Briefspiel:Traviabund mit Hindernissen/Am nächsten Morgen: Unterschied zwischen den Versionen
Bella (Diskussion | Beiträge) (Die Seite wurde neu angelegt: „{{Halboffiziell}}<onlyinclude>{{Briefspielheader |Oberseite=Städteübergreifendes Briefspiel |Av. Datum=1042 BF |Schauplatz=Urbasi, Belhanka |Ird…“) |
Bella (Diskussion | Beiträge) |
||
| Zeile 22: | Zeile 22: | ||
Die Gruppe verließ den Palazzo in einen sonnendurchflutetes, winterlich kaltes Urbasi.<br> | Die Gruppe verließ den Palazzo in einen sonnendurchflutetes, winterlich kaltes Urbasi.<br> | ||
“Onkel Rahjalin!”, quietschte Alvinia und rannte los zu einem etwa zwanzig Schritt entfernten Rahjani, der den Palazzo ansteuerte. Der Geweihte hob seine Nichte lachend in die Höhe und drehte sich ein paar Mal im Kreis, sodass sie jauchzend durch die Luft gewirbelt wurde. Da gelangten seine andere Nichte und sein Neffe bei ihm an, er begrüßte auch die beiden auf die gleiche Art.<br> | “Onkel Rahjalin!”, quietschte Alvinia und rannte los zu einem etwa zwanzig Schritt entfernten Rahjani, der den Palazzo ansteuerte. Der Geweihte hob seine Nichte lachend in die Höhe und drehte sich ein paar Mal im Kreis, sodass sie jauchzend durch die Luft gewirbelt wurde. Da gelangten seine andere Nichte und sein Neffe bei ihm an, er begrüßte auch die beiden auf die gleiche Art.<br> | ||
| − | Die Erwachsenen kamen etwas langsamer hinterher. Wie kann es sein, dass Kinder ihn so lieben, alle, außer sein eigenes Kind…, dachte Traviane mit einem Mal mitfühlend.<br> | + | Die Erwachsenen kamen etwas langsamer hinterher. ''Wie kann es sein, dass Kinder ihn so lieben, alle, außer sein eigenes Kind…'', dachte Traviane mit einem Mal mitfühlend.<br> |
“Rahja zum Gruße, Bruder, Traviane, was für ein Zufall, ich wollte euch gerade besuchen.”, sagte Rahjalin, während er Innocencia wieder auf den Boden stellte. Er hatte wie so oft ein unergründliches Lächeln auf den Lippen, das nichts von seinen wahren Emotionen durchsickern ließ, aber alle Herzlichkeit der Welt ausstrahlte.<br> | “Rahja zum Gruße, Bruder, Traviane, was für ein Zufall, ich wollte euch gerade besuchen.”, sagte Rahjalin, während er Innocencia wieder auf den Boden stellte. Er hatte wie so oft ein unergründliches Lächeln auf den Lippen, das nichts von seinen wahren Emotionen durchsickern ließ, aber alle Herzlichkeit der Welt ausstrahlte.<br> | ||
“Rahja zum Gruße, Bruder.”, sagte Rahdrigo etwas steif und beäugte ihn misstrauisch. Es war zu lange her, dass Rahjalin sie einfach mal so besucht hatte, als dass das ein Zufall sein könnte. | “Rahja zum Gruße, Bruder.”, sagte Rahdrigo etwas steif und beäugte ihn misstrauisch. Es war zu lange her, dass Rahjalin sie einfach mal so besucht hatte, als dass das ein Zufall sein könnte. | ||
| Zeile 53: | Zeile 53: | ||
Wieder ging sein Blick zu Rahdrigo.<br> | Wieder ging sein Blick zu Rahdrigo.<br> | ||
“Vielleicht wollt ihr eurem Bruder schildern, was das Ergebnis unserer gemeinsamen Überlegungen war und dass wir voll und ganz die Ergebnisse und Konsequenzen unseres kleinen Planes akzeptieren werden und weder euer Beiden Schwester noch meinen Neffen zu einem Traviabund zu zwingen gedenken.”<br> | “Vielleicht wollt ihr eurem Bruder schildern, was das Ergebnis unserer gemeinsamen Überlegungen war und dass wir voll und ganz die Ergebnisse und Konsequenzen unseres kleinen Planes akzeptieren werden und weder euer Beiden Schwester noch meinen Neffen zu einem Traviabund zu zwingen gedenken.”<br> | ||
| − | |||
Dettmar Gerber musterte den Rahjani, der seine Aufmerksamkeit nun seinem jüngeren Bruder zugewandt hatte und den Eindruck auf den betagten Efferdier machte, als sei er nicht recht von dem Gehörten überzeugt. Ob er seinen jüngeren Bruder wohl würde reden lassen?<br> | Dettmar Gerber musterte den Rahjani, der seine Aufmerksamkeit nun seinem jüngeren Bruder zugewandt hatte und den Eindruck auf den betagten Efferdier machte, als sei er nicht recht von dem Gehörten überzeugt. Ob er seinen jüngeren Bruder wohl würde reden lassen?<br> | ||
| − | |||
Die beiden Frauen hatten sich inzwischen vor die drei Männer geschoben und gingen gut fünf, sechs Schritt vor ihnen, um die Kinder für den Fall einer unerwarteten Rückkehr etwas auf Distanz halten zu können, damit sie nicht mitbekamen, worüber die Männer da redeten.<br> | Die beiden Frauen hatten sich inzwischen vor die drei Männer geschoben und gingen gut fünf, sechs Schritt vor ihnen, um die Kinder für den Fall einer unerwarteten Rückkehr etwas auf Distanz halten zu können, damit sie nicht mitbekamen, worüber die Männer da redeten.<br> | ||
<br> | <br> | ||
| Zeile 64: | Zeile 62: | ||
“Schön, dass wir uns einig sind.” Der Rahjani strahlte und wandte sich den Gästen zu. “Ich bin hocherfreut, dass die Sache geklärt ist. Es war reizend, Eure Bekanntschaft zu machen.” Er neigte den Kopf vor Dettmar und verabschiedete sich von Phejanka mit einem Handkuss. Dann umarmte er seine Schwägerin und nickte seinem Bruder knapp zu.<br> | “Schön, dass wir uns einig sind.” Der Rahjani strahlte und wandte sich den Gästen zu. “Ich bin hocherfreut, dass die Sache geklärt ist. Es war reizend, Eure Bekanntschaft zu machen.” Er neigte den Kopf vor Dettmar und verabschiedete sich von Phejanka mit einem Handkuss. Dann umarmte er seine Schwägerin und nickte seinem Bruder knapp zu.<br> | ||
Sie waren auf dem Renascentia-Platz angekommen, der Tempel der Heiligen Ricarda nicht weit entfernt.<br> | Sie waren auf dem Renascentia-Platz angekommen, der Tempel der Heiligen Ricarda nicht weit entfernt.<br> | ||
| − | |||
“Rahjas Segen mit Euch, möge sie Euch stets begleiten und Rosenblätter auf Euren Weg streuen.” Rahjalin lächelte allen noch einmal zu, dann bog er Richtung Tempel ab. Die zwei Wachposten öffneten ihm je einen Flügel des Tors, sodass er seine Schritte nicht verlangsamen musste. Das Geräusch der wieder ins Schloss fallenden Torflügel hallte bis zu ihnen hin. Rahdrigo schüttelte den Kopf. “Unfassbar.”, murmelte er aufgebracht.<br> | “Rahjas Segen mit Euch, möge sie Euch stets begleiten und Rosenblätter auf Euren Weg streuen.” Rahjalin lächelte allen noch einmal zu, dann bog er Richtung Tempel ab. Die zwei Wachposten öffneten ihm je einen Flügel des Tors, sodass er seine Schritte nicht verlangsamen musste. Das Geräusch der wieder ins Schloss fallenden Torflügel hallte bis zu ihnen hin. Rahdrigo schüttelte den Kopf. “Unfassbar.”, murmelte er aufgebracht.<br> | ||
In dem Augenblick kamen die Kinder zurückgerannt.<br> | In dem Augenblick kamen die Kinder zurückgerannt.<br> | ||
Version vom 15. Oktober 2025, 19:47 Uhr
| ||||||||||
Am nächsten Morgen
Autoren:Bella, Gerberstädter
Am nächsten Morgen, nach einer kurzen aber friedvollen Nacht und nachdem man sich erfrischt hatte, traf man sich erneut im Speisesaal.
„Meine liebe Signora Traviane und mein lieber Signor Rahdrigo seid noch einmal bedankt für die gute Idee und freundliche Geste, uns in eurem Palazzo zu beherbergen. Ich hoffe, ihr hattet eine ebenso erholsame Nacht wie meine Schwester und ich. Wir freuen uns schon sehr auf unseren gemeinsamen Besuch im Bestarium mit euren Kindern.“
“Wir uns auch.”, strahlte Traviane.
“Das war doch wirklich selbstverständlich.”, winkte Rahdrigo ab.
Alvinia und Innocencia spielten gerade Fangen im Hof, während Ricardo in ein Buch vertieft auf der Treppe saß. Als die Erwachsenen nach dem Frühstück hinunterkamen, klappte Ricardo sein Buch zu und die Mädchen kamen etwas außer Atem angelaufen.
“Können wir jetzt endlich los?”, quengelte Innocencia.
“Ja, können wir.”
Die Gruppe verließ den Palazzo in einen sonnendurchflutetes, winterlich kaltes Urbasi.
“Onkel Rahjalin!”, quietschte Alvinia und rannte los zu einem etwa zwanzig Schritt entfernten Rahjani, der den Palazzo ansteuerte. Der Geweihte hob seine Nichte lachend in die Höhe und drehte sich ein paar Mal im Kreis, sodass sie jauchzend durch die Luft gewirbelt wurde. Da gelangten seine andere Nichte und sein Neffe bei ihm an, er begrüßte auch die beiden auf die gleiche Art.
Die Erwachsenen kamen etwas langsamer hinterher. Wie kann es sein, dass Kinder ihn so lieben, alle, außer sein eigenes Kind…, dachte Traviane mit einem Mal mitfühlend.
“Rahja zum Gruße, Bruder, Traviane, was für ein Zufall, ich wollte euch gerade besuchen.”, sagte Rahjalin, während er Innocencia wieder auf den Boden stellte. Er hatte wie so oft ein unergründliches Lächeln auf den Lippen, das nichts von seinen wahren Emotionen durchsickern ließ, aber alle Herzlichkeit der Welt ausstrahlte.
“Rahja zum Gruße, Bruder.”, sagte Rahdrigo etwas steif und beäugte ihn misstrauisch. Es war zu lange her, dass Rahjalin sie einfach mal so besucht hatte, als dass das ein Zufall sein könnte.
“Ihr habt Besuch, wie ich sehe.” Der Rahjani wandte sich Dettmar und Phejanka zu.
Gemeinsam verließ man den Palazzo der Gastgeber und begab sich auf den Weg zu dem von allen mit großer Vorfreude erwarteten Besuch im Bestarium. Während Dettmar noch sinnierte, ob man, natürlich in Kooperation mit anderen Familien, ebenfalls ein Bestarium in Efferdas bauen könnte, trat eine weitere Person auf den Plan.
Dettmar warf Phejanka einen kurzen Blick zu, dann sah er zu Traviane und Rahdrigo, ehe sein Blick auf dem Rahjani ruhen blieb. Der Efferdier glaubte nicht an Zufälle und in Erinnerung des gestrigen Gespräches mit Rahjesco erwuchs in ihm der Verdacht , dass der Cavalliere, das was er am vorigen Nachmittag unbeabsichtigt mitangehört hatte nicht für sich behalten hatte.
Der etwas untersetzte Mann mit dem graubraun melierten Haar neigte leicht sein Haupt und begrüßte den Bruder seines Gastgebers: „Rahja zum Gruß, werter Signor Rahjalin. Ich bin Dettmar Gerber, Hochrichter und Senator der Republik Efferdas.“
Er deutete auf die etwas kleinere und stämmige Frau an seiner Seite. „Und das ist meine liebe Schwester Signora Phejanka Gerber. Hocherfreut eure Bekanntschaft zu machen.“ Auch die gerade Vorgestellte neigte ihr Haupt und grüßte freundlich.
Noch einmal ergriff Dettmar das Wort: „Hochgeschätzter Signor Rahjalin, da ihr im Begriff wart euren Herrn Bruder zu besuchen, mangelt es euch sicher nicht an Zeit, so erweist uns doch die Ehre und begleitet uns ins Bestarium, eure beiden Nichten und eure Neffe wären sicher erfreut, wenn ihr uns Gesellschaft leisten würdet!“ Mit einem freundlichen Lächeln und neugierigem Blick wartete der betagte Efferdier auf die Antwort seines Gegenüber.
"Rahja zum Gruße! Sehr erfreut, euch kennenzulernen, Signora und Signor Gerber.", erwiderte Rahjalin mit einem strahlenden Lächeln. Dettmar lag richtig, er hatte sich Zeit genommen, um Rahdrigo ins Gewissen zu reden. Abgesehen davon würde er auch die Hochzeit des Horas links liegen lassen, um seine kleine Schwester vor Übel zu bewahren. Im Bestiarium ließ sich die Angelegenheit genauso gut diskutieren wie an jedem anderen Ort.
"Nun denn, lasst uns gehen."
Die Gruppe setzte sich in Bewegung, das hieß, die drei Kinder rannten schon einmal vor, während die Älteren gemütlich hinterherzockelten. Rahjalin lenkte seine Schritte unauffällig zwischen seinen Bruder und dessen Gäste. "Gestern war ich mit unserer geliebten Schwester im Hotel Silbertaler essen. Ich kann es wirklich empfehlen, sofern Ihr vorhabt, länger hierzubleiben.", plauderte er drauflos. "Cerceri hat in höchsten Tönen von den Besuchern aus Efferdas, wie sie Euch nannte, gesprochen."
Immer wieder huschte sein Blick zu Rahdrigo. Sein Bruder sollte den Fehler von sich aus einsehen.
"Wir sollten uns wirklich einmal wieder zu dritt treffen, liebster Bruder, nur du, unsere reizende Schwester, und ich, wie früher. Nur weil du jetzt Patriarch bist, solltest du nicht die geschwisterlichen Bande vernachlässigen."
"Du warst es, der mir diese Bürde weitergab!", presste Rahdrigo mühsam beherrscht zwischen den Zähnen hervor. "Du warst es, und zwar, weil du es nicht ertragen konntest, schwierige Entscheidungen zu treffen. Deswegen lässt du es lieber einen anderen machen, und beschwerst dich dann hinterher."
Rahjalin schwieg, sein Lächeln flackerte nicht einmal, es strahlte nur etwas weniger, wirkte jetzt beinahe traurig. "Du irrst dich.", sagte er endlich leise. "Solche Entscheidungen sind nicht schwierig. Sie sind so klar wie ein wolkenloser Himmel, und wenn du nicht in der Lage bist, den Himmel über dir zu sehen, seine reine, unendlich schöne Weite mit den funkelnden Sonnenstrahlen, die nicht nur glitzern wie Gold, sondern auch wärmen. Die zwar ab und zu verschwinden, aber doch immer wieder auftauchen werden, anders als das Gold, das wir wieder ausgeben müssen, kaum, dass wir es erhalten haben. Wenn du nicht erkennst, was erstrebenswert ist und was nicht, dann kann ich dich nur bemitleiden.”
Dettmar räusperte sich und hatte die Aufmerksamkeit der beiden ungleichen Brüder: „Signores, mögt ihr es mir nachsehen, wenn ich mich in ein doch sehr familiäres Gespräch ungefragt einmische, doch mir will scheinen, dass ihr gegenseitig nicht recht anerkennen könnt welche Verantwortung und Mühsal mit dem Amt des anderen einhergeht und keiner der beiden Signoras ein einfaches Los hat, jedoch jedes der Ämter ganz besondere Anforderungen und Herausforderungen von seinem Inhaber fordert. Ich persönlich denke, dass weder ihr, Signor Rahjalin noch ihr Signor Rahdrigo ein einfaches Amt inne habt. Da ich niemals einem Tempel aber selbst einer Familie vorgestanden bin und die Verantwortung für das Wohl jedes einzelnen Familienmitgliedes, jedes Betriebs, des Klientels und jeder politischen, gesellschaftlichen und geschäftlichen Wahrnehmung der Familie getragen habe kann ich mich wesentlich besser in die Situation von Signor Rahdrigo versetzen.“ Sein Blick wanderte von einem zum anderen Bruder, dann lächelte er sanft und sein Blick ging zu Rahjalin: „Und mit Verlaub Signor Rahjalin, ich bin überzeugt, ihr wolltet euren Bruder sicher nicht aufsuchen um ihn auf seine Versäumnisse als Patriarch der Familie Solivino aufmerksam zu machen.“ Als der Rahjani etwas entgegnen wollte hob Dettmar die rechte Hand beschwichtigend und fuhr fort: „Nun wir hatten gestern ein Gespräch mit eurem Neffen, Cavalliere Rahjesco über etwas, was man ihm wohl zugetragen hatte, aber nur ein Bruchstück des ganzen Bildes lieferte und ich glaube, dass dieses Bruchstück und damit ein fehlerhaftes Bild auch euch erreicht hat und ihr deswegen euren Bruder aufsucht. Liege ich damit falsch?“ Freundlich blickte er den Tempelobersten an.
Die beiden Brüder hielten in ihrem Streit inne und drehten sich überrascht zu Dettmar.
"Da liegt Ihr richtig, Signor. Ihr könnt es mir nicht verübeln, dass ich mich um meine Schwester sorge und genau darum bin ich hier.
Es ist durchaus möglich, dass das hässliche Bruchstück eines Bildes ein hübsches Gesamtbild ergibt. Doch, wenn Ihr gestattet, wie soll dieses Bruchstück jemals zu etwas Schönem zusammengesetzt werden? Widerspricht dieses Bruchstück doch allem, wofür wir stehen." Er hatte seine Aufmerksamkeit jetzt ganz dem Efferdier zugewandt, seinen Bruder beachtete er gar nicht mehr. Der Blick des Rahjanis war forschend, aber nicht unfreundlich. Er würde es nicht geschehen lassen, nicht noch einmal. Seine Cousine, Rahjadane, sie hatte so ein großes Herz, so ein liebenswertes Wesen, doch mit all ihrer Güte war es ihr nicht vergönnt gewesen, sich ihre Liebe selbst zu wählen. Sein Vater Prospero hatte sie an die Familie Aspoldo verheiratet. Und er war zu feige gewesen, um mehr dagegen zu tun, als leere Worte des Widerspruchs einzulegen. Er war noch so jung gewesen, gerade frisch geweiht und seine Eltern hatten doch immer das Richtige für sie alle getan. Nie wieder würde er so feige sein, denn jetzt war es sein kleiner Bruder, der ihm gegenüber stand, nicht sein Vater. Sein kleiner Bruder, der das Glück ihrer Schwester in den Wind schlagen wollte. Das Glück der Person, die ihm nach seiner Tochter Rahjada die liebste auf ganz Dere war.
Dettmar Gerber nickte langsam und suchte dann den Blickkontakt zu Rahjalin. Er hob entschuldigend die Arme.
“Werter Signor Rahjalin, ich weiß worauf ihr hinaus wollt und da ich das Bruchstück kenne, welches auch euren Neffen in Rage versetzte, kann ich eure Position als geweihter Diener der Liebholden und als liebender Bruder gut verstehen und nachvollziehen. Ich selbst war lange Zeit Patriarch meiner Familie. Nicht weil es mein Geburtsrecht oder gar mein Herzenswunsch war, sondern weil es mein Vater so verfügt hat. Selbes gilt auch für die Wahl meiner Gattin und die Wahl des Gatten meiner Schwester Phejanka.”
Er seufzte schwer: “Und sehr zu meinem Bedauern muss ich zugeben, auch ich habe meinen Kindern vorgegeben, was sie zu studieren und mit wem sie vor Travia einen Bund einzugehen hatten. Ich bete regelmäßig zu den Göttern, sie mögen mir verzeihen, dass ich trotz bester Absichten so oft Leid und Kummer über meine Lieben gebracht habe. Auch euer Bruder, Signor Rahdrigo und eure Schwägerin Signora Traviane kennen dieses Leid, allein das Glück, positives Denken und ihr fester Wille das Beste aus ihrem vorbestimmten Leben zu machen hat sie, genau wie mich und meine Gemahlin Nita davor bewahrt zu verzweifeln und sich der Hoffnungslosigkeit und Trauer hinzugeben.”
Der Efferdier blickte nun zum Patriarchen der Familie Solivino: “Signor Rahdrigo und ich haben nicht vor Signora Cerceri oder meinen Neffen Signor Rondrigo zu irgendetwas zu zwingen, aber…” nun kehrte sein Blick wieder zu dem Rahjani zurück: “… wir sind während unserer gestrigen Unterhaltung, unter anderem auch auf eben diese beiden lieben Menschen zu sprechen gekommen und haben uns überlegt, dass sie gut zueinander passen könnten und es vielleicht nur eines kleinen Schubses bedarf um Rahjas Gabe in ihnen zu entfachen.”
Wieder ging sein Blick zu Rahdrigo.
“Vielleicht wollt ihr eurem Bruder schildern, was das Ergebnis unserer gemeinsamen Überlegungen war und dass wir voll und ganz die Ergebnisse und Konsequenzen unseres kleinen Planes akzeptieren werden und weder euer Beiden Schwester noch meinen Neffen zu einem Traviabund zu zwingen gedenken.”
Dettmar Gerber musterte den Rahjani, der seine Aufmerksamkeit nun seinem jüngeren Bruder zugewandt hatte und den Eindruck auf den betagten Efferdier machte, als sei er nicht recht von dem Gehörten überzeugt. Ob er seinen jüngeren Bruder wohl würde reden lassen?
Die beiden Frauen hatten sich inzwischen vor die drei Männer geschoben und gingen gut fünf, sechs Schritt vor ihnen, um die Kinder für den Fall einer unerwarteten Rückkehr etwas auf Distanz halten zu können, damit sie nicht mitbekamen, worüber die Männer da redeten.
Rahdrigo nahm einen tiefen Atemzug und fixierte seinen Bruder. “Rahjalin, ich beabsichtige nicht, das Glück unserer Schwester zu zerstören. Du bist nicht der einzige, der sie liebt. Nicht der einzige, dem etwas an dieser Familie liegt.” Seine Stimme blieb erstaunlich ruhig, doch Traviane war überzeugt, dass dies vor allem an den Gästen lag. Rahjalin schwieg nur sanft lächelnd, er ließ ihn immerhin ausreden.
“Wir wollen ein Treffen zwischen ihr und Rondrigo arrangieren, zur Wahl der Schönheiten in Belhanka. Beide werden aus unterschiedlichen Gründen da sein und nicht ahnen, warum sie sich begegnen, solange es ihnen niemand verrät. Wenn sie sich gut verstehen oder gar verlieben sollten, können wir zu einem geeigneten Zeitpunkt das Thema Hochzeit fallenlassen. Und wenn wider Erwarten nichts dergleichen geschieht und sich ihre Wege wieder trennen sollen, so Rahja will, werden wir sie zu nichts zwingen, das verspreche ich dir.”
Der Hochgeweihte ließ die Worte auf sich wirken und dachte lange nach. Erst dann kam seine Antwort, erstaunlich wohlwollend. “Niemals zweifelte ich deine Liebe zu Cerceri oder zu unserer Familie insgesamt an. Sicher willst du nur das Beste. Meine Zweifel liegen in der Art, mit der du uns helfen willst.” Die Kritik war kein scharfes Messer mehr, sondern ein weiches Daunenkissen, so liebenswürdig verpackte er sie in einen süßen Tonfall. Bevor sein Bruder darauf eingehen konnte, fuhr er fort: “Ich werde Cerceri nichts verraten, solange ich der Meinung bin, dass du nicht zu weit gehst. Sie wird nichts gegen ihren Willen tun, zu nichts genötigt, bestochen oder irgendwie anders unter Druck gesetzt. Du wirst alles der Liebreizenden überlassen. Wenn ich mitbekomme, und glaub mir, ich werde es mitbekommen, dass du etwas Verwerfliches versuchst, werde ich dich scheitern lassen und unserer Schwester alles erzählen. Dass ich das bis jetzt nicht getan habe, liegt nur daran, dass ich auch dich liebe und nicht will, dass meine kleinen Geschwister sich streiten.”
Rahdrigo kochte vor Wut, doch er konnte sich nichts anmerken lassen. Da sprach Rahjalin mit ihm wie mit einem Kind, nicht wie mit seinem Patriarchen. Und das auch noch vor Gästen! Und dann immer dieses überhebliche Grinsen, das wohl freundlich oder charmant sein sollte. Er schluckte seinen Ärger hinunter und nickte. “In Ordnung, liebster Bruder.”
“Schön, dass wir uns einig sind.” Der Rahjani strahlte und wandte sich den Gästen zu. “Ich bin hocherfreut, dass die Sache geklärt ist. Es war reizend, Eure Bekanntschaft zu machen.” Er neigte den Kopf vor Dettmar und verabschiedete sich von Phejanka mit einem Handkuss. Dann umarmte er seine Schwägerin und nickte seinem Bruder knapp zu.
Sie waren auf dem Renascentia-Platz angekommen, der Tempel der Heiligen Ricarda nicht weit entfernt.
“Rahjas Segen mit Euch, möge sie Euch stets begleiten und Rosenblätter auf Euren Weg streuen.” Rahjalin lächelte allen noch einmal zu, dann bog er Richtung Tempel ab. Die zwei Wachposten öffneten ihm je einen Flügel des Tors, sodass er seine Schritte nicht verlangsamen musste. Das Geräusch der wieder ins Schloss fallenden Torflügel hallte bis zu ihnen hin. Rahdrigo schüttelte den Kopf. “Unfassbar.”, murmelte er aufgebracht.
In dem Augenblick kamen die Kinder zurückgerannt.
“Kommt Onkel Rahjalin nicht mit ins Bestiarium?”, fragte Alvinia enttäuscht.
“Nein, mein Schatz.”, seufzte Traviane.
Dettmar wandte sich den Kindern zu:
“Die geweihten Diener der Götter haben bisweilen kurzfristig dem Ruf ihrer Gottheit zu folgen. Euer Onkel hätte sicher gerne Zeit mit euch und euren Eltern im Bestiarium verbracht, doch Rahja hatte anderes mit ihm im Sinn.” Entschuldigend hob er die Hände und fügte dann hinzu: “Aber umso schöner ist doch, dass euer Vater heute die Zeit hat, mit euch diesen schönen Ausflug zu unternehmen. Eure Mutter findet sicher häufiger die Zeit schöne Dinge mit euch zu unternehmen.”
Oh, wie er diese Situation kannte, Nita hatte ihre gemeinsamen Kinder eigentlich im Alleingang großgezogen und so ziemlich jedes Familienmitglied hatte einen größeren Anteil an der Erziehung der Kinder als er. Die Leitung der Betriebe, Familienpolitik, öffentliche Ämter, Geschäfte und die damit verbundenen Reisen, die Juristerei, erst die Kanzlei, dann Tätigkeiten im Justicial-Kapitanat, erste Berufung in das Richteramt bis hin zum Hochrichter und zu guter Letzt die Politik von Stadt und Republik hatten seine ganze Zeit und Aufmerksamkeit gefordert. Feiern und Familienrat waren die einzigen Momente, an denen er Zeit mit seiner Familie verbrachte und gerade bei Feiern war er gedanklich nicht wirklich dabei gewesen.
Er seufzte, blickte zu Rahdrigo, Traviane und dann wieder zu den Kindern. “Ich war sehr lange Zeit in der gleichen Situation wie euer Vater und kann aus meiner Erfahrung nur sagen, es schmerzt sehr nicht mehr Zeit mit seinen Lieben verbringen zu können, aber die Geschicke einer Familie, ihrer Betriebe und ihres Klientel zu leiten und dafür zu sorgen, dass es allen möglichst gut geht kostet sehr viel Zeit und Mühe.”
Dann klatschte er plötzlich in die Hände und die Kinder zuckten kurz zusammen: “So, aber nun genug der ernsten Worte, jetzt wollen wir den Tag genießen und nur noch über schöne Dinge reden und schöne Dinge tun.”