Briefspiel:Wo Lilien blühen und Sterne strahlen - Teil 1
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| Beteiligte (irdisch) |
Ankunft
Im Palazzo Arindello, 27. Peraine 1045 BF
Bassiano war in all den Jahren schon zu einigen Gelegenheiten im Palazzo Arindello gewesen. Und er kam gerne hierher, Comto Erlan Sirensteen wusste sich gut um seine Gäste zu kümmern. Nach der Rückkehr seines Enkels Riccardo vom Turnier in Mortêc verstrichen nur wenige Tage, bis Comto Sirensteen ihn für ein vertrauliches Treffen in sein Unterfelser Domizil eingeladen hatte. Bassiano sah diese schnelle Einladung als Beleg für eine vielversprechende Verbindung mit dem Haus Sirensteen. Seinen überaus fähigen Enkel in diese Familie zu entlassen, stellte durchaus einen Verlust dar. Aber natürlich war es andererseits eine große Ehre, dass Riccardo mit Bellatrix Sirensteen verlobt wurde.
Mit diesen Gedanken kam das Familienoberhaupt der Familie Bolburri beim Palazzo Arindello an. Ein livrierter Diener nahm ihn in Empfang und führte ihn an den Gardisten vorbei in den Palazzo und dort in den 1. Stock in einen kleinen Salon. “Wartet bitte kurz hier, ihr werdet gleich hineingerufen.“ Der Diener, der ihn hineingeführt hatte, verließ den kleinen Salon.
Bassiano setzte sich hin und ein anderer Diener kam vorbei und bot etwas Wein an, den das Oberhaupt der Bolburris gerne annahm.
Es dauerte nicht lange, da öffnete sich eine Tür und der Diener, der ihn zuerst empfangen hatte, nickte ihm zu. Als Bassiano an der Tür ankam, schlug der Diener mit seinem zeremoniellen Stab zweimal auf den Boden und deklamierte mit lauter Stimme:
“Der ehrenwerte Signore Bassiano Bolburri, Vertreter des Hauses Bolburri, Mitglied im Consilio della Signores.”
Als Bassiano den großzügigen Salon betrat, sah er schon wie der Comto von einem herrschaftlichen Schreibtisch aufgestanden war und ihm mit einem Lächeln auf dem Lippen entgegenkam. Hinter Bassiano wurde die Tür durch den livrierten Diener geschlossen, so dass neben den beiden Signores nur noch ein livrierter Junge, der Page Erlan Sirensteens, im Salon war.
“Es ist mir eine Freude Euch … ach, wir sind hier ja nicht so förmlich, Dich, hier zu sehen, Bassiano! Komm, wir setzen uns hier bequem hin” und wies dabei auf eine kleine Sitzgelegenheit. Dort standen schon ein paar Spezereien und zwei kristallene Pokale. “Wein?” fragte der Hausherr seinen Gast, der zustimmend nickte. Daraufhin schaute Erlan in Richtung seines Pagen, doch er musste gar nichts sagen, denn Rafim Eorcaïdos von Aimar-Gor kam schon mit einem Tablett mit Wein und schenkte erst dem Baron des Yaquirbruchs einen kleinen Schluck ein. Dieser kostete kurz davon und nickte dann dem Pagen mit einem Lächeln zu, der daraufhin auch dem Gast und dem Hausherrn ein- bzw. nachschenkte.
Bassiano prostete dem Comto zu und nahm einen Schluck Wein. Es war ein edler Yaquirbrucher, das hatte Bassiano schon erwartet. “Nun, verehrter Erlan, ich danke Dir herzlich für die Einladung und den sehr freundlichen Empfang! Mein Enkel Riccardo hat mir von Eurer Begegnung in Mortêc erzählt. Wie war denn das Turnier? So wie es scheint, hat Deine Nichte einen bleibenden Eindruck auf Riccardo gemacht.”
Erlan senkte den Pokal, schien noch ein wenig zu sinnieren, bevor er mit einem leichten Lächeln auf den Lippen zu einer Frage ansetzen: “Bester Bassiano! Welche der beiden Fragen willst Du als erstes beantwortet wissen? Ich könnte Dir viel vom Turnier erzählen, denn ich habe ja einiges dort gesehen. Aber ich vermute, die zweitgestellte Frage ist jetzt die wichtigere - für Dich als auch für mich. Oder aber für unsere beiden Häuser.”
Bei diesen Worten stand Erlan an und ging zu einem Regal. Dort zog er an einer Schnur und es rollte sich eine Art Stammbaum herab. Erlan gab Bassiano ein Zeichen, sich ihm zu nähern und dann zeigte Erlan auf die beiden Schwestern Ancalita und Bellatrix Sirensteen. “Wisst ihr, ich habe mir immer Sorgen um Bellatrix gemacht. Sie ist ein sonniges Gemüt, aber manchmal auch ein wenig hitzköpfig. Die Katastrophe von Arivor jedoch, da wo ihr Vater starb, veränderte alles. Sie war lange für nichts mehr zu begeistern und selbst ihrer Schwester Ancalita war es nicht möglich, zu ihr durchdringen. Das einzige, was sie damals motivierte, waren ihre harten und langen Übungen für Turniere. Ihr müsst wissen, ihr Vater Rondravio, BORon habe ihn selig, war so stolz auf seine Turnierstreiterin, dass sie ihm auch über den Tod hinaus beweisen wollte, das sie hier brillieren und begeistern kann.”
Während das Gesicht Erlans bei der Erwähnung des toten Vaters düster wurde, hellte es sich wieder auf und er fuhr fort: “Begeistern ist aber anscheinend auch ein richtiges Stichwort. Denn ich glaube Bellatrix hat nicht nur wie in Arivor 1038 BF als Bellariccia das Publikum begeistert, sondern auch Euren Enkel Riccardo. Die beiden hatten bei den Gelegenheiten, wo ich sie beide erleben konnte, fast nur Augen füreinander und haben sich nicht um die anderen Themen dieser Tage gekümmert. Obwohl es da fürwahr sehr interessantes gab. Aber ich kenne diese Blicke, da ist alles andere nebensächlich…”
Erlan hatte sich inzwischen wieder hingesetzt, der Page Rafim füllte die Weinpokale auf und verschwand wieder in einer Ecke, bevor Erlan fortsetzte: “Ich kenne jetzt Riccardo nicht so gut wie Du, aber ich hatte schon den Eindruck, dass Bellatrix fürwahr einen nachhaltigen Eindruck bei ihm hinterlassen hat. Anders kann ich mir auch nicht erklären, dass sie mich die Tage danach quasi ausgepresst hat über die Familie Bolburri im allgemeinen und Riccardo im speziellen.”
Bassiano hatte dem Comto interessiert und geduldig zugehört und schaute sich auch die Stammtafel genau an. Nun fragte er den Gastgeber: “Was hast Du ihr denn zu uns im allgemeinen und zu Riccardo im speziellen geantwortet?”
Erlan grinste: “Nur die Wahrheit. Also keinerlei Grund etwas zu befürchten. Aber mich würde interessieren, wie Dein Enkel Dir über die Geschehnisse zu Mortêc berichtete.”
Der Advokatus dachte kurz nach. “Direkt nach seiner Ankunft war es eher ein geschäftsmäßiger Bericht. Riccardo hatte einige wichtige Gespräche geführt, im Namen der Familie. Zu den Treffen mit Bellatrix hat er sich nicht weiter ausgelassen. Als ich ihm dann gestern allerdings von Deiner Einladung erzählt hab, wurde er ganz aufgeregt und hat mich nach Dir und Deiner Familie gefragt. Er wurde wohl nervös.” Bassiano lächelte. “So aufgeregt habe ich ihn nicht oft erlebt. Er ist wohl wirklich verliebt. Und dabei war das Aufeinandertreffen mit Bellatrix in Mortêc zufällig. Riccardo wurde von Horathio überredet, ihn zu begleiten. Er war das erste Mal bei einem Turnier.
Nun, ich konnte ihn beruhigen und sagte ihm, dass es für ihn - und unsere Familie - eine große Ehre ist, in das angesehene Haus Sirensteen einzuheiraten. Ich hoffe natürlich, Du siehst die Verlobung ebenfalls positiv…? Riccardo ist ein äußerst tüchtiger und zuverlässiger junger Mann, das weißt Du ja durch seine Tätigkeit als Protocollario. Er wird Deiner Familie gut dienen.”
Erlan lachte kurz auf, nahm einen Schluck aus dem gefüllten Pokal und setzte diesen wieder ab, bevor er seinen Gast ansprach: “Ich glaube ich habe Dir von meiner Vermählung mit Shahane erzählt. Und wie da mein Vater zu stand. Wer wäre ich, dass ich jetzt dynastische Interessen über das junge Glück stellen würde? Wo ich doch selber damals auch so handelte und den Wunsch äußerte, dass meine Familie das akzeptiert.” Nach diesen Worten stand Erlan auf und ging in Richtung Fenster um in die Ferne zu schauen. Dabei hatte er seinen Weinpokal mitgenommen und nippte noch einmal daran, um sich im Anschluss umzudrehen und Bassiano direkt anzusprechen:
“Vielleicht hat Satinav mir genügend Zeit gegeben, drüber nachzudenken und mir Hesindes Weisheit zu schenken, dass praiosgefällige Ziele bei Traviabünden auch einen Aspekt darstellen und nicht nur Rahja selbst. Insofern wüsste ich beispielsweise, wenn es um Amando gehen würde nicht, ob ich nicht selbst so agieren würde wie mein Vater damals. Bei diesen Worten schaute Erlan nachdenklich und es wirkte für Bassiano fast, als ob er durch ihn durchschauen würde, aber schon einen Augenblick später, war sein Gastgeber wieder focussiert.
“Insofern spräche meiner Meinung nach nichts dagegen, wenn Bellatrix diesen Wunsch hat ihm zu entsprechen. In dieser Angelegenheit gäbe es dann auch vermutlich keine tagelangen weiteren Besprechungen oder gar Verhandlungen, oder wie seht ihr das, bester Bassiano?” Inzwischen hatte sich Erlan wieder hingesetzt und schaute Bassiano erwartungsvoll an.
“Nicht jeder Comto hätte so offen gefragt” schoss es Bassiano durch den Kopf, als er vor einer Antwort einen Schluck Wein trank. Er wusste die verbindliche Art seines Gegenübers zu schätzen. Allerdings hatte der Comto es auch weit gebracht, dementsprechend verbot sich eine Erwiderung. Und in der Tat brauchte es hier keine weitere Diskussion. “Natürlich nicht, verehrter Erlan. Ohne weiteres und mit großer Freude entlasse ich Riccardo in Deine geschätzte Familie. Ich bin mir sicher, dass diese Verbindung zu einer stärkeren politischen Zusammenarbeit beitragen wird und einen Nutzen für uns alle hat.” Bassiano machte eine kurze Pause und schaute etwas nachdenklich zu Erlan. “Mir ist ein langes Leben geschenkt worden und ich erwarte, bald in Hesindes Hain zu wandeln. Cassius wird dann die Geschicke der Familie verantworten. Ich bitte Dich, meinem Sohn dasselbe Vertrauen und dieselbe Offenheit entgegen zu bringen, die Du mir entgegen bringst bzw. gebracht hast. In diesem Sinne: Trinken wir auf ein langes Leben unserer Kinder und Enkel und auf die Ehe von Bellatrix und Riccardo. Mögen die Götter ihnen viele Nachkommen schenken!”
“Für mich, Bassiano, sollten wir über Golgaris Schwingen erst dann reden, wenn man sie rauschen hört. Aber natürlich ist eine Vereinbarung zwischen der Häuser Bolburri und Sirensteen auch dann noch gültig, wenn unser beiden Seelen von Rethon gewogen wurde. Und fürwahr”, bei den Worten stand Erlan mit erhobenem Pokal auf, und näherte sich Bassiano, “darauf sollten wir anstoßen!”
Nachdem dieses wichtige Thema geklärt war, unterhielten sich die beiden noch weiter über das vergangene Turnier und Sewamund, die aktuellen Geschehnisse in den Uffizien von Unterfels und Erlan berichtete Bassiano von den Reiseplänen gen Selkethal. Hier war Bassiano insbesondere daran interessiert, wie Erlan die ihm bekannten Teilnahmen aus dem Horasreich bewertete.
“Nun, es ist schon etwas spät. Es ist glaube ich an der Zeit die Küche zu informieren… würdest Du meine Einladung annehmen, mit meiner Familie und mir zu Abend zu essen? Und wir schicken gerne einen Boten zu Bellatrix und Riccardo, damit sie daran teilhaben können. Und vielleicht magst Du Deinen Bruder Therengar dabei haben. Was meinst Du?” Bassiano freute sich. “Das ist eine hervorragende Idee, vielen Dank! Selbstverständlich nehme ich Deine Einladung an! Und wenn auch Therengar eingeladen ist, freue ich mich sehr.”
Die Verkündung der Verlobung
Einige Zeit später saßen alle genannten Personen im Palazzo Arindello beisammen. Natürlich war allen Beteiligten klar, warum es zu dem Essen kam. Und so strahlten vor allem Riccardo und Bellatrix wie die Praiosscheibe im Hochsommer. Erlan verkündete die Verlobung offiziell und es wurden einige Details abgesprochen. Für die Feier des Traviabundes wurde ein Termin im Frühling 1046 BF anvisiert.
Bellatrix zeigte sich voller Vorfreude und äußerte einige Ideen zur Gestaltung des Festes. Riccardo hingegen machte sich eifrig Notizen, als es um Gästelisten und Einladungen ging – eine Rolle, in der er sich als Protocollario sichtlich wohlzufühlen schien.
Es wurde ein geselliger Abend in angenehmer Runde. So manche Anekdote wurde erzählt und über politische Belange diskutiert. Auch Shahane und Bellatrix brachten sich immer wieder in die lebhaften Gespräche zwischen Erlan, Bassiano und Therengar ein. Riccardo war aufmerksam, aber eher zurückhaltend.
Therengar, der jüngere Bruder Bassianos, zeigte sich erfreut über die Verbindung – wenngleich er mit einem augenzwinkernden Seitenblick auf Bellatrix meinte, dass “früher ein Lanzenstoß reichte, heute braucht es ganze diplomatische Parkette”.
Rafim Eorcaïdos bewegte sich mit sicherer Hand durch den Raum, füllte die Pokale unauffällig nach und wusste stets zu erkennen, wann sich eine Gesprächspause für seinen Dienst anbot.
Es war an Bassiano, das Ende des Abends einzuläuten. Er fand den richtigen Zeitpunkt, um die Gastfreundschaft nicht unhöflich überzustrapazieren. “Comto Erlan, Signora Shahane, Signora Bellatrix, ich bedanke mich vielmals für die Einladung zu diesem freudigen Ereignis. Hoffnungsvoll schaue ich auf diese neue Verbindung unserer Familien und auf Euren Traviabund!”
Die Anwesenden erhoben ihre Pokale ein letztes Mal, ein schlichtes, aber herzliches Zeichen des Einvernehmens und der gegenseitigen Wertschätzung. Als Bassiano und Therengar sich verabschiedeten, verweilte Shahane kurz an der Tür und legte Bellatrix eine Hand auf den Arm. „Er ist ein ruhiger, verlässlicher junger Mann. Ich wünsche euch, dass es Euch gelingt, auf dieser Grundlage etwas Starkes zu bauen.“ Bellatrix erwiderte den Blick und antwortete leise: „Das wünsche ich mir auch.“ Draußen war es bereits dunkel geworden. Doch über dem Palazzo Arindello leuchtete noch lange ein warmes Licht – Sinnbild für einen neuen Anfang zwischen zwei ehrwürdigen Häusern. Und wer genau hinsah, meinte vielleicht für einen Moment, den Schatten eines Mannes in Turnierrüstung hinter einem der Fenster zu erahnen – stolz, still und mit dem Ausdruck väterlicher Zufriedenheit. Bellatrix’ Vater Rondravio, so hätte man sich sagen können, war an diesem Abend ganz sicher nicht fern.