Briefspiel:Wohin das Herz mich führt

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Geronsstadt Shenilo, unter den Arkaden des Palazzo Brahl, Anfang Efferd 1025 BF

Ritter Waldreich Firudan von Rossreut, Junker von Rossreut, räusperte sich, strich noch einmal seinen Waffenrock glatt und prüfte den Sitz seines Waffengurtes. Die neue Kleidung stand ihm gut, der Schneider hatte sich übertroffen. Auch der Besuch im Badehaus und beim Barbier war hoffentlich nicht umsonst gewesen, denn schließlich ging es heute darum die Erlaubnis zu erhalten, seiner Auserwählten den Hof machen zu dürfen.
Waldreich überlegte noch einmal kurz seine Argumente, immerhin war er ein Junker aus gutem Hause, besaßen die Quintian-Quandts doch einigen Einfluss in Garetien. Seine Familie stellte nun auch schon seit längerer Zeit den Mundschenk von Burg Silz; zwar nur ein Ehrentitel, aber immerhin mit Anerkennung in der Graftschaft Waldstein und damit auch am Grafenhofe verbunden. Auch hatten seine Reisen ihm zu einer gewissen Barschaft gebracht. Aber dieses war nicht alles, denn was ist weltlicher Besitz ohne Ehre und Familie? Und vielleicht würde die Aussicht auf Handelsbeziehungen mit der Familie Quintian-Quandt ja auch die Entscheidung der Dame Brahl in seinem Sinne beeinflussen können. Auch wenn das Junkertum Rossreut nicht groß war, so sicherte es doch ein gutes und sorgenfreies Auskommen. Und wer weiß, was noch alles die Götter für ihn vorbestimmt hatten.

"Holde Rahja, liebliche Herrin, steh mir in dieser für mich bedeutenden Stunde bei, schließlich geht es um nichts anderes, als um die Liebe meines Leben", sandte er ein stummes Gebet gen Alveran.
Dann straffte Waldreich sich und ging entschlossenen Schrittes auf das vor ihm liegende, dunkle Eichenportal zu. „Meldet der Herrin des Hauses, dass Ritter Waldreich Firudan von Rossreut, Junker zu Rossreut, aus dem Hause Quintian-Quandt um eine Audienz bittet, um in einer Familienangelegenheit vorzusprechen.“

In der Villa der Vilmire Brahl, unweit Shenilos, am Tage zuvor

Von Rahja gesegnet: Oswinia Brahl

Oswinia Brahl traute sich kaum aus dem Fenster zu sehen, so aufgeregt war sie. Nur ihre Schwestern Traviane, Geronita und die kleine Fiora schienen noch aufgeregter zu sein und liefen immerzu um sie herum, wie die verschreckten Schnapsdrosseln vor der Traubenlese. Ihre älteste Schwester Purothea wahrte hingegen wie immer ihre Haltung, nur ein feines Lächeln umspielte ihre Lippen – und das, obwohl Mutter wieder einmal vergebens probiert hatte, den Verehrer auf Purothea umzustimmen. Als Älteste wäre sie längst an der Reihe gewesen. Schön und liebenswert und dennoch mochte niemand um sie freien – es mussten einfach die bösen Gerüchte der dummen Winzersburschen sein, die den Namen einer Brahl beschmutzten. Anders konnte sich das Oswinia nicht erklären. Nur Zerline war mal wieder nirgends zu sehen ... nun ja, sollte sie nur machen, diesen Tag mochte ihr niemand nehmen, das hatte der Herr Vater ihr versichert.

Da kam er nun, ihr stolzer Ritter, und sah noch prächtiger aus als am ersten Tag! Sie konnte sich noch gut dran erinnern, wie er sein Pferd den Weinberg hinauftrieb in einem Unwetter, als wolle die Sturmgöttin selbst mit ihm um ein trockenes Dach für die Nacht ringen. Natürlich hatte man dem Weitgereisten trockene Gewänder und heißen Wein geboten, wie es sich für einen Brahl geziemt. Und dankbar war er gewesen, nicht wie dieses faule Pack, das sich immer wieder zwischen ihren Weinstöcken breit macht. Wie das Wasser seine Muskeln hinablief, um sodann dampfend von seinem erhitzten Körper zu entfleuchen – bei Rahja, sie musste sich zügeln! Nur einen kurzen Blick vermochte sie damals durch den Türspalt zu erhaschen, aber bei allen Göttern, solch einen Mann hatte sie im ganzen Horasreich noch nicht gesehen! Nicht, dass sie viel herumkäme ...
Am folgenden Morgen hatte er sich um den Huf seines edlen Rosses gekümmert. Das Tier litt jämmerlich. Drum brachte sie dem schwitzenden Manne so oft als möglich eine kleine Erfrischung, die er dankend annahm. Aber sie hatte kaum ein Wort hervorgebracht. Am Nachmittage lauschte er auf Einladung der Mutter dem üblichen Musizierabend der Familie. Bald kam auch der Vater nach Hause, nach einem langen Tag in der Stadt. Silem freute sich, den Rittersmann noch in seinem Hause vorzufinden, gedachte er doch gerne der alten Zeiten in der Armee. Drum lud er ihren Waldreich auch ein, noch ein paar Tage zu bleiben und ihm von seinen Abenteuern zu erzählen, die ihn hierher verschlugen hatten. Mutter Vilmire sah ihre Chance für ihre Älteste gekommen und freute sich ebenfalls, während wir Mädchen gespannt auf seine Geschichten waren. So gingen die Tage ins Land, er lauschte unserer Musik, wir seinen Abenteuern und ob es wohl meine Stimme war, die ich einen jeden Tag zu stärken suchte, ich weiß es nicht ... aber seinen schönen Worten war ich bald hilflos ausgeliefert.

Im Palazzo Brahl in Shenilo, am folgenden Tage

Offen und herzlich: Beleno Brahl

Die Eingangshalle, in die man Ritter Waldreich gebeten hatte, erschlug den weit gereisten Mann beinahe mit seiner Pracht. Während ein Diener im Livree ihn anmeldete, betrachtete er ausgiebig die vielen Gemälde der Brahls und die schmucken Prunkrüstungen und genoss das süße Gebäck und den leichten Wein. Gerade wollte er sich dazu auf die gepolsterten Bänke setzen und verwundert den großen Raben im Innenhof zuschauen, da rief man ihn schon von oben herbei. Ein Mann in leichter, dafür strahlend roter Gewandung von vielleicht 40 Sommern stand dort oben an der Brüstung der Galerie und winkte ihn fröhlich zu sich hinauf. „Hat man euch etwa warten lassen – im Hause Brahl? Kommt doch herauf, junger Freund! Man sagte mir gar nicht, dass wir heute noch Besuch bekämen.“
Die eindrucksvolle Treppe hinauf, war er schnell bei dem fröhlichen Gesell angelangt. Erst jetzt erkannte er, dass er einen Geweihten vor sich hatte, vermutlich des örtlichen Rahjatempels. „Euer Hochwürden, verzeiht, ich...“ Schon unterbrach ihn der Geweihte mit der mächtigen Nase. „Lasst doch die Förmlichkeiten! Ihr seid sicher der vielbesungene Ritter aus dem fernen Garetischen, nicht? Da gehört ihr ja schon fast zur Familie, wenn mir recht geflüstert wurde. Hach und die Oswinia! Ein schönes Mädchen habt ihr euch da auserkoren. Um solch eine Schönheit haben sich schon andere vergebens bemüht. Aber keine Sorge, ich werde ein gutes Wort bei Vilmire einlegen. Wie war noch gleich euer Name?“ Mit derlei Redeschwall und herzlich offenem Lachen bedacht, wurde Waldreich sogleich durch die anliegenden Räume in den Rahjensaal des Palazzos geführt, wo zwei wenig traviagefällig gekleidete Damen genüsslich dunkle Weintrauben verzehrten. Derweil ein Diener bereits von einem schwerem Wein mit intensivem Schokoladenaroma die Gläser füllte, stellte der Rahjageweihte die Personen einander vor: „Da hab ich doch glatt meinen eigenen Namen vergessen! Nennt mich Beleno. Ahhh und diese von der Göttin gesegneten Damen sind die junge Preciosa Veliriano und die liebreizende Leonore Galanis von den Zyklopeninseln. Und dies, meine Liebsten, ist der edle Ritter von Rossreut, ein Mann wie er im Buche steht! Aber macht euch keine Hoffnungen, lange wird er sich an eurem Liebreiz nicht ergötzen können, denn er will heut' noch um die Hand einer Brahl anhalten. Fürwahr! Hab ich nicht recht, mein Lieber?“

Angenehme Begleitung: Preciosa Veliriano

Waldreich räusperte sich, dann wandte er sich an den Rahjageweihten. „Nun euer Gnaden, da habt ihr Recht. Bei Rahja, dies ist meine Absicht und nichts kann und wird mich davon abhalten. So wahr mir die Zwölfe helfen“.

Dann wandte er sich in Richtung der beiden Damen um und fuhr mit wohlklingender Stimme fort: “Verzeiht ihr holden Damen, dass ich die Etikette vergessen und mich nicht sofort vorgestellt habe“.
Anschließend deutete er eine Verbeugung an, hauchte jeder galant einen Kuss auf die dargebotene Hand und fuhr fort:“ Mein Name ist Ritter Waldreich Firudan von Rossreut, Junker zu Rossreut. Aus dem ehrenwerten garetischen Hause derer von Quintian-Quandt“. Während er aus dem ihm zwischenzeitlich gereichten Weinkelch nippte, richtete er erneut das Wort an den Rahjageweihten.
„Und ihr Eurer Gnaden Beleno, was führt euch in dieses ehrenwerte Haus und woher wisst ihr über meine Absichten. Stehen mir Rahjas Pfade so deutlich ins Gesicht geschrieben? Hat vielleicht ein kleines Vögelchen zu euch gesprochen und um eure Hilfe in dieser schweren Stunde zu bitten“?
Gleichzeitig glitten seine Gedanken in die Vergangenheit zurück.

In der Villa der Vilmire Brahl, unweit Shenilos, Mitte Rondra 1025 BF

Gleich nach seiner Ankunft war sie ihm aufgefallen, dieser wundervolle Paradiesvogel aus dem Horasreich. Wie ihre Blicke auf ihm geruht hatten, als er seinem treuen Streitross Famerlin den verletzten Huf versorgt hatte. Er hatte jeden ihrer schüchternen Blicke genossen und auch die Gefühle, die diese in ihm hervorgerufen haben.

Auch am Abend, als ihre Mutter, die edle Dame Vilmire, immer wieder versucht hatte, ihm die Vorzüge ihrer anderen Tochter Purothea hervorzuheben, hatte er nur Augen für sie. Und wenn er ihrem wundervollen Gesang lauschte und sich sein Blick in ihren Augen verlor, war ihm klar, nur die Herrin Rahja selbst hatte ihn an diesen Ort führen können. Und so hatte die Dame Vilmire sehr bald verstanden, wer hier die Pfade dieser beiden Menschen lenkte und ihre Bemühungen eingestellt.

Und so kam es, dass er auch die nächsten Tage in der Villa Brahl verbrachte, wo sie im Garten Lustwandelten oder die nahe gelegene Geronsstadt besuchten.

Zurück im Palazzo Brahl in Shenilo

Langsam kehrten seine Gedanken in die Gegenwart zurück und sein Blick wandte sich immer wieder auf den Rahjageweihten, welcher gerade das Wort an ihn gerichtet hatte. „Verzeiht euer Gnaden, ich war gerade in Gedanken. Wie meintet ihr gerade?“, nahm er das Gespräch wieder auf.

Geheimnisvolle Blicke: Leonore Galanis

„Wahrlich, mit Herz und Geist in Rahjas größter Gabe versunken, will ich meinen“, lachte dieser. „Es wird wohl kaum meiner Worte bedürfen, um selbst eine travientreue Frau wie Vilmire von Eurer brennenden Sehnsucht zu überzeugen. Dem Willen der Liebholden muss irgendwann ein jeder nachgeben, pflege ich zu sagen. Und wenn ich auch nicht denke, dass Tempel für ein Gebet nötig wären“ - bei diesen Worten schien der Geweihte vergnügt zu seinen Begleiterinnen hinüberzublicken - “so wäre es mir doch eine Freude, gemeinsam mit Euch in unserem prächtigen, kleinen Tempel der Göttin für ihre Güte zu danken. Aber was rede ich, Ihr könnt es sicher kaum erwarten, meiner Base die Aufwartung zu machen, um zu Eurer Geliebten zurückzukehren; nicht wahr, Signore Waldreich? Wartet nur hier, ich werde mich persönlich darum kümmern. Ich bin mir sicher, Euch in Gesellschaft dieser beiden Grazien in guten Händen zu wissen, eh?“
Kaum die Antwort seines Gegenübers abwartend, entschwand Beleno auch schon durch eine der gepolsterten Türen, derweil ein Diener die Gläser der Anwesenden füllte. Der vorzügliche, schwere Wein berauschte Waldreichs Sinne, während er sich den Damen zuwandte, um ihren Fragen zu begegnen. Diese derweil schienen einen unstillbaren Hunger an abenteuerlichen Geschichten aus fernen Regionen aufzuweisen. Besonders Signora Veliris schien begeistert von seinem Lebenswandel, wusste aber auch selbst allerlei unterhaltsame Anekdoten zu erzählen, trotz ihrer jungen Jahre. Signora Galanis hingegen schien sich weniger um Cortesia denn Koketterie zu bemühen und wartete keineswegs auf den unauffällig abseits stehenden Diener, wenn es galt die Gläser aufzufüllen. Allenthalben wurde viel gescherzt und gelacht, während man auf die Rückkehr des Reverendissimo wartete.