Briefspiel:Traviabund mit Hindernissen/Eine phexgewollte Begegnung: Unterschied zwischen den Versionen
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Dettmar nickte zustimmend: „Wollen ja nicht bei der Allweisen in Ungnade fallen! Mit Freuden nehmen wir eure großzügige Einladung im Anschluss an den Götterdienst zu Ehren der Hesinde an, Signora Brahl! Freue mich schon von dem Cassianti kosten zu dürfen!“ Dettmar verbeugte sich und ließ mit einer freundlichen Geste dem Ehepaar aus Urbasi den Vortritt.<br> | Dettmar nickte zustimmend: „Wollen ja nicht bei der Allweisen in Ungnade fallen! Mit Freuden nehmen wir eure großzügige Einladung im Anschluss an den Götterdienst zu Ehren der Hesinde an, Signora Brahl! Freue mich schon von dem Cassianti kosten zu dürfen!“ Dettmar verbeugte sich und ließ mit einer freundlichen Geste dem Ehepaar aus Urbasi den Vortritt.<br> | ||
Nacheinander betrat man den gut besuchten Tempel und fand glücklich noch freie Plätze so dass die fünf Neuankömmlinge beieinander sitzen könnten. Rahdrigo war der Erste in der Bank, dann folgte seine Gemahlin, neben ihr nahm Phejanka Platz, daneben ihr Bruder und den Abschluss bildete der Zyklopäer Theosfinus.<br> | Nacheinander betrat man den gut besuchten Tempel und fand glücklich noch freie Plätze so dass die fünf Neuankömmlinge beieinander sitzen könnten. Rahdrigo war der Erste in der Bank, dann folgte seine Gemahlin, neben ihr nahm Phejanka Platz, daneben ihr Bruder und den Abschluss bildete der Zyklopäer Theosfinus.<br> | ||
| − | Wenig später erklang der Gong ein weiteres Mal und die Messe begann. | + | Wenig später erklang der Gong ein weiteres Mal und die Messe begann.<br> |
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| + | „So eine gelungene Messe ist doch stets ein herrlicher Beginn für einen Tag, findet ihr nicht Signor Solivino?“ es war die stämmige Efferdierin, unter deren langes, gewelltes braunes Haar sich vereinzelt bereits weiße Haare geschlichen hatten, die das Wort an Traviane gerichtet hatte. Hinter ihnen gingen die beiden Patrizier, denen in zwei Schritten Abstand der Secretarius folgte.<br> | ||
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| + | “Das kann man wohl sagen. Ich muss zugeben, dass ich länger nicht mehr im Tempel der Allweisen war. Nach dieser wirklich sehr schönen Messe werde ich mit meinem nächsten Besuch nicht mehr so lange warten.” <br> | ||
| + | Die gebürtige Sheniloerin lächelte Phejanka an. “Verzeiht meine Neugier, doch ich habe mich schon immer gefragt wie es sich so lebt in einer Republik. Hier bei uns in der Gerondrata kommen immer nur die schlechten Neuigkeiten an, dass wieder einmal ein Adliger hingerichtet wurde oder so, aber eigentlich ist die Coverna ja eine wunderschöne Gegend. Ich war leider noch nicht in Efferdas, doch bereits in Belhanka.” Sie verstummte etwas verschämt, als sie merkte, dass sie ins Plaudern gekommen war und ihre Frage von einer Efferdierin eventuell als Beleidigung verstanden werden könnte.<br> | ||
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| + | Phejanka lächelte die Sheniloerin freundlich an, ganz offensichtlich fand sie gefallen an der, für sie zwanglosen Plauderei. „Nun, ich lebe schon sehr, sehr lange nicht mehr in der Stadt Efferdas. Mein Jüngster verlor durch einen Unfall mit nicht ganz sechs vollendeten Götterläufen sein Leben, danach hielt ich es in der Stadt einfach nicht mehr aus. Die Erinnerungen, aber auch ein Gefühl von…“ sie zögerte kurz „Ja, ein Gefühl von Zuviel. Zu viel Lärm, zu viel Menschen, zu viel Hektik, zu viel von einfach allem. Ich musste raus aus Efferdas und so habe ich nach der Totenzeremonie für Verion die Stadt verlassen und bin seither nicht mehr dort gewesen. Das war Ende 1011 BF. Mein Gemahl, Darion hat dann ein kleines Haus in Hilmaras für uns, naja…“ Sie lächelte verschmitzt: „Eigentlich hauptsächlich für mich gekauft. So bin ich dann nach fünf Götternamen von Planûr, wo ich mich nach meiner fluchtartigen Abreise aus Efferdas in der Herberge „Heilig Rahjalina“ eingemietet hatte, umgezogen. Seither lebe ich in dem ruhigen und sehr freundlichen Dorf, fern von dem Trubel und den Ereignissen der Stadt. Die meiste Zeit verbringe ich in meinem Garten. In meinem Garten habe ich neben zahlreichen Blumen und Beerensträuchern auch eine Ecke, in der ich Kräuter anbaue und dann die Heilerin des Dorfes mit einigen simplen Salben und Tinkturen versorge. Gelegentlich bekomme ich vom Hesinde-Tempel Schriften oder sogar ganze Bücher, die ich dann gegen ein gewisses Honorar kopiere. Ihr seht, was mich betrifft, ist es ein sehr beschauliches und friedvolles Leben und kaum ein Unterschied zur Zeit vor der Republik. Mein lieber Bruder dürfte da aber eine andere Sicht auf die Dinge haben. Wenn ihr einmal in die Gegend reisen solltet, seid ihr und euer Gemahl selbstverständlich auf das Herzlichste eingeladen, mich in Hilmaras zu besuchen.“ Nun war es an Phejanka Gerber etwas verlegen zu lächeln, da sie die arme Traviane mit ihrer Vergangenheit und ihrem jetzigen Leben so überfahren hatte, wahrscheinlich wollte die dunkelblonde Frau mit ihren strahlendgrünen Augen gar nicht so ausführlich über Phejanka’s Leben informiert werden. Aber in Momenten wie diesen merkte sie, wie sehr sie es vermisste, Jemanden zu haben mit dem sie sich austauschen konnte. Hoffentlich hatte sie ihre neue Bekanntschaft nicht gleich verschreckt!<br> | ||
| + | Währenddessen waren die beiden Männer, völlig emotionsfrei in ein Gespräch über die jeweiligen Probleme und Herausforderungen in den beiden Städten und deren Umland vertieft.<br> | ||
| + | Theosfinus hingegen spazierte entspannt hinter den Herrschaften her, immer ein Auge auf die Passanten, auch wenn er nicht unbedingt ein Leibwächter war, betrachtete er es durchaus auch als seine Aufgabe ebenfalls auf die Sicherheit seines Arbeitgebers zu achten. <br> | ||
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| + | Traviane lauschte Phejankas Erzählung mit voller Anteilnahme. Als sie von dem Tod ihres jüngsten Sohnes erzählte, hatte sie das Bedürfnis, die braunhaarige Frau tröstend in den Arm zu nehmen. Doch sie kannten sich noch nicht einmal einen Tag lang, daher ließ sie es bleiben. Natürlich musste sie sofort an ihre eigenen vier Kinder denken und eine Welle von Dankbarkeit an die Götter überschwemmte sie, da alle ihr sechstes Lebensjahr gesund überstanden hatten und wohlauf waren. Sie wünschte sich so sehr, ihre Lieblinge aufwachsen zu sehen, vielleicht irgendwann Enkelkinder in den Armen halten zu können und schließlich vor ihnen zu Boron zu gehen. | ||
| + | Gleichzeitig bewunderte sie die Efferdierin, da sie so offen darüber sprechen konnte, es geschafft hatte, sich ein neues Leben aufzubauen und anscheinend auch sehr glücklich war. | ||
| + | “Vielen Dank für diese herzliche Einladung. Wir werden sie natürlich gerne annehmen, falls sich die Gelegenheit ergibt.”<br> | ||
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| + | Phejanka nickte freundlich, nichts zu danken. „Es wäre mir wirklich eine Freude mich bei euch und eurem Gemahl für die Einladung in euer Zuhause revanchieren zu dürfen, auch wenn mein Heim um ein Vielfaches bescheidener ist! Für repräsentative Bauten in Hilmaras war die Familie Kanbassa zuständig und vor allem für ihre Plantagen und die Gärten!“ Phejanka bekam einen verträumten Blick „Die Gärten…“ mit schwärmerischer Stimme sprach sie weiter „…meine liebe Signora Traviane, die müsst ihr unbedingt besuchen, wenn ihr mich einmal besuchen kommt. Diese Gärten lassen sich mit Worten kaum beschreiben, die muss man gesehen und erlebt haben! Signor Rahid Kanbassa führt zwar das Weinlesefest nicht mehr fort aber die Tradition, horastags die Gärten für interessierte Besucher zu öffnen hat er von seinem Onkel und seiner Tante, die Götter mögen ihren Seelen Frieden schenken, beibehalten. Er und seine Frau…“ Urplötzlich verstummte die Gerberin und die Röte stieg in ihr Gesicht.<br> | ||
| + | „Oh, bei den Zwölfen! Wie dumm von mir!“ sie schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn „Brahl, natürlich Esquirio Rahid Kanbassas, der Herr der Magion Paltaia ist mit Signora Geronita Brahl vermählt.“ Sie blickte die Brahlerin verlegen an. Im nächsten Augenblick wich die Röte langsam wieder und das Lächeln kehrte zurück auf ihr Gesicht „Aber dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit dass wir uns doch in Hilmaras begegnen. Dank der Familienbande habt ihr ja durchaus Anlass für einen Besuch dort. Und ihr ward noch nie auf Landschlösschen Paltaia nahe Hilmaras?“ interessiert blickte sie die jüngere Frau an.<br> | ||
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| + | “Ach, jetzt weiß ich, wo ich Hilmaras schon einmal gehört habe. Mein liebes Schwesterchen Geronita und mein Schwager Rashid Kanbassa wohnen dort seit einiger Zeit. Geronita spielte uns damals immer Streiche mit den Bauernjungen, die ihr alle verfallen waren. Sie war schon immer ein Wildfang.” Ein verträumten Lächeln schlich sich auf Travianes Gesicht, als sie an ihre Kindheit auf dem malerischen Weingut nahe Shenilo zurückdachte. | ||
| + | “Ihr habt Recht, Signora Phejanka, ich muss sie dort einmal besuchen. Es ist schön viel zu lange her, dass wir uns bei einem Familientreffen in Shenilo gesehen haben. Was für ein ausgezeichneter Zufall, dass Ihr ebenfalls dort lebt! Der Herr Phex muss uns gewogen sein, dass wir uns begegnet sind.<br> | ||
| + | Und nein, das Landschlösschen Paltaia kenne ich nicht. Das klingt ja alles nach einer wundervollen Gegend. Ich freue mich schon darauf, die Gärten kennenzulernen.”<br> | ||
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| + | Traviane hatte ihre Schritte unbewusst in Richtung Piazza d’Agendayo gelenkt. Ein quadratischer Platz, der deutlich kleiner als die Piazza di Renascentia war, und dessen Mitte ein Springbrunnen zierte. Die Seite gen Firun wurde von einem Stadtpalazzo im klassischen Stil eingenommen. Im Praios und Efferd war der Platz offen und ermöglichte eine fabelhafte Aussicht über die tiefer gelegenen Stadtteile Urbasis und auf den Sikram. Traviane steuerte jedoch auf die Rahjaseite zu, an der ein weiterer Palazzo mit einem runden Geschlechterturm stand. Die prunkvolle Fassade war stuckverziert und mit Wandgemälden bemalt, die durch regelmäßige Restauration in einem guten Zustand waren.<br> | ||
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| + | „Ja, wahrhaftig. Es muss schon eine phexsche Fügung sein, dass wir uns hier und heute begegnet sind. Die Familien Kanbassa und Gerber sind schon einige Jahrzehnte geschäftlich miteinander verbunden. Doch da weiß mein Bruder besser bescheid. Wie gesagt ich lebe seit Mitte 1012 BF in Hilmaras und war seither nicht mehr in Efferdas. Mit dem Onkel von eurem Schwager, Gorcan Kanbassa und seiner zweiten Gemahlin Linoë war ich gut befreundet, doch dann würden die beiden gemeinsam mit ihrem Sohn Rûmar vor bald zehn Götterläufen auf schändlichste Weise in Efferdas ermordet.“ Die Efferdierin seufzte kurz, schüttelte den Kopf und sagte leise: Möge der Dunkle Vater ihren Seelen Frieden geschenkt haben!“ dabei zeichnete sie das Boronrad vor ihrer Brust in die Luft „Ein schreckliches, wie sinnloses Verbrechen, dass mich nur darin bestärkt hat, keinen Fuß mehr hinter eines der Stadttore von Efferdas zu setzen. Linoë besuche ich regelmäßig an ihrem Grabmal im Garten der Magion Paltaia.“ Wieder hielt sie kurz inne und blickte dann entschuldigend zu Traviane „Verzeiht, erneut habe ich ein so düsteres Thema angesprochen. Lasst uns von erfreulichen Dingen sprechen. Habt ihr Kinder meine geschätzte Signora Traviane?“<br> | ||
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| + | Während sie auf den Palazzo zugingen, nickte die Sheniloerin. “Oh ja, drei Töchter und einen Sohn. Sie sind alle gesund und munter und wahrhaftig ein Geschenk Tsas. Meine Älteste, Doriana, ist zwölf und studiert schon in Methumis. Ach, sie werden so schnell erwachsen.” Traviane stutzte und musste über ihre eigene Äußerung schmunzeln. Vor einigen Götterläufen hätte sie so eine Äußerung eher von ihren Eltern als von ihr selbst erwartet. Die Zeit verging so unglaublich schnell!<br> | ||
| + | “Heute sind die drei Kleinen – sie sind deutlich aufgedrehter als Doriana – mit den Kindern meiner Schwägerin ins Bestiarium gegangen, eine Tierausstellung hier in Urbasi. Wir werden also zuerst einmal unsere Ruhe haben, später könnt Ihr sie vielleicht kennenlernen.”<br> | ||
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| + | „Vier Kinder!“ Phejanka nickte anerkennend „Die Götter sind euch gewogen, wie es scheint. Nach vier Schwangerschaften noch immer eine so makellose Figur, beneidenswert!“ | ||
| + | Ihr eigener Körper hatte nach keiner der drei Schwangerschaften wieder zur alten Form zurückgefunden und das Alter hatte sein Übriges getan. Aber sie hatte inzwischen ihren Frieden damit gemacht. Sie war gesund, konnte den ganzen Tag im Garten zugange sein, ohne Schmerzen zu haben oder gar konditionell Probleme zu bekommen, in ihrem Alter keine Selbstverständlichkeit mehr und um die Aufmerksamkeit der Männerwelt musste sie sich in ihrem Alter ebenfalls keine Gedanken mehr machen!<br> | ||
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Version vom 15. Oktober 2025, 18:45 Uhr
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Eine phexgewollte Begegnung
Autoren:Bella, Gerberstädter
Man schrieb den 18. Tag im Monat Hesinde des Jahres 1042 nach Bosperans Fall. Gemütlich rollte die Kutsche dem Straßenverlauf folgend Richtung Hilmaras. Die Kutsche war eine Konstruktion seiner Großnichte Amalia. Durch eine aufwändige und komplexe Lagerung wurden die unangenehmen Schläge, hervorgerufen durch Unebenheiten oder auf den Wegen liegenden Gegenständen und die Fahrgäste zum Teil kräftig durchschüttelten deutlich reduziert. Dettmar Gerber und sein getreuer Secretarius, Theosfinus waren die einzigen Fahrgäste in dem recht geräumigen Gefährt welches von vier kräftigen Kaltblütern gezogen wurde. Im Praios 1041 BF, also vor etwas über eineinhalb Götterläufen hatte Dettmar seinen Sohn Kilian zusammen mit seiner Nichte Quenia zu den Oberhäuptern der Familie Gerber ernannt und somit einen beträchtlichen Teil Arbeit und Verantwortung abgegeben. Nach dem er sich nun lange genug davon überzeugt hatte, dass alles zum Besten stand und die Beiden den Aufgaben und der Verantwortung gewachsen waren, wollte er sich nun eine kleine Auszeit von Efferdas, der Familie und den Aufgaben als Senator und Hochrichter nehmen. Zuerst würde er seine Schwester Phejanka in Hilmaras besuchen und versuchen sie zu überreden ihn nach Urbasi zum Tag der Volkskunst zu begleiten. Nach zwei oder drei Tagen würde es dann nach Urbasi weitergehen! „Verzeiht Signor Dettmar, aber wenn ihr diese Reise zu eurem privaten Vergnügen und zur Erholung macht, was wird dann meine Aufgabe sein?“ brach der Secretarius das Schweigen. Dettmar der durch das Fenster die vorbeigleitende Landschaft beobachtete lächelte und ohne den Blick auf den Fragenden zu richten antwortete er: „Wisst ihr mein guter Theosfinus, ihr dient mir schon so viele Jahre treu und zuverlässig. Habt schon unzählige Nächte bei geschäftlichen Verhandlungen oder politischen Debatten an meiner Seite durchwacht, habt feinsäuberlich jedes Wort und jede Geste protokolliert und seid eine treue und äußerst vertrauenswürdige Seele.“ Nun wandte sich der stämmige Efferdier dem Teremoner zu, er lächelte: „Deswegen dachte ich mir, euch könnte etwas Zerstreuung ebenfalls nicht schaden.“ Freundlich nickte er dem Zyklopäer zu und blickte dann wieder aus dem Fenster.
Dettmar gelang es, seine Schwester davon zu überzeugen, ihn nach Urbasi zu begleiten und so setze die Kutsche nun mit drei Fahrgästen nach zwei Tagen die Reise fort. In der Silberstadt Silas legte man eine Rast ein und übernachtete im Hotel Silems Hof. Am nächsten Morgen legte man das letzte Stück nach Urbasi zurück. Im Stadtteil Magistralia stieg man im Hotel Silbertaler direkt am Theaterplatz ab und mietete sich dort bis zum 2. Firun in drei Zimmern ein.
Am Morgen des 23. Hesinde nahm das Trio gemeinsam das Morgenmahl ein. In einem stillen Moment übergab der Patrizier seinem Secretarius einen Lederbeutel. „Mein guter Theosfinus Hethalis nach dem ich euch diese Reise aufgenötigt habe möchte ich auch das euch keine großen Unkosten entstehen und ihr die Möglichkeit habt zu tun wonach euch der Sinn steht. Es ist mein Wunsch dass ihr diese Münzen nehmt und tut und lasst was euch beliebt. Am 28. Hesinde erwarte ich euch wieder zum gemeinsamen Morgenmahl hier. Kann gut sein dass ich eure Dienste dann wieder benötige. Aber bis dahin steht euch die Zeit zur freien Verfügung. Alles was ihr hier im Hause an Speisen und Getränken verzehrt lasst auf euer Zimmer schreiben, diese Kosten begleiche ich dann gemeinsam mit der übrigen Rechnung wenn wir abreisen.“ Der schwarzhaarige Zyklopäer wollte widersprechen, doch sein Dienstherr ließ keinen Einwand zu: „Ihr habt mir bislang fast dreißig Götterläufe treu und zuverlässig gedient und nie irgendwelche Begehrlichkeiten geäußert, wart fast jeden Tag an meiner Seite und habt euch nie beklagt oder gemurrt. Es ist an der Zeit euch das alles zu vergelten, ihr habt es euch mehr als verdient.“ Noch immer etwas unsicher nickte der hagere Mann aus Teremon und nahm den ledernen Beutel und steckte ihn mit einigen verlegen Worten des Dankes ein.
Nachdem man sich gestärkt hatte, machten sich Dettmar und Phejanka Gerber auf den Weg zum Hesinde-Tempel, während Theosfinus den Stadtteil Figurenza ansteuerte, wo er den Garten der 333 Fontänen besuchen wollte.
Die Tage eilten nur so dahin und ehe man sich recht versah war der Tag der Volkskunst heran.
Wie am Morgen nach ihrer Ankunft in Urbasi nahmen die drei Efferdier gemeinsam das Morgenmahl im Hotel Silbertaler ein. Gut gelaunt erzählte man sich von den Erlebnissen der vergangenen Tage und besprach im Anschluss den heutigen Tag.
Begonnen wurde mit dem Besuch des Hesinde-Tempels San Francidio, ehe man nach dem Göttinnendienst den Markt aufsuchte und interessiert das Angebot erkundete. Dettmar hatte nichts spezielles im Sinn und sein Fokus schwankte häufig zwischen geschäftlich und privat. Er war nun nicht mehr der Patriarch und Patron der Familie Gerber und streng genommen durfte er auch gar keine Verträge mehr im Namen der Familie und deren Unternehmungen abschließen! Aber wenn er etwas Interessantes finden würde…
Er dachte den Gedanken nicht zu Ende, ein Stand mit aufwendigen Phiolen aus Keramik und Glas in unterschiedlichen Farben und Formen hatte sein Interesse geweckt.
Am Tag der Volkskunst, dem 29. Hesinde, stellten die Handwerker aus Urbasi und der Umgebung traditionell ihre besten Erzeugnisse aus. Die vielen Gäste von überall her lockten auch einige Gauklertruppen an und brachten Geld in die lokalen Wirtshäuser.
Rahdrigo Solivino, Patriarch seiner Familie, schlenderte mit seiner Gemahlin Traviane Brahl über die überfüllte Piazza di Renascentia. Der schwarzgelockte Mann Anfang vierzig trug ein edles Gewand sowie einen pelzbestückten Mantel, was ihn ziemlich eindeutig als Adligen auswies.
„Es ist schon erstaunlich, was für wundervolle Handwerkskunst unsere Stadt hervorbringt.“, bemerkte er, als sein Blick die ausgestellten Schmuckstücke eines Feinschmiedes streifte.
„Unsere Kinder scheinen eher den kriegerischen Aspekt des Schmiedens zu bevorzugen.“, schmunzelte Traviane. Das Kleid der blonden Frau mit den warmen, grünen Augen war zwar eher unauffällig, aber aus sehr edlen Stoffen. Zudem wies der dezente, nicht zu protzige Schmuck auf einen gewissen Wohlstand der Familie hin.
Tatsächlich standen Alvinia, Ricardo und Innocencia vor einer Waffen-Ausstellung, wobei Alvinia nur mäßig interessiert wirkte, ihre jüngeren Geschwister jedoch gebannt dem Schmied zuhörten. Der Handwerker schien sich über die Aufmerksamkeit zu freuen und erklärte den beiden jungen Zuschauern ausführlich, wie man die Qualität eines Schwertes feststellen konnte.
Neugierig traten die Eltern etwas näher.
„Schau mal, Cencia! Meinst du, dass Geron mit so einem Schwert den Ewigen Drachen von Phecadien erschlagen hat?“, fragte der neunjährige Ricardo mit leuchtenden, braunen Augen seine kleine Schwester. Er hatte den wuscheligen, schwarzen Lockenkopf seines Vaters.
„Och, Rico! Hör doch mal auf mit diesem Geron die ganze Zeit! Können wir endlich weitergehen?“, redete stattdessen die ältere Schwester Alvinia dazwischen. Die Elfjährige hatte dieselben schwarzen Locken, jedoch die grünen Augen ihrer Mutter.
„Vater, Mutter! Können wir ins Bestiarium gehen?“, wandte sich Innocencia an Rahdrigo und Traviane, die nun zu ihnen aufgeholt hatten. Das gerade einmal acht Götterläufe zählende Mädchen hatte durchdringende blaugraue Augen und ebenfalls schwarzes Haar.
„Jaa! Bitte!“, stimmten ihre Geschwister ein. Der kleine Streit von eben war schon wieder vergessen.<br<
„Wir sind doch eigentlich gerade auf dem Weg zum Hesinde-Tempel. Danach können wir aber gerne ins Bestiarium gehen.“, beschwichtigte Rahdrigo die Begeisterungsstürme.
„Wir wollen aber jetzt!“
Rahdrigo tauschte einen verzweifelten Blick mit Traviane, die nur lächelnd mit den Schultern zuckte.
„Na, das ist ja mal eine Überraschung!“, sagte da auf einmal eine warme, helle Stimme hinter ihnen. Rahdrigo und Traviane drehten sich um. Wie immer von einem leichten Parfümduft umweht, heute war es Vanille, in der Nachmittagssonne glänzendem, honigblondem Haar und mit einem zauberhaften Lächeln auf den Lippen stand ihre Nichte, Rahjabella, hinter ihnen. Den eher kühlen Temperaturen geschuldet, trug sie einen roten Mantel über dem leichten Gewand, ihr Rahja-Amulett wies sie dennoch als Priesterin der Heiteren aus. Sie hatte sich lässig bei ihrem Zwillingsbruder Rahjesco untergehakt, sodass man die beiden für ein Paar halten könnte, bevor man die auffallende Ähnlichkeit bemerkte. Dieser war heute ganz in zivil unterwegs, nur das Rapier mit verziertem Knauf an seinem Gürtel verriet etwas über seine Stellung als Cavalliere der Stadt Urbasi. Die beiden begrüßten ihren Onkel und ihre Tante mit einer Umarmung.
Auch die Kinder rannten nun zu ihren älteren Cousins und ließen sich von ihnen drücken.
„Ich habe gehört, ihr wollt ins Bestiarium?“, warf Rahjesco augenzwinkernd ein. „Ich denke, das lässt sich einrichten. Wir können heute gerne einen Ausflug mit euch machen.“
„Oh ja!! Danke!“
„Macht aber keinen Unsinn. Und hört auf Rahjesco und Rahjabella.“, ermahnte Traviane die drei.
„Ach, die sind doch immer ganz brav. Keine Sorge, wir bringen sie euch nachher wohlbehalten zurück.“, versprach Rahjabella. Sie winkten ihnen noch einmal zu, dann verschwanden die fünf in der Menge.
Traviane und Rahdrigo setzten sich gemächlich in Richtung Hesinde-Tempel in Bewegung.
„Hat sie gerade wirklich ‚immer ganz brav‘ gesagt? Bei Doriana würde ich da ja vielleicht noch zustimmen, aber bei den drei Kleinen?“ Rahdrigo musste ungläubig lachen.
„Du kannst nicht leugnen, dass deine Nichte und dein Neffe beide erstens eine ziemlich gute Ausstrahlung haben und zweitens unseren Kindern wahrscheinlich alles erlauben, außer in den Sikram zu springen – und das auch nur bei Unwetter nicht.“
Daraufhin lachten sie beide.
„Ob sie die Kuppel wohl bis zum nächsten Tag der Volkskunst fertigstellen?“, fragte Traviane, zum halbfertigen Dach des hoch aufragenden Tempels aufschauend. Es war eigentlich erklärtes Ziel der Stadt gewesen, die Arbeiten diesen Hesindemond abzuschließen, doch das war es auch schon im letzten Götterlauf gewesen.
„Wohl kaum. Wenn die Bauarbeiten nur halb so schleppend vorangehen wie die restliche urbasische Bürokratie, können wir froh sein, wenn es in fünf Jahren fertig ist.“
„Bürokratie.“, stöhnte Traviane. „Verschone mich heute damit! Wir müssen es genießen, wenn wir einmal unsere Ruhe haben.“
„Da hast du Recht.“
Sie waren beim Tempel der Allweisen angekommen.
Es war ein interessantes Erlebnis gewesen und die Stunden nur so dahin gelitten. Dettmar hatte beschlossen, noch einmal den Hesinde-Tempel aufzusuchen, er hatte wirklich gefallen an der Art, wie die Geweihten hier ihrer Göttin huldigten.
Als man sich dem Tempel näherte war es Theosfinus der sich an seinen Dienstherrn wandte: „Es wundert mich doch sehr, dass in einer doch recht wohlhabenden Stadt wie Urbasi ein solch wichtiges Bauwerk so lange auf seine Fertigstellung wartet!“ Dettmar nickte: „Vielleicht hofft man darauf, daß das Ganze der Herrin der sechs Künste zu lange dauert und die Vollendung durch ein Wunder selbst herbeigeführt!“ Der große, etwas untersetzte Mann lächelte schelmisch und seine Schwester knuffte ihn in die Seite „Dettmar, du bist albern und solltest nicht solche Reden führen. Die Allwissende könnte deinen Sinn für Humor eventuell nicht teilen!“ Der Mann mit dem braungrau melierten Haar nickte ernst! „Du hast recht, liebste Schwester! Ich werde die Mutter der Weisheit nicht nur um ihren Segen für die heute getätigten Geschäfte bitten, sondern auch um Vergebung für meine spitze Zunge und die Spende an ihren Tempel etwas großzügiger ausfallen lassen.“ Nach einer kurzen Pause setzte er hinzu: „Kann der Fertigstellung des Daches ja nur zuträglich sein!“
Gemeinsam näherte man sich dem Eingangsportal.
Rahdrigo horchte auf, als das Grüppchen vor ihm ebenfalls ein Gespräch über den Tempelbau anfing. Er musste bei der Bemerkung Dettmars innerlich schmunzeln.
Jetzt, da sein Interesse geweckt war, sah er sich die drei etwas genauer an. Der Mann und die Frau trugen sehr edle Gewandung, der zweite Mann schlichtere. Sie waren nicht von hier, nicht einmal aus der Umgebung, denn sonst hätte er sie sicherlich schon einmal zu Gesicht bekommen. Doch Moment, diese Art wie sie ein wenig leichtfüßiger als die Umstehenden dahinschritten, der Kleidungsstil, der Dialekt… sie mussten Adlige aus der Coverna sein.
“Entschuldigt, Signores.”, sprach er sie kurzerhand freundlich lächelnd an. “Ich kam nicht umhin, Euer Gespräch mitzuhören. Darf ich fragen, woher Ihr in unsere beschauliche Stadt angereist seid?”
Kurz musterte Dettmar das Paar vor ihnen mit aufmerksamer, aber freundlicher Miene! Kleidung, Ausstrahlung und Auftreten ließen ihn zu der Einschätzung gelangen sie es hier mit ehrbaren Menschen von Stand, aus Urbasi oder zumindest dem nahen Umland zu tun zu haben.
Der Mann, welcher sie angesprochen hatte, war wohl an die 25 bis 30 Götterläufe jünger als der Efferdier, seine Begleiterin wirkte gar noch einmal 6 bis 10 Jahre jünger. Beide wirkten offen und wirklich interessiert.
„Die Allweise zum Gruß Signora, Signor!“ Dettmar blickte erst die Dame an und nickte freundlich, dann den Herrn und nickte auch diesem freundlich zum Gruße zu.
„Ihr dürft werter Signor, wir stammen aus Efferdas und sind, was ihr sicher bereits vermutet, wegen des heutigen Tages der Volkskunst hier. Darf ich vorstellen, meine Schwester Signora Phejanka Gerber, mein Secretarius Signor Theosfinus Hethalis und ich bin Dettmar Gerber. Mit wem haben wir die Ehre, Bekanntschaft zu machen?“
“Das ist meine Gemahlin Signora Traviane Brahl und ich bin Rahdrigo Solivino. Wir sind hier aus Urbasi. Sehr erfreut, Eure Bekanntschaft zu machen. Es ist schön, zu hören, dass der Tag der Volkskunst auch in Efferdas Interesse weckt.” Rahdrigo neigte den Kopf und Traviane deutete einen Knicks an.
In dem Moment schallte ein Gong aus dem Tempel zu ihnen, das Zeichen, dass der Gottesdienst begann.
“Lasst uns das Gespräch doch lieber nach der Hesinde-Messe weiterführen. Wir laden Euch natürlich mit Freuden in unseren Palazzo auf ein Glas Cassianti ein.”, schlug Traviane liebenswürdig lächelnd vor. Erst als ihr einfiel, dass die Efferdasi diese Weinsorte vielleicht gar nicht kannten, auch wenn das wirklich schwer vorstellbar war, fügte sie hinzu: ”Das ist ein exzellenter Wein aus unserer Familienkellerei.”
Rahdrigo nickte bestätigend. Es passte doch perfekt, dass gerade jetzt die Kinder aus dem Haus waren und sie so nicht beim gemütlichen Plausch mit den neuen Bekannten stören konnten! Nicht, dass das bisher allzu oft passiert wäre, doch einmal waren seine jüngeren Töchter mitten in ein Geschäftsessen geplatzt. Er hoffte nur, dass seine Nichte und sein Neffe sie lange genug beschäftigten.
Dettmar nickte zustimmend: „Wollen ja nicht bei der Allweisen in Ungnade fallen! Mit Freuden nehmen wir eure großzügige Einladung im Anschluss an den Götterdienst zu Ehren der Hesinde an, Signora Brahl! Freue mich schon von dem Cassianti kosten zu dürfen!“ Dettmar verbeugte sich und ließ mit einer freundlichen Geste dem Ehepaar aus Urbasi den Vortritt.
Nacheinander betrat man den gut besuchten Tempel und fand glücklich noch freie Plätze so dass die fünf Neuankömmlinge beieinander sitzen könnten. Rahdrigo war der Erste in der Bank, dann folgte seine Gemahlin, neben ihr nahm Phejanka Platz, daneben ihr Bruder und den Abschluss bildete der Zyklopäer Theosfinus.
Wenig später erklang der Gong ein weiteres Mal und die Messe begann.
„So eine gelungene Messe ist doch stets ein herrlicher Beginn für einen Tag, findet ihr nicht Signor Solivino?“ es war die stämmige Efferdierin, unter deren langes, gewelltes braunes Haar sich vereinzelt bereits weiße Haare geschlichen hatten, die das Wort an Traviane gerichtet hatte. Hinter ihnen gingen die beiden Patrizier, denen in zwei Schritten Abstand der Secretarius folgte.
“Das kann man wohl sagen. Ich muss zugeben, dass ich länger nicht mehr im Tempel der Allweisen war. Nach dieser wirklich sehr schönen Messe werde ich mit meinem nächsten Besuch nicht mehr so lange warten.”
Die gebürtige Sheniloerin lächelte Phejanka an. “Verzeiht meine Neugier, doch ich habe mich schon immer gefragt wie es sich so lebt in einer Republik. Hier bei uns in der Gerondrata kommen immer nur die schlechten Neuigkeiten an, dass wieder einmal ein Adliger hingerichtet wurde oder so, aber eigentlich ist die Coverna ja eine wunderschöne Gegend. Ich war leider noch nicht in Efferdas, doch bereits in Belhanka.” Sie verstummte etwas verschämt, als sie merkte, dass sie ins Plaudern gekommen war und ihre Frage von einer Efferdierin eventuell als Beleidigung verstanden werden könnte.
Phejanka lächelte die Sheniloerin freundlich an, ganz offensichtlich fand sie gefallen an der, für sie zwanglosen Plauderei. „Nun, ich lebe schon sehr, sehr lange nicht mehr in der Stadt Efferdas. Mein Jüngster verlor durch einen Unfall mit nicht ganz sechs vollendeten Götterläufen sein Leben, danach hielt ich es in der Stadt einfach nicht mehr aus. Die Erinnerungen, aber auch ein Gefühl von…“ sie zögerte kurz „Ja, ein Gefühl von Zuviel. Zu viel Lärm, zu viel Menschen, zu viel Hektik, zu viel von einfach allem. Ich musste raus aus Efferdas und so habe ich nach der Totenzeremonie für Verion die Stadt verlassen und bin seither nicht mehr dort gewesen. Das war Ende 1011 BF. Mein Gemahl, Darion hat dann ein kleines Haus in Hilmaras für uns, naja…“ Sie lächelte verschmitzt: „Eigentlich hauptsächlich für mich gekauft. So bin ich dann nach fünf Götternamen von Planûr, wo ich mich nach meiner fluchtartigen Abreise aus Efferdas in der Herberge „Heilig Rahjalina“ eingemietet hatte, umgezogen. Seither lebe ich in dem ruhigen und sehr freundlichen Dorf, fern von dem Trubel und den Ereignissen der Stadt. Die meiste Zeit verbringe ich in meinem Garten. In meinem Garten habe ich neben zahlreichen Blumen und Beerensträuchern auch eine Ecke, in der ich Kräuter anbaue und dann die Heilerin des Dorfes mit einigen simplen Salben und Tinkturen versorge. Gelegentlich bekomme ich vom Hesinde-Tempel Schriften oder sogar ganze Bücher, die ich dann gegen ein gewisses Honorar kopiere. Ihr seht, was mich betrifft, ist es ein sehr beschauliches und friedvolles Leben und kaum ein Unterschied zur Zeit vor der Republik. Mein lieber Bruder dürfte da aber eine andere Sicht auf die Dinge haben. Wenn ihr einmal in die Gegend reisen solltet, seid ihr und euer Gemahl selbstverständlich auf das Herzlichste eingeladen, mich in Hilmaras zu besuchen.“ Nun war es an Phejanka Gerber etwas verlegen zu lächeln, da sie die arme Traviane mit ihrer Vergangenheit und ihrem jetzigen Leben so überfahren hatte, wahrscheinlich wollte die dunkelblonde Frau mit ihren strahlendgrünen Augen gar nicht so ausführlich über Phejanka’s Leben informiert werden. Aber in Momenten wie diesen merkte sie, wie sehr sie es vermisste, Jemanden zu haben mit dem sie sich austauschen konnte. Hoffentlich hatte sie ihre neue Bekanntschaft nicht gleich verschreckt!
Währenddessen waren die beiden Männer, völlig emotionsfrei in ein Gespräch über die jeweiligen Probleme und Herausforderungen in den beiden Städten und deren Umland vertieft.
Theosfinus hingegen spazierte entspannt hinter den Herrschaften her, immer ein Auge auf die Passanten, auch wenn er nicht unbedingt ein Leibwächter war, betrachtete er es durchaus auch als seine Aufgabe ebenfalls auf die Sicherheit seines Arbeitgebers zu achten.
Traviane lauschte Phejankas Erzählung mit voller Anteilnahme. Als sie von dem Tod ihres jüngsten Sohnes erzählte, hatte sie das Bedürfnis, die braunhaarige Frau tröstend in den Arm zu nehmen. Doch sie kannten sich noch nicht einmal einen Tag lang, daher ließ sie es bleiben. Natürlich musste sie sofort an ihre eigenen vier Kinder denken und eine Welle von Dankbarkeit an die Götter überschwemmte sie, da alle ihr sechstes Lebensjahr gesund überstanden hatten und wohlauf waren. Sie wünschte sich so sehr, ihre Lieblinge aufwachsen zu sehen, vielleicht irgendwann Enkelkinder in den Armen halten zu können und schließlich vor ihnen zu Boron zu gehen.
Gleichzeitig bewunderte sie die Efferdierin, da sie so offen darüber sprechen konnte, es geschafft hatte, sich ein neues Leben aufzubauen und anscheinend auch sehr glücklich war.
“Vielen Dank für diese herzliche Einladung. Wir werden sie natürlich gerne annehmen, falls sich die Gelegenheit ergibt.”
Phejanka nickte freundlich, nichts zu danken. „Es wäre mir wirklich eine Freude mich bei euch und eurem Gemahl für die Einladung in euer Zuhause revanchieren zu dürfen, auch wenn mein Heim um ein Vielfaches bescheidener ist! Für repräsentative Bauten in Hilmaras war die Familie Kanbassa zuständig und vor allem für ihre Plantagen und die Gärten!“ Phejanka bekam einen verträumten Blick „Die Gärten…“ mit schwärmerischer Stimme sprach sie weiter „…meine liebe Signora Traviane, die müsst ihr unbedingt besuchen, wenn ihr mich einmal besuchen kommt. Diese Gärten lassen sich mit Worten kaum beschreiben, die muss man gesehen und erlebt haben! Signor Rahid Kanbassa führt zwar das Weinlesefest nicht mehr fort aber die Tradition, horastags die Gärten für interessierte Besucher zu öffnen hat er von seinem Onkel und seiner Tante, die Götter mögen ihren Seelen Frieden schenken, beibehalten. Er und seine Frau…“ Urplötzlich verstummte die Gerberin und die Röte stieg in ihr Gesicht.
„Oh, bei den Zwölfen! Wie dumm von mir!“ sie schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn „Brahl, natürlich Esquirio Rahid Kanbassas, der Herr der Magion Paltaia ist mit Signora Geronita Brahl vermählt.“ Sie blickte die Brahlerin verlegen an. Im nächsten Augenblick wich die Röte langsam wieder und das Lächeln kehrte zurück auf ihr Gesicht „Aber dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit dass wir uns doch in Hilmaras begegnen. Dank der Familienbande habt ihr ja durchaus Anlass für einen Besuch dort. Und ihr ward noch nie auf Landschlösschen Paltaia nahe Hilmaras?“ interessiert blickte sie die jüngere Frau an.
“Ach, jetzt weiß ich, wo ich Hilmaras schon einmal gehört habe. Mein liebes Schwesterchen Geronita und mein Schwager Rashid Kanbassa wohnen dort seit einiger Zeit. Geronita spielte uns damals immer Streiche mit den Bauernjungen, die ihr alle verfallen waren. Sie war schon immer ein Wildfang.” Ein verträumten Lächeln schlich sich auf Travianes Gesicht, als sie an ihre Kindheit auf dem malerischen Weingut nahe Shenilo zurückdachte.
“Ihr habt Recht, Signora Phejanka, ich muss sie dort einmal besuchen. Es ist schön viel zu lange her, dass wir uns bei einem Familientreffen in Shenilo gesehen haben. Was für ein ausgezeichneter Zufall, dass Ihr ebenfalls dort lebt! Der Herr Phex muss uns gewogen sein, dass wir uns begegnet sind.
Und nein, das Landschlösschen Paltaia kenne ich nicht. Das klingt ja alles nach einer wundervollen Gegend. Ich freue mich schon darauf, die Gärten kennenzulernen.”
Traviane hatte ihre Schritte unbewusst in Richtung Piazza d’Agendayo gelenkt. Ein quadratischer Platz, der deutlich kleiner als die Piazza di Renascentia war, und dessen Mitte ein Springbrunnen zierte. Die Seite gen Firun wurde von einem Stadtpalazzo im klassischen Stil eingenommen. Im Praios und Efferd war der Platz offen und ermöglichte eine fabelhafte Aussicht über die tiefer gelegenen Stadtteile Urbasis und auf den Sikram. Traviane steuerte jedoch auf die Rahjaseite zu, an der ein weiterer Palazzo mit einem runden Geschlechterturm stand. Die prunkvolle Fassade war stuckverziert und mit Wandgemälden bemalt, die durch regelmäßige Restauration in einem guten Zustand waren.
„Ja, wahrhaftig. Es muss schon eine phexsche Fügung sein, dass wir uns hier und heute begegnet sind. Die Familien Kanbassa und Gerber sind schon einige Jahrzehnte geschäftlich miteinander verbunden. Doch da weiß mein Bruder besser bescheid. Wie gesagt ich lebe seit Mitte 1012 BF in Hilmaras und war seither nicht mehr in Efferdas. Mit dem Onkel von eurem Schwager, Gorcan Kanbassa und seiner zweiten Gemahlin Linoë war ich gut befreundet, doch dann würden die beiden gemeinsam mit ihrem Sohn Rûmar vor bald zehn Götterläufen auf schändlichste Weise in Efferdas ermordet.“ Die Efferdierin seufzte kurz, schüttelte den Kopf und sagte leise: Möge der Dunkle Vater ihren Seelen Frieden geschenkt haben!“ dabei zeichnete sie das Boronrad vor ihrer Brust in die Luft „Ein schreckliches, wie sinnloses Verbrechen, dass mich nur darin bestärkt hat, keinen Fuß mehr hinter eines der Stadttore von Efferdas zu setzen. Linoë besuche ich regelmäßig an ihrem Grabmal im Garten der Magion Paltaia.“ Wieder hielt sie kurz inne und blickte dann entschuldigend zu Traviane „Verzeiht, erneut habe ich ein so düsteres Thema angesprochen. Lasst uns von erfreulichen Dingen sprechen. Habt ihr Kinder meine geschätzte Signora Traviane?“
Während sie auf den Palazzo zugingen, nickte die Sheniloerin. “Oh ja, drei Töchter und einen Sohn. Sie sind alle gesund und munter und wahrhaftig ein Geschenk Tsas. Meine Älteste, Doriana, ist zwölf und studiert schon in Methumis. Ach, sie werden so schnell erwachsen.” Traviane stutzte und musste über ihre eigene Äußerung schmunzeln. Vor einigen Götterläufen hätte sie so eine Äußerung eher von ihren Eltern als von ihr selbst erwartet. Die Zeit verging so unglaublich schnell!
“Heute sind die drei Kleinen – sie sind deutlich aufgedrehter als Doriana – mit den Kindern meiner Schwägerin ins Bestiarium gegangen, eine Tierausstellung hier in Urbasi. Wir werden also zuerst einmal unsere Ruhe haben, später könnt Ihr sie vielleicht kennenlernen.”
„Vier Kinder!“ Phejanka nickte anerkennend „Die Götter sind euch gewogen, wie es scheint. Nach vier Schwangerschaften noch immer eine so makellose Figur, beneidenswert!“
Ihr eigener Körper hatte nach keiner der drei Schwangerschaften wieder zur alten Form zurückgefunden und das Alter hatte sein Übriges getan. Aber sie hatte inzwischen ihren Frieden damit gemacht. Sie war gesund, konnte den ganzen Tag im Garten zugange sein, ohne Schmerzen zu haben oder gar konditionell Probleme zu bekommen, in ihrem Alter keine Selbstverständlichkeit mehr und um die Aufmerksamkeit der Männerwelt musste sie sich in ihrem Alter ebenfalls keine Gedanken mehr machen!