Briefspiel:Shenilos Farben (1)

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Shenilo, Mitte Efferd 1041 BF, die Dorén-Halle

Ehrwürdig kommt der Bund zusammen

Aldara und Rondrigo Schwarzenstamm

Zwei Diener schritten um die lange Tafel in der Dorén-Halle, die für die Eteri aufgebaut worden war und verteilte Getränke. Nicht alle Stühle waren besetzt, entweder weil der Gransignore zu kurzfristig zu dieser Versammlung gebeten hatte oder, weil nicht alle ein Interesse an der Causa Gerondrata hatten.
Aldara Schwarzenstamm konnte die steile Falte zwischen den Augen ihres Vaters deutlich erkennen, die seine Unzufriedenheit darüber verriet. Deshalb beeilte sie sich, sich zu erheben, und das Wort an die Versammelten zu richten, auch wenn noch nicht jeder einen Kelch vor sich hatte. "Werte Eteri und Gesandte der Hausoberhäupter,
im Namen des Hauses Schwarzenstamm und meines Vaters, Gransignore Rondrigo, begrüße ich Euch und beglückwünsche Euch zu Eurem Erscheinen. Es scheint, nachdem wir erst jüngst einen wackeligen Frieden mit Pertakis geschlossen haben, vielleicht widersinnig, über den Krieg in der Gerondrata zu sprechen. Warum es aber sehr wohl sinnig, vielleicht gar lebenswichtig für Shenilo sein kann, sich darum zu scheren, was südlich des Yaquirs geschieht, wird Euch mein Herr Vater nun darlegen."

Rondrigo Amando Schwarzenstamm richtete sein Wams und ließ die geballte Faust einmal über den roten Stoff gleiten, den er heute zum ersten Mal seit seiner Wahl angezogen hatte. Er hielt Ausschau nach dem Pokal guten Weins, den er vor einiger Zeit geordert hatte und sah ihn zu seiner Befriedigung auf dem Tablett eines Dieners den Weg zu ihm finden.
Inmitten der Eteri saß ein Mann, den Rondrigo noch nie gesehen hatte. Sein Alter war schwer zu schätzen, er mochte zwanzig Sommer zählen oder auch doppelt so viele. Aus halb geöffneten Augen hatte er, scheinbar wenig interessiert, die Ankunft und die gegenseitigen Respektbezeugungen der Mitglieder der Eteria beobachtet. Sein Haar war, wie das eines Rondrianers scharf geschnitten, reichte indes hinten über die Ohren. Zu dem Erscheinungsbild eines Kriegers passte auch das speckige Lederwams - allerdings war er unbewaffnet, wie alle anderen auch. Als nun der Diener mit dem Tablett und Rondrigos Pokal an ihm vorbeikam, zeigte der Mann zum ersten Mal eine Regung - dann war sie aber kaum zu übersehen. Ein kräftiger Arm ruckte nach oben, ergriff den Pokal und schütte sich sogleich einen großen Schluck Wein - Rondrigos Wein! - in den grinsenden Mund.
Rondrigo verschluckte sich beinahe und er fühlte, wie im die Zornesröte ins Gesicht trat. Die beschwichtigende Hand seiner Tochter auf seinem Unterarm war alles, was ihn daran hinderte, seinerseits aufzuspringen und sich seinen Wein zurückzuholen.
Stattdessen erhob sich der Gransignore, atmete tief durch und richtete dann das Wort an die Anwesenden - er vermied den Blickkontakt mit diesem Kerl, der seinen Wein gestohlen hatte.
"Es ist nicht widersinnig, sich über die Gerondrata Gedanken zu machen, im Gegenteil. Ich will Euch nur drei Gründe nennen." Er hob den Daumen.
"Zum Ersten haben viele von uns Bindungen in die Gerondrata, über Verwandte, Lehensleute oder Lehensherrn sowie Kirchenobere. Der Streit zwischen Carsons, Calvens, Dorén und Menaris in Paquirella und im Wald von Barbacante hat einen Magistratsbeamten unserer Stadt, den von mir ernannten Constabler bedroht und den Ruf der Drachenreiter beschädigt. Noch heute steht eine Eskadron unserer Reiter südlich des Yaquir, um uns vor dem Krieg der Farben zu schützen. Wir haben gesehen, dass die Sheniler und Sheniloer sich nicht heraushalten können, selbst wenn die Stadt und ihre Eteria es zu tun versucht."

Ruft zur Parteinahme auf - Rondrigo Schwarzenstamm

Rondrigo hatte sich über die Sache mit dem Wein inzwischen etwas beruhigt, deshalb riskierte er einen Blick hinüber zu dem Weindieb. Sitzt der Mann etwa auf dem Stuhl der Menaris?
Der Zorn des Gransignores wich einer wachsenden Verwirrung. Er ließ sich davon jedoch nur kurz unterbrechen, hob den Zeigefinger und fuhr schließlich fort.
"Zum Zweiten haben wir gehört, was in Clameth vor sich gegangen ist. Dort hat der Popolo nicht einmal, sondern zweimal aufbegehrt und sich eine eigene, neue Herrschaft zu geben angemaßt." Er machte eine beschwichtigende Geste. "Die tumbe Wut Baron da Brasis und seiner Söldner haben sicherlich das ihre dazu beigetragen. Aber was wir auch von anderen Orten - ich nenne nur Leonesco und Montarena - gehört haben, sagt uns doch, dass der Samen des Aufruhrs, der in der Erzherrschaft schon immer reichhaltig ausgestreut worden ist, einmal mehr seine bitteren Früchte gezeigt hat. Als ein Landstrich, der stets in enger historischer wie traditioneller Verbundenheit zur Erzherrschaft, seinem Adel und seinen Kirchen gestanden hat, wäre es nicht nur unklug, sondern gefährlich, wenn wir diese Entwicklungen ignorierten. Täten wir es, so hätten wir vielleicht bald eine Herrschaft der Wütenden in Chetan oder Arinken."
Der Gransignore hob den dritten Finger.
Rondrigo wurde jetzt immer sicherer, immerhin hatte er seine Worte mit Aldara mehrfach durchgesprochen, damit ihm nichts Wichtiges entfiel. Er war noch nie ein Mann großer Reden gewesen.
"Zum Dritten schließlich ist es jetzt noch möglich, auf den Ausgang dieses Konfliktes einzuwirken, bevor es andere tun. Meine Kontakte ins Arivorer Land sagen mir, dass Ancuiras Alfaran persönlich in Terubis gelandet ist, um sich mit Gewalt zu holen, was die Götter ihm nicht gewährt haben. Auch in Aldan und Urbet sollen die sogenannten "Roten" die Schwerter gezogen haben. Der rechtmäßige Herr der Kirche der Leuin im Horasreich, Romur von Schreyen, hat Alfaran die Umkehr befohlen, aber der hat bekanntlich keine Schwierigkeiten damit, die Befehle seiner Oberen zu ignorieren, wovon die Almadaner zu berichten wissen."
Das Folgende hatte Rondrigo nicht üben müssen, sein Zorn war immer noch frisch, deshalb ballte er die erhobenen Finger zur Faust. "Die einstige Mission des Comto Marschall, die Gerondrata zu befrieden, ist längst zu einem Streben nach persönlicher Macht geworden. Dabei schreckt er nicht davor zurück, seine Söldlinge wüten zu lassen, wie es zuletzt die Strozzacken getan haben! Mein eigener Schwiegervater", Rondrigo ließ seine Faust auf den Tisch sausen, "Barbio von Tolmanayo ist dem ziellosen Wüten der Blutaare in Clameth zum Opfer gefallen." Einige der Eteri zuckten zusammen, aber der unsägliche Mann grinste doch tatsächlich wieder.
"Es kann daher nur eine Seite geben, die Shenilo unterstützen kann, der ich meine persönliche Unterstützung bereits versichert habe: Ich sage, schließen wir uns dem einzigen Mann an, der die Ordnung in der Gerondrata wiederherstellen will und es auch tun kann. Unterstützen wir Domaldo von Westfar und die Sache der Weißen!"

Ruft zur Mäßigung auf - Marino von Calven

Marino von Calven

Marino von Calven war ungehalten. Zum Ersten über die eilige Einbestellung der Sitzung (er wurde dringend anderswo gebraucht), zum Zweiten über die Kriegsbemühungen des neugewählten Gransignore (als ob der Konflikte in den letzten Jahren nicht schon genug gewesen wären), zum Dritten – und das in steigendem Maße - über das ungehörige Gebahren des Jünglings, der sich dort im Stuhl der Menaris herumlümmelte. „Lümmel, ja, das ist wohl der richtige Ausdruck“, dachte er sich, bevor er das Wort ergriff.

„Verehrte Schwestern und Brüder, ich will mich kurzhalten. Der Vorschlag ist auf dem Tisch. Ich sehe aber noch nicht ganz, wie Shenilo von diesem Eingreifen in einen fernen Konflikt wirklich profitieren kann. Fischzug ist alle Tage, aber nicht alle Tage Fangtag. Die Sache mit Eurem Schwiegervater tut mir Leid und Ihr habt mein Mitgefühl. Aber, was die Unruhen angeht, Signore Schwarzenstamm, lasst den Tempel im Dorf: Arinken ist nicht Clameth. Die dortigen Unruhen sind lokal, ein Überschwappen auf die Ponterra mehr als unwahrscheinlich.“

Ihm war angesichts der Lage in Calven nicht ganz wohl bei dieser Aussage. Seit dort das Ingerimmviertel voller geflüchteter Arivorier war, berichtete Maestra di Gondolfini von Übergriffen und Unruhen in der Stadt. Er sprach weiter:

„Das Haus Calven wird alles in seiner Macht Stehende tun, um zu helfen, die Vorfälle im Süden aufzuklären. Meinem Gevatter und seiner Frau sind schmählichstes Unrecht geschehen. Darüber werden, wenn ich richtig informiert bin, nunmehr die Gerichte zu urteilen haben. Wenn Signore Orsino in dieser Runde den Bündnisfall erklärt, sind wir die ersten, die ihm zur Hilfe eilen werden, wie er und Ihr anderen damals in Calven. Bis dahin glaube ich, dass Shenilo vom Frieden mehr profitiert als vom Krieg. Die Drachenreiter sollten natürlich vorerst südlich des Yaquir verbleiben. Wer will, soll unterm eigenen Banner in den Krieg ziehen. Die Stadt aber möge vorerst neutral bleiben. In aller gebotenen Kürze möchte ich im Übrigen den ... Vertreter der Familie Menaris bitten, uns wenigstens seinen Namen zu verraten.“

Fühlt sich uninformiert - Daryl Brahl

Daryl Brahl

Gänzlich konnte sich Daryl Brahl die Schadenfreude nicht verkneifen, ob dieses erfrischend rüpelhaften Kerls, der da die Mörder seines Bruders und Großvaters in der Eteria zu vertreten schien. Der Mann hatte allerdings auch nicht den Wein des Brahl angetastet, drum musste Daryl den Zorn des Schwarzenstamm nicht gänzlich nachempfinden. Ärgerlicher hingegen empfand er, dass er von dieser Beule im politischen Parkett der Stadt rein gar nichts wusste - auch nicht, was die Menaris zu diesem repräsentativen Schönheitsfehler bewogen haben mag. Beifall vermochte Daryl von den erschienenen Eteri jedenfalls nicht zu vernehmen.

Bevor sich Daryl sich also der wahren Bundesgefahr widmen konnte, winkte er sich mit Kelch formender Hand einen solchen herbei. Als ein Diener den Trunk vor Daryl auf dem Ratschbrett platzierte, fielen ein paar schnelle, leise Worte und der dritte Diener des Saals entschwand kurz darauf wieder in die Küche.

Der schwere Brokat lag schwer auf den Schultern des Patriarchen, zu schwül war dieser Spätsommertag. Auf seinem eiligen Weg in die Dorénhalle vermochte Daryl nahende Regenwolken zu entdecken. Ein lauer Sommerregen wäre genau das richtige, um diesen ungewöhnlich heißen Tag und das schwangere Klima abzukühlen. Im Saal hingegen blieb die Atmosphäre vorerst drückend. Aufrecht wie stets auf seinem fein geschnitzten Stuhl sitzend, wartete Daryl die Antwort des Unbekannten ab - oder aber das ungehaltene Gebahren eines weniger geduldigen Eteros.

Ist neu dabei - Umbario Menaris

Umbario Menaris

Umbario hatte den Vorschlag von Onkel Tankred, zu diesem Treffen zu gehen, schnell angenommen. Ein paar Tage auf Buchrücken starren und langweiligen Geschichten von toten Magiern und ebenso toten Priesterinnen hatten ihm gereicht, um sich nach Vinsalt zurückzusehnen. Angroschima war vielleicht nicht schöner, aber sicher größer und ziemlich sicher auch spannender als dieses 'Shenilo' von dem nun alle redeten.

Er hatte dann seine Entscheidung ebenso schnell bedauert: Ein Haufen älterer Kerle in zu eng und Weiber mit zu weit sitzenden Kleidern, lauter fremde, fade Gesichter mit fremdem, fadem Gerede.

Dann hatte er die Diener entdeckt. Es gab doch tatsächlich Diener bei diesem Treffen. Gut, in Onkel Tankreds Bücherzimmer, kamen auch Diener, wenn er danach fragte, aber irgendwie hatte der Ton, in dem sein Onkel von "der Eteria" gesprochen hatte ihn nicht glauben lassen, dass es dort Wein geben würde. Also trank er einen guten Schluck des Weins, den der Narr beinahe noch an ihm vorbeigetragen hätte und fühlte sich wohler.

Irgendwann beschloss er, auch mal zuzuhören, was der Alte in dem protzigen Rot zu sagen hatte, als dieser nämlich den Namen "da Brasi" genannt hatte.

Maldonaldo da Brasi, Sohn von Olynthe, Tochter von Diomedo da Brasi, dem Helden von Olbris. Umbario hatte sommerweise seine Jugend am Grabe Diomedos verbracht und darauf gewartet, dass die Kompanien der Brasis nach Angroschima zurückkehrten. Es hatte sogar mal eine Zeit gegeben, da hatte er selbst überlegt, sich bei den Brasis einzuschreiben.

Scheint ganz gut zu sein, was der Alte da redet, dachte er und nahm noch einen kräftigen Schluck.

Als der Fischkerl - er spricht von Fisch und hat einen Fisch auf dem Kopf! - auch noch von Frieden anfing, beschloss Umbario einstweilen, dass er genug zugehört hatte.

Stattdessen blickte er sich wieder nach den Dienern um. Er fragte sich, ob nicht vielleicht...

Irgendwas sagte ihm, dass ihn alle anstarrten. Also blickte er zurück zu dem großen Tisch, dem leider so leeren Tisch. Der Fischkerl hatte aufgehört zu sprechen und schaute ihn an. Die anderen aber auch. Umbario kannte das Gefühl durchaus. Aber sonst war es meistens anders. Bestimmt hatten diese Shenilesen noch nie einen Vinsalter gesehen. Gut, außer Onkel Tankred, vermutlich..

Dann fiel ihm wieder ein, dass sein Onkel Tankred gesagt hatte, er solle seinen Namen sagen.

"Umbario Oliv...um...Umbario Menaris", er lächelte schief, immer noch eigenartig, das mit dem Namen. "Der Bucklige...", Umbario war nicht gut mit Namen, "Signore Nandus-Geweihter ist irgendwo anders und die He...also, die Signora ist auch auf einem wichtigen Treffen, also hat Signore Tankred vorgeschlagen, dass ich mir das mal ansehe."

Er wedelte mit der kräftigen Pranke. "Aber lasst doch über das sprechen, was der ...Gransignore", er grinste, als er sich wieder erinnerte, wer der Alte war, "gesagt hat. Wenn die Yaquirtaler Pikeniere beteiligt sind, dann muss es wichtig sein."

Endlich kam ein Diener vorbei, Umbario packte ihn am Arm, sodass dieser beinahe sein Tablett fallen gelassen hätte. "Bursche, bring doch mal was zu essen, wenn du schon dabei bist! Schwein, Hähnchen, ist mir einerlei, Hauptsache Fleisch."

In Lauerstellung - Orsino Carson

Orsino Carson

Orsino hörte aufmerksam zu, wie die ersten Äußerungen hinsichtlich der Lage in der Gerondrata gemacht wurden. Der neue Gransignore hatte Mut und Temperament, früher hätte ihn dies beeindruckt und erfreut, aber die Zeiten hatten sich geändert und Orsinos Geist war vorsichtig geworden. Immer wieder legte er die Stirn in Falten, den seltsamen Gecken auf dem Menaris-Stuhl hatte er nur kurz zur Kenntnis genommen.
Nun ja, Magiersippschaft halt...
Als sich sein Eindruck, dass immer mehr Augen auf ihn gerichtet waren, verstärkt hatte, ergriff er das Wort:

"Verehrte Mitglieder der Eteria, nachdem nun mehrmals bereits der Name meines Hauses gefallen ist und allen Anwesenden die besondere Bedeutung der betroffenen Gegend für mein Haus mehr als bekannt sein dürfte, will ich euch meine Sicht der Dinge kurz erläutern; es ist ja nicht der erste Konflikt, den ich in diesen Gefilden erlebt habe, seit ich mein Haus führe", einige undeutliche Reaktionen waren unter den Anwesenden zu hören, aber schwer zu deuten.

"Wir haben es mit einer unübersichtlichen Lage zu tun, wie es sie selbst in unserer Heimat nicht oft gibt. Alle Parteien streiten mit gewisser Berechtigung; mindestens zwei berufen sich auf die Göttin Rondra und ihre Kirche, durchaus nachvollziehbar, was nicht mit legitim zu verwechseln ist. Das Imperium ist, anders in manch anderem Händel dort, bereits seit Beginn involviert, auch wenn der Horas selbst nicht eingreifen konnte bisher. Hinzu kommen die Ereignisse in Clameth, Paquirella und anderswo, die nicht unbedingt im Kern mit der Sache zu tun haben, um die es geht: um die Macht in Arivor, sowohl in der Stadt als auch in der Erzherrschaft, denn diese wird nicht weiter bestehen wie bisher, wenn ihre Kapitale nicht mehr besteht. Was ist also zu tun? Manch einer wird nun erwarten, dass ich zu entschlossenem und kühnen Einschreiten aufrufe, wie einst bei Salkya und Pertakis. Aber ich muss euch überraschen: Wir sollten nicht übereilt handeln. Allzu unklar ist die Lage, unabsehbar die weiteren Entwicklungen. Unser Bund, Unsere Stadt und meine Besitzungen und gegebenfalls die Euren sind aber in Gefahr, also wäre Nichtstun ebenso unstatthaft. Somit bleibt uns nur, einstweilen abzuwarten, aber nicht untätig abzuwarten, sondern diese Zeit zur Vorbereitung zu nutzen! Dass die Drachenreiter im Süden sind: sehr richtig; dass Signor Calven darauf hinweist, dass Gilforn zum Bund gehört und dieser deshalb verpflichtet ist, es zu schützen: sehr richtig; dass Signor Schwarzenstamm sich persönlich in dieser Sache festlegt: dazu kann und will ich nichts sagen, es steht ihm frei und ich kann seine Entscheidung persönlich gut nachvollziehen, der Standpunkt Domaldos erscheint auch mir durchaus stark; aber daraus sollte nicht eine sofortige Festlegung des Bundes erwachsen, denn wir sind nur stark, wenn wir einig sind. Und noch ist nicht der Zeitpunkt gekommen, Shenilo in den Konflikt hineinzuziehen. Aber dieser Zeitpunkt wird meiner Meinung nach unausweichlich kommen und dann müssen wir bereit und einig sein. Wir sollten also die Zeit nutzen, um die Truppen vorzubereiten, unsere Präsenz im Süden zu verstärken, die Lage genau beobachten und uns darüber verständigen, wen wir unter welchen Umständen unterstützen wollen. Nun denn..."

Orsino ließ sich wieder auf seinen Platz sinken und begann, die Anwesenden, die sich bisher nicht geäußert hatten, zu mustern.

Daryl Brahl

“Werter Gransignore, werte Eteri, ich muss meinen Vorrednern widersprechen - in einem Punkt: Das Haus Brahl ist der Ansicht, dass der Bund nur geschlossen stark ist. Auch spricht Monsignore Calven selbstverständlich wahr, wenn er auf die Bundespflicht im Falle eines Angriffs auf die Besitzungen eines Mitglieds verweist. Doch sollte nicht auch gerade darum der Bund geschlossen zu seiner Farbe, seiner Loyalität oder Neutralität stehen? Ich, Daryl Brahl, bin der Überzeugung, dass die Eteria hier und heute schwören sollte, dass keines ihrer Mitglieder im Alleingang militärisch aktiv werden sollte! Es ist nicht im Sinne des Bundes, wenn jener die Gunst der Stunde, für die richtige Seite Partei zu ergreifen, dieser jedoch dessen militärische Folgen eines Gegenschlags abzuwehren hat!“

Der Brahl hatte sich bei diesen Worten erhoben, seinem Appell ungewohnt viel Nachdruck zu verleihen. Im Begriff sich wieder zu setzen, deutete er jedoch bereits wieder ein Lächeln an und setzte nach:

“Unabhängig davon, versteht sich, wie schwach vertreten einige unserer edlen Häuser leider gewählt haben, sich bei dieser Sitzung zu präsentieren.“

Sein Blick schweifte über die leeren Stühle um den hungrigen Menaris, bevor Daryl sich wieder seinem Wein widmete.

Nüchtern, treu, rechtschaffen - Batiste d'Imirandi

Batiste d'Imirandi

Batiste hatte sich bis jetzt sehr ruhig verhalten und auch alle Getränke abgelehnt, die ihm bis jetzt gereicht worden waren.

"Werte Damen und Herren, da ich lange nicht mehr an einer solchen Sitzung teilgenommen habe, möchte ich zuallererst meinen Dank aussprechen, dass wir alle in solch einem Rahmen unsere Meinungen kundtun können."

Batiste richtete sich nun in seinem Stuhl auf, ohne dabei bedrohlich wirken zu wollen.

"Es ist wohl bekannt, dass mein Haus und gerade ich, der Göttin Rondra sehr nahe stehen und so sollte unsere größte Sorge der Schutz der Bevölkerung sein, auch und gerade der Bevölkerung aller in unserem Bunde.

Wir sollten uns allerdings nicht auf die Seite irgendwelcher Machtbestrebungen schlagen."

Sein Blick wanderte zum Gransignore.

"Trotz meiner langen Abwesenheit bin ich kein Neuling in dieser Runde und meine Treue gilt zuallererst meiner Familie, den Göttern Rondra und Peraine und natürlich auch der Stadt Shenilo und seinen Familien.

Sollte allerdings auch nur eines davon in Gefahr geraten, sollten wir auch darüber sprechen, andere Maßnahmen in Erwägung zu ziehen."

Nun genehmigte sich auch Batiste einen Schluck aus einem gereichten Glas.

In Vertretung ihrer Kusine spricht Atroklea ya Papilio

Atroklea ya Papilio

Die Vertreterin des Hauses ya Papilio wirkte vor allem an dem lecker duftenden Pastetchen interessiert, das ihr eine der Bediensteten auf einem Porcellan-Tellerchen zusammen mit einem Silbergäbelchen, einem Glas und einer kleinen Wasserkaraffe hingestellt hatte. Umbario Menaris bemerkte mit etwas Unmut, dass die Dame als Erste etwas zu speisen erhalten hatte. Lag das vielleicht daran, dass sie bei ihrem Eintreffen die Dienerin namentlich gegrüßt hatte?

Die Damosella hielt dem Blick Orsino Carsons lange genug stand, um zu verdeutlichen, dass sie seinen Ausführungen wohlwollend gefolgt war. Auch Marino von Calven hatte das Gefühl gehabt, dass sie ihm in schweigender Zustimmung gelauscht hatte. Aldara und Rondrigo Schwarzenstamm schien sie vernommen, das Gesagte aber mit Gleichmut hingenommen zu haben, ebenso wie die Einlassungen Daryl Brahls und Batiste d'Imirandis.

Erst als niemand unverzüglich noch etwas zu sagen wollen schien, tupfte sie sich die Mundwinkel ab und lächelte in die Runde, ehe sie den amtierenden Gransignor direkt ansprach: "Wie so oft bedarf es Haus ya Papilios nicht, um die richtigen Ansichten auszusprechen. Dank Euch, Euer Edelgeboren, dafür, uns die Situation so prägnant zu beschreiben.
Es ist, auch aus den Wortbeiträgen der Signores Marino und Orsino, deutlich geworden, dass Shenilo in dieser Situation nicht schlicht abwarten darf. Aufgabe des Gransignors ist es, das städtische Gemeinwesen zu führen und Schaden von den Bürgern abzuhalten. Dank Euch auch dafür, dass Ihr diesem Gremium einen klaren Handlungsvorschlag unterbreitet habt.
Ob und was ad hoc getan werden soll, muss jedes Haus, muss jede Familie für sich selbst entscheiden - für sich selbst allein. Haus ya Papilio wird - ungeachtet individueller Positionierungen einzelner Mitglieder - zudem Maßnahmen mit tragen und umsetzen, die die Stadt und der Bund zum Wohle aller gemeinsam beschließen. Eine unverzügliche Stellungnahme für die eine, andere oder dritte Seite in diesem leider nicht vollkommen fernen Konflikt scheint im Moment nicht konsensfähig zu sein. Das darf uns nicht davon abhalten, für den Fall einer regionalen Ausweitung zu rüsten. Ich schlage die folgenden, leicht umzusetzenden, sicher unstrittigen Maßnahmen vor:

  • Erstens, die Drachenreiter auf Nennstärke zu bringen; das schlösse die Mobilmachung der Ersten Eskadron ein.
  • Zweitens, die Ausrüstung der Zweiten und Dritten Eskadron aufzustocken und, wo erforderlich, zu erneuern.
  • Drittens, dass jedes Haus des Sheniloer Bundes die für einen möglichen Bündnisfall erforderlichen Kräfte bereithalte.
  • Viertens, dass der Constabler Kunde über verfügbare, gut beleumundete Söldnereinheiten einhole, die man in sheniloer Dienste nehmen könnte, so dies zur Verteidigung des Contados erforderlich werden sollte.
  • Fünftens, dass der Erste Rat in Erfahrung bringe, wie sich die an den Bund grenzenden Städte und Gebiete in diesem 'Krieg der Farben' positionieren wollen, und sie des Interesses Shenilos versichere, keinen gewaltsamen Konflikt auszutragen."

Es schien ihren Zuhörern, als habe Atroklea ya Papilio während ihrer Ausführungen kein einziges Mal Luft geholt. Oder waren sie schlicht zu überrascht gewesen, die sonst so zurückhaltende Frau derart viele Worte auf einmal zu äußern? Ohnehin hatte sie noch nie zuvor in der Eteria gesprochen. Vertrat sie heute doch lediglich den Residenten Horasio, der wiederum anstelle der aufgrund der kurzfristigen Einberufung der Sitzung verhinderten Cavalliera Sharane gesprochen hätte, welche ihrerseits die dauerhafte Vertreterin des siechen Patriarchen Caron in der Eteria war.

Eine Bedienstete servierte Umbario ein nach in Olivenöl mit Methumian gebratenem Hühnchen duftendes Pastetchen auf einem Porcellantellerchen.

Daryl Brahl

Diesmal machte sich Daryl Brahl nicht die Mühe, sich zu erheben. "Signora, Ihr wollt doch nicht allen Ernstes unseren werten Constabler bitten, - präventiv! - den Kriegsfall auszurufen?"

Damit bezog sich der Patriarch der Patrizierfamilie auf die militärische Regelung der Stadtverfassung, wonach die Erste Eskadron nur im Kriegsfalle aufgestellt wurde.

Atroklea ya Papilio

Atroklea blickte den jüngeren Mann mit einem Ausdruck des Wohlwollens an, der in Daryl Widerstreben und Einlenken gleichermaßen aufwallen ließ: "Ich", betonte sie nicht allzu laut, "würde mir nicht anmaßen, von dem Gransignor etwas zu erbitten. Ich", sagte sie etwas fester, "äußere lediglich Vorschläge meines Hauses, die Ihr in diesen Dingen ungleich bewanderteren Männer erörtern und - so sie eine qualifizierte Mehrheit finden - eventuell dem gewählten Stadtoberhaupt als Handlungsempfehlung nahelegen möchtet. Gleichwohl", ihre angenehme Stimme wechselte ins Besorgte, "scheint mir gar nicht erforderlich, sheniloerseits den Kriegsfall auszurufen, wie uns die Worte Edelgeboren Rondrigos verdeutlicht und wie die meisten hier Versammelten, ihren Äußerungen nach zu schließen, auch verstanden haben: Ein sich gewaltsam zu manifestieren drohender Konflikt ist nicht viele Meilen von unserer Stadt entfernt bereits im Gange. Ich mag mich irren, da ich keine Cavalliera oder ähnlich Qualifizierte bin, aber nennt man einen eskalierenden, fortdauernden Konflikt, in dem sich bewaffnete Einheiten gegenüber stehen oder gar aufeinander prallen, denn nicht Krieg?"

Umbario Menaris

Umbario mag die Schwarze Kompanie

Umbario Menaris blickte überrascht auf das Pastetchen, das man ihm reichte. Mit einem Griff hatte er es sich in den Mund gesteckt, hielt dann aber inne. Er nahm nur einen - allerdings gewaltigen - Bissen, um den Rest der Speise dann mit einem Seufzen vor sich auf die Tischplatte zu legen.

Aber immerhin konnte er jetzt einmal etwas beitragen, denn nun ging es um Söldner - und mit denen kannte er sich aus!

"Eine einzelne Eskadron? Ihr macht Witze, oder?" Er blickte ungläubig in Richtung dieses Hungerhakens von einer Frau und des protzigen Brahl. "Als ich in Westfar war, habe ich da auch mit einer Reiterin aus Rommilys und einem Mittelreicher gesprochen, der zu diesen Garethern gehört. Ich kann euch sagen, mit beiden kann man was anfangen. Diese Reiterin hat's mir ganz schön gegeben...im Buhurt, meine ich." Er grinste.

"Aber die beiden haben mir auch erzählt, dass viel Söldnervolk bereits da unten ist und kämpft: Die meisten auf Seiten der Schwarzen: Die Garether, die Yaquirtaler Maldonaldos natürlich, aber auch diese Halbthorwaler, die das in Clameth gemacht haben."

"Aber ich habe gehört, dass auch andere noch nach Söldnern suchen, die Silbertaler sollen angeworben worden sein und angeblich soll sogar der Almadaner Söldner unter seinen Weißröcken haben."

Er schob sich endlich den Rest der Pastete in den Mund und kaute genüsslich, bevor er die Stückchen mit einem Schluck seines Weins herunterspülte.
"Wenn wir da etwas erreichen wollen, müssen wir schon eine von den großen Kompanien anheuern. Zum Beispiel die Leute vom Heiligenmörder, aber die sind unten in Sorbik, da scheint's ihnen auch gut zu gefallen. Dann redet jeder davon, was diese Weißen Reiter machen - ich habe gehört, dass sie mit dem Almadaner reiten, aber auch das Gegenteil."

"Aber eigentlich wär's doch das Vernünftigste, sich einfach Baron da Brasi anzuschließen! Der ist ein Freund vom Fürsten Ralman und außerdem Marschall und sowas alles. Am besten heuern wir dafür eine der anderen Kompanie der Yaquirtaler an, die Roten, oder vielleicht die Grauen, die sitzen sogar in Pertakis, meine ich. Das sind gute Kämpfer, wobei sie einen Wettstreit miteinander haben, aber sicher nichts, was gute Dukaten nicht beilegen können."

Er drehte sich von der Tafel weg und sprach einen Diener an - etwas leiser als zuvor, aber vernehmbar, da die meisten noch schwiegen. "So, das mit der Vorspeise war ja ganz nett, aber wo ist jetzt mein Hähnchen?"

Die verbliebene Leibsecretaria Daryl Brahls betritt den Saal

Daryl Brahl

Mundwinkel, Augen, Seufzer gar - Daryl machte keinen Hehl daraus, was er von devoten Ehrerbietungen einem gewählten Repräsentanten gegenüber hielt; die Eingebungen des Vertreters der Menaris ignorierte er gar gänzlich. Eine gereichte Pastete winkte er unwirsch beiseite. Dennoch setzte er mit fester, aber keineswegs unfreundlicher Stimme zu einer Entgegnung der ya Papilio zugewandt an:

"Signora, Ihr missversteht mich. Niemand zweifelt an der Brutalität des südlichen Zwistes, niemand am Kriegsgeschehen in der Gerondrata. Ein jeder hier forderte mehr als nur ein wachsames Auge; rief die Eteria bisher doch einstimmig zum Schutze der südlichen Ponterra durch die Drachenreiter auf. Doch selbst das in Paquirella beschämte Haus Calven gedenkt den Vorfall juristisch, nicht mit Kriegszügen des gesamten Sheniloer Bundes zu ahnden."

Der Cavalliere blickte zum Gransignore Rondrigo hinüber, ein schwer zu lesender Ausdruck auf seinem Gesicht. Die Linke hatte er erhoben, zum Signal, noch nicht geendet zu haben. Als er mit Blick zurück zur Damosella fortfuhr, zeigte sich die Hand nunmehr offen der grauen Dame: "Signore Rondrigo wurde von seinem Neffen wie auch den restlichen Eteri zum Gransignore von Shenilo erwählt und damit zum Repräsentanten des gesamten Bundes. Wir, als Vertreter der ehrwürdigen Eteria von Bund und Landstadt, haben aber mitnichten die Aufgabe, ihm Empfehlungen", das Wort dehnte er nur leicht, "zu unterbreiten; vielmehr ist es unsere schwere Pflicht, die Zügel der Ponterra selbst zu lenken, zum Wohle aller seiner Männer, Frauen und Kinder. Es ist mit diesem Gedanken im Herzen, dass ich Euch vehement widersprechen muss: Ein Krieg in der Gerondrata stellt zwar eine nicht zu unterschätzende Gefahr dar, aber ist darob keinesfalls gleichbedeutend mit dem Kriegsfall des Sheniloer Bundes und der vollen Mobilisierung sämtlicher zur Verfügung stehender Truppen! Mehr noch, werte Signora, werte Eteri, wird dieser Fall keineswegs durch den Gransignore ausgerufen, auch nicht durch Zustände nahe unserer Grenzen per se definiert - es ist, wie erwähnt, der Constabler, Gianbaldo Carson, den wir für diese Aufgabe erwählt haben. Ihm haben wir das Fehderecht der Gransignorie anvertraut."

Just in die Stille, die auf den Appell des Patriziers zunächst folgte, fiel der Lärm des zufallenden Torflügels der Dorénhalle. Wenig erfolgreich hatte eine zierliche Dame mit einfachem Pferdeschwanz versucht, den Saal lautlos zu betreten - und den denkbar ungünstigsten Moment erwischt. Ihre Wangen gerötet, lächelte sie entschuldigend in die Runde und trat sodann zur Seite, um höflich neben der Tür zu warten.

Daryl jedoch winkte sie sogleich herbei. Wer ihn kannte, wird ihn sicherlich in der Begleitung seiner Leibsecretaria gesehen haben, welche ihm noch seltener von der Seite wich als sein eigener Leibwächter. In der Dorénhalle hingegen traf man den Patriarchen der Brahl jedoch stets allein an und so ergab Preciosa Veliriano einen ungewohnten Anblick an diesem Ort. Beschwingten Schrittes eilte sie herbei.

"Werte Eteri", setzte Daryl erneut an, trotz seines vorherigen umfassenden Redeschwalls, "auch ich will die Bündnistreue beteuern, wie meine Vorredner." Er blickte auf eine gereichte Notiz, ohne merklich zu pausieren. "Ich möchte aber darauf hinweisen, dass der Frieden von Shenilo ausdrücklich anmerkt, dass hierzu ein jeder verpflichtet ist, die Gemeinschaft nicht zu gefährden und hernach nicht zu fordern, wir alle hätten für die Folgen geradezustehen. Dies ist der Grund, warum ich wiederhole: Lasst uns ein gemeinsames Vorgehen beschließen am heutigen Tage. Monsignore Calven sprach sich umsichtig für Frieden aus, trotz eigener Betroffenheit, aber will es einem jedem überlassen, unter eigenem Banner in den südlichen Konflikt einzugreifen. Ich sage, solche Torheiten gefährden nicht nur das Bundesgebiet, sondern unseren unschätzbaren Zusammenhalt. Lasst uns also in unverbrüchlicher Treue verkünden, dass - wie auch immer wir uns entscheiden mögen - niemand im Alleingang Farbe bekenne."

Daryl hatte mit diesem Aufruf geendet, ohne den bekanntlich den Weißen um Domaldo von Westfar - bisher jedoch nicht aktiv - folgenden Rondrigo Schwarzenstamm anzublicken. Auch vermied er es, Orsino Carson direkt in Blick zu nehmen, der mit dem Schwarzen Maldonaldo da Brasi offensichtlich einen Kuhhandel über das Tolmanayo von Rondrigos Gattin für Carsons eigenes Imdallyo eingegangen war - und damit, wie Daryl insgeheim dachte, obendrein erst das Ende der Herrschaft des clamether Popolo ermöglichte. Dennoch spürte er die Augen derjenigen, die bereits Farbe bekannt hatten, deutlich auf ihm ruhen.
Daryl war derlei gewohnt und blieb daher gefasst. Während er auf die Entgegnungen der Versammelten wartete, flüsterte ihm Preciosa eifrig ins Ohr.

Aldara Schwarzenstamm

Diesmal war es Aldara Schwarzenstamm, die sich vom Stuhl ihres Hauses erhob, während ihr Vater am Kopfende der Ratstafel sitzen blieb.

"Da ich selbst noch nicht lange in diesem werten Rund sitzen darf, fand ich die Auslegungen des Sheniloer Friedens, die die Signori Brahl und ya Papilio ausgetauscht haben, äußerst erhellend. Erlaubt mir daher, auf dass ich nicht einem Missverständnis aufsitze, die Frage:

"Es trifft doch zu, wie Signore Brahl angedeutet hat, dass der Frieden von Shenilo eindeutig festhält, dass der Bündnisfall, also die Verpflichtung zur "Hilfe in der Not" nur dann greift, wenn das Hilfesuchende Bundesmitglied nicht selbst Schuld an seiner Notlage ist."

"Wenn also eines der hier anwesenden Häuser sich entscheiden wollte, im Konflikt Partei zu ergreifen, wie es eines jeden Adelshauses Recht ist, so es sich damit nicht gegen Lehnsherr und Reich vergeht, auf der anderen Seite aber keine eindeutige Empfehlung der Eteria vorläge und auch keine Selbstverpflichtung zur Neutralität, dass dann ein solches Haus, so es in "Not" geriete, sich eben nicht auf den Frieden von Shenilo berufen könnte? Und wenn dem so ist, wäre also auch keine Selbstverpflichtung der Eteria vonnöten, zumindest nicht, um den Bund als Ganzes von Schaden zu bewahren?"

Sie lächelte entschuldigend, ob der langwierigen Ausführungen und räusperte sich dann, wie um zu zeigen, dass noch ein weiterer Gedanke sie beschäftigte.

"Sehr dringend möchte ich aber einer anderen Einlassung des Signore Brahl meine Zustimmung geben, nämlich in dem Bestreben auch meines Hauses, eine deutliche und starke Antwort des Sheniloer Bundes nach außen tragen zu wollen. Die Vorbereitung des Kriegsfalles scheint Konsens der hier Versammelten zu sein. Noch aber, so glaube ich, gibt es eine Reserviertheit gegenüber unserer direkten Beteiligung. Wenn einige der Versammelten also noch zögern, den vom Gransignore erwählten" dabei warf sie einen kurzen Blick hinüber zu Daryl Brahl, "Constabler die Ausrufung des Kriegsfalles zu empfehlen, so gibt es darüber hinaus auch die Möglichkeit, wie die Signora Atroklea und Signore Menaris angeregt haben, sich der Dienste von kampferprobten Mietschwertern zu versichern."

Die Falte auf der Stirn von Rondrigo Schwarzenstamm war größer geworden, aber er nahm nur einen - tiefen - Schluck aus seinem Weinkelch und reagierte sonst nicht auf diese Einlassung seiner Tochter.

"Dadurch würden keine Söhne und Töchter der Stadt ohne Not gefährdet und dennoch wären wir in der Lage, den Konflikt zu lindern und vielleicht beizulegen. Denn, was mir bisher hier noch nicht bedacht worden zu sein scheint: Es geht beim Krieg der Farben ja nicht nur um Machtansprüche und religiöse Auslegungen. Es geht auch schlicht darum, dass Popolaren wie Patrizier sterben. In Clameth sind ja nicht nur Aufrührer zu Tode gekommen, sondern auch verdiente Aristokraten gemeuchelt und Tsa-Geweihte misshandelt worden. In Paquirella ist die Ehre einer Frau geschändet worden - ich fürchte, kein Einzelfall im Krieg - die Drachenreiter haben selbst erlebt, wie Verrat ihren Constabler bedroht hat."

"Um an das anzuschließen, was ich eingangs sagte: Natürlich geht es der Eteria zuallererst um den Schutz des Bundes, seiner Interessen und seiner Bevölkerung. Dass alle diese Punkte durchaus betroffen sind, darin scheinen wir Einigkeit zu haben." Nun wandte sie sich erkennbar in Richtung der beiden Kirchendiener Batiste und Marino. "Aber es kann der Eteria doch nicht nur und ausschließlich um den Schutz der Bevölkerung diesseits des Yaquirs und innerhalb der Städte und Ländereien der Bundesmitglieder gehen? Können wir tatenlos zusehen, wie keinen Tagesritt von hier Menschen sterben und uns hier in einer - trügerischen - Ruhe verstecken?"

Batiste d'Imirandi

Bei den Wörtern Söldner und Mietschwerter war Batiste hellhörig geworden und nun, als Aldara ihre Ausführungen beendet hatte, stand er auf und ging langsam, aber beständigen Schrittes durch den Raum.
"Was ist ein Herrscher, der es nicht schafft seine eigenen Bürger zu beschützen?..."
Er ließ seine Worte für einen Moment sacken.
"Ich will hier niemandem zu nahe treten und erst recht will ich für niemanden in diesem Krieg der Farben..."
Die Worte kamen ihm nur widerwillig über die Lippen.
"...Partei ergreifen. Genau dies würden wir aber mit einer Entsendung von Söldnern."
Diesmal konnte man seine Verachtung klar heraushören.
"Wir würden uns auf die Seite jener stellen, die die Ehre Rondras mit Füßen treten.
Die unser schönes Land ein weiteres mal in Schutt und Asche legen wollen.
Zeigen wir, dass wir dies nicht tolerieren und entsenden wir die Drachenreiter und schützen wir unsere Bevölkerung. So etwas wie in Clameth darf nicht noch einmal geschehen.
Viele Menschen verlassen sich auf uns, auf uns und nicht auf irgendwelche Mietschwerter.
Dies soll keinesfalls eine Kriegserklärung sein, dies soll eine Erklärung für den Frieden, die Ehre und die Gerechtigkeit sein! Unsere Reaktion sollte zeigen, dass Shenilo über solchen Kriegstreibereien steht, aber unter dem Horas und den Zwölfgöttern."
Mit diesen Worten setzte er sich wieder und erwartete die Reaktionen.

Marino von Calven

Marino hatte den Mund geöffnet, doch entrang sich seinen Lippen kein Laut. Sein Blick lag auf den gekreuzten Schmuckwaffen an der Wand. Er merkte, dass die anderen Eteri ihn anschauten – schließlich hatte Aldara auch ihn angesprochen. Nur der junge Menaris beschäftigte sich mit was auch immer, nur nicht mit der Debatte.

Marino schüttelte den Kopf. Er könnte nicht länger ins Ferne starren wie ein Karpfen. Der Gransignore räusperte sich: „Signore Calven? Wollt Ihr uns noch etwas mitteilen? Wir warten.“

„Sicher, Signore.“ Marino hielt abermals inne. Den anderen Signori musste es wie eine Ewigkeit vorkommen, bis er anhub zu sprechen:

„Ich kann mir nicht helfen, auch wenn mich mancher von Euch einen blinden Tsajünger nennen wird. Darin ist kein Makel, sondern eine Chance.

Eine Schwadron, meinetwegen beide aktiven Schwadronen Drachenreiter südlich des Yaquir sind vollkommen ausreichend. Wenn beide Einheiten südlich des Yaquirs stehen, wäre es wohl notwendig, die Erste Schwadron einzuberufen, und ich würde mich aber einem solchen Schritt auch nicht entgegenstellen. Wenn dies ohne ausdrücklichen Kriegsfall möglich ist.

Natürlich muss die Südgrenze des Bundes überwacht werden. Fremdes Kriegsvolk muss aufgehalten werden, aber der Handel muss ungestört fließen und unverdächtige Schutzsuchende sollen den Schutz finden, der für sie notwendig ist. Letzteres kann dem Bund im Übrigen mehr Vorteile bringen als jeder Krieg. Wir sind die rettende Küste, ohne uns ins brodelnde Meer zu stürzen.

Ich stimme dabei meinem Vetter Batiste vollkommen zu, dass das Anwerben von Söldnern abzulehnen ist. Neben den nicht unerheblichen Kosten für die Stadt würde das für unnötige Unruhe sorgen – wir sollten den Konflikt eindämmen helfen, nicht das Gegenteil bewirken.

Zu den Beiträgen von Signore Brahl und Signora Schwarzenstamm möchte ich abschließend bemerken: Wir sitzen alle in einem Boot. Wenn der Bund rechtlich auch nicht verpflichtet sein mag, seinen Gliedern im Falle von deren eigener Aggression beizutreten, so faktisch doch: Wenn im Falle eines ungünstigen Verlaufs ein Vorstoß der Feinde eines Einzelnen nach Norden stattfindet – wollen wir uns dann ruhig hinsetzen und schauen, bis dieser Vorstoß die Ländereien unserer Genossen erreicht?

Es kann da nur heißen: Alle gehen – was ich entschieden ablehne – oder keiner geht nach Arivorien. Setzen wir die Segel und nehmen wir klaren Kurs.“

Daryl Brahl

Eifriges Klopfen folgte den Ausführungen des Calveners, mehr noch brachte Daryl Brahl seine Zustimmung mit einem kräftigen “Hört, hört!“ zum Ausdruck.

Die Aufmerksamkeit nutzend setze der Kaufherr sogleich nach: “Monsignore spricht wahr! Ihr mögt Recht haben in Eurer Darlegung des Sheniloer Friedens, Signora Schwarzenstamm: Niemand im Bunde wäre vertraglich verpflichtet, einem Aggressoren unter uns beizustehen, falls sich sein Schlachtenglück wendet. Doch wer von uns würde nicht in unverbrüchlicher Treue einem Bundesbruder in Not beistehen, selbst wenn es sein eigenes Verschulden sein mag? Wer kann einer Schwester der edlen Eteria das Eingreifen der bereit stehenden Drachenreiter versagen, wenn ihr tolles Handeln Bürger und Bauern ihrer Ländereien in Gefahr durch blutrünstig rächende Söldnerbanden gebracht hat?“

Als ob er nun erst gewahr wurde, welch Vorwurf in seinen Worten lag, fügte der Etero mit sanfterer Stimme hinzu: “Mehr noch: Mein edelmütiger Freund, Batiste, nahm den Ruf nach Schutz der dem Adel des Reiches Empfohlenen auf. Fromm wäre es, zum Wohle Flüchtender einzugreifen, wo nötig, und jene selbst in der Gerondrata zu schlagen, die nicht vor Greueltaten an Stadtherren, Aufständischen oder gar Umstehenden zurückschrecken. Wer von uns könnte solch einen edlen Eingriff eines einzelnen von uns als Aggression werten? Wer ihm nicht beistehen, sollte eine der drei großen Parteien oder ein einzelner ihr nominell zugehöriger Kriegsherren sich solch frommer Eingriffe erwehren?

Darum kann es nur eine Lösung zur Wahrung des Friedens in der Ponterra geben; darum will ich den Ruf Signore Marinos also aufnehmen: Lasst uns beschließen, dass nicht nur Shenilo neutral bleibt in diesem Konflikt, sondern der ganze Bund geschlossen davon absieht, einer Gruppierung seine Unterstützung zuzusagen. Lasst uns ohne Söldner nur Shenilos treue Drachenreiter an die Grenzen entsenden - und wer mag auch seine persönliche Garde; zum Schutze, wohlgemerkt, nicht zum Eingriff.“

Aldara Schwarzenstamm und Umbario Menaris

Rondrigo Schwarzenstamm hatte die Hände flach auf die Tischplatte vor sich gelegt, sein Gesicht hatte sich leicht dunkel gefärbt. Als Signore Brahl geendet hatte, schob er seinen Stuhl zurück - ganz offensichtlich hatte er die Absicht, etwas zu erwidern.

Ein nicht besonders lautes, aber in der Halle kaum zu überhörendes Klappern lenkte die Aufmerksamkeit für eine kurze Zeit weg vom Gransignore hinüber zu Umbario Menaris. Dieser grinste entschuldigend, dann hob er den halb abgenagten Knochen von der Tischplatte auf, der ihm entglitten war, bevor er sich genüsslich die Finger sauber leckte. Noch ein, zwei Bissen, dann legte er das Hühnerbein zu den Überbleibsel des halben Hahns vor sich auf dem Tisch, den er während der Beratungen der anderen Eteri verspeist hatte.

Bevor sich der Gransignore, dessen Miene sich noch weiter verfinstert hatte, wenn das überhaupt noch möglich war, nun aber erheben konnte, kam ihm seine Tochter zuvor.

"Der Signore Menaris weist auf einen vielleicht politisch nicht so entscheidenden, doch auch nicht unwichtigen Umstand hin: Es wird Zeit für eine kleine Unterbrechung. Die Vorschläge liegen auf dem Tisch, wollen wir doch jedermann - nicht nur einzelnen Vertretern - eine kurze Verschnaufpause gönnen, um noch einmal in sich zu gehen, bevor wir zu einer Entscheidung kommen.

"Ich wäre jedenfalls dafür", nickte Umbario kräftig. "Das Hähnchen ist sowieso erledigt."

"Und all dieses Gerede vom Frieden und Politik haben mich durstig gemacht." Damit blickte er sich nach einem der Diener um.

Aldara Schwarzenstamm tauschte einen langen Blick mit ihrem Vater aus, dessen Wut sich zumindest etwas gelegt haben schien, zumindest wich die Röte einem deutlichen Stirnrunzeln. Mit einem knappen Nicken stimmte er schließlich dem Vorschlag seiner Tochter zu, stand nun endlich doch noch auf, um sich zurückzuziehen - zweifellos hatten die beiden Schwarzenstamms Einiges zu besprechen.