Briefspiel:Das Treffen im Silbernen Saal (1)

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Tarquinio della Pena, 18. TSA

Tarquinio della Pena

Der junge Reiter gönnte seinem goldfelser Rappen einen kurzen Moment der Pause als die letzte Kehre erreicht war. Nun trennte ihn nur noch ein letzter Anstieg von der Bergstadt, irgendwie hatte er das Gefühl, als würde auch das Ross beim Anblick des Reiseziels mit Freude erfüllt. Heftig blähte es die Nüstern auf und schüttelte den Kopf, dessen zarter Hals vom Regen glänzte.

Der Regen. Für gewöhnlich ist es keine außergewöhnliche Anstrengung von seiner Heimat nach Urbasi zu gelangen, doch scheinbar wollte sich der Herr Efferd an diesem Tag dem Zorn seines Bruders Firun anschließen, der dem Land dieses Jahr einen unerhört harten Winter beschert hatte. Seit dem Mittag hatte es unaufhörlich geregnet und den sonst so leicht zu nehmenden Weg in eine feuchte, glitschige Masse verwandelt, die Rössern und Reitern gleichsam das Höchste abverlangte. Dabei konnte man diese Unbill noch glücklich nennen, wenn man sich einmal die letzten Wochen zurück ins Gedächtnis rief. Schnee und Eis hatten die Hügel Sikramiens in eisernem Griff und entlockten der sonst so von Praios beschenkten Bevölkerung heftiges Stöhnen.

Das Wasser tropfte vom nassen Hut des Edelmanns, der seinem Pferd nun über den nassen Rücken strich. Mehr aus Ungeduld ob seiner Begleiter als echter Zuneigung, wie er sich selbst gegenüber eingestehen musste.

Noch einmal wandte er sein Auge nach Urbasi. Die Ortschaft, welche sich auf dem höchsten Hügel des Umland befand, ähnelte einem Meer von hinter einander immer weiter gen Praios strebenden Häusern, aus denen die markanten Glockentürme der wichtigen Tempel, des Magistratspalastes und der Geschlechtertürme noch weiter hinauf ragten.

Er drehte sich im Sattel um. Da, Gilia de Falcona hatte ihn erreicht. Statt neben ihm ihr Pferd zu zügeln, schenkte sie ihm nur einen mürrischen Gruß und trieb ihr Pferd dann weiter den steilen Weg hinauf. Er lächelte, zwar gehörte seine Hauptfrau nicht zu den Schnellsten, doch ihre eiserne Natur und Unnachgiebigkeit hatten auch sie und ihren alten Schecken hier hinaufgeführt. Einige seiner Bewaffneten waren noch weiter zurück, sie kämpften mit der Müdigkeit der Pferde ebenso wie mit seiner eigenen. Einige waren entgegen seines ausdrücklichen Befehls abgesessen und führten ihr Pferd an den Zügeln nun hinauf.

Er drehte sich wieder um und sann nach. Wie sollte er darauf reagieren? Sein Bruder, der sich nun scheinbar wieder Horasio della Pena nannte, würde auf solch etwas mit einer drakonischen Strafe antworten. Er legte den Daumen ans Kinn und fuhr sich durch den feuchten, gut gekürzten Bart.

Disziplin und Folgsamkeit der Untergebenen ist wichtig, es zeigt ihre Achtung gegenüber dem Befehliger. Doch als sein Blick von einem dicken Tropfen gefangengenommen wurde, der sich an seinem Hutrand sammelte und schließlich auf Sumus Leib stürzte, entschloss er sich anders zu handeln. Dieses Mal, unter diesen Umständen, würde er es noch einmal durchgehen lassen.

Sein Bruder... den Gedanken schnell von sich schleudernd, entschloss er sich eilig die trockenen Gemächer im Palazzo seines Verwandten Traviano aufzusuchen. Mit einem leichten Tritt seiner Stiefel trieb er das Pferd an, keinen Blick mehr zu seinen Begleitern suchend.

...zur gleichen Zeit befand sich Horasio della Pena in Bomed und man mag es Zufall nennen, oder es auch bedeutungsvoller als Schicksal bezeichnen, dass er just in diesem Moment seines jüngeren Bruder gedachte und inständig hoffte, er würde in diesen schwierigen Zeiten den ihm eigenen Weg endlich finden.


Traviano von Urbet-Marvinko, 18. TSA

Der Missmut war dem Stadtherrn Urbasis deutlich ins Gesicht geschrieben. Seit Monaten schon hielt für diese Breiten eisige Kälte das Liebliche Feld im Griff, doch in dem jungen Adligen brodelte es. Er wollte der dräuenden Gefahr durch die Auspizzi endlich Herr werden, nachdem ihm der einsetzende Winter schon im Boronmond weitere Schritte nach der Erringung der Stadtherrschaft verwehrt hatte.

Dem hitzigen Gespräch zwischen seiner Schwester Odina und seinem Vetter Gonzalo folgte er nur beiläufig – sie stritten seit Tagen bereits darüber, wie in der Sache Auspizzi und darüber hinaus im Detail zu verfahren sei, die Canzellaria dabei stets für eine friedlichere, der Constabler für eine kriegerischere Variante eintretend. Stattdessen lenkte der selbsternannte Silberherr seinen Blick wieder einmal aus dem Fenster des Castello d’Urbasi, über die Piazza di Renascentia zum Palazzo Magistrale und zur Baustelle seines eigenen Palazzo Casciano, der ihm dereinst eine würdigere Bleibe sein sollte, als das eher militärischen als repräsentativen Ansprüchen genügende Castello. Er konnte es dem alten Comto Ulmessan mittlerweile kaum noch verdenken, dass der sich lieber in Vinsalt als in Urbasi aufgehalten hatte – umso mehr, da ihm selber das erst die Erringung der Stadtherrschaft ermöglicht hatte …

Die Bauarbeiten am Palazzo Casciano indes gingen wegen der Witterung nur schleppend voran, auch wenn zum Teil bereits bestehende Gebäude in das Bauwerk integriert wurden. Die Umbauten im Inneren des Palazzo Magistrale hatten sich da weit schneller umsetzen lassen, der restaurierte und herausgeputzte Silberne Saal sollte am folgenden Tag bereits eingeweiht werden. Die Feierlichkeit war eine willkommene Abwechslung im bislang eher beschaulichen gesellschaftlichen Leben Urbasis und zog sogar Besucher aus den Nachbarstädten an. Vor allem natürlich die von ihm selbst zur Absprache seines ersten Schlages gegen die Auspizzi eingeladenen Marvinkogetreuen.

Als wollte er bereits nach den ersten von ihnen Ausschau halten, schweifte der Blick des Silberherrn über die Hügel im Südwesten Urbasis, zwischen denen sich der Sikram wie ein (im Regen) trübes Band bald in der Ebene von Urbet verlor, rechterhand die Via Efferdia, linkerhand die Via Sikrama in geschwungenen Bögen neben sich her ziehend. Und tatsächlich erspähte er nun auf der Via Sikrama, auf dem letzten parallel zum Flussverlauf erfolgenden Anstieg, bevor die Straße sich wieder ins Sikramtal hinabwand, einige Reiter. Vor allem der edle Rappe kam ihm sofort bekannt vor, war auf diesem doch sein Vetter Tarquinio bereits einige Male mit ihm zusammen ausgeritten. Das musste der Signore von Marvinko sein!

Seine Schwester und seinen Vetter ob seines plötzlichen Aufbruchs verwundert zurücklassend, ließ der Silberherr das seinen Beratungen dienende Kabinett im Obergeschoß des Castello hinter sich. Einer verdutzten Magd auf dem Korridor trug er auf, den Majordomus ob der Ankunft der erwarteten Gäste zu verständigen, und schritt dann selbst Richtung Treppe, um seinen Vetter bereits auf dem Vorplatz, der Piazza di Renascentia, zu empfangen.


Romejan di Tamarasco, 18. TSA

„Bei den Zwölven!" Viviona Merago hatte ein solches Maleur in ihrer gesamten Dienstzeit erst ein einziges Mal erlebt. Damals hätte die Baroness sie fast auspeitschen lassen, als sich herausstellte, dass sie die Mietkutsche vor der Reise nicht hatte überprüfen lassen.

Doch diesmal war keine Achse gebrochen, und auch die Kutsche stammte aus den eigenen Stallungen. Es war das Wetter, das ihnen übel mitgespielt hatte. Schon fast eine Stunde steckten sie fest, und Cavalliere Romejan wurde in seiner Kutsche allmählich ungeduldig. Eigentlich hätte er schon längst in Urbasi angekommen sein wollen. Es war die erste größere Aufgabe, die er für seine Großmutter übernehmen durften, und wäre sie nicht vor einer Woche krank geworden , er säße vermutlich immer noch daheim über den alten Gesetzestexten seines Hauslehrers. Und das mit fast 20 Sommern!

Die Reiterin, die sich genähert hatte, hatten die beiden nicht bemerkt. Galant schwang diese sich vom Pferd.„Darf ich meine Hilfe anbieten?" Sie seufzte kurz auf: „Bei diesem Wetter mit der Kutsche unterwegs – auf diese Idee kannst auch nur du kommen, kleiner Cousin!"

Eine Handbewegung später kam unter der regendurchnässten Kapuze das Gesicht Larissa di Tamarascos zum Vorschein.

Gegen Abend erreichten sie die Stadt. Kurz, nachdem sie das Stadttor passiert hatten, hielt die Kutsche.

„So habt noch einmal Dank, Cousine, dass Ihr mir in dieser misslichen Lage geholfen habt. Möge Praios Auge über dich wachen." -

„Und möge Phex dich mit Handelsgeschick segnen!" Sie zwinkerte ihrem Cousin zu und stieg aus.


Tarquinio della Pena, 18. TSA

Der junge Edelmann ritt durch die Stadt, seine Begleitung hatte inzwischen zu ihm aufgeschlossen. Einige scherzten, freuten sich bereits jetzt auf das warme und weiche Lager der Nacht. Andere, er selbst war auch dazu zu zählen, betrachteten eher die eiligen Bauarbeiten überall in der Stadt.

Ganz offensichtlich hatten die Bauherren es gewagt dem Winter zu trotzen, teils aus purer Notwendigkeit, denn die Kämpfe gegen Valpoza hatten mancherorts nur Schutt zurückgelassen, teils aber aus dem Stolz der neuen Herren von Urbasi, die mit neuen Palazzi ihre jüngst gewonnene Macht dokumentieren wollten.

Endlich erreichten sie die Piazza Renascentia, bogen auf den alten Palazzo Magistrale hin. Und dort erkannte er doch seinen Vetter Traviano, er stand unter einem Vordach und hob grüßend die rechte Hand. Lächelnd hob auch Tarquinio seinen breitkrempigen Hut, den Regen der daraufhin auf seine dunkelblonden Haare nässte bewußt ignorierend. So etwas macht Eindruck, hoffte er und wollte seinem Vetter beweisen, er sei es wert ihm das Vertrauen zu schenken.

Er setzte den Hut wieder auf und ritt dann weiter auf seinen Vetter zu...


Traviano von Urbet-Marvinko

Trotz des Regens herrschte auf der Piazza di Renascentia vor dem Castello d’Urbasi um den gerade am Tor angekommenen Silberherrn plötzlich hektische Betriebsamkeit. Der alarmierte Majordomus hatte offensichtlich vorausschauende Vorkehrungen für die Ankunft der erwarteten Gäste treffen lassen: Stallburschen stellten sich auf, den ankommenden Reitern ihre Pferde abzunehmen, eine Reihe weiterer Diener, um den Gästen die Quartiere weisen zu können. Vier starke Knechte und Mägde eilten zusätzlich mit langen Stangen heran, zwischen denen ein wetterfestes weißes Tuch gespannt war, um den mittlerweile vor dem Castello Aufstellung genommen habenden Silberherrn mit einem improvisierten Vordach vor dem Regen zu schützen.

Als gerade Ruhe in die Hektik kam, bogen Travianos Vetter und seine Begleiter auch schon auf die Piazza di Renascentia ein. Die Reiter sahen allesamt ziemlich durchnässt aus, durchfuhr es den Silberherrn in einem kleinen Anflug von Mitleid, doch er wusste ja schon, dass der Signore von Marvinko selten – gerade bei solch überschaubaren Entfernungen wie von Marvinko nach Urbasi – auf die Kutsche zurückgriff. Als wenn er dies bestätigen wollte, zog Tarquinio der aus den Wolken herabstürzenden Nässe zum Trotz nun auch noch seinen Hut – und zauberte so ein anerkennendes Lächeln in das Gesicht des Silberherrn.

Unter dem schützenden Vordach angekommen und von seinem edlen Rappen abgesessen, trat der Gast dem Gastgeber nun entgegen. „Efferd zum Gruße“, begann Traviano lächelnd, „du wolltest wohl noch ein Bad im Sikram nehmen, bevor du es dir bei mir gemütlich machen kannst! Beim nächsten Mal will ich dir aber auch gerne einen Zuber bereitstellen lassen …“

Noch ehe der Angesprochene antworten konnte, ratterte aber eine Kutsche auf die Piazza di Renascentia, offensichtlich einen weiteren Ankömmling mit sich bringend. An der Außenseite des Gefährts prangte prachtvoll geschmückt das Wappen des Hauses di Tamarasco, der herabstürzende Falke über drei Jagdhörnern. An Tarquinio gewandt, setzte Traviano seine Begrüßung scherzend fort: „… und diesem Gast wohl auch, auch wenn seine Efferdfrömmigkeit hinter der deinen wohl zurücksteht.“

In dem Moment hatte die Kutsche auch schon vor dem Vordach Halt gefunden und einer von Travianos herbeigeeilten Dienern öffnete rasch einem sich im Alter kaum von den beiden Marvinkosignores unterscheidenden Edelmann die Kutschtür …


Leomar Romualdo della Pena, 19. TSA

Leomar della Pena

Leomar Romualdo hatte gut geschlafen. Wieder einmal hatte das Hämmern der emsigen Handwerker, die aus ein paar mitgenommenen Stadthäusern seinen prächtigen Palazzo machen sollten, ihn in den Schlaf gewiegt. Es war die richtige Entscheidung gewesen, die Zimmerflucht im Hotel Silbertaler anzumieten, von der aus er den Fortgang der Arbeiten mit eigenen Augen verfolgen konnte. Unter seiner gestrengen Kontrolle, würden die Handwerker wenigstens nicht in ingerimm-ungefälligen Müßiggang verfallen, kosteteten sie ihn doch schon so ein kleines Vermögen...

Nun gut, heute sollte also diese Versammlung im Palazzo Magistrale sein. Er ging dieser Sache gelassen entgegen, er der alte Löwe würde zwischen all den jüngeren Adeligen schon seinen Platz finden. Zwar plagte ihn bei diesem feuchten Wetter schon ab und an mal das Rheuma - da konnte man schon mal ein wenig neidig auf diese jungen Burschen sein - , aber alles in allem hatte er sich doch gut gehalten und konnte als stattlicher Mann in seinen besten Jahren gelten - so bestätigte es ihm auch seine Frau immer wieder, fügte er gedanklich schmunzelnd hinzu. Ein Glück, dass die alte Daria di Tamarasco verhindert war, mit dem alten Drachen, war er schon in Silas des Öfteren aneinandergeraten. Es hieß zwar, dass der junge Romejan ganz nach ihr komme, aber mit so einem Bürschlein würde er schon fertig werden.

Nachmittag:

Nun sollte es also losgehen, nach einem ausführlichen Mittagessen, dem wohlverdienten Mittagsschlaf und einigen leidigen Tagesgeschäften, machten sich Leomar Romualdo und Odina della Pena auf zum Palazzo Magistrale. Schmuck waren sie anzusehen, der hochgewachsene kräftige Leomar und seine elegante Gattin. Und so machten sie sich auf, den kurzen Fussmarsch über die Piazza di Renascentia anzutreten…


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