Briefspiel:Unerwartete Begegnung in Oberfels - Akt 2
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Beteiligte (irdisch) |
Teil 1: Die letzte Hoffnung
Autor: Horasio
Irgendwann im Efferd des Jahres 1045 BF erreichte Mondino von Calven ein kleiner unscheinbarer Umschlag, versiegelt mit einer unbekannten magischen Glyphe, die auf dunkelroten Wachs schimmerte. Abgegeben wurde es vom Postendienst Pertaktis, der es in Oberfels angenommen hatte. Über den Absender ließ sich nichts weiteres erfahren.
Als Mondino den Umschlag öffnete, fand sich darin eine gefaltete Karte, die mit zahlreichen fremden magischen Zeichen geziert war. Sie erinnerte ihn vage an die Symbole von Gildenmagiern, die sie auf ihren Mänteln und Hüten zur Schau tragen. Ein vorsichtiges Entfalten der Karte ließ ihn diese aus Schreck direkt fallen! Er hatte nicht damit gerechnet, dass sich zwischen dem Papier ein zwar verkleinertes, doch täuschend echtes Abbild einer jungen Frau zeigte. „Sie ist wunderschön.“, entfuhr es einem nebenstehenden jungen Soldaten, der noch grün hinter den Ohren war. Mondino schüttelte milde lächelnd den Kopf, öffnete die Karte erneut und betrachtet das Abbild, das sich nach einer kurzen Zeit verbeugte und sich an ihn wandte: „Leutnant Mondino. Vor vielen Jahren habt ihr meinem Vater bis zu seinem Tode gedient.“ Er erinnerte sich an sie, seit ihrer letzten Begegnung war sie eine junge Frau geworden. Eine, die nun in der Tracht almadanischer Schwertgesellen um seine Unterstützung bat.
„Ich befürchte mein Versuch bei Erlan Sirensteen um Gnade und Hilfe zur Wiedererlangung meines Erbes zu bitten ist gescheitert, wenn euch diese Nachricht erreicht. Ich flehe euch in dieser verzweifeltsten Stunde an mir und der Sache beizustehen. Vertreibt Cardolfo della Carenio aus Kullbach, übergebt es meiner Familie.“ Sie stockte, dann blickte ihm die Illusion Rondralia Lutisanas direkt in die Augen:
„Helft mir Mondino. Ihr seid meine letzte Hoffnung!"
Teil 2: "[...] Nirgendwo [...] mehr Abschaum und Verräter [...]"
Autor: Calven
Mondino lehnte sich zurück und strich sich mit der Hand durch den kurzen Bart, hinter dem er die Narben der Vergangenheit zu verbergen versuchte. Der Capitansmantel, der sich niemals recht passend angefühlt hatte, wog schwerer denn je auf seinen Schultern.
Seine Kiefer mahlten. Er murmelte: "Cardolfo sitzt schon zu lange dort - warum eigentlich?" Larissa Barberini, die sich demonstrativ gelangweilt in einer Ecke des Kabinetts fläzte, lachte auf. "Zu viele Söldnerhäuptlinge in Bomed in Amt und Gnaden, hä?" Auch Mondino musste lachen und winkte ab. "Ich reise ab. Croënar, Du kommst mit. Corporala Lafieri? Ihr müsst für mich eine Reise nach Norden tun. Die Einzelheiten gleich im Turmzimmer. Leutnanta Megallo hat das Kommando, bis ich wieder da bin." Die Barberini grunzte enttäuscht auf: "Dann sei besser schnell wieder da."
Einen Tag später, auf der Landstraße gen Oberfels. Mondino zügelte sein Pferd, als der Blick yaquirabwärts frei wurde. "Oberfels am Yaquir. Nirgendwo wirst Du mehr Abschaum und Verräter vorfinden als hier. Schon gespannt, Croënar?" Der Angesprochene, fast noch ein Knabe, schien nicht zu wissen, was er sagen sollte. "Nicht wegen der Verräter, wegen des Mädchens natürlich. Wunderschön, in der Tat. Aber für Dich unerreichbar." "Ja, Capitano, natürlich, Capitano. Aber... Mögt Ihr mir verraten, wer Sie ist?" "Nicht jetzt. Lass' uns die Kleider wechseln: Nach Oberfels komme ich nurmehr in Bomeder Bunt."
Teil 3: Staub und Sterne
Autor: Erlan
Palazzo Arindello zu Unterfels: Der Comto Erlan Sirensteen und sein Sohn Ludovigo Sirensteen unterhielten sich in einem der Salons.
"Beeil Dich!", "Schnell", "ohne Verzögerung" - eine äußerst satinavgefällige Sprache pflegte Erlan zu nutzen, als er mit seinem Sohn über den Auftrag sprach. Zwischenzeitlich gab es aber auch noch weitere Order - beispielsweise, dass das Schreiben nur an Mondino von Calven persönlich übergeben werden dürfe.
Als die Frage "Ihr wisst noch, wie er aussieht?" aufkam, wandte sich Ludovigo an seinen Vater:
"Was für eine Frage? Beim Königsturnier 1038 BF habt ihr Euch duelliert, ich sah, wie sein Schwert Euren Kopf zum Bluten brachte... und sollte das nicht ausreichend sein, dann könnte ich noch diverse Begegnungen in Bomed, Oberfels und Unterfels aufzählen, wo ich auf ihn traf."
"Gut, gut... ich wollte nur auf Nummer Sicher gehen. Diesen Brief bitte überreicht ihr Mondino von Calven. Und nur ihm. Persönlich."
Ludovigo nickte: "Verstanden, ich werde mich auf den Weg machen."
Schon kurz darauf saß er auf seinem Pferd und machte sich auf den Weg. Es war früh am Morgen, noch eher der neue Tag für die meisten Menschen begonnen hatte, machte sich Ludovigo im schnellen Ritt auf den Weg von Unterfels erst einmal nach Oberfels machte.
In Oberfels angekommen steuerte er sofort den Palazzo Yaquirbruch an, wo er die Gelegenheit nutzte, kurz einzukehren.
Eigentlich hatte sein Vater ihm angeraten hier das Pferd zu wechseln, denn auf einem ausgeruhten Pferd reitet es sich schon schneller. Doch auch wenn Ludovigo wusste, dass er recht hatte, entschied er sich anders. Denn er wusste genau, wie er mit Rahjensblitz - seinem Pferd - umzugehen hatte. Gemeinsam waren sie eine eingespielte Kombination und er sah keinen Grund auf diesen Vorteil zu verzichten. Wobei er sich im selben Moment fragte, ob er überhaupt diesen Vorteil benötigte. Aber wenigstens konnte sich Rahjensblitz auch stärken und als Ludovigo ihm signalisierte, dass es weiter gehen solle, trabte das Pferd auch ohne Zögern wieder raus. Ein gutes Zeichen wie Ludovigo wusste.
Als ob der Botenreiter es gewusst hätte - es war auch gar nicht nötig das Pferd zu wechseln, denn aus dem geplanten längeren Ritt wurde im Nachhinein doch nichts. Aber das konnte man ja nicht ahnen.
Denn schon kurz nach dem Aufbruch aus Oberfels erblickte Ludovigo am Rande des Treidelpfades am Yaquir zwei Pferde die dort anscheinend reiterlos standen. Wobei er im leichten Unterholz in direkter Nähe Bewegungen ausmachte und dort zwei leicht auf dem ersten Blick unbekleidete Menschen sah, was bei ihm ein leichtes Grinsen erzeugte, während er sich dachte, dass Rahja anscheinend auch im dornigen Unterholz ihre Reize hat. [...]
Ursprünglich hatte Ludovigo vor im schnellen Galopp vorbeizureiten und so staubte es auch schon enorm auf dem Treidelpfad - es hatte schon länger hier nicht mehr geregnet - als die Hufen hart auf den Boden einschlugen. Doch je näher Ludovigo dieser Szenerie kam und je mehr er erblickte (obwohl er das eigentlich gar nicht wollte) umso mehr sah er und umso überraschter war er. Denn anscheinend hatten sich da nur ein augenscheinlich älterer Mann und sein deutlich jüngerer Begleiter umgezogen. Die rot-grün karierten Farben zeichneten die beiden als Mitglieder der Bomeder Buntröcke aus!
Als Ludovigo nur noch einige Schritt entfernt war und der staubige Sand etwas verzogen war er überrascht, wen er da erkannte. Niemand geringeres als den Oberststallmeister der Grafschaft Bomed und somit den Kommandanten der Bomeder Buntröcke: Mondino von Calven.
Schon als Mondino und Croënar aus dem Dickicht zurück in Richtung des Yaquirs kamen, sahen sie den auf sie zu galoppierenden Reiter. Mit einem Griff zur Seite wollte sich Mondino absichern, jedoch hatte er nicht den Eindruck, dass ihnen Gefahr drohte. Als der Reiter ein gutes dutzend Schritt vor ihnen zu stehen kam, blickte er genau auf dessen Wams. Er sah vor allem Sterne: sechs gelbe Sterne auf schwarzem Grund, drei schwarze Sterne auf gelbem Grund und darunter ein dreistufiger Berg. Mit fester Stimme richtete er sich an den Reiter, der ihm auf den ersten Blick bekannt vor kam, auch wenn er noch überlegte wer es ist:
"Staub und Sterne sehe ich wohl. Was veranlasst einen Reiter aus Unterfels mich bzw. uns derart abzufangen?"
Und in dem Moment, als der Reiter anfing zu sprechen, war es ihm klar, wer das war: 'Das ist der Sohn - also der angenommene - von niemand anderem als seinen früheren Feind Erlan Sirensteen. Oder aber' - und bei den Worten lächelte er leicht verschmitzt oder aber spöttisch - 'der Sohn meines neuen Lehnsherren.'
"Die Zwölfe zum Gruße! Erlaubt, dass ich absteige!" - und nach einem kurzen angedeuteten Nicken sprang Ludovigo - weit weniger artistisch als er es gekonnt hätte - vom Pferd, verneigte sich kurz vor Mondino von Calven, nickte seinem Begleiter zu und fing an zu sprechen:
"Ein interessanter Zufall - auch wenn es vermutlich keiner ist - dass ich Euch hier treffe und nicht erst weiter im Osten z.B. auf der Feste Oradellabrück oder in Torrias. Mein Vater lässt mich Euch eine dringende Nachricht übermitteln, die ich nur zu Euren Händen geben darf."
Mit diesen Worten nestelte Ludovigo aus einer Tasche ein Schriftstück, auf dem im roten Wachs das Signet der Sirensteens, also der Oberkörper einer Sirene, zu sehen war. Nachdem er das Schriftstück an Mondino überreichte, brach dieser das Siegel, fing an zu lesen. Dabei schmunzelte er mehr als einmal. Im Anschluss daran reichte er das Schriftstück an Croënar mit den Worten: "Es gibt immer einen noch größeren Fisch. Oder Igel."
Ludovigo schaute teilnahmslos zu, da er sich konzentriert anstrengte, nicht zu neugierig zu wirken. Denn sein Vater hatte ihm ja vieles gesagt - aber nicht so recht, was in dem Schreiben drin steht. Und was das mit Fischen zu tun hatte.
"Aber... aber ..." - es wirkte leicht stammelnd, wie Croënar anfangs sprach, bevor er sich fasste und mit festerer Stimme fortsetzte: "Das bedeutet ja, dass die wunderschöne Nachricht ... eh die Nachricht der wunschönen Dame ... nicht ... eh ... stimmt?"
Ludovigo, der nicht wusste, wovon die Rede war, schaute gespannt Mondino an, dessen Lippen ein leicht spöttisches Lächeln aufsetzten: "Croënar Du magst recht haben. Oder auch nicht. Es mag ja gut sein, dass das ursprüngliche Schreiben, welches uns nach Oberfels führen sollte zwar ... wie sagtet ihr noch? ... wunderschön ... ist, aber zumindestens vom Inhalt mag dieses üblichere Verfahren der Nachrichtenübermittelung" - und bei diesen Worten zeigte er auf das Schriftstück, welches Croënar noch in den Händen hielt - "vielleicht doch aktueller sein als ein magischer Schabernack."
Ludovigo schaute vom einen zum anderen Bomeder Buntrock und wusste nicht, wie er das deuten sollte. Seine Fragen schienen ihm direkt auf der Stirn eingebrannt zu sein, denn als Mondino sich zu ihm umdrehte, begann er zu erklären:
"Ihr sollt auch wissen, worum es geht. Ob nun erst später in Oberfels oder Unterfels - oder jetzt. Hier ist sicherlich auch irgendwo ein Fels. Aber Scherz beiseite junger Sirensteen" - und bei dieser Anrede zuckte Ludovigo immer noch merklich, was Calven mit Interesse bemerkte:
"Wir haben eine Nachricht einer jungen Dame erhalten, die uns um Hilfe ersuchte. Mit dem Hinweis, dass niemand geringerer als Euer Vater diese Hilfe verweigerte. Lese ich mir aber nun das Schreiben Eures Vaters durch, dann scheint dem aber nicht so zu sein.
Ich vermute nun, dass das Schreiben Eures Vaters aktueller zu sein scheint, als die vorherige Nachricht. Auch wenn die wahrlich schöner wirkte."
Croënar errötete bei den Worten leicht, was Mondino belustigt zur Kenntnis nahm, während Ludovigo das augenscheinlich gar nicht bemerkt hatte.
"Nun denn, wir beide", und damit zeigte Mondino auf Croënar und sich, "wollten nach Oberfels. Euer Vater bittet uns nach Unterfels. Da klingt es doch nach einem vortrefflichen Kompromiss wenn wir uns erst auf dem Weg nach Oberfels machen, dort einkehren und dann am nächsten Tag nach Unterfels weiter reisen. Das passt auch zu den zeitlichen Vorgaben, die der Baron uns macht und denen wir natürlich entsprechen wollen."
Auf dem Weg zu seinem Pferd übergab Mondino das Schreiben an Ludovigo, was dieser schnell überflog. Nicht dass es ihn überraschte - aber ja, sein Vater bat um ein Gespräch im Palazzo Arindello zu Unterfels und sie lagen gut in der Zeit.
Was Ludovigo auffiel: sein Vater hatte in dem Schreiben mit keinem Wort erwähnt, dass die junge Rondralia della Pena auch eine traviagefällige Heimstatt im Palazzo Yaquirbruch, dem gemeinsamen Ziel in Oberfels, angeboten bekommen hatte. "War es vielleicht Absicht?" argwöhnte er kurz, entschied sich dann aber zur Annahme, dass dies nur deswegen nicht erwähnt wurde, weil Erlan Sirensteen sich nicht sicher sein konnte, dass sie wirklich vor Ort sei. Drum entschied er sich, es selber auch nicht zu erwähnen - vor allem wusste er ja auch nicht, ob die junge Dame auch wirklich noch vor Ort war, denn bei ihrem heißspornigen Wesen konnte sie schon längst wieder wo anders sein.
Dass Ludovigo beim Gedanken an sie ähnlich errötete wie Croënar fiel aber niemanden auf, als sie sich dann zu dritt wieder auf den Weg gen Oberfels machten.
Ankunft in Oberfels
Palazzo Yaquirbruch, Oberfels: Als die drei Reiter sich der Stadt Oberfels näherten, wurden die dortigen Wachen sichtbar nervös, nachdem sie die Reiter erkannten. Ob es jetzt die Person Ludovigo Sirensteen oder die charakteristischen rot-grünen Wämse der Bomeder Buntröcke waren - auf jeden Fall standen die Oberfelser Gardisten stramm und salutierten dem Trio. Dieses machte sich direkt auf den Weg zum Palazzo Yaquirbruch, während der Glanz der Praiosscheibe sich im Yaquir spiegelte.
Während Mondino und Croënar Gästezimmer zugeteilt bekamen, kam Ludovigo im familiär genutzten Teil des Palazzos unter und empfing im Anschluss die beiden Gäste zum Abendessen. Nachdem die ersten Speisen und Getränke gereicht wurden und als Mondino sich schon fragte, ob sie noch alleine bleiben würden, stand Ludovigo auf und holte aus seiner Schaube eine kleine Pergamentrolle heraus, die er vorlas:
„Werter Mondino von Calven,
und natürlich auch werter Croënar!
Leider kann ich mich nicht persönlich um eine traviagefällige Beherbung kümmern, da ich dieser Tage noch wo anders weile. Insofern bitte ich Euch dies zu entschuldigen, aber ich bin mir sicher, dass mein Sohn Ludovigo sich gut um Eure Bedürfnisse kümmern wird. Ich lade Euch hiermit für den kommenden Windstag nach Unterfels in den Palazzo Arindello ein, wo wir die ersten Gespräche führen können. Bis dahin seid ihr gern gesehene Gäste im Palazzo Yaquirbruch. Habt Ihr einen Wunsch, so wendet Euch vertrauensvoll an meinen Sohn.
gezeichnet
Erlan Sirensteen von Irendor
Comto zu Bomed
Baron des Yaquirbruchs
etc. pp.“
„Nun, ich bin schon unfreundlicher hier empfangen worden - aber das ist schon länger her“, richtete Mondino das Wort an Ludovigo und prostete ihm und Croënar mit seinem Weinpokal zu.
Ludovigo setzte sich erleichtert hin, denn auch wenn er nach außen hin ganz ruhig wirkte, war er doch sichtlich nervös. Er kannte die komplizierte Geschichte zwischen seinem Vater und Mondino. Ja, sie waren sich jetzt ... ist freundschaftlich verbunden die richtige Bezeichnung? ... auf jeden Fall standen sie sich nicht mehr so feindlich gegenüber wie früher. Dennoch wusste Ludovigo, dass Loyalitäten sich auch verschieben können, doch sein Vater hatte ihm im Vorfeld erklärt, dass man Mondino vollstes Vertrauen entgegenbringen soll - und ihn sogar behandeln solle, als ob er ein Angehöriger der Familie sei.
Kurz überlegte sich Mondino, wie er früher mit einer solchen Situation umgegangen wäre ... er schalt sich aber selbst, dass er darüber nachdachte und sagte sich selbst: „Lass die Vergangenheit sterben. Töte sie, wenn es sein muss!“ Die Zeiten hatten sich geändert, doch manchmal musste er sich selbst daran erinnern.
Nach einer gewissen Weile der Stelle, die auf alle eher merkwürdig wirkte, richtete Mondino sein Wort an den Gastgeber: „Nun wohl an, ich schlage vor, dass wir“ - und mit diesen Worten blickte er Croënar an - „jetzt erstmal die traviagefällige Gastfreundschaft, für die Eure Familie bekannt ist, gerne in Anspruch nehmen. Morgen früh sollten wir dann kurz nach Sonnenaufgang gen Unterfels aufbrechen.“
Ludovigo nickte bestätigend und schon wenige Augenblicke später wurden die ersten Speisen aufgetragen. Doch auch wenn der traviagefälligen Gastfreundschaft eine gepflegte Konversation nicht abträglich ist, wirkte es doch eher borongefällig das Schweigen. Nur wenige Worte wechselten die drei Männer und wenn dann waren es eher Belanglosigkeiten.
Doch bevor es zur Nachspeise kam, erschien ein Gardist, verbeugte sich vor den Gästen und Ludovigo und überreichte letzterem eine Depesche mit den Worten: „Eine Botenreiterin hat diese Nachricht für Euch abgegeben.“ Ludovigo öffnete das Dokument, in dem er das sirentsteen‘sche Siegel aufbrach und las das Schreiben. Kurz leuchteten seine Augen auf, bevor er sich dann an die Gäste wandte:
„Es scheint ein guter Plan zu sein, morgen recht früh aufzubrechen. Mein Vater erwartet uns mit einigen Neuigkeiten und außerdem, so schreibt er, ohne es genauer zu erläutern, wird noch jemand anderes erwartet.“ Mit einem gewissen Amüsement sah Mondino, dass Croënar diesen Worten wißbegierig lauschte und bei der Erwähnung einer anderen Person zu lächeln begann.
Am nächsten Morgen brachen die drei Reiter früh auf und reiteten mit schneller Geschwindigkeit yaquirabwärts. Während Mondino und Ludovigo, die so weit wie es möglich war, nebeneinander ritten, sich gegenseitig anschwiegen, blieb Croënar gar nichts anderes übrig.
Ankunft in Unterfels
Als sie über den Yaquir übersetzten und am Flusshafen ankamen, reitete Ludovigo in Richtung Süden, während Mondino eher gen Westen wollte.
„Warum reitet ihr gen Süden? Ist Eure Familie nach Yaquirella umgezogen?“ rief Mondino laut in Richtung Ludovigos.
Dieser hatte erst gar nicht realisiert, dass Mondino und Croënar ihm nicht gefolgt waren. Er verlangsamte sein Pferd, drehte die Richtung und näherte sich den beiden anderen.
„Entschuldigt bitte. Ich besuche - so es die Umstände erlauben - bei der Ankunft in Unterfels immer zu erst den Tempel der TRAvia, um dort der Göttin für die Gastfreundschaft zu danken.“
Mondino zog erst etwas die Augenbrauen hoch, erinnerte sich dann aber daran, dass die Göttin des Herdfeuers in der Familie Ludovigos sehr hoch angesehen war und man sich im Alveranidendom für die Kapelle der TRAvia verantwortlich zeigte. Er überlegte kurz, wie er antworten sollte und sagte dann folgende Worte:
„Nun, wir haben Eure exquisite Gastfreundschaft in Oberfels erlebt, insofern ist ein Besuch im Traviatempel sicherlich auch für uns eine gute Gelegenheit, um dem Herdfeuer angemessen zu huldigen“, so Mondino von Calven.
Und so reiteten die drei zum Platz des Herdfeuers in Yaquirella. Am Travia-Tempel angekommen stiegen sie von den Pferden ab, betraten den Tempel und während Ludovigo persönlich sehr freundlich begrüßt wurde, zeigte man sich den beiden anderen Gästen zwar auch - natürlich (gast) - freundlich, aber doch schon ein wenig reservierter bzw. distanzierter.
Auf dem Monti Comitale
Nach dem Besuch im Tempel ritten sie gen Westen zur ehemaligen Grafenhöhe, dem Monte Camitale. Hier liegt der Palazzo Arindello, der inzwischen zum Stammsitz des Hauses Sirensteen geworden war.
Als die drei sich dem Haupteingang näherten kamen schon Stallburschen herangeeilt, die sich um die Pferde kümmern wollten. Doch Ludovigo machte keine Anstalten abzusteigen, sondern rief seinen Begleitern zu: "Folgt mir, wir sollten uns diesen Anblick nicht entgehen lassen" - und mit diesen Worten führte er sein Pferd im sanften Trab um den Palast.
Ihm folgten die anderen beiden und auf der nominellen Rückseite des Palastes sahen sie den berühmten Sternbrunnen, der jetzt in diesem Moment auch geöffnet war und das Becken mit dem Wasser zeigte. Ludovigo griff in seine Schaube und holte ein Vinsalter Ei heraus: "Habe ich mir doch gedacht, dass wir rechtzeitig sind: zur Praiosstunde erleben wir etwas efferd- aber vermutlich auch tsagefälliges. Mondino und Croënar schauten sich irritiert an, doch wenige Augenblicke später erfolgte ein Gong und die drei sahen wie sich im Sternbrunnen etwas regte. Erst blubberte es ein wenig und mit einem Mal sprudelte eine mehrere Schritt hohe Wasserfontäne in die Luft um sich dann im Brunnenbecken zu ergießen.
Doch das Schauspiel erreichte erst seine wahre Pracht, als die Strahlen der Sonne auf die Spritzer des Wassers stießen. Sie verwandelten diese in ein schillerndes Spektakel aus den Farben Tsas. Es entstand ein wunderbarer Regenbogen über dem Springbrunnen.
"Ich dachte mir es wäre nicht verkehrt diesen Moment abzuwarten", sagte Ludovigo und wenn er den Blick insbesondere von Croënar richtig deutete, war dieser auch beeindruckt. Mondino von Calven hingegen schaute fast schon teilnahmslos in Richtung Regenbogen, aber das könnte auch nur Maskerade sein, dachte sich Ludovigo.
Ludovigos Vorschlag, dass man jetzt erst die Pferde versorgen lassen sollte um dann in den Palast zu gehen, fiel auf Zustimmung und die drei ritten zu den Ställen auf der anderen Seite des Palazzo Arindellos, wo sie ihre Pferde abgaben. Mit einem Blick erkannte Ludovigo, dass der Rappe Dschinni auch im Stall war.
Die drei näherten sich dem offiziellen Eingangsportal. Dieses wurde von jeweils zwei Irendorer Liliengardisten mit dem blauen Wappenrock und der silbernen Lilie und zwei Mitgliedern der Unterfelser Garde, die die schwarz-gelben Farben und die Sterne von Unterfels trugen, bewacht.
Als die drei sich dem Portal näherten nahmen die Gardisten Haltung an und in dem Moment wurden die schweren Türen des Portals geöffnet und Erlan Sirensteen kam mit einem Lächeln auf den Lippen heraus. Er näherte sich den dreien schnellen Schrittes und umarmte unerwartet Mondino von Calven und sagte laut: "Schön Euch hier zu sehen!"
Croënar und Ludovigo schauten sich an und beide dachten sich vermutlich dasselbe, denn beide wirkten fast noch überraschter als Mondino über diese Geste. Nach der Begrüßung Mondinos umarmte Erlan auch seinen Sohn Ludovigo. Croënar hingegen stellte er sich kurz vor und gab ihm die Hand, bevor sie gemeinsam den Palast betraten.
Mondino fiel ein paar Schritte zurück und fragte Ludovigo: "Ich hatte es so verstanden, dass Euer Vater bei unserer Ankunft noch nicht zugegen sein würde. Wusstet ihr vorher, dass er schon hier sein wird?"
Ludovigo zuckte ein wenig mit den Schultern: "Ich ging auch davon aus, dass er nicht hier ist. Der Ehrlichkeit halber ahnte ich es aber, seitdem wir im Stall waren, denn ich sah dort sein Pferd. Ob das jetzt wirklich 'vorher' ist, sei jetzt dahingestellt."
Mondino nickte und da waren sie schon in einem der Salons des Palazzos angekommen, wo schon ein Mittagsmahl angerichtet war. Die vier setzten sich auf die Plätze, doch bevor das Essen begann richtete sich Erlan noch einmal auf und nach den Worten "Lasst uns jetzt erst einmal Travia danken" setzte er für ein kurzes Gebet zu Ehren der Göttin der Familie, der Gastfreundschaft und des Herdfeuers an. Für Croënar wirkte das überaus traviagefällig, fast schon zu viel oder eher deutlich mehr, als er es jemals wo anders erlebt hatte. Aber dass das Haus Sirensteen eine besondere Beziehung zu TRAvia hat, das war ihm auch bisher nicht bewusst.