Briefspiel:Zeit des Wandels/Ein neues Oberhaupt

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Stadt Efferdas.png Briefspiel in Efferdas Stadt Efferdas.png
Datiert auf: Efferd 1044 BF Schauplatz: Efferdas Entstehungszeitraum: Sommer 2022
Protagonisten: Familien aus Efferdas Autoren/Beteiligte: Haus ya Pirras.png VivionaYaPirras, Haus Efferdas.png Elanor
Zyklus: Übersicht · Ein neues Oberhaupt · Unter Verdacht

Ein neues Oberhaupt

Es war ein anstrengender Tag gewesen und Valerio ya Pirras genoß einen kurzen Moment der Ruhe um sich kurz zu sammeln. Seine Mutter Viviona hatte ihn zwar schon, in weiser Voraussicht, auf vieles vorbereitet und doch war er im Moment recht überfordert. Gefangen zwischen Trauer und Pflichtgefühl hatte er das Gefühl den Überblick zu verlieren, was nicht seinem Naturell entsprach. Er schalt sich selbst einen Narren, dass er sich so aus der Ruhe bringen ließ. Und das nur, weil dies der angestammte Platz seiner Mutter war. Sie hatte früher Stunden in ihrem Studierzimmer verbracht. All dies hier erinnerte an sie und wieder überkam ihn eine Welle der Traurigkeit. Aber genug davon. Er würde bald das neue Familienoberhaupt werden und er sollte Stärke und Zuversicht ausstrahlen und nicht Schwäche und Unsicherheit.
Valerio war so im Gedanken versunken, dass er das Klopfen an der Türe erst gar nicht vernahm. Er räusperte sich kurz und forderte seinen späten Gast auf einzutreten. Seine Frau Nissara betrat den Raum. Sie trug bereits ihr Nachtgewand und stand mit sorgenvoller Miene im Türrahmen. "Valerio, mein Liebster, es ist schon spät. Du brauchst Ruhe." Sie betrat den Raum, stellte sich neben den Sessel und ergriff seine Hand. "Morgen erwartet dich wieder ein arbeitsreicher Tag und du solltest ausgeruht vor die Familie treten." Valerio drückte sanft die Hand seiner Frau und lächelte. "Was täte ich nur ohne deine Stimme der Vernunft. Sind denn jetzt alle eingetroffen?" Nissaras Stimme wurde merklich leiser"Ja. Heute morgen ist Terantina aus Belhanka eingetroffen."
Ein Zittern durchlief Valerio. Nissara hauchte ihm einen Kuss auf die Stirn. "Sie gehört zur Familie, Valerio." 'Sie hat sich von der Familie abgewandt.", erwiderte dieser gereizt. "Wir haben sie ausgegrenzt. Und du hast dich wegen ihr mit deinem Cousin Lucrann überworfen. Aber jetzt ist nicht mehr die richtige Zeit darüber zu diskutieren. Komm…." Sie hielt ihm die andere Hand hin und half ihm beim Aufstehen. "Du musst die Situation jetzt anders betrachten. Als Oberhaupt sollte dir das Wohl der Familie am Herzen liegen. Du solltest den Disput mit Lucrann vorerst aus dem Weg schaffen. Er bewirtschaftet Margine Amena und sorgt damit auch für unseren finanziellen Wohlstand." Beide verließen das Studierzimmer und gingen durch einen Gang zum Hauptgebäude. Trotz aller Gäste war im Haus Ruhe eingekehrt. Nur ihre Schritte waren noch zu hören. "Daher ist Terantinas Erscheinen hier von großer Bedeutung. Als Zeichen des guten Willen." Valerio schnaubte. "Du hast ja recht. Trotz allem kann ich die Sache nicht so einfach auf sich beruhen lassen." Nissara öffnete die Tür zu ihren Privatgemächern und sie traten ein. "Das sollst du auch nicht. Und ich denke du hast auch schon eine Lösung dafür. Aber nicht mehr heute." Sie schloß die Tür.


Am nächsten Morgen stand Valerio vor dem großen Spiegel in seinem Ankleidezimmer und betrachtete seine neue Gewandung. Er nickte zufrieden und prüfte den Sitz seines Hemdes. Dem Anlass entsprechend war alles von den Farbtönen her etwas dunkler gehalten. Entscheidend für ihn war aber das Familienwappen, welches in Herzhöhe umrahmt von einer Sonne prangte. Besser konnte man den Stellenwert des Herrn der Götter innerhalb dieses Hauses nicht ausdrücken, dachte er. Unter seiner Mutter wurde dies bei einigen Personen innerhalb der Familie vernachlässigt, aber nun wollte er einiges daran ändern. Er stolzierte aus dem Zimmer und wurde schon im Vorraum zu den Privatgemächern von seiner Frau erwartet. Er bot ihr seine Armbeuge an. "Meine Liebe, es ist Zeit unseren neuen Platz innerhalb des Hauses einzunehmen." Nissara nickte, hakte sich ein und schaute ihn erwartungsvoll an. Valerio atmete noch einmal tief durch. "Gehen wir, Nissara." Dieser Gang fiel Valerio leichter als die Tage zuvor. Er fühlte eine Art von Erleichterung, sollte sich doch gleich ein wichtiger Weg in seiner Zukunft öffnen.

Sie näherten sich dem alten Studierzimmer von Viviona und hörten schon einiges Gemurmel. Es war schon einige Zeit her, das die Familie so zusammensaß und es gab daher anscheinend einiges zu erzählen. Deutlich hörte man die Stimmen der Jüngeren und dazwischen mahnende Worte der Eltern. Nissara konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Vor der Tür blieben beide kurz stehen und schauten sich gegenseitig an. Sie nickten kurz und dann drückte Valerio den Griff der Türe nach unten.
Schlagartig wurde es still und einige Gesichter wandten sich in ihre Richtung. Valerio und Nissara begrüßten ihre Nichten Gwena und Terantina und auch diese bekam zumindestens von Nissara eine Umarmung. Valerio nahm Platz und verschaffte sich einen Überblick. An seine Seite setzte sich seine Frau. Flankiert wurden beide von ihren Kindern Orleane und Icaro samt Ehefrau Mireia. Ihnen gegenüber saßen Valerios Geschwister Madolina und Erdano mit seiner Frau Elphya und Tochter Gwena. Etwas abseits saß der Familienzweig aus Margine Amena repräsentiert von Lucrann ya Pirras und seiner Frau Vicentia. Daneben saß Terantina in einem figurbetonten dunkelroten Kleid welches, dem Anlass angemessen, fast schon hochgeschlossen war. Lucranns Schwestern Tyreka und Feodora waren ebenfalls zugegen.
Valerio ergriff das Wort. "Werte Familie. Ich freue mich, euch alle hier zu sehen. Es gibt eine Zeit des Abschieds, eine Zeit der Trauer und eine Zeit des Neubeginns. Dunkle Wolken trüben unser aller Gedanken, doch am Horizont sehe ich die ersten Strahlen der aufgehenden Praiosscheibe. Das Zeichen der Hoffnung und Zuversicht." Er ließ die Worte kurz im Raum stehen und warf einen kurzen Blick in die Runde.
"Gemäß der alten Gesetze des Hauses ya Pirras, niedergeschrieben zu Zeiten des Ahnherrn Piro, werde ich als Sohn des letzten Familienoberhauptes von Rechtens her dessen Platz einnehmen. Es sei denn es hat sich eines Verbrechens wider der Gesetze der Zwölfe schuldig gemacht oder ein anderes Mitglied des Hauses erhebt Einwände oder Ansprüche. Daher frage ich hier in die Runde, ob jemand das Wort ergreifen möchte." Aber niemand machte auch nur Anstalten etwas zu sagen.
Zufrieden nickte Valerio und fuhr fort. "So wird es niedergeschrieben. Am 29. Rondra des Jahres 1044 Bosparans Fall wird Valerio ya Pirras neues Oberhaupt des Hauses ya Pirras mit allen Rechten und Pflichten. Im Namen des Herrn Praios und seinen göttlichen Geschwistern schwöre ich, mein Leben in den Dienst des Hauses zu stellen, es würdig zu repräsentieren, in seinem Sinne zu handeln und seinen Ruhm zu mehren." Er räusperte sich. "Ich werde noch heute den Senat aufsuchen und meine Bewerbung auf den nun frei geworden Sitz bekanntgeben und den entsprechenden Obolus entrichten. Danach werde ich mich auf den Wahlkampf vorbereiten, denn ich kann mir vorstellen das gewisse Subjekte aus der Masse der Patrizier sich darauf stürzen werden wie die Geier. Trotzdem bin davon überzeugt das die Vernuft siegen wird. Damit unser Einfluss im Justicial-Kapitanat nach meiner Wahl nicht verloren geht, werde ich mich zum Einen um einen uns gewogenen Nachfolger kümmern und zum Anderen meinem Sohn Icaro mit einem Amt bekleiden damit unser Haus eines Tages wieder an der Spitze dieses Kapitanats steht. Auch möchte ich in den nächsten Tagen mit jedem hier in diesem Zimmer ein persönliches Gespräch führen. Vorrangig mit Terantina und Lucrann."
Lucrann stand auf. "Wohl und viel gesprochen Cousin, aber nun sollten wir diese Worte auch gebührend würdigen." Er griff an die Seite seines Sessels und holte einen bauchigen Krug mit dem eingebrannten Symbol einer Birne an der Seite hervor. Diesen stellte er auf den Schreibtisch und grinste. "Eigene Brennerei, selbst aufgesetzt und gut gereift. Erweisen wir der Verstorbenen die letzte Ehre und stoßen gemeinsam auf die Zukunft an."

Zurück in den Schoß der Familie

Terantina hatte ein schlechtes Gefühl, als sie nach der Versammlung als Einzige sitzen bleiben sollte. Und es hatte sich auch bestätigt. Nachdem die letzte Person den Raum verlassen hatte verdüsterte sich die Miene ihres Onkels schlagartig. Er öffnete ein Schubfach und holte einen größeren zusammengebunden Stapel Pergamente hervor.
"Meine Mutter schien einen Narren an euch gefressen zu haben. Zumindestens hatte sie euch während eurer freiwilligen Abstinenz von der Familie nicht aus den Augen gelassen und euch gegebenenfalls ohne euer Wissen unterstützt." Er deutete auf den Stapel. Seine Stimme war gefühllos und kalt. "Auch achte ich ihren Wunsch euch eures Standes gemäß mit Respekt zu behandeln, euer Gnaden."
Terantina schaute ihm trotzig in die Augen. "Ich möchte einzig und allein meiner Großtante die letzte Ehre erweisen. Dazu habe ich das Recht." "Das Recht. Wozu habt ihr das Recht? Meint ihr ihr hattet das Recht euch heimlich aus dem Staub zu machen und euch in Belhanka zu verstecken? Einer Stadt deren Bewohner unserer Familie mit dem Tod gedroht und uns aus unserer angestammten Heimat verbannt haben. Im Namen der Demokratie." Valerios Stimme überschlug sich fast. "Und darüber hinaus noch das Recht euer Haus und das eures Verlobten in aller Öffentlichkeit zu brüskieren? Wir haben noch heute Streitigkeiten mit dem Haus di Camaro und hinter unseren Rücken wird immer noch darüber getuschelt und gelacht. Und ihr meint allen Ernstes hier irgendwelche Rechte zu haben?" Er griff nach einem Becher Wasser und trank ihn in einem Zug aus. Danach atmete er tief durch und zwang sich zur Ruhe.
"Werter Herr Onkel. Die Liebholde hat ihren Blick auf mich geworfen und ich habe ihren Ruf vernommen. Hätte ich mich dem Willen der Göttin verweigern und die Familie über diesen stellen sollen? Ich denke nicht. Wenn euch der Herr des Lichtes erwählt hätte, was wäre eure Entscheidung gewesen?" "Das könnt ihr nicht miteinander vergleichen. Unsere Familie richtet sich seit jeher nach den Gesetzen des Herrn Praios und nicht denen der Herrin Rahja." Unbeirrt sprach sie mit ruhiger Stimme weiter. "Es tut mir leid, wenn ich der Familie Schaden zugefügt habe. Gerne bin ich dazu bereit auch dem Haus di Camaro Abbitte zu leisten. Trotz allem bereue ich nicht diesen Weg beschritten zu haben. Und es freut mich zu hören, dass meine Großtante immer hinter mir stand. Umso mehr wünsche ich ihr die letzte Ehre zu erweisen."
"Ich bin kein Unmensch und daher werdet ihr natürlich die Gelegenheit bekommen euch zu verabschieden. Und nichtsdestotrotz hätte ich in naher Zukunft einen Boten zu euch gesandt. In meinem Großmut hatte ich vor, euch eine Rückkehr in den Schoß der Familie zu ermöglichen und den Dienst an eurer Göttin...", bei diesem Wort gab er kurz einen missfallenden Ton von sich "....zu verrichten. Aber nicht mehr in Belhanka sondern in Shenilo." "Aber……..', wollte Terantina erwidern aber Valerio winkte barsch ab und deutete wiederum auf die Pergamente. "Was eure kirchliche Karriere angeht, scheint ihr auf der Stelle zu treten, was bei einer erneuten Bewerbung als Geliebte der Göttin wohl keine positiven Auswirkungen hat. Auch die Aufmerksamkeit des Horas wird nicht von Dauer sein. Da kann euch eure Familie aber helfen. Eure Tante Feodora versucht gerade unseren Einfluß in Shenilo zu mehren und stößt dabei auf Schwierigkeiten mit der Familie Brahl und meines Wissens nach leitet jemand aus dieser Familie den dortigen Rahja-Tempel. Dort könntet ihr unser Haus unterstützen. Und daher hatte schon meine Mutter ihre dort vorhandenen Beziehungen spielen lassen." Valerio ließ seine Worte erst einmal wirken und beobachtete Terantinas Reaktion ganz genau. Bei der Erwähnung ihrer Karriere und der Familie Brahl wurde sie hellhörig. "Ich sehe, ich habe nun eure volle Aufmerksamkeit. Nun, ich gehe davon aus das euch die Standorte eurer Kirche hier im Lieblichen Feld bekannt sind. Dann dürfte euch die Zweiflinger Kapelle bei Shenilo etwas sagen. Ich habe erfahren das die dortige Geweihte ihren Posten aufgeben will um wo auch immer als Missionarin tätig zu werden. Und genau diesen Platz biete ich euch an. Die entsprechenden Unterlagen für eure Ernennung sind in meinem Besitz und nun liegt es allein an euch ob ihr diese Möglichkeit ergreift oder ob sie im Feuer landet. Ihro Gnaden Beleno Brahl höchstpersönlich, seines Zeichens Vorsteher im Sancta-Svelinya-Tempel, bietet euch hiermit die Möglichkeit diese Kapelle unter eurer Leitung zu stellen. Dies mehrt natürlich die Aufmerksamkeit innerhalb der Kirche. Wie auch immer meine selige Mutter dies geschafft hat, entzieht sich meiner Kenntnis, aber unterschätzt mit die Brahls nicht. Wahrscheinlich wird noch eine Gegenforderung auf euch zukommen. Aber dies wird ein geringer Aufwand für die Rückkehr in den Schoß der Familie sein. Und ihr könnt dann mit unserer Unterstützung rechnen."
Terantina verzog ihr Gesicht. "Eine Kapelle, das nennt ihr einen Aufschwung meiner Karriere? Verzeiht, aber das ist doch etwas dürftig." Valerio konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. "Nun, um euch die Sache etwas schmackhafter zu machen solltet ihr wissen, daß die Geweihte dieser Kapelle beratend bei der Produktion des Zweiflinger Perlwein, eines Tropfens der Heiligen Rahjalina würdig, tätig ist. Dadurch hat sie direkten Kontakt zum Baron ya Ramaúd, einem Mann mit sehr großen Einfluß in Shenilo. Und wer weiß. Vielleicht schafft es die neue Geweihte aus der Kapelle später etwas Größeres unter ihrer Führung dort zu errichten. Überzeugt euch das?"
"Und was verlangt ihr als Gegenleistung?", beäugte Terantina ihren Onkel misstrauisch. "Wie schon erwähnt, Unterstützung gegen die Familie Brahl. Schließlich profitieren wir alle davon. Ich biete euch hiermit meine Hand….." Mit diesen Worten stand Valerio auf und hielt Terantina diese hin. ".......und ich biete euch diese auch als Symbol für die Rückkehr zur Familie an." Terantina überlegte. "Ihr seht mich überrascht Onkel und versteht es bitte nicht falsch, aber….." Sie überlegte kurz und dann ergriff sie Valerios Hand. Seine Reaktion war ein zufriedenes Nicken.
"Am Besten wäre es, ihr begleitet eure Tante von hier aus nach Shenilo um keine Zeit zu vergeuden. Eure Habe aus Belhanka werden wir euch selbstverständlich nach Shenilo bringen lassen. Und schickt jetzt bitte eure Eltern zu mir." Er entließ Terantina mit einer kurzen Verbeugung, einem gemurmelten "Euer Gnaden." und überreichte ihr zum Abschied einen gesiegelten Brief.
Terantina nahm diesen mit demselben huldvollen Kopfnicken entgegen, das sie auch Pilgern gegenüber gezeigt hätte, die der Göttin im Tempel ein Geschenk darboten. Sie zwang sich sogar zu einem kleinen Lächeln, obwohl ihr die jähe Trauer, die sie empfand, als sie diesen unverrückbar letzten Gruß ihrer geliebten Tante in den Händen hielt, die Kehle zuschnürte. Doch sie bewahrte ihre Würde, strich eine Falte ihres Gewandes glatt, welches auch ein Geschenk Vivionas war und verließ leise den Raum. Die Worte ihres Oheims waren ihr zwar noch gegenwärtig, jedoch in diesem Moment vollkommen egal.
„Er möchte Euch sprechen“, presste sie nur hervor, als sie ihre Eltern gefunden hatte, bevor sie in die Gruft floh, wo ihre Tante aufgebahrt lag, es herrlich kühl und ruhig war und sie endlich ihre Gedanken sammeln konnte.
Sie starrte auf den Steinsarg ihrer Tante und fand für lange Zeit nicht die Kraft das Siegel des Briefes zu brechen, da ihr jäh gewahr wurde, dass es danach nichts mehr geben konnte, was ihre Tante ihr noch geben konnte. „Sei nicht selbstsüchtig“, schalt sie sich selber. Ganz gleich in welchen Teil Alverans es die unsterbliche Seele ihrer Tante auch verschlagen haben mochte, ihr als Geweihter stand es sicher gut zu Gesicht, ihr dieses Glück im Angesicht der Zwöfe zu gönnen. Und dass Tantchen in ein zwölfgöttliches Paradies Einzug gehalten hatte, stand für Terrantina außer Frage. Denn gleich was andere über Viviona gesagt haben mochten, sie hatte ihr Tantchen stets als ebenso klug wie gütig erlebt. Endlich brachte sie den Mut auf das Siegel zu brechen.
'Efferdas am 5ten Tage der Rondra 1041 BF - Meine liebe Terrantina', las sie. Ja dieser letzte Gruß war unzweifelhaft in der schwungvollen Handschrift verfasst, die sich Tantchen bis ins hohe Alter bewahrt hatte. 'Ich schreibe Dir diese Zeilen bereits heute, da das, was ich Dir zu sagen habe, sowohl unter dem frischen Eindruck des Geschehen niedergelegt werden soll, als auch zu einem Zeitpunkt, wo es noch niemand wagen wird, an meinem Geiste zu zweifeln. Ja ich hatte andere Pläne mit Dir, die Du mir von meinen Nichten und Neffen stets die liebste warst. Nur zu gerne hätte ich ich Dich mit diesem biederen Camaro verheiratet, den Du sicherlich so hättest führen können, wie es unserem Haus gefallen hätte. Aber unserem Ansehen auch beim einfachen Volk hat es sogar noch mehr geholfen, das lächerliche Possenspiel dieses standesvergessenen Esteban ins Lächerliche zu ziehen, haben mir meine Zuträger ein ums andere Mal berichtet. Nun hast du dich dafür entschieden den Weg der Herrin Rahja zu folgen und wenn du diesen so verfolgst wie alles in deinem bisherigen Leben, wirst du es auch dort weit bringen. Und ich werde dich so gut unterstützen wie ich es kann, wenn auch nicht mehr so offensichtlich wie bisher. Leider muß ich den öffentlichen Schein wahren und dich für dein Verhalten "strafen", aber trotzdem werde ich immer bei dir sein auch wenn es momentan nur in deinem Herzen ist.' Bei diesen Worten schossen Terantina Tränen in die Augen und sie ließ ihren Gefühlen freien Lauf.



Erste Verstimmungen

"Vicentia, Lucrann, nehmt bitte Platz." Valerio deutete auf eine kleine Sitzgruppe und rückte Vincentia den Sessel zurecht. "Sagt, wie viele Materialien aus den Umbauarbeiten lagern noch auf Burg Margine?" Lucrann räusperte sich. "Nun ja….", begann dieser und erläuterte den aktuellen Stand. "Gut, gut. Erstell mir bitte eine genaue Auflistung dieser Materialien. Wir werden sie für unsere weiteren Arbeiten auf Aureum Pomum benötigen, denn ich habe vor unseren Landsitz wieder herzurichten. Nach dem Ende der Unstimmigkeiten mit den di Camaros in dieser Sache, können wir ja jetzt wieder frei entscheiden wie wir damit verfahren." Bei der Erwähnung der di Camaros schauten Lucrann und seine Frau betreten zur Seite. "Ich werde mich auf die Suche nach einem Baumeister machen um ihn zumindest wieder wohnbar zu machen. Was die weitere Nutzung angeht……" Valerio hielt kurz inne und fuhr sich durch seinen Bart. ".....sollten wir uns Gedanken machen, denn ich habe vor euren Sohn Quentan dort führend einzusetzen. Natürlich wird ihm anfangs jemand als Haushofmeister zur Seite stehen, aber nach einer entsprechenden Zeit sollte er es eigenständig verwalten können. Er steht doch an der Universität kurz vor dem Examen der Travia-Schule, wenn ich richtig informiert bin?"
Lucrann zog seine Stirn kraus. Ihm schien das Interesse an seinem Sohn nicht zu behagen. Vincentia schaute ihren Gatten an und nickte Valerio zu. "Ja, und er hat dort bisher auch sehr gute Leistungen erbracht. Danach haben wir allerdings vor, ihn zu meiner Familie nach Gerrich zu schicken um auf unserem Gestüt weitere Erfahrungen zu sammeln."
"Ein Gestüt….so, so……", murmelte Valerio. "Nach den misslungenen Versuchen der Rekultivierung, wäre das vielleicht eine Alternative um den Landsitz anderweitig profitabel zu nutzen? Was denkt ihr Vincentia?" "Das kann ich so leider nicht sagen. Ich werde gerne ein Schreiben an meine Familie in Gerrich aufsetzen und vielleicht schicken sie uns jemanden der sich vor Ort ein Bild macht." Innerlich dachte sie nicht im Geringsten daran ihre Familie damit zu belästigen. Man muß sich nicht den Grundstein für eigene Konkurrenz legen. "Dann tut dies. Und da wir gerade über Quentan sprechen. Alleine wird er den Landsitz mit all seinen Aufgaben nicht übernehmen können."
Ein kurzes Knarzen unterbrach Valerio in seinen Ausführungen, denn Lucrann spannte sich im Sessel an. Auch Vincentia bewegte sich unruhig hin und her. Beide ahnten, das jetzt der berüchtigte Haken kommt. "Wir sollten uns auf die Suche nach einer heiratsfähigen jungen Dame machen. Wie der Zufall es will, hat deine Schwester vielleicht schon eine gute Partie an der Hand. Eine junge Dame aus dem Hause di Côntris. Ihr Vater ist ehemaliger Richter, Herr von Banquiris und Erster Rat von Shenilo. Ihre Mutter ist Signorina von Elmantessa. Dies hört sich schon gut an, aber natürlich werde ich mich da rückversichern. Aber genug davon. Es wird Zeit, ich muss zum Senat. Heute Abend werden wir aber bestimmt noch Zeit finden um weiteres zu besprechen. Damit stand Valerio auf, hauchte der verdutzten Vincentia einen Kuss auf den rechten Handrücken und drückte seinem Cousin fest die Hand. "Nun denn, bis heute Abend." Und damit komplimentierte er sie hinaus.


Die Tür schloss sich hinter den beiden und auf Vincentias Stirn zeigten sich erste Zornesfalten. "Wo ist sie, diese….", fauchte sie und lies ihren Gatten stehen. "Warte doch Vincentia.", versuchte dieser sie noch aufzuhalten, aber seine Frau ließ ihn einfach stehen. Während sie durch den Gang ins Atrium stürmte, schaute sie sich um und sah dort in einer Sitzecke ihre Schwägerin in einem angeregten Gespräch mit ihrem Secretarius.
"Feodora, auf ein Wort.", rief sie quer durch den Saal. Mit strammen Schrittes marschierte sie auf sie zu, wurde aber unwirsch aufgehalten. Eine augenscheinliche Söldnerin in einer geschwärzten Lederrüstung trat ihr in den Weg, hielt sie mit einer ausgestreckten Hand auf Abstand während die andere sich einer Dolchscheide näherte.
Vicentia schnappte hörbar nach Luft und funkelte ihre Gegenüber an. Diese ließ sich davon nicht aus der Ruhe bringen und musterte sie von oben bis unten. "Ruft eure Wachhündin zurück, Feodora. Wir haben etwas zu bereden." Die Angesprochene schaute kurz und nickte. Sie gab dem Secretarius noch letzte Anweisungen und schickte ihn dann mit einer kurzen Handbewegung fort. Nach einem fragenden Blick der Söldnerin und der daraufhin folgenden einladenden Geste gab diese mit einem arroganten Grinsen den Weg frei und zog sich wieder in den Hintergrund zurück.
Feodora schaute ihre Schwägerin an und setzte eine betretene Miene auf. "Entschuldige bitte Sefiras Auftreten, aber sie steht noch nicht lange in meinem Dienst und traf bisher auch nicht auf meine Familie. Bitte nimm Platz, meine Liebe." Sie deutete auf den Platz ihr gegenüber. "Spar dir deine Freundlichkeit. Lass lieber die Finger von meinem Sohn.", giftete Vincentia ihre Schwägerin an. "Wenn du unbedingt jemanden verheiraten willst, dann nimm deine eigenen Töchter. Diese wären damit bestimmt besser dran, als weiterhin unter deiner Fuchtel zu stehen." "Es ist dir doch im Klaren, das beide mit ihren dreizehn Götterläufen für einen Traviabund viel zu jung sind. Um unseren Einfluß in Shenilo zu mehren, benötigen wir kurzfristige Lösungen und vor allen Dingen einen männlichen ya Pirras. Dein Sohn kommt nun einmal ins heiratsfähige Alter.", erwiderte Feodora fast schon tadelnd. Das Verhalten ihrer Schwägerin brachte Vincentias Blut noch mehr zum Kochen. Sie stütze sich mit beiden Händen auf dem Tisch ab, beugte sich zu ihr runter und schaute ihr tief in die Augen. "Ich sage es dir noch einmal Feodora. Finger weg von meinem Sohn." Ruckartig richtete sie sich wieder auf und drehte sich um. Ohne ihre Schwägerin und ihre Leibwächterin noch eines Blickes zu würdigen ging sie ihrem Mann entgegen, der gerade in Begleitung seiner Schwester [[Tyreka ya PirrasTyreka im Atrium erschien. Vicentia warf sich ihm zitternd in die Arme und murmelte "Sie bekommt ihn nicht in ihre Klauen. Niemals." Sie löste sich von Lucrann. "Ich werde noch heute ein Schreiben nach Gerrich aufsetzen und alles vorbereiten. Wir dürfen keine Zeit verlieren." Lucrann nickte zustimmend.