1000 Meilen von Yaquiria/Etappe 3

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Urbasi - Methumis

Vor dem Start

Noch in den Abendstunden traf manch einer Vorkehrungen für den nächsten Tag. So bereitete auch Reon Torrem seinen Wagen für die nächste Etappe vor. Er wollte unbedingt einen Tagessieg erringen - und zwar auf dieser Etappe. "Ich muss den Wagen leichter machen." sprach er vor sich selbst. Und daher nahm er eine Säge und ein Brecheisen, um mit einiger Gewalt die Seitenverkleidung abzutrennen. Da hievte und riss er, bis von dem Zweiräder nurmehr das Standbrett und die vordere Halterung, wo er sich als Fahrer festhalten mochte, übrig waren. Viele Späne ragten an den verunstalteten Seiten hervor, - doch egal: Hübsch sein, das war nicht Aufgabe des Torrem. Hut und Umhang warf er fort. Den Pferden schnitt er die Mähnen ab. Und dann nahm er noch eine Säge, um den überflüssigen, ganz vorne herausragenden Teil der Deichsel abzutrennen. Holz und Metall warf er vom Ponte Phecchio in den Sikram. Plumps! Weil aber die Pferde auch schneller zu laufen hatten, erstand er noch spät in der Nacht bei einem zwölfgötterfrohen Pferdehändler - oder was der zwielichtige Mensch auch für ein Gewerbe haben mochte - eine Neunschwänzige Katze. An deren Enden befestigte er zusätzlich einige Metallzacken. Die Pferde wollte er in eine neue Disposition bringen, um die starken Läufer die schwächeren mitziehen zu lassen.

Auch Piergorgio Mellifera wechselte ein Pferd aus, welches zu wenig Durchhaltevermögen bewies. Dabei hilfreich erwies sich Piergorgios Verwandter Domenico Changbari, der extra zwei „frische“ Pferde untergestellt hatte. Damit die angeschlagene Achse der Kutsche nicht zu einem Glücksspiel würde, ließ der schneidige junge Fahrer diese ersetzen. Auch Information zur Wegstrecke der nächsten Etappe konnte der Leiter des örtlichen Kontors Changbari liefern und so fühlte sich Piergorgio gut vorbereitet und machte sich für den nächsten Tag Hoffnungen auf einen der vorderen Plätze.

Doch nicht alle waren so guter Dinge: Ein herzhafter Fluch war von den Mauern des Campanile della Signoria und den umgebenden Palazzi widergehallt, als Curthan Pantarro mit seinem Schützling Tiro das Ziel passiert hatte. So etwas ihm, dem großen Pantarro! Ungeschlagen in zahlreichen Rennen. Nun, morgen würden die anderen schon sehen... Eiligst wurde die gebrochene Achse ersetzt, dem Empfang blieb der Drôler deshalb fern. Passanten der Stellmacherei konnten die unwirschen, angespannten Worte, mit denen er die Handwerker antrieb, vernehmen. Und später in der Nacht sah man ihn noch, wie er sich auf nach Agreppara machte. Was wollte der ehrgeizige Pantarro nur in der wenig angesehenen Vorstadt?


Der Start

Am Morgen des 14. Phex sah sich der Herr Mellifera auf dem Piazza Sant Agreppo erneut den anderen Fahrern gegenüber. Das Gefährt des Torrem war deutlich schlanker geworden, was spöttische Blicke einiger Fahrer zur Folge hatte. Auch Benedict di Matienna gab seinen Kommentar über das abenteuerliche Gefährt des Herrn Torrem ab: "Passt auf, dass niemand euer Gefährt schief anschaut, es könnte auseinanderfallen." Allgemeines Gelächter war die Folge. Auch Yandriga von Urbet-Marvinko, die Etappenzweite des Vortags, stimmte in die fröhliche Stimmung mit ein, doch innerlich wusste nicht so recht, ob sie mit sich hadern oder sich doch freuen sollte. Die Platzierung des Vorabends war zwar gut gewesen, aber eben nicht sehr gut. Der herzliche Empfang durch die Familie im Palazzo Casciano hatte sie wohl gerührt, doch nun musste sie vor allem ihre beiden Kinder - die dreijährige Tharinda und den Säugling Nepolemo - wieder bei den Ammen zurücklassen. Und dann hatte ihr Mitfahrer Balbiano den Wagen kurz vor dem Start noch unbeaufsichtigt gelassen. Dieser Insekten-Chababier, Heuschreckerion oder so, der heute gar nicht mitfahren würde, hatte plötzlich alleine bei ihrem Gefährt gestanden, zwar artige Komplimente gemacht - aber irgendwie wurde Yandriga doch das Gefühl nicht los, dass er ihr Tulamiden-Gespann am liebsten geraubt hätte ...

Nun nahmen die Fahrer Aufstellung auf der Piazza Sant’Agreppo. Da Luca di Onerdi die letzte Etappe für sich hatte entscheiden können – und es erfreute sie dabei besonders, dass sie in Urbasi gesiegt hatte – , startete sie aus der ersten Reihe. Sie erkannte dabei sofort ihren Vorteil für die Überquerung der Ponte Pheccio. Als Erste würde sie nicht in das fürchterliche Gerangel geraten, dass dort mit Sicherheit schnell entstehen würde.

Auch dieses Mal hing Ojatril beim Start wieder seinen Gedanken nach: Diese Etappe war etwas besonderes für ihn. Einerseits wollte er sie unbedingt gewinnen, denn Methumis war seine Wahlheimat, und als Sieger in Methumis einzufahren, wäre ein Traum. Andererseits führte die Strecke über Marvinko-Gebiet, und es gab vor vier Jahren diese unschöne Geschichte, den Streit nach einem Kartenspiel mit diesem Cavalliero aus dem Hause Marvinko - ein ganz kleines Licht, die Verwandtschaft mit Graf Croenar war kaum messbar. Juristisch war die Sache erledigt, Zweikampf aus Notwehr, der Bruder des Herzogs von Methumis und andere Freunde hatten sich für ihn eingesetzt. Aber wußste man, ob rachsüchtige Verwandte diese Gelegenheit nicht nutzen wollen? Außerdem hatte Ojatril nur die vier Pferde für das ganze Rennen, während andere die Pferde wechseln könnten oder dies gar schon getan hatten - schon das lässt einen Gesamtsieg unwahrscheinlich werden. Aber diese Etappe...

Tatsächlich bot das Gefährt von Reon Phalaxan Torrem einen furchtbaren Anblick. "Ja, lacht nur." dachte er. Dann konnte er sich kaum halten, als das Gefährt loszog. Einen Arm an der Halterung, mit dem anderen die Katze schwingend, klammerte er sich fest. Er wollte unbedingt den Ponte Phecchio, die Engstelle, vor den anderen Fahrern passieren. Doch schon nach den ersten paar hundert Schritt stellte der Torrem leider fest, dass die am Vorabend abgetrennte Verkleidung auch eine stabilisierende Wirkung gehabt hatte. Mit ängstlichen Augen betrachtete er zwei Holzfugen, die sich einander nicht mehr recht fügen wollten und nicht wenig auseinanderstrebten. Die hielt er mit seinem Bein fest, dass es ein Kampf war. Das versprach ein kühner Ritt zu werden!

Viel weiter vorne im Startfeld war Luca di Onerdi mit voller Geschwindigkeit in Richtung Brücke geprescht und versuchte gerade mit allen Mitteln, die Konkurrenz am Überholen zu hindern. Yandriga von Urbet-Marvinko, die entsprechend dem Resultat des Vortags ganz vorne neben ihr Aufstellung genommen hatte, ließ sich zurückfallen. Angesichts der scharfen auf den Ponte Phecchio führenden Kurve und der überhaupt schmalen Brücke, die ihnen bevorstand, wollte sie es nicht aufs Ganze ankommen lassen. Von den nachrückenden Fahrern wurde sie dafür jedoch umso mehr bedrängt, zum Beispiel von Curthan Pantarro, dem Fahrer des jungen Tiro Tarquinio Cirrention, der seine bekannte „Durchsetzungsfähigkeit“ zum Einsatz gebracht hatte und ohne Rücksicht auf Verluste durch das halbe Feld nach vorne gestürmt war. Er schlug ein hohes Tempo an, zog nun an Yandriga vorbei und konnte schnell zur Spitzengruppe aufschließen.

Auch Piergorgio Mellifera ergatterte eine führende Position, nachdem er als einer der ersten den Sikram überqueren konnte. Dabei kollidierte er leicht mit dem Wagen von Shafirio della Pena, den er dabei in einen der aufgebauten Bretterverschläge drängte, die die Silberschmiede der Ponte Pheccio zum Schutz ihrer Werkstätten aufgestellt hatten. Am Wagen des Toricumers rief dies keine Schäden hervor, doch der Bruder Baron Leomars wurde durch die Kollision heftig zurückgeworfen. Jetzt schoss das entschlackte Gefährt des Torrem über die Brücke, während der alte Kämpe kräftig mit seiner Peitsche nach allen Seiten austeilte, was jedoch Rondrajane von Veliris nicht daran hinderte, sich zielstrebig hinter den Davonbrausenden zu setzen – sie versuchte nun in seinem Windschatten voranzukommen. Benedict di Matienna hingegen hielt sich an eine andere Taktik: An der Brücke ließ er vielen den Vortritt, die sich dort gegenseitig behinderten, rammten und verprügelten. Er wollte zunächst die Kraft der Pferde schonen und da Feld dann von hinten aufrollen.

Als das Mittelfeld gerade die große Viehtränke auf der Piazza Phraiora umrundete, raste Yandriga von Urbet-Marvinko zwischen begeistert jubelnden Urbasiern – offenbar began man bereits die Zeit des Fürsten und seine Familie zu verklären – aufs Silaser Tor zu und wollte gerade rechts auf die Straße nach Süden einbiegen ... als die Achse ihres Wagens brach! Und das direkt hinter dem engen Torbogen. Es war wohl nur unwahrscheinlichem Glück zu verdanken, dass sie von den nachfolgenden Fahrern nicht überrollt wurde, auch wenn ihr irgendeiner ihrer Konkurrenten im Getümmel noch eine brutal ausstaffierte Neunschwänzige über den Arm zog. Als der erste Schreck vorüber war, machte man sich eiligst an den Austausch der gebrochenen Achse – und wurde erst dabei auf Sägespuren an derselben aufmerksam. Von da an fuhren sie - Yandriga und Balbiano - dem Feld die meiste Zeit hinterher.

Auch den Kriegsveteranen Ojatril musste sie bei ihrem Unfall an sich vorbeifahren lassen. Dieser hatte in Gedanken fast das Startsignal überhort und als einer der letzten die Ponte Pheccio überquert. "Die Phexensbrücke", dachte er dabei und murmelte ein kurzes Gebet. Kaum über der Brücke, sausten vier Reiter auf schnellen Elenvinern an ihn heran - er traute seinen Augen nicht: Seine besten Freunde, seine Kampfgefährten waren hier! "Eingeschlafen, du norbardischer Bärenschänder?", brüllte Danilo zu ihm rüber, "dachtest du vielleicht, wir lassen dich alleine durch Croenars Schlafzimmer fahren?" "Mein nächster Monatssold für den Herrn Phex", rief Ojatril, "und wenn ich vier Wochen Brotsuppe schlürfen muss!"

Den Sikram entlang

Nun raste man den Sikram hinab und wie auf den bisherigen Etappen brachte das offene Feld eine Entzerrung des Starterfeldes mit sich. Luca di Onerdi ließ es nun, nachdem sie den Rangeleien am Start weitestgehend entgangen war, etwas ruhiger angehen und nun konnten einige Gespanne an ihr vorbeiziehen, wie zum Beispiel das eigentümlich Gefährt des Torrem, an dem es beängstigend klapperte und schepperte. Doch es war eine weise Entscheidung von Luca gewesen, diese Etappe vorsichtiger anzugehen. Als Rondrajane von Veliris an ihr vorbeibrauste, konnte sie kurze Zeit später beobachten, wie deren Wagen bis zu den Achsen in einer großen Grube verschwand, die nur notdürftig mit Ästen bedeckt war. War dies eine der zahlreichen Baugruben, die aufgrund der Straßenarbeiten des Priore ruris überall zu sehen waren, oder hatte ein Übeltäter die Strecke bewusst sabotiert?

Wie auch immer, gewarnt von diese Ereignis, achtete Luca nun besonders gut darauf allen Hindernissen am Boden auszuweichen, nicht jedoch ohne der Veliriserin schnell zu helfen, wieder auf die Strecke zu kommen.

Piergorgio Mellifera umfuhr ebenfalls weitsichtig die immer wieder auftretenden Baustellen, bis er eine Gruppe von Männern und Frauen erblickte, die scheinbar einen Karren umstürzten. Der Patrizier dachte schon an einen Überfall, bemerkte allerdings, dass einer der Männer verschiedene Gegenstände auf die Straße legte, ganz so, als würde ein Hinterhalt gelegt werden. Pferde waren nicht in Sicht, sodass Mellifera seinen Wagen zum Stehen brachte und umkehrte.

Bald nahte Ojatril Hormajeff heran. Der Norbarde und seine Begleiter hatten sich mächtig ins Zeug gelegt und wieder einiges an Boden gut gemacht. Die nächsten Etappen waren Ojatril in diesem Moment einerlei, Leomin, der Heilmagier und Alchimist der Truppe, hatte sicher ein paar Formeln und Tränke bereit, um ihn und die Pferde wieder munter zu machen für die folgenden Etappen. Er traf nun auf den wartenden Mellifera, der ihm über den Hinterhalt berichtete. Schnell wurde eine Kooperation geschlossen. Mit Unterstützung von Ojatrils Begleitern und gezogenen Waffen preschten die beiden Wagen auf den Hinterhalt zu. Ohne die Geschwindigkeit zu drosseln, mähten die Fahrer die vermeintlichen Opfer beiseite und halfen mit ihren Waffen nach, den üblem Mob hinter sich zu lassen. Nach dem Hindernis einigte man sich wieder, getrennte Wege zu fahren.

Während am Wegesrand solcherart Heldentaten vollbracht wurden, machte ein anderer das Rennen seines Lebens: Batiste von Calven-Imirandi , zornig über das erneute schlechte Abschneiden auf den letzten Etappen - er hatte als einer der letzten in Urbasi einrollen können - jagte das alte Gefährt am Rande des Möglichen den Sikram hinunter. Am vorhergehenden Abend war er todmüde auf seine Schlafstatt gefallen, so dass er seinen ursprünglichen Plan, die Stadt zu besichtigen, in der sein eitler Vetter Ludovigo einst des Fürsten Nachfolger werden wollte, nicht mehr hatte durchführen können. Schon in Urbasi hatte er auf dem Ponte Pheccio beinahe einen Unfall verursacht, sein Gespann und er waren jedoch wie durch Götterhand unversehrt geblieben. Nun setzte er alles darauf, einmal einen vorderen Platz zu erringen, um nicht das ganze Rennen auf einem der schmählichen hinteren zu verbringen. Und es sah nicht schlecht aus für sein Vorhaben. Fahrer um Fahrer konnte er hinter sich lassen und ohne Komplikationen jagte er seinem Ziel entgegen.

Für eine Andere verlief die Etappe weniger glücklich: Raïanike hatte am Abend zuvor alle möglichen Leute nach der besten Streckenführung gefragt. Doch ein ganz Gerissener – vermutlich von der Konkurrenz bezahlt – empfahl ihr als Alternative die westliche Route über Sikramara, Urbet und Silas. Direkt nach dem Start ging es nach Süden, am westlichen Ufer des Sikram entlang. Mit ihren Cousins im Vorfeld, die dafür sorgten, dass niemand im Weg blieb, ging es mit hoher Geschwindigkeit gen Süden. Der augenscheinliche Umweg musste schnell kompensiert werden. Zu allem Überfluss wurde Raïanike bei Urbet auch noch von Söldnern der Collaribianci aufgehalten, aber nach hitziger Diskussion und Klarstellung, dass die Zyklopäerin an den 1000 Meilen teilnimmt, wendete sich das Blatt und etwa 20 Söldner übernahmen ehrenhalber die Aufgabe, die attraktive Wagenlenkerin auf der Seneb-Horas-Straße bis zum Sikram zu begleiten. Mit dieser stattlichen Leibgarde machte sich Raïanike A’Phrykos dyll Lyios daran, den Rückstand wieder aufzuholen.

Marvinko

Bald erreichte man Marvinko, die Stadt des Grafen Croenar. Dieser hatte im Thronfolgekrieg viel seiner einstigen Macht eingebüsst, ja gar die Kontrolle über seine ehemaligen Residenzstadt Silas hatte er verloren, doch hier im namensgebenden Ort seiner Familie war sein Einfluss ungebrochen. Auf einer prächtigen Tribüne thronte er im Kreise seiner Günstlinge und beobachtete gespannt den Verlauf des Rennens. Luca di Onerdi erreichte Marvinko in voller Absicht nur im Schutze des Hauptfeldes. Ihr Haus war seit dem Thronfolgekrieg endgültig und tief verfeindet mit dem hier residierenden Grafengeschlecht, sodass sie den Kontrollpunkt lieber ausgelassen hätte. Aus Angst vor Anschlägen hat die Kastellanin ihre Begleitung vorausgeschickt, um die Lage zu erkunden und notfalls ihren Schutz sicherzustellen. Ihre Bedenken waren tatsächlich nicht völlig aus der Luft gegriffen. In der Nähe der Grafenloge bewarfen sie einige aufgebrachte – oder bewusst aufgewiegelte – Einwohner unter Schmährufen mit faulen Tomaten, Eiern und Mist. Gerade noch konnte sie sich zusammenreißen, um nicht diesen Burschen eine Lektion mit dem blanken Stahl zu erteilen, doch innerlich kochte sie vor Wut. Hinter dem Stadttor hielt sie an, um den Wagen und sich zu säubern, wofür sie eine Marvinkoflagge benutzte. Die nunmehr besudelten Marvinkofarben ließ sie die weitere Fahrt sichtbar an ihrem Wagen flattern.

Schnell hatte das komplette Feld Marvinko auch schon wieder verlassen. Auch Batiste von Calven-Imirandi blieb ungebremst in seinem unaufhaltbaren Vormarsch der Spitze des Feldes entgegen. Kurz hinter Marvinko musste er vier ihn in einer Engstelle erwartende Räuber einfach überrollen und einem mit einem Streich seines Schwertes das Haupt von den Schultern trennen.

Andere kämpften weniger mit Wegelagerern und anderen Halunken, sondern vielmehr mit den Tücken des eigenen Fahrzeugs. Reon Torrem verfluchte allmählich die Entscheidung, seinen Wagen auf eigenwillige Weise zu verbessern, denn der Zustand des Gefährts wurde langsam kritisch: Auf Höhe Marvinko flog eine Holzplatte seitlich des Gefährts ab. Auf Höhe Silas schien der Oberboden sich unter den Füßen nicht recht halten zu wollen, dass er gleichsam in rückwärtige Richtung fortzuwandern begann. Auch dieses Opfer musste wohl gebracht werden. Mit einem beherzten Reißen gab der alte Torrem dem Oberboden den Rest. Bevor er ihn fortwarf, wartete er jedoch noch, ob er ihn nicht einem konkurrierenden Fahrer vor das Gefährt würde werfen können.

Bald nahte Rondrajane von Veliris heran. Nach ihrer Panne hatte sie versucht schnell wieder zum Torrem aufzuschließen. Damit hatte sie ein Ziel, an dem sie sich orientieren konnte, ganz nebenbei hatte sie sich in den Kopf gesetzt dem Tierschänder die Neunschwänzige Katze aus der Hand zu schlagen, mit der er seine Pferde antrieb. Immer näher kam sie an den schnellen Torrem heran und hatte ihn kurz vor Silas beinahe eingeholt, als ein fliegendes Wagenstück vom Gefährt des Efferdiers ihre Wagenlenkerin am Kopf traf. Die Verletzung war nicht schwer, dennoch ging es bis Silas nur noch im mäßigen Tempo weiter. Hier endlich konnte Rondralia Dergamon ihre Mitstreiterin davon überzeugen sie zurückzulassen und das Rennen zunächst alleine weiter zu bestreiten. Die Kusliker Wagenlenkerin wollte sich in Silas die Wunde behandeln und anschließend in Ruhe zum nächsten Startort bringen lassen. Rondrajane, die zahlreiche Wagen an sich hatte vorbeiziehen lassen, reihte sich im hinteren Feld wieder ein und rollte nun das Feld mit Wut im Bauch von hinten auf.

Die Strecke nach Methumis

Shafirio della Pena war mit sich am hadern. Hatte er die Gunst der Götten verloren? Seit seinem Zusammenstoß auf der Ponte Pheccio hatte ihn das Pech verfolgt. Erst war er in ein Schlagloch geraten, das ein Bösewicht unter Lehm und Zweigen versteckt hatte. Dann hatte ihn der Ardarit, der für die Rennleitung den Kontrollpunkt in Marvinko besetzte, mit unnötigen Formalia aufgehalten. Sicher musste keiner der anderen Fahrer erste einen Bürgen herbeibringen, der bezeugte, dass er wirklich der gemeldete Fahrer Shafirio della Pena war. Aber offenbar hatte es sich bereits herumgesprochen, dass er theologisch andere Ansichten zum Rondraglauben vertrat, als die selbstherrlichen Ardariten in Arivor. Zudem hatte er bohrende Kopfschmerzen – diesen Wolf hatte er dem gut bestückten Weinkeller seines Bruders zu verdanken, in dem beide unter Kindheitserinnerungen noch bis tief in die Nacht gezecht hatten. Wenn er es recht bedachte, war wohl nicht Rondras mangelnde Gunst, sondern seine mangelnde Selbstdisziplin Schuld am schlechten Verlauf dieser Etappe. Wie dem auch sei: zu gewinnen war hier wohl nicht mehr, da könnte er sich auch den Umweg durch Silsas leisten. Die della Pena hatten lange in dieser Stadt residiert und noch immer hatte das Geschlecht hier zahlreiche Anhänger, von denen er sich gerne würde zujubeln lassen.

Doch heute schien nicht sein Tag zu sein. Als er feurig um eine Straßenecke bog und gerade auf den Marktplatz zufahren wollte, erwischte er einen Zwergen, den er aufgrund seiner geringen Größe völlig übersehen hatte. Jetzt musste er auch noch dem schimpfenden Angroscho helfen wieder auf die Beine zu kommen und sichergehen, dass diesem nichts Ernstes zugestoßen war. Shafirio seufzte tief, auf dieser Etappe würde das nichts mehr mit einer guten Platzierung werden.

Luca di Onerdi beeilte sich unterdessen, endlich die feindseligen Gefilde der Marvinko-Ländereien hinter sich zu lassen und wandte sich gen Ankram. Hier empfingen die Menschen die Teilnehmer herzlich, insbesondere Luca selbst und solche, die dem Haus di Onerdi wohl gesonnen waren, wie die Fahrer aus den Familien Torrem und della Pena. Die Vögte von Stadt und Land, Arono und Ernesto di Onerdi, hatten großzügige Wein- und Essensspenden organisiert, um genügend Zuschauer herbeizulocken, so dass der Umweg über Ankram den Fahrern durch die jubelnden Menschenmassen versüßt wurde.

Von Ankram aus wählte Luca ein ungewöhnliches Transportmittel: Sie bestieg einen von der Verwandtschaft bereitgehaltenen Flusskahn und ließ sich den König-Therengar-Kanal entlang nach Parsek fahren. Zwar kam ein Wagen entlang des Kanals etwas schneller voran, doch die Fahrt schonte die Pferde, welche ausgeruht sein sollten für später, außerdem hatte sie bis Ankram wieder einige Plätze gutmachen können.

Yandriga von Urbet-Marvinko hatte mittlerweile einige andere Rivalen wieder eingeholt und sie entschied sich, dem Treidelpfad am Kanal zu folgen - oder besser gesagt: Balbiano entschied, denn Yandriga war immer noch mehr mit ihrer Wunde beschäftigt. Ob diese Wahl die beste war, blieb aber fraglich – zumal nachdem sie einem schweren Ochsengespann ausweichen mussten und ein anderes "zum Baden" in den Kanal gejagt hatten. Als dann auch noch ein halb eingewachsenes Ortsschild mit GARETH-Schriftzug auftauchte, war gerade der Almadaner kurz vor dem Verzweifeln. Wie sollte er auch ahnen, dass er an Therengars Rodung - THERENGARETH - angelangt war und der halbe Name nur verborgen war ...

Parsek

In Parsek lenkte Yandriga ihr Gespann wieder auf die Horasstraße, die zerstörte Stadt wenig beachtet hinter sich lassend - dem wichtigsten Opfer des Krieges hatte sie immerhin schon auf der ersten Etappe gedacht- und versuchte nun zumindest noch einen Achtungserfolg nach dieser durchwachsenen Etappe zu erringen.

Auf die meisten Teilnehmer hatte der Anblick Parseks jedoch größeren Eindruck gemacht. Beklommenheit überkam auch Piergorgio Mellifera, als er in der Ferne die Ruinen des zerstörten Parsek erblickte. Eine Stadt, die eng mit der befreundeten Familie di Onerdi verbunden war, lag in Trümmern. Trümmer, die eine furchtbare Geschichte von Gewalt, Zerstörung und Tod erzählten. Eine Geschichte, die sich nie mehr wiederholen durfte. Tief getroffen machte Luca di Onerdi vor den Ruinen halt und betete zu Boron um Erlösung für die Seelen der Getöteten. Wie am ersten Tag überkam sie die Wut über den Verlust der stolzen Stadt erneut. Nach bitteren Flüchen gegen den toten Coramar ya Strozza, den Verderber von Parsek, bestieg Luca wieder ihren Wagen.

Danach setzte sie, innerlich noch immer aufgewühlt und ein schwaches Opfer für Schmähungen von Gegnern, die Fahrt mit allerhöchster und rücksichtsloser Geschwindigkeit nach Methumis fort. Tatsächlich traf sie bald auf Dareius Amarinto. Dieser hatte schon lange vorgehabt die Klingen mit dem attraktiven Heißsporn zu kreuzen und jetzt reichten einige Bemerkungen darüber, wie viel die Baronie Parsek jetzt noch für die Onerdi wert sei, um Luca zu einem Duell zu provozieren. Den Schlagabtausch konnte die kriegserfahrene Kastellanin zwar für sich entscheiden und so musste der Amarinto warten, während die Siegerin weiterfahren konnte, doch beide hatte das langwierige Duell viel Zeit gekostet.

Gut voran gekommen war hingegen Benedict di Matienna. Obwohl er sich in der Gegend nicht auskannte, hatte er sich hinter Ankram für die Querfeldeinroute entschieden. Er hatte sich dabei an das Gespann von Thalionmel di Salsavûr und Amando Barabeo von Streitebeck, von denen er wusste, dass sie ortskundig waren, hinten angehängt. Auf mittlerer Strecke hatte er dann sein Tempo scharf erhöht und sein ganzes Können auf diesem Untergrund ausgespielt, um die erschöpfte Konkurrenz zu überholen. Auch für überraschte Bauern wurde nicht gebremst. Nun in Parsek jedoch nahm er sich aber die Zeit für ein kurzes Gedenken an die Opfer: "Götter, warum Parsek? Warum musstest du erlöschen? Und warum nicht Pertakis?" Auf dem darauf folgenden leichten Abschnitt wollte er nun noch die restlichen Fahrer zu überholen. Würde er damit Erfolg haben? Nur die Götter konnte es wissen...

Bei seiner kurzen Rast in Parsek leistete ihm bald auch Batiste von Calven-Imirandi Gesellschaft, um im Angesicht der Ruinen ein stummes Gebet zur alveranischen Leuin zu senden, auf das sie solches Leid dem einfachen Volke doch verhindern möge. Abgesehen von dieser Pause schonte Batiste sich kaum, denn nun ging es in den Schlussspurt.

Zieleinfahrt in Methumis

Es hatte sich eine deutliche Spitzengruppe herauskristallisiert: Neben dem Calven-Imirandi und dem alten Haudegen Benedict war es auch dem Gespann der Cirrention mit dem Drôler Fahrer Pantarro gelungen, durch gezielte Zwischensprints und Antritte dem Hauptfeld zu entfliehen und bis zu Spitze vorzudringen, dicht gefolgt von Tolman Rudor Raloff, der mit soliden Leistungen ohne große Komplikationen eine gute Etappe absolviert hatte. Auch der Wagen der Salsavûr und Streitebeck lag weit vorn und jetzt näherte sich auch Ojatril Hormajeff mit einem letzten verbliebenen Begleiter der Spitzengruppe. Die Sonne stand tief über Methumis, als das Ziel der dritten Etappe in Sicht kam, Pferde und Menschen waren am Ende ihrer Kraft, und einzig Danilo hatte von Ojatrils Freunden das Tempo bis hierher halten können, die anderen waren weit zurückgefallen. "Die letzte Meile gehört dir alleine", rief er Ojatril zu, als er seine Stute auslaufen ließ, "vielleicht hat es gereicht!" Diese Worte motivierten den Norbarden und er verlangte den Pferden das Letzte ab, als er den fluchenden Curthan Pantarro hinter sich ließ, der es nicht unterlassen konnte voller Wut mit der langen Peitsche erfolglos nach dem Kriegsveteranen zu schlagen, und dann auch noch Rennwagen des Raloff überwand. Unter den Toren der Stadt hörte man Thalionmel di Salsavûr ihm nun lachend zurufen: „Na dann wollen wir den Methumiern mal ein spannenden Zieleinlauf liefern!“

Uneinholbar waren jedoch bereits Benedict di Matienna und Batiste von Calven-Imirandi dem restlichen Feld entflohen. Kopf an Kopf jagten sie dem Ziel vor dem Alten Herzogenschloss entgegen und mal lag der eine, mal der andere eine Pferdelänge vorn. Dann jedoch sah Benedict seine Chance gekommen: ein Tintenfass lag auf der Straße, das wohl ein Studiosus der Herzog-Eolan-Universität hier verloren hatte. Behende, wie man es dem alten Gransignor Benedict nicht mehr zugetraut hätte bückte er sich vom Wagen, nahm das Fass auf und schleuderte es geöffnet auf seinen Rivalen. Dieser, nun mit Tinte bespritzt und über die unvorhergesehene Wendung völlig erstaunt, fiel jetzt zwei bis drei Wagenlängen zurück und auch wenn er sich schnell wieder fing, genügte es, damit Benedict das Zielband zerreißen konnte: er hatte seinen ersten Etappensieg eingefahren.

Die langen Prachtstraßen von Methumis sahen in diesen Stunden noch manch packendes Kopf an Kopf Rennen, so zum Beispiel als Piergorgio Mellifera das Stadttor passierte. Auf den langen und geraden Strecken hatte der junge Mann alles von seinen Pferden gefordert. So konnte er einige Fahrer überholen und saß nun der Siegerin der letzten Etappe, Luca di Onerdi, dicht im Nacken. Auf den letzten Metern gelang es ihm, die Adlige zu überholen und als erster ins Ziel zu kommen. Auch wenn die Pferde schließlich in Methumis am Ende waren und in den nächsten Tagen sicher nicht mehr zu gebrauchen wären, war dies nicht weiter schlimm. Neue Tiere standen an dem Kontor Changbari in Methumis bereit. Ein Umstand, der auch am nächsten Tag einen Vorteil bringen sollte. Piergorgio war zufrieden mit seiner Etappe.

Als alle Fahrer eingetroffen waren, begrüßte Herzog Eolan alle persönlich und hielt vor vielen Zuschauern eine lange Rede, in der er die große Bedeutung dieses rondrianischen Rennens zur Genesung der Reiches betonte und bei aller Rivalität und Unterschiedlichkeit der Fahrer das gemeinsame Ziel vor aller Augen führte: einen Fahrer zu küren, der das Liebliche Feld beim heiligen Donnersturm-Rennen vertreten sollte, einen gemeinsamen Kandidaten hinter dem einig das ganze horasische Volk stehen würde.


Ergebnisse der dritten Etappe (Punktestand)

SC Name Rennstatus 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
X Benedict di Matienna teilnehmend 0 8 12 20
X Batiste von Calven-Imirandi teilnehmend 0 0 10 10
Ojatril Hormajeff teilnehmend 8 2 8 18
X Thalionmel di Salsavûr/Amando Barabeo von Streitebeck teilnehmend 0 0 6 6
X Tiro Cirrention teilnehmend 5 0 5 10
Tolman Rudor Raloff teilnehmend 0 6 4 10
Firunja Rowinia teilnehmend 0 0 3 3
Piergorgio Mellifera teilnehmend 0 0 2 2
X Luca di Onerdi teilnehmend 2 12 1 15
Raïanike A'Phrykos dyll Lÿios teilnehmend 0 1 0 1
Fiagina ya Duridanya teilnehmend 0 5 0 5
X Reon Phalaxan XXIV. Torrem teilnehmend 0 0 0 0
X Shafirio della Pena teilnehmend 12 3 0 15
X Yandriga von Urbet-Marvinko teilnehmend 0 10 0 10
X Rondrajane von Veliris teilnehmend 0 4 0 4
Rahjean Alessio teilnehmend 6 0 0 6
X Dareius Amarinto teilnehmend 4 0 0 4
Obramada ya Kontressa teilnehmend 1 0 0 1
Calliane Ferdokin teilnehmend 0 0 0 0
Ulim d’Agendayo pausiert 3 0 0 3
Timodan ai Käferion pausiert 10 0 0 10

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