Briefspiel:Traviabund mit Hindernissen/Im Palazzo Solivino: Unterschied zwischen den Versionen
Bella (Diskussion | Beiträge) |
Bella (Diskussion | Beiträge) K |
||
| Zeile 10: | Zeile 10: | ||
=Im Palazzo Solivino= | =Im Palazzo Solivino= | ||
| − | '''Autoren''':[[Benutzer:Bella|Bella]], [[Benutzer:Gerberstädter|Gerberstädter]] | + | '''Autoren''':[[Benutzer:Bella|Bella]], [[Benutzer:Gerberstädter|Gerberstädter]] |
Ein älterer Bediensteter öffnete das Tor. Er hatte sie wahrscheinlich schon von Weitem näherkommen sehen. Er verbeugte sich und trat zur Seite. “Signoras.”<br> | Ein älterer Bediensteter öffnete das Tor. Er hatte sie wahrscheinlich schon von Weitem näherkommen sehen. Er verbeugte sich und trat zur Seite. “Signoras.”<br> | ||
Version vom 15. Oktober 2025, 19:50 Uhr
| ||||||||||
Im Palazzo Solivino
Autoren:Bella, Gerberstädter
Ein älterer Bediensteter öffnete das Tor. Er hatte sie wahrscheinlich schon von Weitem näherkommen sehen. Er verbeugte sich und trat zur Seite. “Signoras.”
“Ah, Datames.”, begrüßte Traviane den Haushofmeister mit einem freundlichen Nicken. “Sorg dafür, dass unsere Gäste aus Efferdas anständig bewirtet werden. Es soll ein guter Jahrgang Cassianti aus dem Weinkeller geholt und für später ein standesgemäßes Abendmahl vorbereitet werden.”
Der Diener nickte, verbeugte sich erneut und entfernte sich in Richtung Küche, um die Befehle weiterzugeben. Auch die Männer traten nun in die Eingangshalle des Palazzos und unterbrachen ihr Gespräch vorerst. Rahdrigo breitete einladend die Arme aus. “Herzlich willkommen im Palazzo Solivino. Erlaubt mir, Euch zum Salon zu führen.” Er wies auf eine Treppe ins Obergeschoss.
Dettmar nickte mehrfach anerkennend, während er sich kurz umsah.
„Seid noch einmal herzlich für die freundliche Einladung bedankt! Mögen die Zwölfe euch stets gewogen sein!“
Neben seinem Gastgeber ging der efferdische Senator die Treppe hinauf. „Ihr seid also in der Winzerei und dem Weinhandel tätig. Ein sehr interessantes und sicher auch weites Feld, aber auch sehr stark von der Witterung abhängig, wie ich annehme. Da glaube ich, ist es in meinem Gewerbe doch einfacher, es liegt das Meiste in der eigenen Hand und ist mit dem eigenen Geschick wesentlich zu beeinflussen. Natürlich sind auch Gerber und Färber von der Gnade und dem Wohlwollen der Götter abhängig, ohne Frage! Was mich und den Wein betrifft, muss ich zugeben, ich trinke sehr gerne kräftigen Roten, aber ich würde nicht so weit gehen, mich als Weinkenner zu bezeichnen.“
“Es ist wirklich ein Problem, wenn es mehrere schlechte Jahrgänge hintereinander gibt. Bisher war uns Rahja, der Herrin sei dank, gewogen. Wir folgen schon seit Generationen dem Glauben und unterstützen die Kirche, wo wir können.” Er musste plötzlich an den Streit mit seinem Bruder Rahjalin, dem Rahjahochgeweihten von Urbasi, vor einigen Jahren zurückdenken und bekam ein schlechtes Gewissen. Eigentlich war er nicht in der Position, dies zu sagen, sondern Rahjalin, der viel treuer im Glauben war und weniger an das rein Wirtschaftliche dachte.
“Welchem Gott fühlt sich denn Eure Familie am meisten zugeneigt? Wahrscheinlich Efferd, nicht wahr?”
Dettmar lachte: „Da sind wir Efferdier wohl arg berechenbar. Aber in der Tat, das Wasser ist in eigentlich allen Belangen unserer Geschäfte von zentraler Bedeutung und viele der von uns benötigten Rohstoffe beziehen wir über das Wasser und ein Gro unserer Produkte gelangt auch auf dem Seeweg zu unseren Geschäftspartnern, daher steht die Familie Gerber dem Unergründlichen am nächsten.“ Wieder war der große Mann amüsiert: „Interessanterweise gibt es in unserer Familie eine Tsa- und eine Hesinde-Geweihte und einen Boron-Geweihten, aber keinen Efferd-Geweihten, da herrscht also Nachholbedarf!“ Er schüttelte das braungrau melierte Haupt: „Da bin ich doch heute zum ersten Mal drüber gestolpert!“ stellte er mit einer Mischung aus Belustigung und Überraschung fest. Achselzuckend meinte er: „Aber was will man machen? Ich denke, man zieht eher den Unwillen der Überderischen auf sich, wenn man jemanden zwingt, einem anderen Tempel beizutreten, als dem der Gottheit der diese Person nahesteht. Da opfere ich dem Launenhaften lieber den ein oder anderen Dukaten, das ist sicher effektiver!.“
Rahdrigo fiel in das Lachen mit ein. Dettmars Geschäftssinn und Humor gefielen ihm. Er bezog die Götter auf eine Weise in das ganz normale Leben mit ein, die keine falsche Angst oder Ehrfurcht, aber dennoch Respekt vor ihrer überderischen Macht ausdrückte. Der Efferdier war ihm überaus sympathisch. “Das stimmt. Und es ist ja nicht so, dass Tsa, Hesinde und Boron Gottheiten wären, deren Gunst uns schaden könnte. Im Gegenteil, gerade Boron ist unausweichlich und wartet am Ende auf jeden von uns.”
Die Damen folgten in etwas Abstand in das Obergeschoss, ganz in ihr eigenes Gespräch vertieft. „Eure Älteste studiert in Methumis, sagtet ihr!“ Sie sah Traviane mit freundlichem Lächeln an „Ach ich weiß noch als Quenia, meine Älteste nach Methumis ging um zu studieren! Ich hatte sie als Geweihte der Peraine gesehen oder als Apothekerin, doch sie wurde eine Händlerin und Verwalterin, es entsprach einfach mehr ihren Neigungen und Talenten. Und sie liebt was sie tut, das macht auch mich glücklich! Wofür interessiert sich Doriana denn?“
"Sie liebt die Musik, genau wie ich. Das macht mich natürlich sehr stolz. Aber sie war auch schon immer an den Fragen interessiert, was richtig und was falsch ist und wie der menschliche Geist funktioniert. Deswegen waren die Rahja- und die Boronschule ihre Wahl. Da sie später als unsere Erbin auf dem höfischen Parkett zurechtkommen muss, besucht sie auch die Herzogenschule. Ihr spracht von eurer Tochter Quenia, die in Methumis studiert hat. Sind denn momentan Kinder aus eurer Familie an der Universität? Vielleicht kennen sie und Doriana sich ja sogar."
Phejanka überlegte einen Moment: „Mein Enkel Avessanio ist seit zwei Jahren in Methumis und hat dieses Jahr sein Studium an der Praios-, Nandus- und der Herzogenschule begonnen. Meine Großnichte Simona, die Enkelin meines Bruders Dettmar hat in diesem Jahr ihre Ausbildung an der Horas-Schule begonnen. Da mein Neffe Rondrigo schon viele Götterläufe in Methumis lebt haben die Kinder immer jemanden vor Ort, falls sie irgendwelche Sorgen oder Probleme haben, daß ist auch für ihre Eltern ein beruhigendes Gefühl!“ sie machte eine kurze Pause und überlegte kurz: „Ach und meine Großnichte Remira lebt ebenfalls schon einige Jahre dort, sie ist bei der Familie Changbari in deren Kontor angestellt. Mein Bruder war der Meinung es sei gut für ihre Entwicklung, wenn sie nach dem Studium gleich Erfahrungen in einem anderen Umfeld sammelt.“ Ihr Blick suchte den Traviane’s und lächelnd fügte sie hinzu: „Langer Rede kurzer Sinn, es ist also gar nicht so unwahrscheinlich, dass Avessanio und Doriana bereits Bekanntschaft miteinander gemacht haben!“
“Ach, das ist doch wundervoll! Die Universität ist so eine schöne Erfindung. Dort können sich junge Leute kennenlernen und Freundschaften entstehen, die ein Leben lang halten. Eigentlich bräuchte man so etwas viel häufiger. Ich glaube, die einzige echte Universalschule, die der in Methumis Konkurrenz machen kann, steht ausgerechnet in Al’Anfa. Es gibt zwar noch zahlreiche spezialisierte Akademien im Horasreich, aber vieles ist eben nur für Magiebegabte zugänglich oder bei Weitem nicht so groß wie die Herzog-Eolan-Universität. Es wäre vielleicht eine Überlegung wert, eine weitere zu gründen. Wir haben in Urbasi bisher nur eine Musici-Schule. Habt Ihr vielleicht eine besondere Schule in Efferdas?”
„Ja, da habt ihr absolut Recht, meine geschätzte Signora Traviane, man kann den Wert der Universität in Methumis gar nicht hoch genug schätzen. Nicht nur das die jungen Menschen ihr Wissen mehren, sie sammeln auch Erfahrungen die ihnen in ihrem weiteren Leben helfen und sie knüpfen Verbindungen zu Mitgliedern anderer Familien aus fernen Städten und Regionen. Mit etwas Glück entstehen daraus Freundschaften die weit über die Studienzeit hinaus halten.“ Ihr Blick ging erneut von Traviane zu der Deckenmalerei während sie weitersprach „Eine schöne Idee, es kann nicht schaden wenn es mehr Lehreinrichtungen gibt. Ich glaube dass es wichtiger ist das die Ausbildung von bester Qualität und immer auf dem höchsten Stand der Erkenntnisse ist, als die Größe der Lehreinrichtung. Für eine gute Ausbildung sind die Meisten auch bereit, ihre Sprösslinge in eine weit entfernte Stadt zu schicken." Nun sah sie wieder zu der dunkelblonden Patrizierin. „Nun, was Schulen in Efferdas angeht bin ich nicht wirklich auf dem Laufenden, da ich seit dreißig Götterläufen nicht mehr dort war. Mein lieber Bruder kann euch da aber später sicher sagen wie es um die Lehreinrichtungen in Efferdas bestellt ist. Eine Schule für Musici? Sehr schön, ich finde es sollte viel mehr Schulen geben die die künstlerischen Talente unserer jungen Menschen fördern. Ob es das Spielen von Instrumenten, der Gesang, die Schauspielerei, Dichtkunst, Malerei oder anderes Kunsthandwerk ist. Die schönen Künste machen das Leben doch so viel lebenswerter.“
“Ich denke, da stimmen wir vollkommen überein. Was wären wir denn ohne Rahjas und Hesindes Gaben?”, lachte die Sheniloerin. “Und natürlich habt Ihr Recht in dem Aspekt, dass spezialisiertere Schulen oft ein höheres Niveau haben. Andererseits ist dort die Durchmischung viel geringer. In Methumis ist es möglich, dass sich ein Jurist, ein Medicus und ein angehender Seeoffizier ganz unabhängig von ihren Interessen kennen und schätzen lernen. Somit werden die Kontakte noch weitreichender geknüpft, als wenn man beispielsweise ‘nur’ andere Musiker kennt, obwohl auch dies ohne Frage schon sehr hilfreich ist.”
Auf dem Weg nach oben konnten sie besonders die kunstvollen Deckengemälde genauer bewundern. Sie stellten rahjagefällige Szenen, Alveraniare und Heilige dar, und immer wieder die Heilige Ricarda, wie sie Wein kelterte, aber auch andere Szenen aus dem Weinanbau. Ein detailreiches Gemälde der Ricarda Solivino mit ihren heiligen Talismanen, der Karaffe und der Traubenpresse, stand im Zentrum.
Immer wieder glitten die Blicke der Besucher interessiert, staunend und anerkennend über die aufwendigen Deckengemälde, auch wenn ihnen nicht alles Dargestellte bekannt war. Dettmar nahm die Schönheit und Besonderheit der Deckenmalerei durchaus wahr, aber die Männer hatten inzwischen begonnen über Wein und alles was mit ihm zutun hatte, vom Anbau bis zum richtigen Genuss zu philosophieren und Theosfinus, ganz der geübte Secretarius, folgte schweigend in gebührendem Abstand, den Blick auf die Stufen gesenkt den Damen. Diese hatten deutlich persönlichere und weniger philosophische Gesprächsthemen.
„Sehr beeindruckend, diese Deckenmalerei und diese vielen kleinen Details. Ich glaube, ich könnte hier mehrere Stundenkerzen lang stehen und würde trotzdem immer wieder etwas Neues entdecken. Meine Nichte Clarizia wäre ganz sicher begeistert, wenn sie dieses Kunstwerk sehen könnte. Sie ist selbst eine wirklich begabte Zeichnerin und Malerin. Sagt meine Liebe, die Schönheit mit der Traubenpresse, ist sie ein Mitglied eurer Familie?“
“Eher gesagt war, aber ja.” Traviane war überrascht über die schnelle Auffassungsgabe ihres Gastes. “Das ist Ricarda Solivino. Sie erfand den Cassianti, einen Mischwein aus roten und weißen Trauben. Sie hat es wirklich geschafft alle Eigenschaften der guten Sikramtaler Tropfen in ihm zu vereinen. Nach ihrem Tod wurde sie heilig gesprochen. Es ist schön zu hören, dass Ihr eine echte Künstlerin in Eurer Familie habt. Ich würde ja selbst nicht so weit gehen, mich als Künstlerin zu bezeichnen, bin jedoch eine passable Harfenspielerin. Ist Clarizia eine Tochter eures Bruders Dettmar? Vielleicht können wir uns bei einem Gegenbesuch ja einmal kennenlernen.”
Phejanka hörte interessiert zu und staunte sehr über die Lebensgeschichte der doch so talentierten und offenbar berühmten Ricarda Solivino: „Eine wirklich beeindruckende Frau, die heilige Ricarda. Wer kann schon von sich behaupten, eine Heilige im Stammbaum zu haben!“ Sie nickte anerkennend und sprach dann weiter: „Wie schön, unsere Mutter Pomona Gerber hat ebenfalls Harfe gespielt, ich liebe das Harfenspiel.“ Kurz wurde ihr Blick etwas verträumt und abwesend, dann blickte sie Traviane wieder mit einem entschuldigenden Lächeln an „Leider liegt mir die Harfe nicht so sehr, aber ich spiele Gambe und Traversa. Ein öffentliches Konzert würde ich nicht geben, aber für den Hausgebrauch in kleinem Kreis reicht es, denke ich. Vielleicht ergibt es sich ja einmal, dass wir gemeinsam musizieren!“ Sie beugte sich kurz dichter zu der Brahl und sagte leise: „Dettmar, sieht man es nicht an, mit seinen großen Pranken, aber er ist ein ganz guter Spinett- und Cembalospieler.“ Dann sprach sie in gewohnter Lautstärke weiter: „Ja, meine liebe Clarizia ist, Dettmar’s Tochter, sie und ihre Zwillingsschwester Linara sind die beiden jüngsten Kinder meines Bruders. Beides sehr schöne Frauen, aber Clarizia ist leider sehr krankheitsanfällig und schwach. Das hat ihre Schwester veranlasst, eine Dottora zu werden, um ihrer Schwester Linderung zu verschaffen und sie vielleicht sogar heilen zu können. Clarizia selbst konnte leider nie studieren, dafür hätte ihre Kraft nicht gereicht, aber die Götter haben sie mit einem wachen Geist und dem Talent, wunderschöne Bilder zu zeichnen und zu malen. Sie ist ohne Übertreibung eine der besten Malerinnen die Efferdas hervorgebracht hat, nicht umsonst beauftragt sie sogar „Heilig Brigon über den Wogen“, der Hesinde-Tempel in Efferdas mit der Kopie seltener Schriftstücke über Pflanzen und Tiere, in denen viele Bilder zu finden sind.“ Man konnte den Stolz und die Bewunderung auf die Nichte deutlich heraushören.
Traviane war gerührt über die Geschichte der Zwillinge. “Mit so einer fürsorglichen Schwester und einer herzerwärmend lieben Tante wird sie sicher gesund werden.”
Sie lächelte Phejanka warm an. “Dann lasst uns doch später ein wenig musizieren! Ich bin mir sicher, dass wir noch irgendwo eine Gambe und ein Spinett haben. Sie könnten höchstens etwas eingestaubt und länger nicht mehr benutzt worden sein.”
Die Wahlhilmarasierin war begeistert von der Aussicht, wieder einmal in Gesellschaft musizieren zu können und so beschlossen die beiden Damen später gemeinsam mit den beiden Weinphilosophen Gambe und Spinett zu entstauben.
Die vier gelangten in ein hübsch eingerichtetes, helles Zimmer. Bequeme Ledersessel und ein mit Kissen bestücktes Sofa standen um einen niedrigen Tisch. Zur Südseite gab es ein Glasfenster, durch das man auf den Sikram schauen konnte. Kaum dass sie sich niedergelassen hatten, betrat eine Dienerin den Raum, in der Hand ein Tablett mit vier Weingläsern und einer Karaffe. Sie stellte es auf dem Tischchen ab und schenkte etwas Wein in jedes Glas ein. Danach ging sie zum Kamin und entfachte ein Feuer, das sogleich wohlig knisternd den Raum erwärmte. Sie wollte gerade den Salon wieder mit einem Knicks verlassen, da näherte sich jemand von draußen. Die Dienerin grüßte sie und hielt ihr die Tür auf, dann erst verließ sie das Zimmer.
Eine aufreizend gekleidete Frau mittleren Alters betrat leichtfüßig den Salon. Ihr wunderschönes Haar von einer Farbe wie Honig war von wenigen grauen Strähnchen durchzogen, doch ihre graublauen Augen strahlten jugendliche Heiterkeit aus. Sie wirkte viel jünger als sie eigentlich war und sah einfach hinreißend aus. “Bruderherz, liebste Schwägerin! Ich sehe, ihr seid von der Hesindemesse zurück und habt Besuch mitgebracht. Rahja zum Gruße, Signor und Signora.” Sie lächelte den beiden Gerbers zu.
“Sei gegrüßt, Cerceri. Das sind Signor Dettmar und Signora Phejanka Gerber, Patrizier aus Efferdas, die zum Tag der Volkskunst nach Urbasi gereist sind. Meine Freunde, das ist meine Schwester Cerceri.”, stellte Rahdrigo sie einander vor.
Gerade als der Gastgeber, Rahdrigo Solivino, sein Glas zu einem Toast erheben wollte, schwebte eine Schönheit in den Salon hinein. Dettmar hatte sie im ersten Moment auf Mitte, Ende Zwanzig geschätzt. Doch bei genauerer Betrachtung sah er nun die kleinen, grauen Strähnchen, die verräterisch aus dem honigfarbenen Lockenmeer auftauchten und dem etwas aufmerksameren Betrachter zuraunten das an der ersten Stelle der Anzahl ihrer Götterläufe eher eine Vier denn eine Zwei zu finden war.
Der Efferdier erhob sich und verneigte sich leicht: „Sehr erfreut eure Bekanntschaft zu machen Signora Cerceri.“ Dann nahm er wieder Platz. Phejanka nickte der Schönen freundlich zu: „Die Zwölfe zum Gruß Signora Cerceri! Leistet uns doch bitte Gesellschaft!‘
“Sehr gerne.” Cerceri ließ sich in die Kissen auf dem Sofa nieder. “Ich kann jedoch leider nicht bis zum Abendessen hier bleiben, denn später bin ich noch mit Rahjalin verabredet.” Sie blickte entschuldigend in die Runde.
“Rahjalin ist Cerceris und Rahdrigos älterer Bruder. Er ist der Vorsteher des Rahjatempels hier in Urbasi.”, erklärte Traviane an Dettmar und Phejanka gerichtet.
Rahdrigo versuchte erneut sein Glas zu einem Toast zu heben, doch ein zweites Mal wurde er unterbrochen. Der Haushofmeister persönlich, Datames Vincipella, betrat den Raum, in der Hand zwei weitere Weingläser. “Es tut mir furchtbar leid, Euch erneut unterbrechen zu müssen, Signoras und Signores. In der Küche hat es wohl eine Verwechslung gegeben. Zudem waren wir nicht über Euer Kommen informiert, Signora Cerceri.” Er reichte Cerceri und Theosfinus jeweils ein Glas. Datames schien nicht zu entgehen, dass letzterer etwas verloren am Rand stand und noch nicht Platz genommen hatte, deswegen wandte er sich an den Secretarius. “Mein Herr, wenn Ihr möchtet, kann ich Euch in einer Führung den Palazzo zeigen.”
Der Angesprochene wirkte tatsächlich erleichtert, zwar war er es gewohnt sich still und unauffällig im Hintergrund zu halten und darauf zu warten, das seine Dienste benötigt wurden, aber dieses Zusammentreffen hatte nun arg private und persönliche Züge angenommen und es war nicht anzunehmen, dass es hier und heute Protokolle anzufertigen galt oder Verträge aufzusetzen. Sein Blick ging zu Dettmar Gerber, der nickte nur kurz und somit wandte er sich Datames zu: „Sehr freundlich, ich würde das Angebot sehr gerne annehmen!“ er fühlte sich unter seinesgleichen auch wohler, etwas das einen guten Secretarius ausmachte, wie er fand. Man war fast überall dabei, man kannte viele höchstpersönliche und private Dinge seines Dienstherrn, war mit der Familie vertraut, kannte alle Geschäftspartner, Lieferanten und Freunde, aber man gehörte nicht dazu, man war kein Familienmitglied und kein Patrizier, man war ein Angestellter, ein Popoli und das sollte man niemals vergessen.
Nachdem die beiden Männer sich zurückgezogen hatten, Cerceri nun ebenfalls mit Wein versorgt war und die Patrizier unter sich, sollte der dritte Toast auszusprechen nun gelingen und so richteten sich die Blicke neuerlich auf Rahdrigo.
Der räusperte sich leicht amüsiert. ‘Wenn die Kinder planen, zurückzukommen, dann ist jetzt der richtige Augenblick.’, dachte er bei sich.
Also wartete der Patriarch noch eine kleine Kunstpause ab, doch als sich keine weitere Unterbrechung abzeichnete, erhob er sein Glas. “Meine lieben Freunde aus Efferdas, meine liebste Traviane, Schwesterherz, ich freue mich sehr über diese Gesellschaft und dass uns eine glückliche Fügung heute zusammengeführt hat. Eines ist gewiss, und ich denke, ich spreche damit im Namen aller: Dies wird nicht das letzte Treffen unserer Familien und auch nicht das letzte von uns persönlich sein, sondern nur der Beginn einer langen Freundschaft!” Rahdrigo sah zuerst den beiden Gästen, dann seiner Gemahlin und seiner Schwester in die Augen und prostete allen zu. Traviane und Cerceri taten es ihm gleich.
Auch Dettmar und Phejanka erhoben ebenfalls ihre Gläser und prosteten ihrem Gastgeber und den beiden Frauen zu. „Auf die Freundschaft!“ fügte Dettmar hinzu ehe er einen genüsslichen Schluck nahm. Es war Phejanka die das Wort als Erste ergriff: „Gibt es in Urbasi Zirkel für Literatur, Malerei, Musik oder Theater? Als ich noch in Efferdas lebte hatte Signora [Doriana Balbin|Doriana Salia Changbari], eine geborene Balbin und gute Freundin regelmäßig zu einem literarischen Treffen in das [Zum goldenen Dreizack|Hotel „Zum goldenen Dreizack“] in einen der Salons geladen. Ich habe das immer sehr genossen. Signora Doriana hatte dann oft Schriftsteller und Dichter geladen, welche dann Auszüge ihrer neuesten Werke präsentierten.“ Ihr Blick wurde kurz glasig und fast fürchtete man sie würde zu Weinen beginnen, doch zwei Wimpernschläge später klärte sich ihr Blick und das angefügte „Ja, das war immer sehr schön!“ klang sehr melancholisch. Ihrem Bruder kam leise der Verdacht, dass es, entgegen aller Beteuerungen doch einiges gab, was Phejanka in ihrem selbstgewählten Exil im kleinen, beschaulichen Hilmaras fehlte.
“Ach wie schön. Ein literarischer Zirkel! In dieser Hinsicht ist Efferdas uns voraus. So etwas haben wir hier meines Wissens nicht.” Traviane zwinkerte Phejanka zu. “Im Gasthaus Rahjalieb hier in der Magistralia treffen sich recht häufig freigeistige Künstler. Und natürlich gibt es um das Theater, den Hesinde- und den Rahjatempel immer Gruppen von Leuten, die sich treffen, um sich über Literatur und Kunst zu unterhalten. Ich treffe mich auch oft mit Freunden und Musikern von der Musicischule, doch das ist alles nichts Offizielles oder Regelmäßiges.”
Sie bemerkte Phejankas Melancholie und sah hilfesuchend zu den anderen. Es musste doch eine Möglichkeit geben, sie wieder aufzuheitern!
Tatsächlich fing Cerceri ihren Blick auf und kurz darauf funkelte etwas in ihren Augen. Sie schien eine Idee zu haben. “Meine Liebe, wie wäre es, wenn wir uns nächstes Jahr um diese Zeit wieder treffen, doch nicht hier oder in Efferdas, sondern zu den Opernfestspielen in Vinsalt? Dort soll es die besten Theatervorstellungen, Opern und Konzerte des ganzen Reiches geben.”
Dettmar kannte seine Schwester nur zu gut und ergriff daher das Wort noch bevor Phejanka die Gelegenheit zu einer Antwort hatte: „Das ist eine wundervolle Idee, Signora Cerceri!“ Sein dankbarer Blick traf kurz den leicht überraschten Blick der Honigblonden ehe er zu der Endsechzigerin sah: „Phejanka, Du musst unbedingt zusagen. Du weißt doch, wie lange mir Nita in den Ohren liegt, sie möchte unbedingt mal nach zu den Opernfestspielen in die Stadt der 1000 Türme!“ Sein Blick hatte einen fast schon flehenden Ausdruck angenommen. Unsicher seufzte die Angesprochene, Dettmar wusste sie war unsicher und ihr suchte noch immer nach Ausflüchten, so setzte er nach: Du, Clarizia, Avedane, vielleicht Traviano und seine Gemahlin Madana, Nita und unsere neuen Freunde aus Urbasi, das wird wundervoll. Gib dir einen Ruck!“ Kurz herrschte Stille, dann wich der nachdenkliche Gesichtsausdruck einem schelmischen Lächeln: „Aha, daher weht der Beleman, ich habe deiner Aufzählung aufmerksam gelauscht, ein Dettmar Gerber tauchte da nicht auf. Kann es sein, dass du gerade versuchst dich um die Opernfestspiele zu drücken und hoffst wenn nur genug andere dabei sind, fällt es nicht auf wenn du fehlst? Nein, nein mein Lieber, ich werde mitkommen und DU“ das letzte Wort hatte sie lauter und mit einem sehr ernsten Unterton ausgesprochen „wirst ebenfalls mitkommen!“ nun wandte sie sich den Solivino’s zu und blickte Cerceri mit einer Mischung aus Dankbarkeit, Begeisterung und Zuneigung an. „Signora Cerceri, ihr rundet das Wunder des heutigen Tages wirklich ab. Dachte ich noch auf dem Weg hierher, mehr Glück als Signora Traviane und Signor Rahdrigo zu begegnen, kann man an einem Tag nicht haben. Doch ich habe mich getäuscht. Signora Cerceri, ihr könnt offenbar tief in die Herzen der Menschen blicken. Es ist wirklich eine ganz bezaubernde Idee, die ihr da geäußert habt. Es wäre mir eine ganz besondere Ehre und Freude, wenn wir das gemeinsam machen könnten!“ Ihr Blick ging nun über Traviane zum Oberhaupt der Familie Solivino während sie weitersprach: „Was meint ihr werte Signori, wollen wir das machen? Im nächsten Jahr gemeinsam die Opernfestspiele zu Vinsalt besuchen, natürlich sind auch andere Mitglieder und Freunde eurer Familie herzlichst willkommen! Was sagt ihr?“ Ihr Blick ging zwischen dem Ehepaar hin und her. Man konnte ihr ansehen, dass es ihr wirklich ein Herzenswunsch ist, diese Idee Wirklichkeit werden zu lassen.
Cerceri konnte bei diesen herzerwärmenden Worten gar nicht anders, als Phejanka anzulächeln. “Eure Worte sind zu liebenswert, ebenso wie Euer ganzes Wesen, Signora.”, erwiderte sie das Kompliment.
Rahdrigo und Traviane tauschten einen Blick aus und nickten dann. “Wie könnten wir da Nein sagen! Das ist doch eine wundervolle Idee.”, sagte Traviane freudig, mit einem schnelle, dankbaren Blick zu Cerceri.
Rahdrigo schien dem Ganzen ebenfalls nicht abgeneigt, drückte dies aber in weniger enthusiastischen Worten aus. “Sehr gerne. Solche Ereignisse bieten immer großartige Möglichkeiten, Freundschaften zu pflegen und neue Leute kennenzulernen.” Er sah schmunzelnd zu Dettmar. “Ich würde mich besonders über Eure Anwesenheit freuen, geschätzter Signor Dettmar. Wenn uns das kulturelle Angebot Vinsalts und die Menschenmengen zu viel werden sollten, können wir uns ja in ein beschauliches Cafe zurückziehen und uns ein wenig im kleinen Kreis unterhalten.”
In Dettmar’s Brust schlugen zwei Herzen. Einerseits freute er sich sehr daß seine geliebte Schwester die Betrübnis wieder überwunden hatte und auch Nita würde sicher mehr als glücklich sein, wenn er ihr endlich ihren Wunsch erfüllte, aber andererseits war er weder ein großer Freund der Oper, noch mochte er Vinsalt besonders Mal abgesehen von der Tatsache dass in Vinsalt als der Hauptstadt des Horasreichs eh schon alles vollkommen überteuert war, zogen die vinsalter Beutelschneider zu den Opernfestspielen noch einmal ordentlich die Preise an und wenn sie einigermaßen standesgemäß unterkommen wollten würde es höchste Zeit sich um die Unterkünfte zu kümmern denn während der Festspiele war in Vinsalt und Umland kein Strohsack im Stall mehr zu bekommen.
Rahdrigo’s Worte entlockten dem ehemaligen Patriarchen der Familie Gerber dann aber doch ein munteres Lachen: „Die hervorragenden Ideen müssen wohl in der Familie liegen. Beschauliche Café’s und Unterhaltungen in kleiner Runde das klingt für mich sehr nach Ausgleich zu der Aufregung und der Hektik der Kaiserstadt zur Festspielzeit.“ Phejanka blickte kopfschüttelnd zu den anderen beiden Damen und meinte mit spöttischem Unterton: „Na, wenn sich da mal nicht zwei ausgewiesene Kunstbanausen gefunden haben!“ sie hob ihr Weinglas „Auf unvergessliche Tage in Vinsalt für die Damen und tiefsinnige Gespräche für die Herren!“
Traviane und Cerceri hoben ebenfalls grinsend ihre Gläser und nahmen jeder noch einen kräftigen Schluck des Mischweins. “Auf unvergessliche Tage!”
Rahdrigo warf Dettmar einen amüsierten Blick zu. “Na dann. Auf unsere Tiefsinnigkeit!”
Kaum dass er das ausgesprochen hatte, betrat erneut die Dienerin den Raum, die ihnen den Cassianti gebracht hatte. Sie stellte ein Porzellantablett mit kreativ aussehenden Pralinen sowie anderen süßen Naschereien auf dem Tischchen ab. Eine neue Weinkaraffe hatte sie ebenfalls dabei. “Signores, entschuldigt die Unterbrechung. Diese Naschereien sind frisch aus der Zorgazo-Bäckerei. Herr Vincipella und Herr Hethalis haben den Auftrag gegeben, sie abzuholen und Euch zu servieren, sodass die Zeit bis zum Abendessen noch überbrückt werden kann. Die Köchin hat wohl einige aufwendige Ideen, die etwas mehr Zeit in Anspruch nehmen.”
“Na dann sind wir mal gespannt. Ich hoffe doch, dass auch einige urbasische Spezialitäten für unsere covernschen Gäste darunter sind.”, meinte Rahdrigo.
“Selbstverständlich, Herr.” Die junge Frau knickste, nahm die bereits geleerte Karaffe wieder mit und verließ den Salon, die Tür geräuschlos schließend.
Cerceri starrte bereits verzückt auf die Leckereien. Ihr lief bei dem Anblick der teuren, zarten Schokolade aus dem tiefen Süden und den mit Honig und Nüssen überbackenen Blätterteigteilchen das Wasser im Mund zusammen. Einzig ein mahnender Blick ihres Bruders brachte sie dazu, nicht sofort zuzugreifen.
“Bitte, bedient Euch.”, bot Traviane den Gästen den Vortritt an.
Auch Dettmar schmunzelte bei den Worten seiner Schwester und dankte im Stillen den Zwölfen, dass die Wolke, welche kurz Phejanka’s Gedanken und Seele verdunkelt hatte nun davon geweht war. Zwar lief ihm ein kalter Schauer über den Rücken, wenn er daran dachte welche Kosten diese unvergesslichen Tage seiner höchstpersönlichen Geldtruhe verursachen würde. Andererseits es machte Phejanka glücklich, seine Gemahlin würde es erst recht glücklich machen und bei Boron, wer konnte schon sagen wann es für ihn an der Zeit war sich Rethons Urteilsspruch zu stellen? Er würde nicht eine Münze über das Nirgendmeer mitnehmen können, also war es mit seinen 67 Götterläufen an der Zeit das Leben noch ordentlich zu genießen, ehe der letzte Vorhang fiel.
Gemeinsam erhob man die Weingläser und trank auf die unvergesslichen Tage. Der Efferdier zwinkerte dem Urbasier lächelnd zu: „Und auf die Tiefsinngkeit!“ Er trank den letzten Schluck Wein, da öffnete sich erneut die Tür und eine Bedienstete, die, sehr zu Dettmar’s Freude, eine volle Karaffe Wein brachte und ein Tablett voller köstlichem Naschwerk. Tatsächlich hatte Dettmar sich seit ihrer Ankunft fast täglich ein bis drei dieser leckeren Kostbarkeiten gegönnt. Und Kostbarkeiten dürfte man diese Leckereien durchaus nennen, wie Dettmar festgestellt hatte. „Zu gütig mein geschätzter Signor Rahdrigo, ihr versteht eure Gäste auf das Exquisiteste zu verwöhnen!“ bedankte sich Phejanka und griff eines der Stücke ohne diese Schokolade, der sie ganz im Gegensatz zu ihrem Bruder so gar nichts abgewinnen konnte. Ihr Bruder übte da etwas weniger Zurückhaltung und griff sich eines der schokoladenen Stückchen. „Da habt ihr eine meiner Schwächen aufgedeckt, mein lieber Signor Rahdrigo! Diesen Köstlichkeiten ist unmöglich zu widerstehen! Ich überlege schon, wie es gelingen könnte, einen dieser Künstler, welcher diese alveranischen Versuchungen erschaffen kann, nach Efferdas abzuwerben.“
"Bitte nicht!", lachte Cerceri. "Oder wir werden Euch sehr häufig in Efferdas besuchen müssen, um weiterhin in solch einen Genuss kommen zu können." Nachdem die beiden Gäste sich bedient hatten, griff sie nun auch zu und ließ eine der süßen Pralinen in ihrem Mund verschwinden.
Auch Traviane und Rahdrigo nahmen sich je eine der Naschereien. "Sehr erfreut, dass es Euch schmeckt. Ich muss zugeben, dass sich der Pralinenmeister heute wirklich selbst übertroffen hat.", merkte Rahdrigo an, als er sich eine der schokoladigen Süßigkeiten auf der Zunge zergehen ließ. "Trotz der Verzögerung, die wir vielmals bitten zu entschuldigen, wird das Abendessen sicher nicht mehr lange auf sich warten lassen. Seht, die Praiosscheibe geht schon unter."
Alle Blicke wandten sich zum Fenster und tatsächlich: Ein zartes orange-rosa Licht schien in den Raum hinein und kündigte die Dämmerung an.
Traviane strahlte und sah Phejanka und Cerceri an. "Was haltet Ihr davon, wenn wir den Sonnenuntergang vom Sikramufer aus betrachten, meine Lieben?" Sie kannte ihren Mann gut genug, um zu wissen, dass er für solcherlei Kitsch nicht allzu viel übrig hatte und auch Dettmar schätzte sie so ein, nach der kurzen Zeit, in der sie sich kennengelernt hatten, deswegen wandte sie sich nur an die Damen.
"Oh, es tut mir leid. Ich wäre wirklich sehr gerne mitgekommen, doch ich bin bei Sonnenuntergang mit Rahjalin verabredet. Das ist bedauerlicherweise der Zeitpunkt, an dem ich Euch verlassen muss." Cerceri sah die efferdasischen Gäste entschuldigend an. "Ich versichere Euch jedoch, Signora, dass das Schauspiel der einsetzenden Dämmerung über dem Sikram ein unvergesslicher Anblick ist. Signor Dettmar, Signora Phejanka, es war mir eine Freude, Euch kennenzulernen. Genießt noch einen angenehmen Abend mit Rahdrigo und Traviane. Ich kann unser Wiedersehen nächstes Jahr in Vinsalt kaum erwarten!" Die ältere Schwester Rahdrigos war aufgestanden und knickste vor den beiden Gerbers.
Auch die beiden Efferdier erhoben sich, Dettmar verneigte sich: „Ich wünsche euch einen vergnüglichen Abend und hoffe doch sehr euch und Signor Rahdrigo nebst Gemahlin und Kindern nicht erst zu den Opernfestspielen in Vinsalt in einem Jahr wiederzusehen!“
Phejanka knickste ebenfalls, zögerte einen Moment, ging dann aber auf die jüngere Frau zu und nahm sie kurz aber herzlich in die Arme: „Es hat mich sehr gefreut eure Bekanntschaft zu machen meine liebe Signora Cerceri. Ich schließe mich der Hoffnung meines Bruders an, dass weniger Götternamen vergehen werden bis uns ein Wiedersehen beschieden ist!“
"Schade, dass du schon gehen musst. Grüß bitte Rahjalin von uns.", sagte Rahdrigo.
“Das werde ich.”, antwortete Cerceri lächelnd. Das Verhältnis ihrer Brüder hatte seinen Tiefpunkt hinter sich gelassen, trotzdem trafen sie sich eher selten und sie fühlte sich manchmal noch immer wie eine Botschafterin zwischen den beiden. Doch sie waren deutlich auf dem Weg zur Besserung. Vor fünf Götterläufen hätte Rahdrigo nicht im Traum daran gedacht, sie Grüße überbringen zu lassen. Mit diesen Gedanken verließ sie den Salon.
Phejanka wandte sich an Traviane: „Wollen wir aufbrechen? Ich würde mir das Schauspiel des Sonnenuntergangs über dem Sikram sehr gerne ansehen.“ Ihr Blick ging kurz zu den beiden Männer ehe er zu Traviane zurückkehrte: „Unsere beiden Philosophen werden wohl nicht besonders begeistert sein von dem Gedanken und begleiten zu müssen, aber ich denke der gute Theosfinus Hethalis wird uns sein Geleit nicht verwehren!“ Sie lächelte keck und auf Dettmar’s Gesicht war ein spitzbübisches Grinsen zu sehen. In der Tat hielt sich seine Begeisterung für einen Spaziergang, um sich einen Sonnenuntergang anzusehen in argen Grenzen. Da zog er es doch vor, sich mit seinem Gastgeber bei ein paar weiteren Schlucken des köstlichen Weines zu unterhalten. Die Idee, dass sein Secretarius die beiden Damen begleiten sollte, gefiel ihm ebenfalls. Nicht dass er Urbasi für gefährlich hielt, aber zu später Stunde gehörte es sich einfach nicht Damen alleine auf den Straßen unterwegs sein zu lassen. Zumindest war das seine Ansicht. Und Theosfinus, so unscheinbar und harmlos er auch wirken mochte, war ein ernstzunehmender Gegner, ein weiterer Grund, warum Dettmar sich seinerzeit für den Zyklopäer als Secretarius entschieden hatte.
Unternehmungslustig sprang Traviane auf. “Dann lasst uns aufbrechen. Ich bin sicher Euer Secretarius hat die Palazzoführung mit unserem Haushofmeister bereits hinter sich gebracht und sie halten im Speisesaal ein Schwätzchen.”
Tatsächlich behielt sie recht und so lohnte sich der kleine Umweg ins Nachbarzimmer, um Theosfinus abzuholen. Er befand sich mit Datames im Gespräch. Beide sahen auf, als die Damen den Saal betraten. “Signoras?”
Als Phejanka ihr Vorhaben erklärte, willigte Theosfinus sofort ein, sie zu begleiten. Dem schon sehr in die Jahre gekommenen Datames sah man die Erleichterung an, dass jemand die Damen begleitete, dieser jemand jedoch nicht er war. Solche Spaziergänge nahm er schon seit einigen Götterläufen nicht mehr auf sich und wenn doch, dann waren sie mit anschließenden Rückenschmerzen verbunden.
Sie liefen zu dritt wieder die Treppe hinunter, durch die Eingangshalle mit den Deckengemälden und auf die Piazza d’Agendayo. Hier draußen wirkte das gold-orangene Licht noch viel intensiver als durch die Glasfenster des Salons. Einige weiße Wolkenfetzen sprenkelten den Himmel und bildeten einen netten Kontrast zu dem Gelb mit einem letzten Rest Blau.
Traviane schlug mit Phejanka den kürzesten Weg bergab zum Sikramufer ein. Dieser war zwar verbunden mit viel Treppensteigen, doch da der Untergang der Praiosscheibe schon eingesetzt hatte, sollten sie sich lieber auf dem Rückweg beim Aufstieg Zeit lassen, um das Spektakel nicht zu verpassen.
Es war noch immer ungewöhnlich viel los, doch je weiter sie sich von der Piazza di Renascentia im Herzen der Magistralia entfernten und durch die tiefer gelegeneren Viertel spazierten, desto weniger Menschen waren unterwegs.