Cordovano
„Nirgendwo lebt man im Yaquirtal besser als in Shenilo - und am besten natürlich in Cordovano. Wo ist das Gemeinwesen schließlich besser geordnet und wo sind die Straßen reinlicher als hier? Und uns gebührt die große Ehre, den Namen des seligen Signore tragen zu dürfen, der die Dunkelmänner ausräucherte! Schon deswegen sind wir das edelste Viertel der Stadt. Wie? Das Geronsviertel? Ähm...“ - ein Zunftmeister zu einem auswärtigen Gast, neuzeitlich
Wenn Studiora der Kopf Shenilos ist und das Geronsviertel sein schnell schlagendes Herz, dann ist Cordovano, benannt nach Signore Cordovan II. Dorén, mit Sicherheit der Geldbeutel der Stadt. Hier haben sich neben Altgesellen und Zunftmeistern aller klassischen Gewerbe auch Vertreter ungewöhnlicher und edler Handwerke niedergelassen. Gekrönt wird das Viertel von den Palazzi der alteingesessener Patrizierfamilien und zugezogener Adelshäuser, die das bürgerlichen Viertel mit ihrem Glanz veredeln. Nach Osten hin begrenzt der betriebsame Geronsplatz Cordovano, nach Westen hin wird das Viertel schließlich ruhiger. Pastellfarben hellblau, lichtgelb und lachsrosa gestrichene, dicht an dicht gesetzte, aber durchaus großzügige Häuser dominieren hier das Bild. Die eher gemäßigten Wandfarben kontrastieren wirkungsvoll mit den leuchtend roten Dachziegel und den oft anzutreffenden Tonamphoren voll bunten Wiesenblumen.
Zwischen diesen für Shenilo typischen Bauwerken führen blitzsaubere Straßen entlang, was einer in der Stadt einmaligen Einrichtung geschuldet ist: Um der Bettler und Hausierer, die das Viertel nach dessen Gründung zu bevölkern begannen, Herr zu werden versahen die Cordovaner sieben ausgewählte Bettler mit einem festen Salär und der Pflicht, die Straßen rein zu halten und Ungeziefer zu beseitigen. Alle anderen Herumtreiber dagegen werden aus Cordovano vertrieben und die „Rattenfänger“ achten heute noch streng darauf, dass niemand in „ihrem“ Viertel wildert.
Wird im Umland der Stadt ein antiker Torso oder Reste einer Horasbüste gefunden kommt es vor, dass ein Cordovaner das Stück erwirbt, diese zerteilt und die Teile bei einem Fest unter den Nachbarn und Verwandten verschenkt. Da dieser ganz im Sinne der Renascentia stehende Brauch reihum geht, kann sich jeder Bewohner des Viertels einiger echter bosparanischer Trümmer rühmen, führte aber auch zum Diebstahl von modernen Brunnenstatuen oder Gebäudeschmuck durch verzweifelte Gastgeber. Die erworbenen Altertümer werden stolz in Gartenmauern und Hauswände eingefügt oder dienen dem Schmuck der Wohnräume.
Den gesamten Norden Cordovanos nimmt die Villa Carus (31), der gewaltige Stammsitz der Patrizierfamilie Tuachall ein. Der Volksmund bezeichnet das dreiflüglige Anwesen, das von einem umfangreichen Park mit einheimischen wie exotischen Gewächsen umgeben ist, deshalb lediglich als „Villa Tuachall“, den Park dagegen despektierlich als „Urwald von Shenilo“. Das der Volksbildung verbundene Geschlecht der Tuachall lässt in den Garten auch immer wieder Pflanzenkundler ein, die damit an dem zum Teil seltenen Gesträuch ihre Studien durchführen können.
Weitere Anwesen sind der altertümliche, aber jüngst renovierte Palazzo di Matienna (32) - ein Steinbau, dem ein Fachwerkgeschoss aufgesetzt wurde - sowie der kleine Palazzo (33) des exilierten, efferdtreuen Rittergeschlechtes di Selshed und der prachtvolle Palazzo Gabellano (34), den aber die Oberschicht bisweilen wegen der galahanistischen Vergangenheit seiner Bewohner meidet.
Im Süden schließt die wenig bedeutende Piazza Menacor (35) das Viertel ab, deren Sehenswürdigkeit ein Standbild Cordovans II. ist. Dieses wird von Kindern und älteren Cordovanern am Geburts- und Todestag des Helden mit Blumen geschmückt. Denn beinahe jeder Cordovaner, sei er ein Geselle, der sich ein kleines Häuschen an der Stadtmauer gemietet hat, sei er ein wohlhabender Zunftmeister der Apotheker oder gar ein reicher Patrizierspross hegt von Kindesbeinen an einen gesunden Stolz auf seine Stadt und sein Viertel - reinlich, fromm und ehrbar.
Quellen
- Bosparanisches Blatt Nr. 35, Seite 14
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