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Version vom 19. August 2019, 10:27 Uhr

Auge-grau.png Quelle: Bosparanisches Blatt Nr. 11, Seiten 30ff.
Aventurisches Datum: 1020 BF



Der Fall des Hauses Tikalen
Grandenfamilie in Ungnade/Ungeheuerliche Ereignisse auf Ständetag


Rangkrone
Wappen

Baronie Tikalen

Was ihr in diesen Tagen aus dem Norden hört, aus Tikalen, der stolzen Baronie, die ungeheuerlichen Gerüchte, die merkwürd´gen Mären - all dies ist nicht eines kranken Phantasten Gespinst, sondern, wenn man der Erzähler allzu farbenfrohe Ausschmückungen wegläßt, ganz die Wahrheit. Und ich, der Corto di Gaviani, will mit meiner ganzen Ehre mich verbürgen, dass alles sich so zugetragen, wie ich´s im folgenden berichte. Drum, laßt, ihr edlen Leser, bitt ich euch, mich euer Führer sein - wie einstens auch beim Ehernen Landtag Grangorias - durch vornehmer Damen und Herren Ränkespiel und unheilvolles Geschick.

Es begab sich recht balde nach des Hochgeborenen Herrn Broderico, des Münzreichen, (ruhmvoll) Verscheiden, dass die Dame Cavarya von Berlînghan-Thurzo, eine Cousine des methumischen Herzogs, Witwe des zu BORon Gefahrenen, die Edelmannen und Edelfrauen ihres Wittums - die Signoria, die Versammlung der Stände, also - nach Oberbomed, in die alte Ratshalle, zusammenrief. Denn dies war ihr Recht als Regentin des Landes, an ihres ältesten Sohnes Geron statt. Der junge Herr Geron Cornaro Tharguïn Rondralieb von Berlînghan und Tikalen war nämlich erst 20 Winter alt, ein rechtes Alter vielleicht in anderer Gegend, doch nicht genug, um von eines alten Edlen Hand den Ritterschlag der zwölfgöttlichen Lande zu empfangen. Und dies ist in Tikalen, der alten Baronie, dem Stiftslehen Kaiser Rauls, eine Bedingung sine qua non. So war es nun an des Erb-Baronets Mutter, und auch war es ihre Pflicht, weil arge Sorgen die Landedelleute plagten.

Wie das Bosparanische Blatt bereits berichtete (cf. numero 9 p. 68), ging zwischen der Arivorer Erz- und der Grangorianischen Hof-Canzlei ein Depeschenwechsel auf einer alten Urkunde vermeintlichen Anspruch hin, dass nämlich, so besagt der ausgebleichte Text, die Grenzen Grangorias, des Tresimont, zwischen dem Siebenwindigen Meer und dem Yaquirflusse zu suchen seien und nicht darüber hinaus, dass mithin, das ist des Streites Kern, die Baronie Tikalen nicht zum Garlischgrötzschen Herzogtum, sondern vielmehr zum Arivorer Kirchenlande zuzurechnen sei - all die feinen und überaus reichen Erzgruben und Bergwerke darein eingeschlossen. Selbstredend ein Thema, welches die tikalschen Edlen bewegte! Zudem hatte seine Hoheit der Herzog Cusimo durch seinen altgedienten und treuen Canzler, den Comto Chiranor Tegalliani, kundgetan, dass die Antwort des Connetabels Grangorias (was auch Baron Broderico war) "zwar bestimmt und knapp gewesen sei, doch ohne rechten Witz und rechte Schärfe".

Die Signori waren darob aufgebracht und auch, weil sie der feinsinnigen Witwe des Tikalers, der schöngeistigen Liebholden, das Verwesen des großen und schwierigen Lehens nicht zutrauen mochten. So war es ein wirres Durcheinander, das zum neunten des TRAviamondes in der buntgeschmückten Ratshalle herrschte, bevor die Hofmeisterin Tikalens, die ehrwürd´ge Natalya Darumno mit lauter und fester Stimme Ruhe in die Reihen der dem Regentenrufe fölglichen Damen und Herren brachte. Da waren die Wohlgeborenen Herren Phygor Valdrano Geron da´Marascenta-Ardismôr, Signor zu Oberbomed, und Rassuan Tharedion, Signor von Lumiân, Savinya Romeroza, die edle Dame von Arreth, Herr Arralin Aldubhor, der Geheime Rat der Gräfin und barönlich Vogt in Estario, der Edelhochgeborene Comto Rimaldo Tanglan Phexdan Cyrano di Scapanunzio von Corheno und weitere Herrschaften. Die Verhandlungen der Signoria begannen. Doch nimmer sollte an diesem Tage ein Beschluß gefaßt werden (nichts davon, weswegen die Signori zusammengekommen waren).

Denn just zu der Zeit, als die Regentin sich vom Stuhl erhob, um der Signori Klage Antwort zu erteilen, es war wohl an die dritte Stunde nach PRAios´ höchstem Stand, da ging ein Raunen durch den Saal und eine Gasse tat sich auf in der Menge, erst langsam, dann in Windeseile. Das Loch klaffte von der hohen Tafel bis zur Tür und hindurch trat - die Hofmeisterin tat einen spitzen Schrei und ging ohnmächtig zu Boden - der in RONdras Armen schlummernd gewähnte Baron Broderico Ethênec von Tikalen und Estario! Das Antlitz war bleich, von Wunden entstellt, sein Gang schleppend und von der gähnend langsamen Art der Nicht-Toten, doch obgleich ein Schatten auf seine Brünne fiel, so bestand kein Zweifel: Es war der Verstorbene, gleich an Statur und Gesicht, er trug den Ring, mit dem er Zeit seines Lebens gesiegelt. Und des Ritters Tharedion, des alten Waffenmeisters und Weggefährten des Hochgeborenen, Lippen flüsterten leis: "Broderico".

Die Leute wichen der Gestalt aus, die noch ein paar Schritte tat. Dann beugte sie sich vor, richtete den gestreckten Finger auf die Dame Cavarya, die stocksteif mit schreckensweit aufgerissenen Augen dastand, die Hände vor den Mund geschlagen. Der wandelnde Leichnam öffnete den Mund - wollte er sprechen oder nur stumme Klage halten? Ein Ächzen, ein schmerzerfülltes Seufzen, war alles, was er herausbrachte; und in diesem Augenblicke faßte sich der Comto Rimaldo von Corheno, welcher der Gasse am nächsten stand, ein Herz und schritt mit seinem adelsstolzen Vetter einmal aus und trat vor die Signoria, das Schwert hoch erhoben. Der Altbaron hob seine eigene Wehr, mühsam und zu tief, denn mit einem KORgefälligen Streich haute Rimaldo ihm das Haupt in glattem Zug vom Leib, wohlwissend, dass dies das unheilige Leben (TSA verzeih!) einer solchen Entität beendet. Und wahrlich, hintüber poltertete der kopflose Corpus des Untoten auf das Ebenholzparkett.

Doch keineswegs zur Ruhe sollte die Versammlung jetzt kommen! Die blutbefleckte Klinge noch in der Faust, Entsetzen und gerechte Wut auf seinen Zügen, wirbelte Signor Rimaldo herum, wies mit seines Stahles Spitze geradewegs zur Witwe hinauf und rief aus der allseitigen Unruhe heraus: "Verrat, schmählicher Verrat! Du unreine Metze, steig herab, verfluchtes Weib!" Als sie das sahen, sprangen die Herren Tharedion und Ardismôr zu zweien vor die hohe Dame, gleichsam die scharfen Schneiden blankgezogen, und Signor Phygor rief mit lauter Stimme: "Schützet die edle Regentin!" Da war das Gemach vom Ziehen der Schwerter und Degen erfüllt - denn Sitte ist´s wie ehedem, dass alter Adel Klingen trage, wenn er aufscheinen muß, um Lehnspflicht zu leisten - und bald trat eine BORonschwangere Waffenruhe ein.

"Sie war des Hochgeborenen Gemahlin und drum Regentin nun,", es sprach Rimaldo von Corheno, "doch heut´ habt ihr gesehen, edle Damen, edle Herrn, wie sie dem Toten das gelitten. Ein übles Werk hat sie mit schwarzer Kunst vollbracht, auf dass der Arme nicht-tot, nicht-lebend ihr zu Diensten sei. Welch ein Hexenweib! Fort mit ihr! Des Schweigsamen Gottes Fluch über dich, du Borbarad-Hure von Tikalen!"

Und Herr Arralin, der Geheime Rat, der tief betroffen schien, trat vor, denn er war ein Magus von außerordentlichem Rufe, und sprach, ja, er sei sich sicher, dass hier Magie zugegen gewesen sei, die schwarze Kunst, die man mit der Anrufung der Unheiligen Zwölfe (PRAiosstehunsbei!) verbinde. Er müsse den Antrag des aufgebrachten Comtos stützen.

Da erhob sich ein Rumoren in der Halle, und die beiden Streiter der Dame Cavarya schauten verwirrt, und die Klingen ließen sie sinken. Es raste der Saal - und Comto Rimaldo, dem die Edlen das Wort erteilten, fuhr fort und beschloß, als Sprecher der Landstände, dass Cavarya von Berlînghan-Tikalen vor das Hohe-Gericht der Gräfin zu führen sei und den Herrn der Heilig-Halle des Götterfürsten PRAios, und nimmermehr sollte Regentin sein, bis dass der Prozeß geklärt sei, derweil die Dame von Signor Tharedion auf Burg Yaquirwacht in Ehrenhaft gehalten werde. So ward´s beschieden, so geschah´s.

Und weder der Herzog von Grangoria noch die Räte der Gräfin noch des Horashofes Advocaten mochten sich der Berlînghan erbarmen, und an alldieselben schrieb die Dame doch demutsvoll Petitionen. "Einer Necromantin und Schwartz-Kuenstlerin vermöge man nicht zu helfen, das liege nur in der Himmlischen Hand,", so sprach der Canzler Tegalliani, und wie er, so denken viele. Comto Rimaldo hingegen wurde vom Erbkämmerer der Grafschaft Bomed, Herrn Selinan ya Tarcallo, auf Hochwohlgeborenen Ratschluß hin, zum Verweser der tikalischen Lande auf unbestimmte Zeit bestallt. Und der Prozeß naht.

Frank Bartels