Briefspiel:Zug nach Norden/Die Brücke, die Verrückte macht

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Sheniloneu3k klein.png Briefspiel in Shenilo Sheniloneu3k klein.png
Beteiligte (irdisch)
Familie Razo.png Athanasius
Haus ya Papilio.png Gishtan re Kust
Stadt Arinken transparent.png Di Matienna

Die Briefspielgeschichte Die Brücke, die Verrückte macht beschreibt unerwartete Schwierigkeiten für die Sheniloer Drachenreiter bei der Überquerung der Banquirbrücke in Arinken am 20. Rondra 1036 BF.

An der Brücke von Arinken, 20. Rondra 1036 BF

Blutiger Traum

Der Säbel sauste nur eine Hand breit an Landors Kopf vorbei. Mit aller Kraft wuchtete er die Hellebarde herum, um die Reiterin auf Distanz zu halten. Ihr Ross schnaubte, stieg hoch und ließ die Hufe auf jemanden niedersausen. Das war Silvana, die noch eben neben ihm gestanden hatte und jetzt gräßlich zermalmt wurde. Sie hatte einen kleinen Marktstand mit Früchten unten am Ufer. Was machte er überhaupt hier? Warum war er, Landor, nicht in seiner Schreibstube, sondern kämpfte hier für Menschen, die sich nicht drum scherten, gegen welche, denen es genauso gleichgültig war? Mit einem Satz sprang er vor, erwischte die Reiterin mit der Klinge hinter der Schulter und riss sie vom Pferd, wo sie vor seinen Füßen im Schlamm liegen blieb. Ohne zögern rammte er die Hellebardenspitze in ihre Brust, die Rüstung zerbarst, der ganze Brustkorb, ein Schwall Blut spritzte ihm ins Gesicht.


Freund oder Feind?

Plötzlich wurde er unsanft an der Schulter und aus seinen Träumen gerüttelt. „Sargente, aufwachen!“ Oriana wirkte aufgeregt. Verdammte Neulinge. Immerhin war der Traum vorbei. Jedes Mal der selbe Traum. Er wischte sich das Blut aus dem Gesicht. Den Schweiß. Verfluchte Fahnenschlacht. „Was ist, kommt jemand?“ Landor griff nach Hut und Hellebarde. Nur Narren und Eilboten reisten zur Mittagsstunde im Rondra. Oriana deutete aufgeregt in Richtung der Burg. „Auf der Burg haben sie ein Signal gesetzt.“ Landor erhob sich und fixierte die Burg, wobei er blinzeln musste, da die Sonne gen Praios hoch über dem Banquirfels stand. „Ein gelber Wimpel“, verriet Oriana ihm. Mittlerweile kam auch Pantino herbei, der den Wimpel ebenfalls bemerkt hatte, kurze Zeit später die ganze Mannschaft. „Bewaffnete mit ungewissen Absichten“ klärte Landor seine Leute auf. „Also Feinde?“ fragte Oriana. „Nicht unbedingt, aber sicher keine Freunde.“ antwortete Landor. „Vielleicht rücken wirklich die Thorwaler an.“ bemerkte Oriana. Landor dachte kurz darüber nach. Die Späher waren noch nicht aus der Septimana zurückgekehrt und am Morgen hatte ihm die Wirtin im Postillon noch erzählt, dass... Doch dann fiel ihm etwas auf. „Seht ihr, auf welchem Turm der Wimpel steht? Wer auch immer da kommt, kommt von Süden.“ „Wahrscheinlich durchziehende Söldner“, bemerkte Pantino, „dann setzen sie immer den Gelben.“ Landor erhob die Stimme: „Freunde, ihr wisst, was zu tun ist, bauen wir die Barriere auf. Sicher ist sicher.“

Die sieben Brückengardisten machten sich auf, zwei stachelgespickte Barrikaden aus einem Schuppen zu holen und vor dem Südende der Brücke aufzustellen, so dass nur ein enger, S-förmiger Pfad für Reisende übrig blieb.

Hinter einer Anhöhe auf dem Banquirstieg im Süden kam erst eine Staubwolke, dann ein Banner zum Vorschein, bis eine Schar Reiter zu erkennen war. Landor richtete seinen Blick erneut auf die Burg, ob dort irgendwelche Anstalten gemacht wurden, zu reagieren. Doch konnte er nichts sehen.

„Drachenreiter“, bemerkte Pantino, „etwa 20.“ „Ausgerechnet!“ Landor rollte mit den Augen. Dabei hatte der Tag so gemütlich angefangen.

Die beiden kleinen Mädchen, die bis dahin sorglos am Fuße der Brücke im Banquir geangelt hatten, kamen angelaufen, um sich hinter der Barrikade zu verbergen und die Neuankömmlinge aus einer sicheren Stellung beobachten zu können.

Landor bereitete indes seine Gardisten vor. „Was da kommt, sind Sheniloer Drachenreiter. Wie ihr wisst, lauten unsere Befehle, alle Vertreter des sogenannten Sheniloer Bundes mit dem ihnen gebührenden Respekt zu behandeln, ihr wisst was das bedeutet.” Irgendjemand kicherte. Landor fuhr fort: “Ich verwette meinen Hut, dass sie sich weigern werden, den Zoll zu zahlen. Entweder werden sie versuchen, uns zu Tode zu schwätzen, mit irgendwelchen Lügenmärchen von wegen Bündnispflichten, oder behaupten, die Brücke gehöre ihnen, wie damals mit der Burg. Das Reden mache daher ich. Alhonso stellt sich dort hinter die Barrikade und nimmt sich eine Armbrust, falls jemand von denen auf dumme Gedanken kommt. Oriana, du behältst die Burg im Auge, für den Fall dass sich dort etwas tut. Wir kassieren schön einen nach dem anderen, damit uns das gierige Pack nicht prellt. Pantino bleibt bei mir und sackt den Zoll ein. Der Rest schnappt sich eine Waffe und schaut grimmig aus. Ab auf eure Posten.“


Überraschende Beweggründe

Die Reiter kamen näher, ihre Harnische blinkten im Sonnenschein. Pompös wie immer, die Sheniloer, dachte Landor. Die wenigen Gäste im Postillon blickten neugierig hinüber. Landor lehnte sich lässig an ein Mauerstück und tat so, als bemerke er die Reiter gar nicht, bis sie die Barrikade erreicht hatten. Erst dann trat er hervor und deutete einen Gruß an, als er Aldare ya Papilio ausgemacht hatte, die sich an die Spitze gesetzt hatte und ihr Pferd an der Barrikade zum stehen brachte. Erst jetzt fiel ihm auf, dass es sich nicht bei allen Reitern um Drachenreiter handelte. ”Seid gegrüßt, Capitanya, gehe ich recht in der Annahme, dass ihr die Brücke zu überqueren beabsichtigt?”

Aldare stutzte kurz ob der unerwarteten Frage. “Warum sonst sollten wir hier sein, Soldat?” entgegnete sie.

“Nun, etwas weiter hinter der Brücke beginnt die Baronie Ruthor, wie ihr hoffentlich wisst. Deswegen hoffe ich eher nicht, dass Drachenreiter die Brücke überqueren. Zieht Shenilo mal wieder in den Krieg?” Der Tonfall des Sargente hatte etwas anklagendes an sich. “Nein, aber wir sind auf dem Weg nach Calven.” Landor warf Pantino einen kurzen Blick zu. “Dann muss ich euch warnen, Capitanya. In Calven sollen sich Seeschlangen und Thorwaler herumtreiben, ihr habt euch eine schlechte Zeit ausgesucht, die Frische des Meeres aufzusuchen.”

„Wir reisen nicht zur Erholung dorthin, sondern um Calven gegen die Thorwaler beizustehen. Und wir haben es eilig!“ Landor und Pantino warfen sich skeptische Blicke zu. „Sie lügt. Immer die selben Ausreden, das hast du davon, dass du ihr von den Thorwalern erzählt hast.“ flüsterte Pantino dem Sargente zu, der selbst nicht recht glauben konnte, was er da hörte.

„In wessen Auftrag?“

„Der Eteria, wer sonst?“

„Die Eteria hat beschlossen, dass der Sheniloer Bund einem Mitglied in Not beisteht?“

„Ja. Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit, Soldat!“ Die Capitanya wurde lauter.

„Bei den Göttern, es geschehen doch noch Wunder.“ entfuhr es Landor. „Vielleicht lügt sie doch nicht“, flüsterte er Pantino zu, der mit den Schultern zuckte. “Du bist noch jung, du weißt nicht, was sie sich alles einfallen lassen. Bei meinem ersten Mal wollten hier eilig Bewaffnete durch, um Sewamund vor einem riesigen Dämonenklumpen zu schützen.” Pantino rollte mit den Augen. “Wie es aussieht, wird ihre Hochwohlgeborenheit ungeduldig,” flüsterte er Landor noch zu. Dieser wandte sich erneut der Capitanya zu. „Nun, es steht mir nicht zu, euch von eurer Pflicht abzuhalten. Der Zoll beträgt neuerdings sieben Kreuzer pro Bein, dreizehn pro Huf und dreiundzwanzig pro Rad. Wenn ihr eure Leute eine Reihe bilden lasst, können wir einen nach dem anderen hier durchlassen, damit niemand versehentlich doppelt bezahlt. Das wollt ihr doch sicher vermeiden, nicht wahr?“

Landor spürte Pantinos Ellbogen in der Seite. “Wer denkt sich solche Zahlen aus?” flüsterte Pantino ihm ins Ohr. “Dieser Salvamêt, neuerdings darf der alles.” flüsterte Landor zurück. “Kannst du rechnen, Pantino?” Pantino schüttelte den Kopf. Landor wischte sich den Schweiß von der Stirn. Das konnte ja heiter werden. Erneut widmete er sich Aldare und erwartete ihre Antwort.


Zollpflicht oder doch nicht?

Aldare ya Papilio beherrschte sich und rang um förmliche Freundlichkeit: “Ich bin in meiner Familia nun ja nicht eine von jenen, die sich vorwiegend mit Handelsvorschriften und Wegerechten befassen”, sagte sie. “Gleichwohl bin ich lange genug in Diensten des Adlerordens gestanden, um ein wenig Erfahrung mit extraterritorialen Einsätzen zu besitzen. Will sagen: Ihr werdet wohl besser als ich wissen, ob Ihr befugt seid, nicht nur Handel Treibende mit einem Zoll zu belegen, sondern auch Bündnistruppen mit einer Benutzungsgebühr. Sollte aus Eurer Sicht Letzteres zutreffen, werden wir diese Gebühr entrichten und von Euch den Erhalt des Geldes schriftlich und mit Eurem Namen versehen quittiert bekommen, Sergeant. Im Anschluss an unseren Einsatz würde die Sheniloer Verwaltung die Rechtmäßigkeit des Erhebens einer Wegegebühr gegenüber Bundestruppen prüfen und im Fall, dass diese nicht gegeben sein sollte, deren Rückerstattung bei Cavalliera di Matienna beantragen. Viel Schriftverkehr wegen einer solchen Bagatelle...”

Landor dachte ein wenig nach. „Nun, wenn ihr darauf besteht, Capitanya.“ Pantino wollte ihm erneut etwas ins Ohr flüstern, doch Landor kam ihm zuvor. „Hol mir mal was zum schreiben!“ Landor wies zum Wachhaus, woraufhin sich Pantino und Belena dorthin aufmachten. An Aldare gewandt fuhr er fort: „Ich sollte euch dennoch warnen, dass all dies sicher nichts bringen wird. Dies hier ist eine Kronstraße, die Sheniloer Verwaltung hat hier zum Glück keinerlei Entscheidungsgewalt. Und die Krone schert es wenig, welche Absichten die Reisenden verfolgen, solange sie ihren Anteil bekommt. Und damit sie ihren Anteil bekommt, können wir nur selten Ausnahmen machen...“ Pantino und Belena hatten währenddessen ein leeres Weinfass mit einer Tischplatte aufgestellt. “... nur solche, die einen Kontrakt mit der Baronin haben, vertrauenswürdige Reisende, die glaubhaft versichern können, später nachzuzahlen, oder enge Verbündete darf ich ohne Wegzoll über die Brücke lassen.”

“Beendet die Diskussion, Subordinaten!”, herrschte Aldare das Duo an. “Nennt uns die Summe des fällig werdenden Wegzolls, quittiert mir diese, falls Ihr schreiben könnt, und ich werde das Geld bezahlen. Wenn’s nicht zuviele Umstände macht.”


Papierkram

Während die Gardisten sich ob der angespannten Lage aufrafften und ihre beiseite gestellten Hellebarden oder Armbrüste ergriffen, blieb Landor gelassen. „Meine Zeit ist eure Zeit.“ Er setzte sich an den provisorischen Tisch und wartete, bis ihm jemand Feder und Tintenfass aufstellte. Als er anfangen wollte, zu schreiben, unterbrach ihn Oriana. „Sargente, auf der Burg stellen sie sich auf!“ Landor warf einen Blick zur Burg, wo eine ganze Reihe Leute auf dem Schildwall und der unteren Plattform Aufstellung genommen hatten. Er zählte mindestens dreißig. Die Arinkener Bogner mussten gerade eine Übung dort oben abgehalten haben. Hoffentlich würden sich die Sheniloer nun etwas zivilisierter verhalten. „Gut, behalte das weiter im Auge, falls sie einen roten Wimpel hissen.“ Landor stellte sich kurz abseits der Gruppe und signalisierte mit den Armen etwas zur Burg hoch.

Als keine Reaktion von der Burg zu sehen war, setzte er sich erneut, und brachte in schnörkelloser Canzleyschrift einige Worte zu Papier.

Ich, Arin Landor Rabello, in meiner Position als Sargente in der Compania Durani der städtischen Miliz Arinkens, für die Sammlung des Brückenzolls eingeteilt am zwanzigsten des Rondrenmondes des eintausendsechsundreißigsten Jahres an der Brücke über den Banquir abwärts Arinkens, gemäss Erlass...

Er setzte kurz ab um zu überlegen, von wann die neuen Befehle waren und entschied sich, bei der Gelegenheit etwas überflüssiges Bosparano einzubauen. In Shenilo fand man dies offenbar erbauend, wie er von der Lektüre Sheniloer Bekanntmachungen wusste.

...der Defensa Communitatis vom sechsten Rondra ipso anno, konfirmiere hiermit die Firunwärts gerichtete Passage von Sheniloer Dragonern, der Anzahl...

„Pantino, zähl mal, wie viele das sind. Nicht vergessen, wir berechnen nach Beinen und Hufen, wer auch immer sich diesen neuen Blödsinn ausgedacht hat, wohl aus Höflichkeit für die Tuachalls. Immer schauen, wie viele da dran sind. Könnten ja Veteranen dabei sein.“ Seine eigenen Worte ließen Landor versuchen, unter den Drachenreitern andere bekannte Gesichter der Schlacht von Gilforn auszumachen, als die Capitanya. Immerhin hatten seine Leute dort mit einem so beherzten wie wahnsinnigen Sturmangriff die Sheniloer aus einer brenzligen Lage gerettet, den er aus einer wirren Laune der Götter heraus überlebt hatte, obwohl er in die vorderste Reihe eingeteilt war. Die Gesichter der Getöteten, vor allem von eigener Hand, erschienen ihm jede Nacht, aber die Überlebenden waren hinter purpurnen Vorhängen verborgen. Da half es auch nichts, dass viele Reiter der Hitze wegen ihre Helme abgenommen hatten. Offenbar ging es denen ähnlich wie ihm, was die Erinnerungen anging.


Hufe oder Beine?

Indes seufzte Pantino und machte sich daran, die Reiter zu zählen, wobei er jedes Mal ganz genau nachsah, ob auch jedes Pferd vier Hufe hatte. Um die Wartezeit zu überbrücken, wandte sich Landor erneut an die Capitanya: „Die drei da hinten, sind das auch Drachenreiter? Der eine sieht wie der Baron von Contris aus.“

'“Über die Zivilisten, die in der gleichen Richtung reisen wie wir, habe ich keine Befehlsmacht. Ihr mögt diese separat befragen und bezollen.” Aldare klimperte ungeduldig mit dem Inhalt ihrer mit einem Schmetterling bestickten Geldkatze und wartete, während der schnauzbärtige Corporal zählte und rechnete. Endlich kam Pantino vom Ende der Kavalkade zurück gestapft, Zahlen vor sich her murmelnd. Er schien unsicher zu sein: “Sargente, soll ich die Beine der Pferde eigentlich dazu zählen? Oder gelten zur Berechnung der Gebühr nur die Hufe? Ich meine, weil Rösser ja auch Beine haben, ihre Reiter aber nattürlich keine Hufe, und…” Er hielt inne.

“Hufe, nur die Hufe.” Landor raufte sich die Haare. “Egal ob mit oder ohne Hufeisen. Wenn der Salvamet das nächste Mal bei mir vorbeischaut werde ich ihn...” Landor ballte die Fäuste “...höflichst bitten, den Wahnsinn wieder rückgängig zu machen und zur Mensch-Tier-Wagen-Regel zurückzukehren, die hat die letzten Jahrhunderte hervorragend funktioniert.” “Zählen Sheniloer dann als Menschen oder Tiere?” fragte Pantino grinsend, doch Landor ignorierte ihn.

“Wie viele waren es jetzt, Pantino?”

Der Corporal kratzte sich am Kopf.

“Neunzehn.”

“Hufe?” entgegnete Landor entgeistert.

“Nein, Pferde, alle mit 4 Hufen und je einem Reiter oben drauf.”

“Gut das macht dann... äh... sechsundsiebzig Hufe und damit...” Verzogenen Kindern die Feinheiten bosparanischer Vergangenheitsformen beizubringen war eine Sache, aber das hier? Sechsundsiebzig mal dreizehn, der Salvamet lebte wirklich gefährlich. Wie hatte das Malvina vorgestern hinbekommen, als eine Tulamidische Karawane auf dem Weg nach Grangor hier durch wollte? “Wir haben nicht zufällig einen Abacus im Wachhaus?” Landor drehte sich zu den anderen um. “Nein, aber im Postillon könnten sie einen haben.” “Ich glaube, wenn ihr einfach der Reihe nach bezahlt hättet, wie es alle anderen machen, dann wärt ihr längst in Itrento.” Bevor Aldare antworten konnte, meldete sich eine Drachenreiterin zu Wort: “Ich komme auf Neunhundertachtundachtzig Kreuzer.” Landor stutzte. Da war jemand eindeutig zu schlau für die Drachenreiter. Er grübelte. “Klingt richtig. Leider erlauben meine Befehle mir nicht, es euch zu glauben.” Er widmete sich seinem Dokument. Vielleicht kam er beim Schreiben auf das richtige Ergebnis, auch wenn er es nicht ausstehen konnte, bei seiner Tätigkeit von neunzehn Drachenreitern, drei Zivilisten, allen Gästen des Postillons, den Bogenschützen oben auf der Burg und vor allem Pantino beobachtet zu werden.


Etwas weiter hinten im Trupp

“Seht euch nur diese Hinterwäldler an. Es wunderte mich nicht, wenn sie hier Praios mit einer Geweihkrone anbeten würden.” “Ja und Peraine mit Hänge…” “Schau dir den mal an, was da wohl im Stammbaum los war?” “Baum oder Gestrüpp?” “Immerhin kann er zählen.” “Nicht wenn ich unterbrochen werde, jetzt muss ich von vorn anfangen.”

Sabilla Razo schnaubte und gab ihrem Pferd die Sporen, wodurch der Rest der Unterhaltung der beiden Drachenreiter im Hufgeklapper unterging. Die Leutnanta fixierte die beiden jungen Männer - glattgeschabtes Kinn, unterschiedlich beeindruckende Schnauzbärte - die geredet hatten. “Lasst den Mann seine Pflicht erledigen! Wer nichts Vernünftiges zu sagen hat, schweigt, oder wird zur Pferdeversorgung abgestellt, Männer!” Sie senkte die buschigen Augenbrauen und lenkte ihren Hengst so, dass die Pferde der beiden anderen scheuten und zurücktänzeln mussten. Es ist immer das Gleiche! Nach der Fahnenschlacht und den Rekrutierungen der Rommilyser Reiter waren den Drachenreitern viele gute Leute abhanden gekommen. Zwar hatte der Constabler Orsino Carson - jetzt Gransignore Carson, korrigierte sich Sabilla in Gedanken - einiges dafür getan, die Einheit wieder aufzustocken, aber dabei hatte er zwangsläufig auf unerfahrene - und unreife - Rekruten zurückgreifen müssen. Diese Männer hatten nie auf einem Schlachtfeld gestanden und glaubten, ihr Reiterharnisch allein mache sie nicht nur unverwundbar, sondern auch überlegen. Das konnte hier schnell ungemütlich werden. Sie bemerkte, dass die Arinkener Bogner auf der Burg Aufstellung bezogen hatten. Eigentlich eine Abschreckungsmaßnahme, wenn sich etwa Söldnertruppen mit zweifelhafter Zahlungsmoral der Brücke näherten. Etwas war anders als früher. Solange sich ihre eigenen Leute anständig benahmen, befürchtete Sabilla keine echte Auseinandersetzung, hatte aber durchaus bemerkt, dass nicht alle Blicke der Leute, die sich allmählich vor der Tür und an den Fenstern des Postillons sammelten von purer Neugier erfüllt waren. Es waren auch ablehnende Blicke zu spüren. Gerade eben wurden die Kinder zurück in innere des Postillions gescheucht und einige Pferde zurück in den Stall getrieben. Ihre Familie hatte ihr davon berichtet, dass die Stimmung in den letzten Jahren in Arinken allmählich saurer geworden war, denn sie selbst hatte ob ihrer Pflichten kaum noch Zeit in ihrer Heimat vorbeizuschauen. Kein Wunder, nach der Fahnenschlacht hatte sich Shenilo eine neue Ordnung gegeben. Jeder Flickenprinz ist zum Baron geworden - Guiliana ja auch, aber was bringt das Arinken? Leomar Gabellano - und auch Constabler Orsino - hatten viel versprochen, aber in Arinken war wenig angekommen. Die Miliz hat bei Chetan gestanden und bei Gilforn viele gute Frauen und Männer verloren. Das schert aber die Sheniler wenig! Es war sicher auch kein Zufall, dass sie in ihrer Eskadron fast die einzige Arinkenerin war, trotz der Personalsorgen der Drachenreiter. Den Arinkenern war die Lust am Krieg - unter der Fahne der zwei Drachen zumindest - gehörig vergangen, genauso wie die Lust, Shenilo weitere Gefallen zu tun, waren doch die bisherigen nicht ein einziges Mal erwidert worden. Sabilla, die bei der Nachhut eingeteilt war, setzte sich mit ihrem Pferd in Bewegung. Sie fluchte, als sie sah, dass an der Spitze der Reiter nicht nur Aldare ya Papilio - borondank hat sie keinen Schmetterling am Helm.. - dieser neureiche Degenfuchtler aufgetaucht war, um mit den Brückenwächtern zu sprechen. Während sie versuchte, an den wartenden Reitern vorbeizureiten, blickte sie sich zum Landhaus ihrer Familie um, das hinter dem Olivenhain in der sengenden Hitze zu schlafen schien. Ihr Onkel Barbano war 2. Capitan der städtischen Miliz, damit Mitglied des Verteidigungsrats, er konnte die Schwierigkeiten sicher klären. Nachdem sie den Degenfuchtler mit der Bemerkung, sie kenne die Leute an der Brücke bewegt hatte, sich herauszuhalten, kam sie an der Spitze an. Kannte sie die Leute wirklich noch? Da war der feiste Pantino, der an wirklich allen Schlachten der letzten Jahre teilgenommen hatte. Alhonso, der in Salvamets Brauerei arbeitete, und war das tatsächlich Oriana, die Tochter des Lanzenschäfters? Wie groß sie doch geworden war. Sie mochte gerade erst das Alter erreicht haben, um für die Miliz in Frage zu kommen. Und am Schreibtisch erblickte Sabilla Landor Rabello. Er mochte ein Scherzbold sein, aber warum musste ausgerechnet er Schwierigkeiten bereiten? “Gibt es einen Grund für die Verzögerung?” fragte sie.


Vier Hufe zu viel?

“Nein, jetzt habe ich es!” murmelte Landor ohne aufzublicken und schrieb weiter. ...der Anzahl Neunzehn, mit summa summarum sechsundsiebzig Hufen. Die fällige Gebühr beläuft sich auf neunhundertachtundachtzig Kreuzer. Während Landor das Dokument vervollständigte, spürte er, wie ihm Oriana dabei neugierig über die Schulter blickte. “Ihr solltet das ganze um vier Hufe verringern, Sargente, als Bürgerin Arinkens kommt die Leutnanta umsonst rüber.” Landor schrak auf und hätte beinahe das Tintenfass umgeworfen. Bloß nicht das einzige im Wachhaus aufgefundene Blatt Papier ruinieren. Er wischte sich die Stirn ab. Wo bei allen Göttern war die Leutnanta plötzlich hergekommen? Er murmelte “Richtig, hatte ich vergessen, danke Oriana” was sie mit Stolz erfüllte.

“Als Drachenreiterin muss sie aber bezahlen.” meldete sich Pantino ebenfalls von hinten zu Wort.

“Als Arinkenerin aber nicht.” protestierte Oriana.

“Muss sie doch!”

Pantinos Kopf wurde leicht rot. Pantino was alles andere als leicht reizbar, wurde dann aber schnell zum Berserker, was in diesem Augenblick ungünstig sein konnte. Von der Brücke her ertönte Alhonso, der sich immer für besonders schlau hielt. “Sie ist aus Arinken, das Pferd aber aus Shenilo, und das bezahlt.” Wie auf dem Jahrmarkt. Landor drehte sich um und herrschte Oriana und Pantino an, die allerdings nicht mehr auf ihn achteten.

“Ihr beiden macht mich wahnsinnig!”

Oriana hatte die Arme verschränkt und blickte Pantino trotzig an. “Arins Kinder sind auf beiden Seiten zuhause und bezahlen nicht, so war es schon immer.”

Pantino schüttelte den Kopf und wurde lauter. “Sie ist eine Abtrünnige, genau wie die Baro...!”

Inzwischen war Landor aufgestanden, hatte sich vor Pantino aufgebaut und ergriff ihn an beiden Schultern. Ihre Nasenspitzen berührten sich fast. “Pantino, warum gehst du nicht in die Stadt und holst jemanden, der etwas zu sagen hat, wie Capitanya Durani?” Landor hatte dabei ein grimassenhaftes Lächeln aufgesetzt. Pantino trottete langsam und wortlos von dannen in Richtung des Tunnels.

“Warum schickt ihr ihn in die Stadt, mein Onkel wohnt gleich dort hinten und hat auch Befehlsgewalt.” fragte Sabilla verwundert.

“Das habe ich nur gemacht, um ihn loszuwerden.” entgegnete Landor. “Außerdem ist Signore Barbano zur Zeit wegen dieses Waffengeschäfts in P...” Landor musste plötzlich laut husten. “Verzeiht, ich meine Signore Barbano ist derzeit verreist.”

Sabilla warf ihm einige Münzen auf den Tisch. “Nehmt einfach das Geld, statt das Dokument nur wegen mir zu ändern, ist ja nur eine Kleinigkeit.” “Sagt das mal eurer geizigen Vorgesetzten.” fügte Landor in Gedanken hinzu, bevor er antwortete. “Vielen Dank, wenn ihr das nächste Mal hier seid gebe ich euch einen im Waldschrat aus. Mögen die Götter euch ein Lächeln schenken.” Wie einfach es doch geht, wenn Freundlichkeit im Spiel ist, dachte Landor sich, nur waren solche Gedanken in Shenilo seltsamerweise nie angekommen. “Fehlt nur noch euer Beitrag, Capitanya und wir können die Sache hinter uns bringen, bevor die Capitanya, also unsere Capitanya, hier aufkreuzt, was für alle Beteiligten das beste wäre.”

Aldare rieb sich zum wiederholten Male mit Daumen und Zeigefinger die Nasenwurzel. Der Eindruck, sie könne damit das Pulsieren des Bluts in ihrem Kopf verringern, wurde bei jedem Mal schwächer. Sie schaffte es trotzdem, nicht im Garnisonston zu brüllen: “Geiz ist eine phexische Sünde, Sparsamkeit eine travianische Tugend. Die Einhaltung von Vorschriften kann sowohl Tsa spottendes Laster als auch Praios gefälliger Ordnungswille sein. Und Hesinde gibt manchem von uns die Möglichkeit, von Fall zu Fall zu erkennen, wann wie was zu bewerten ist”, versetzte sie schneidend, während sie sorgfältig vier Kreuzer, acht Heller und neun Taler aus ihrer Börse auf den Tisch zählte. Landor prüfte die Summe ebenso penibel, wobei er in aller Ruhe kleine Münzstapel aufschichtete. Endlich war er damit fertig:

“Scheint alles bestens zu sein, ich gratuliere!” Er blickte kurz lächelnd zur Capitanya auf und ergriff dann wieder die Feder. “...Die Gebühr wurde korrekt entrichtet.” Als letztes setzte er seine schwungvolle Unterschrift darunter, blickte vom Schreibtisch auf und in Richtung seiner Mannschaft. “Gut, fehlt nur noch das Siegel, wer von euch läuft zum Rathaus und holt es?” Oriana stockte der Atem, während Alhonso ein Grinsen nicht unterdrücken konnte. Die Drachenreiter indes schienen kurz davor, sich in echte Drachen zu verwandeln, mit Ausnahme von Leutnanta Razo. “Niemand?” Landor nahm das Dokument vom Tisch, stand auf und überreichte es der Capitanya. “War ja auch nur ein Scherz. Phex ist mit den Scherzhaften. Ihr könnt nun passieren. Reklamationen bitte ich, an den städtischen Verteidigungsrat zu richten. Gute Reise.” Landor trat zur Seite und wedelte erneut mit den Armen, um der Burg oben auf dem Banquirfels etwas mitzuteilen. “Leute, räumt das Gerümpel weg.” Er selbst brachte die Münzen ins Wachhaus, während die anderen die beiden Barrikaden entfernten. Als sich die Drachenreiter bereit zur Weiterreise machten, spürte er ein dringendes Bedürfnis. Er schnappte sich Alhonso. “Ich muss kurz austreten, vergiss nicht die drei Zivilisten. Falls der eine wirklich der Baron von Contris ist, dran denken, dass er noch auf der Liste der Vertrauenswürdigen steht.” Kurze Zeit später war alles geregelt und die Drachenreiter setzten sich in Bewegung. Die Gäste im Postillon widmeten sich wieder ihrem Mittagessen und auf der Burg setzten sich die Bogenschützen in Bewegung.


Zurück in den Alltag

“Da zieht sie von dannen, die Barbarenhorde.” Alhonso blickte der Staubwolke im Norden hinterher. “Für einen Augenblick hatte ich Angst, die Bogner oben würden ihre Pfeile loslassen.” gestand Oriana. Landor beschloss, eine kurze Ansprache zu halten und versammelte seine Mannschaft um sich. “Ich hoffe, ihr habt alle gut hingesehen. Das waren diejenigen, deren Hinterteile wir vor Gilforn gerettet haben. Deren verkommener Stadt wir die Freiheit erkämpft haben, sie beschützt haben, etwas, das sie niemals für uns tun würden. Lasst euch nicht täuschen, dass sie zum ersten Mal Anzeichen von Ehre zeigen und einem Bundesmitglied in Not beistehen. Wo waren unsere falschen Freunde, als die Fluten den Hafen hinfortspülten, als die Serillier über uns herfielen, als Pertakis erneut nach Chetan griff? Nicht einmal ein paar Heller für uns wollten sie übrig haben, während in Shenilo unsere Abgaben von der Eteria versoffen werden. Ich frage euch, waren sie es wert, für sie zu kämpfen?” Es herrschte betretenes Schweigen, einige schüttelten ihre Köpfe. “Dann behaltet dies in Erinnerung, beim nächsten Mal kann es sein, dass wir sie auf der anderen Seite des Schlachtfelds wiedersehen.” Es spürte Alhonsos Hand auf seiner Schulter. “Wenn die Götter mit uns sind, finden sie an der Küste wirklich Thorwaler und wir sehen das Gesindel nie wieder.”

“Dein Wort in Borons Gehör, Alhonso. Aber sicher fliehen sie wie die Hühner und erwarten von uns, sie dort rauszuhauen.”

“Und zum Dank wollen sie dann die halbe Stadt...”

“...die Brücke...”

“...die Burg...”

“...unsere Erstgeborenen...”

“War es mit Pertakis wirklich schlimmer als mit denen?” unterbrach Oriana die beiden. “Nun...” Landor zögerte. Er blickte gen Süden und sah einen Wagenzug über den Hügel kommen. “Wenn du vom Namenlosen sprichst... Zurück an die Arbeit, Leute, wieder ein Pertakischer Handelszug. Wie du sehen wirst, Oriana, bezahlen sie immer den Brückenzoll.”