Briefspiel:Unerwarteter Besuch

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Gasthaus und Hotel Gigas, Shenilo, Rondra 1033 BF

Naftal Librettos, einer der ständigen Autoren des Sheniloer Hesindeblatts, besuchte Travin di Asuriol eines stürmischen Rondraabends des Jahres 1033 BF in dessen Gasthaus. Eine Weile saß er an einem zurückgezogenen Tisch, mehrfach schickte er die Schankmagd fort mit der Begründung, er überlege noch was er trinken oder essen möchte. Sein Blick wanderte durch den vornehmen, aber an diesem stürmischen Abend nur spärlich besuchten Schankraum, mehrfach blieb er an Travin hängen. Immer wieder kritzelte Naftal kurze Notizen in sein Büchlein, dann beobachtete er wieder den Saal.

Eine kurze Weile wurde Travins Blick auf ihn von einem zur Tür gerichteten Gast in dunklem Mantel und Kapuze versperrt. Dessen Schritte verlangsamten sich scheinbar während er an Naftal vorüberging, dann eilte er hinaus in den ihm entgegen schlagenden Regen. Nur für einen Herzschlag erhellte ein Blitz der Göttin sein Gesicht, aber Travin konnte sich nicht entsinnen, es jemals zuvor gesehen zu haben und schon bald hatte er es wieder vergessen. Stattdessen wurde sein Blick von Naftals gefangen, der sein Büchlein zugeschlagen hatte und ihn unentwegt anblickte.

Spricht rundheraus - Travin di Asuriol

"Nun werter Librettos, habt Ihr Euch für einen Wein entschieden", fragte Travin, als er an dessen Tisch heran trat." Ihr genießt das Privileg, heute einmal vom Familienoberhaupt der di Asuriols persönlich "versorgt" zu werden, vielleicht auch mit Zeichnungen und Grundrissplänen unseres Anwesens, um möglichst Euere Notizen zu vervollständigen, die Ihr bereits in Eurem Büchlein niedergeschrieben habt!? Im Übrigen mag ich solche "Schnüffeleien" überhaupt nicht, auch keine konspirativen Treffen mit dem Zwecke des Informationsaustausches, wie es den Anschein hatte, als der kürzlich gegangene Gast an Eurem Tisch langsam vorüber ging, als hätte er Euch etwas zugesteckt!"

Ein süffisantes Lächeln umspielte Naftals Lippen, als der Patrizier dergestalt offen an ihn herantrat. Überrascht von dessen Worten zog er eine Augenbraue hoch, ohne jedoch seine Mundwinkel sinken zu lassen. "Gemach, gemach, Signore Travin. Ihr malt bereits den Himmel purpurn, wo weder Bündelei noch Indiskretion zu finden sind. Sei es drum, sunt animis etiam sua nubila. Ich versichere Euch, ich habe von keinem Eurer werten Gäste Ominöses erhalten; ebenso, wie ich keinen von ihnen anwies, an den heimischen Herd zurückzukehren. Die stürmische Göttin scheint dies auch ohne mein Zutun bestens zu erreichen." Wieder dieses schwer zu deutende Lächeln, während der Schreiber mit einer kurzen Geste auf den beinahe leeren Schankraum verwies. Dann winkte Naftal die Schankmagd heran, welche geschäftig einen Kelch putzend immer wieder zu den beiden herübergeblickt hatte. "Ein di Asuriol muss es sein. Ich hörte der Traviana soll das rechte für einen willkommenen Gast sein." Das Mädchen stockte für einen Moment, der Satz hing in der Luft, als wüsste er noch nicht recht, ob er Frage oder Wunsch sein will. Dann nickte sie eifrig und eilte mit zwei Kelchen und einer Flasche dunklen Weines wieder heran. Derweil hatte sich Naftal bereits wieder dem ihn musternden Travin di Asuriol zugewandt. "Nachdem nun etwaige Missverständnisse ausgeräumt sind, möchtet Ihr mir nicht ein wenig Gesellschaft leisten, Signore Travin? Ihr habt sicher recht, wenn Ihr meint, dass ich nicht nur eines guten Weines wegen Eure Nähe suche. Ich will Euch rund heraus fragen: Wie kam es, dass Ihr beschlossen habt, Eurer vornehmen Gaststätte einen neuen Namen zu geben?"

"Nun, da ich tatsächlich ein wenig Zeit habe, geselle ich mich zu Euch, um Eure Frage zu beantworten: Nachdem ich mich dafür entschieden hatte, nach dem Stadtteilbrand dieses Grundstück zu erwerben und darauf ein deutlich exklusiveres Gasthaus und Hotel zu errichten, als es die Taverne "Zum Riesen" jemals war, beschäftigte ich mich schon damals mit dem Gedanken, diesem Anwesen einen neuen Namen zu geben. Doch Bekanntheit und Tradition, schon allein durch das namens gebende Element für die Riesenzunft, ließen mich zögern und so blieb der Name erhalten. Jetzt, da sich unser Gasthaus und Hotel über die Jahre hinweg etabliert hat und für seine Qualität bekannt ist, galt es für mich nun, auch namentlich den Aufbruch in eine neue - wirtschaftliche - Zeit der Familie di Asuriol zu verdeutlichen und was lag näher als "Gigas"? Ob Ihr diesen Namen nun lediglich auf das Wort Riese bezieht oder auf die Pläne der Familie di Asuriol, bleibt Euch überlassen! ... Ich hoffe, Euch schmeckt der Wein? Wusstet Ihr eigentlich, dass sich die Anteilseigner-Verhältnisse der Banca di Shenilo verändert haben?"

Riesentaverne unter neuem Namen und neuem Antlitz - Das Gigas

Naftal hatte sein Notizbüchlein wieder hervorgeholt und aufmerksam den Worten seines Gegenübers gelauscht. Noch bevor er von seinen Notizen aufblickte, ging er auf den Schwatz Travins ein: "Mir war zu Ohren gekommen, dass die ehrenwerte Familie di Asuriol sich nun auch an der Banca beteiligt. Was die Menaris nur zum Verkauf getrieben hat? Völlig zurückgezogen haben sie sich dennoch nicht – und man munkelt, Ihr würdet noch immer planen, Eure Unterstützung auszubauen? Es ist aber auch schwer, Verkäufer des florierenden Kreditgebers zu finden." Einen tiefen Schluck aus seinem Kelch und einen zufriedenen Säufzer später, fuhr der Schriftsteller fort: „Wirklich ein guter Tropfen! Da versteht man, wie die di Asuriol so kurz nach der ehrenwerten Familie Brahl ins Patriziat unserer Stadt aufsteigen konnten. Wirklich beeindruckend! Ein Glück, dass Ihr auch die richtigen Leute kennt, wenn es heißt, weitere Investitionsmöglichkeiten zu erschließen. Ich hörte erst vor Kurzem von ein, zwei willigen Verkäufern unter den Anteilseignern der Bank. Ihr wart doch noch interessiert, sì?“ "Natürlich habe ich noch Interesse! Ihr spracht von zwei willigen Verkäufern unter den Anteilseignern? Nun, gehen wir einmal davon aus, dass diese mit mir ins Gespräch kämen durch, sagen wir einmal, einen "Vermittler", dem ich dafür gerne einen Gefallen schuldig wäre? Glaubt Ihr dies wäre so möglich?"

Ein kurzer Seitenblick zur Magd am Ausschank und zu den entfernt sitzenden Gästen, dann entgegnete Naftal freundlich lächelnd: "In den richtigen Kreisen ist alles möglich, Signore Travin - und Ihr bewegt Euch in genau den Richtigen. Mir stellt sich nur die Frage, welche Summe über einen solchen Vermittler den Besitzer wechseln sollte. Habt ihr dahingehend eine Vorstellung?" "Nun, eine Summe von 1000 Dukaten schwebt mir da schon vor oder haltet Ihr dies für nicht realisierbar, werter Librettos? Noch einen Wein?" "Das ließe sich sicherlich einrichten. Nun, wenngleich es mich sehr nach Eurem vorzüglichen Wein gelüstet, so muss ich doch dankend ablehnen. Ich muss weiterziehen, um alles nötige in die Wege zu leiten. Wünscht Ihr bar zu zahlen oder über eine Einzahlung der Banca di Shenilo? Und wo sollte ich Euch vorzugsweise treffen?" "Eine Einzahlung bei der Banca di Shenilo käme mir entgegen. Gerne können wir uns wieder hier in meinem Gasthaus treffen, ich werde darüber informiert, sobald sie eingetroffen sind. Dann können wir uns in meinen privaten Räumlichkeiten in aller Ruhe weiter unterhalten." "Wie Ihr wünscht, Signore." Naftal Librettos verstaute sein Büchlein sorgsam und erhob sich. "Ich danke Euch für Eure kostbare Zeit und freue mich, Euch zu Diensten sein zu können. Ich werde es Euch wissen lassen, wenn alle Formalien geregelt sind. Wollen wir hoffen, dass die Stürmische es nicht zu arg mit mir meint, auf meinem Weg in die eigene Stube. Ich empfehle mich."

Wenig später war er in dem auf Shenilo niedergehenden Regen verschwunden.