewesen, selbst die treuesten Diener.
Delhena warf sich zitternd auf ihr Bett.

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ie Nacht war nun fortgeschritten, aber die Herrin von Ankram fand keine Ruhe. Schlaflos warf sie sich hin und her und versuchte die Gedankenfetzen zu ordnen, die wirr durch ihren Kopf rasten.
‘Rahja ... was ist nur mit mir? Das ist kein leichter, sinnverwirrender Rausch, der mich da erfaßt hat. Ich ...’ Sie setzte sich auf und schlug die Hände vor das Gesicht. ‘Göttin! Was soll ich tun? Meinen Gefühlen nachgeben? Meinem Wunsch, nicht mehr allein zu sein? Ich weiß es nicht! Ich kann es nicht ...’
Und wieder tauchten vor ihrem inneren Auge die beiden auf, die um sie geworben hatten. Die kalte Sharizad hätte sich geehrt gefühlt und beide erhört, mit ihnen gespielt, aber Delhena konnte und wollte es nicht mehr.
‘Ich wäre eine falsche Schlange ... aber ich will es nicht sein ...’ Delhena beruhigte sich wieder ein wenig und nahm die Hände vom Gesicht, ehe sie sinnend aus dem großen Fenster blickte. Die Entscheidung war schwer, aber sie würde sie treffen müssen. Und lag ihr nicht auch daran? Lag ihr nicht daran, nicht länger alleine zu bleiben?
Doch wer sollte es sein?
Wen sollte sie erwählen? Wen begehrte ihr Herz? Delhena erhob sich verwirrt und schob eine vorwitzige Strähne zurück, ehe sie sich erhob und wieder an das Fenster trat. Ihre Gedanken glitten zurück, und sie fragte sich, was sie getan hätte... wenn ...
Delhena stützte die Hände auf das Fensterbrett. Sie schauderte, aber es war nicht ob der Kälte, sondern einer Idee, einem Plan, der sie vor ihrem eigenen Tun erschrecken ließ.
Die Baronin schloß die Augen und legte den Kopf in den Nacken, und stumm formulierte ihr Geist eine Bitte. Ein Gebet.
Als sie ihr Zimmer verließ, glaubte sie einen schweren süßen Hauch zu spüren, Blütenduft einer ganz besonderen Art ...

A

ber Herrin! Ihr solltet essen, bevor das Gericht kalt wird!“ tadelte die alte Dienerin. „Seit die edlen Herren zu Besuch waren, wirkt Ihr mir verändert.“ Sie lächelte verschwörerisch. „Sagt, hat einer von den edlen Herren Euer Herz gefangen?“
Delhena blickte auf, als hätte man sie ertappt, und lächelt wehmütig. Dann seufzte sie: „Und doch ist es nicht so leicht, denn beide lieben sie mich, und ich ...“
„Oh ...“ murmelte die Dienerin. „Das erklärt auch, warum die beiden edlen Herren am Morgen nach der Feier so verwirrt schienen ... Ihr macht es ihnen nicht leicht.“
„Weil ich es mir auch nicht leichtmache, Mariala, ich habe es mir hingegen noch schwerer gemacht ...“ flüsterte Delhena schuldbewußt. Sie erinnerte sich schweigend an das, was sie getan hatte und was sie alle drei offensichtlich noch mehr verwirrte. Am Morgen war sie wieder die Baronin gewesen.
Freundlich zwar, aber auch distanziert. Was hätte sie sonst tun sollen, um zu verbergen ...
‘Rahja, habe ich mit ihnen gespielt am Abend vorher? Habe ich sie betrogen, oder habe ich nur Hilfe gesucht, Hoffnung und Kraft? Mich zu entscheiden?’
Der Besuch war nun vorüber und die beiden anderen in ihre Baronien heimgekehrt.
Plötzlich stand sie auf. Ihr Körper bewegte sich zu einer unhörbaren Melodie, die nur in ihrem Geist erklang und ihren Körper zum Schwingen brachte. Sie tanzte ihre Verwirrtheit, und ihre Schritte folgten dem Rhythmus von Malbeth Glandores Lied ...