Briefspiel:Im Auge des Chaos/Rahastes

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Stadt Efferdas.png Briefspiel in Efferdas Stadt Efferdas.png
Datiert auf: Rahja 1044 BF Schauplatz: Efferdas Entstehungszeitraum: ab Sommer 2023
Protagonisten: siehe Übersicht und Zeitleiste Autoren/Beteiligte: Haus di Camaro.png Di Camaro, Haus Efferdas.png Elanor, Haus della Pena jH.png Horasio, Familie Ventargento.png Silberwind, Familie A Temelon.png Temelon, Haus ya Pirras.png Ya Pirras, Familie Trenti.png Trenti, Haus Legari.png Legari, Familie Lysandros.png Lysandros, Haus di Malavista.png Malavista, Familie Solivino.png Solivino, Familie Gerber.png Gerberstädter
Zyklus: Übersicht · Ein Zug über Letrans Felder · Widerstand ist zwecklos · Isyahadin · Im Rahjatempel · Kein Feuer der Leidenschaft · Aphestadil · Treffen wider die Usurpatoren · Rahastes · Madaraestra · Shihayazad · Senatswahl 1045 BF

3. Namenloser – Rahastes

Rahastes

Irgendetwas war anders in dieser Nacht. Es war nicht der Himmel, der mit seinen fast sekündlich immer wieder aufflackernden Blitzen die dadurch in ein düsteres Violett gehüllten Wolken darüber, Elmsfeuer gleich, sichtbar machte. Es war nicht das bedrohliche stete Donnergrummeln, welches mit diesem Hitzegewitter einherkam. Und auch der Platzregen würde kommen, wie er es so oft an diesen düsteren Tagen hier in Efferdas kam. Dieser Regen würde auf einen immer noch warmen Boden treffen, warm von der unerbittlichen Sommerhitze dieser verfluchten Tage, er würde die Straßen in einen Dunst tauchen, die der Dichte eines kalten Nebeltages in wenig nachstehen würde außer vielleicht seiner Ausdauer. All dies war gleich geblieben, genau wie die vielen Straßensperren, die Bewaffneten dahinter, die auf der Suche nach dem Feind in ihrem Verschlagen ausharrten und sich nichts sehnlichster wünschten als Ruhe, Schlaf und Frieden. Dem Schock und der treibenden Angst vor dem Ungewissen folgte für diese Leute nun die Erkenntnis, dass sie immer noch lebten. Für viele wirkte all dies dennoch schier aussichtslos, wie ein kurzer Aufschub vor dem unweigerlichen Ende und dennoch wuchs darin ein zartes Pflänzchen der Hoffnung. Doch auch das war nicht das, was irgendwie… anders war. Immer wieder fanden sich Stadtbewohner, die in die dunklen Gassen ihrer Heimat blickten und das Grauen erwarteten, in Form von Söldlingen der Rondrikan-Löwen, in Form von abtrünnigen Soldaten, Söldnern oder eben einer merkwürdigen Gestalt der Niederhöllen selbst und letztendlich feststellen mussten, dass sie… gerade nicht da waren. Natürlich, der Feind war da draußen. Aber für einen Gegner, der inzwischen als Gottlos, Skrupellos und Unerbittlich verstanden wurde, war dies ein ungewöhnliches Verhalten. Als hätten sich auf einmal die Prioritäten geändert. Immer mehr Augen richteten sich auf die leeren Straßen und alles, was sie sahen war, wie das Gewitter letztendlich doch seinen Platzregen entsendete. In die Stille mischte sich das Trommeln der Regentropfen auf die Dächer der Häuser und dem Kopfsteinpflaster der Gassen der Hafenstadt in der Coverna.

Dunkler Regen

Auch die Gruppe der Befreier wider dem Ursupatoren Serafanos Thirindar hatten sich auf ihre gefährliche Reise vorbereitet und hatten dabei das beklemmende Gefühl, dass das bisher noch viel zu einfach war. Man war in der Lage, die Höhle, in der sie sich befanden, weiter auszukundschaften und zumindest das Areal rund um den Phextempel war von hier erreichbar. Doch andere Orte wie den Hesindetempel oder die Kasernen in den Vorlanden konnte man wegen einiger eingestürzter Gänge von hier aktuell nicht erreichen, man musste an die Oberfläche.
Etwas entspannter hingegen war der Weg in die Gerberstadt, hier würde man in der Lage sein, die Höhlen bis an den Rand der Bezirkstore zu erreichen. Die Gruppen entschieden, dass diese Passagen im Dunst des abklingenden Gewitters vermutlich am sichersten sei, aber der Platzregen wollte partout nicht fallen und entsprechend verbrachten sie erst einmal eine quälende Zeit mit warten.

Die Aufgaben waren dennoch klar verteilt. Adaon di Malavista, Nevinia Ventargento und Daria Legari würden im Hesindetempel nach Informationen über diese Dämonenbrut suchen,
Nita Origan, Vigo di Camaro und Rahjabella Solivino würden Rhymeo della Pena einsammeln und für eine Unterredung zu seinem Cousin bringen und Erdano ya Pirras nebst Knappin Isida Legari und Liaiell di Camaro würden die Vorlande ausspionieren auf der Suche nach den Senatoren.
Da die Gruppe zur Gerberstadt sich nicht an die Oberfläche begeben musste, verabschiedete sie sich alsbald vom wartenden Rest und verschwanden in der Dunkelheit der Höhlen. Der Rest hatte sich über einen versteckten Eingang in Residencia nach oben begeben und lag nun verborgen in einer alten Palazzo-Ruine in Deckung und beobachtete die Straßen. Es mochten vielleicht noch eine, maximal zwei Stunden bis zum Sonnenaufgang sein, entsprechend war es düster, solange nicht Blitze den Himmel erhellten. Über ihnen lag ein stetes Gewittergrollen. Es war wirklich wenig los auf den Straßen. Eigentlich hätte es ihrer Meinung nach hier von patrouillierenden Söldlingen wimmeln müssen, aber die Straßen waren verlassen. Eine Falle? Aber es wusste ja normalerweise niemand, dass sie hier wären.
Sie entschlossen sich, weiter auf den unweigerlich kommenden Platzregen zu warten. Irgendwann vernahmen sie zusätzlich zum Donner ein Poltern über sich. Als wäre etwas auf den undichten Rest der zerfallenen Dachkonstruktion der Ruine gefallen und hätte dabei ein paar lose Ziegeln in Aufruhr gebracht. Mit großen Augen sahen sie sich gegenseitig an und flüsterten. „Ist da oben jemand?“
Sie scheuchten den Gedanken beiseite. Die Ruine hatte keine Treppen mehr, die nach oben führten, der Dachboden war morsch und wackelig. Es war undenkbar, dass ihnen dort jemand auflauerte, auf Grund einiger Zypressen, die entlang der einstigen Auffahrt zum Palazzo nun wild wucherten, war der Ort nicht einmal als Aussichtspunkt zu gebrauchen. Man sah im Grunde nur bis zur Straße und das war es dann. Schnell hatte man das Poltern wieder verdrängt, als endlich auch ein kleines Tröpfeln zu vernehmen war. Schutz vor Patrouillen mochte die Ruine liefern, vor Regen jedoch nicht, so merkten sie schnell, wie erste Tropfen auf ihr Haupt fiel. Es war Liaiell, die als erste bemerkte, dass an diesem Regen etwas nicht stimmte. Dort, wo die Gruppe von Tropfen getroffen wurde, färbte sich Haut oder Stoff rot. Und es schien ausschließlich an dieser Stelle zu regnen. Auch wenn es noch dunkel um sie herum war, so fehlte das Geräusch eines einsetzenden Regens. Sie wischte sich einen dieser Regentropfen von der Stirn und roch zunächst an ihrem Finger. Das war doch kein Wasser, die Konsistenz war dickflüssiger. Das war… Sie tippte mit ihrer Zungenspitze an den Finger… Blut!
Erschrocken fuhr sie aus der Deckung des Gebäudes heraus, um von außen einen Blick auf das Dach der Ruine zu werfen. Ihre Reisegefährten mahnten sie natürlich sofort, sich zurück in Deckung zu begeben, aber die instinktive Neugier, die der Liaiell inne wohnte, hatte längst gewonnen. Sie wagte sich bis zu einer der wilden Zypressen vor und warf einen Blick nach oben in die Dunkelheit. Noch sah sie nichts, aber dann flackerte das nächste Wetterleuchten auf und verriet sein Geheimnis.
Mit schreckgeweiteten Augen musste sie erkennen, dass sich auf dem Dach eine Leiche befand, die vor kurzer Zeit noch an diese Stelle geschmettert worden sein musste. Ein zweites Blitzen später erkannte sie nunmehr, dass die Leiche auch den örtlich begrenzten Regen verursacht hatte, denn der Leiche fehlten offensichtlich beide Arme und ein halber Oberschenkel. Da das Blut flüssig aus all diesen Öffnungen tropfte, konnte der Tod nicht länger als eine Stunde her sein, eher weniger. Wie war diese arme Gestalt nur dort hingekommen? Es wirkte, als hätte ihn etwas auf das Dach geworfen. Oder darauf fallen gelassen? Ein weiteres Wetterleuchten verriet, dass die arme Gestalt eine Rüstung trug, er musste einer der Rondrikan-Löwen sein.
So langsam dämmerte es ihr, warum hier so wenig los war. Sie waren hier nicht sicher. Entsprechend winkte sie die anderen zu sich. „Wir müssen hier weg. Sofort!“
Zweifel an dieser Empfehlung waren schnell aus der Welt geschafft, als die nächste Person bemerkte, dass es bereits aufhörte zu regnen, wenn sie sich nur einen Schritt zur Seite begab und dafür der „Regen“ auf der Haut eigenartig eisenhaltig schmeckte. Mehr aus Schreck, denn geordneter Strategie nahm die Gruppe die Beine in die Hand und rannte aus der Ruine heraus, zunächst wahllos umher, bis sie in einem Garten eines anderen Palazzos hinter einem kleinen Schuppen mit einer Tür mit eingefrästen Herzchen einhielten. Es roch etwas unangenehm an der Stelle, doch daran störte sich gerade niemand. Noch außer Atem blickten sie vorsichtig hinter dem Häuschen hervor, doch sie schienen wieder gänzlich alleine.
Am Horizont mischten sich einige hellere Rot- und Violetttöne in das trist blitzende Unwetter. Offensichtlich ging die Sonne irgendwo hinter diesem Gewitter langsam auf. Ein lauter Donnerhall ließ die Gruppe dennoch zusammenzucken. Sie vernahmen mit dem Knall das Echo des Donners, für den Bruchteil einer Sekunde sahen sie den Schein eines Blitzes und irgendwo hörten sie das Bersten von Holz. In ihrer unmittelbaren Nähe musste dieser eingeschlagen sein.
Noch einmal blickten sich alle an und atmeten einmal tief durch. Sie waren am Leben. Mit dieser Erkenntnis vernahmen sie nun ein immer stärker werdendes Plätschern rings um sie herum. Und auch sie selbst merkten schnell, dass nun endlich der Regen gekommen war. Der Schauer war unerbittlich. Es goss, als hätte jemand alles Wasser der Meere im Zorne auf den Boden gespuckt. So dauerte es keine zwei Minuten und die Gruppe war nass bis auf die Knochen. Der Garten, in dem sie standen, wurde in atemberaubender Geschwindigkeit schwammig, rutschig und matschig. Und immer wieder mischten sich Blitz und Donner in die Sturzflut. Die Protagonisten sahen sich vielsagend an. Bis auf die junge Tochter des Efferdgeweihten waren alle ob dem Regenguss sichtlich bedient, nur Liaiell schien das Wetter sogar ein wenig zu genießen. Wortlos entschieden sie sich, auf den Plan des Morgendunstes zu verzichten und sich jetzt schon zu trennen. So wenig, wie gerade auf den Straßen los war, war das Risiko zu verkraften.

Im Hort des Wissens

Der Weg von diesem Garten in der Residencia bis hin zum Hesindetempel war zum Glück nicht weit für Daria, Nevinia und Adaon. Angenehm war er dennoch nicht. Nicht nur, dass ihre Kleidung bis in die letzte Pore durchnässt an ihrer Haut klebte und man meinen konnte, der Regen hätte sogar die Farbe aus ihren Gewändern gewaschen, je näher sie dem Hesindetempel kamen, um so näher kamen sie auch den ehemaligen Rahjatempel und immer mehr war ihr Weg von Leichen gepflastert, die scheinbar aus großer Höhe fallen gelassen wurden, zugleich schwere Bisswunden aufwiesen. Sie alle trugen die Uniformen der Rondrikan-Löwen.
Vorsichtig blickten sie in den Himmel, aber außer den Bindfäden, die auf sie hinab prasselten, war weiterhin nichts zu sehen. Nein, sie durften keine Zeit verlieren. Flinken Fußes begaben sie sich an die Tore des Hesindetempels und klopften an. Ein kleiner Riegel war zu hören und das Scharnier eines Guckfensters wurde vorgezogen. Es bedurfte keiner Worte, der Türsteher konnte allein schon anhand des Ornates der Praiosgeweihten sehen, dass hier niemand auf Ärger aus war. Als nächstes war das Geräusch eines sich öffnenden Schlosses zu vernehmen und bald schon war der Eingang zum Hesindetempel einen Spalt offen. Der Türsteher winkte die drei hinein, sah noch einmal prüfend ins freie, bevor er die Tür eilig wieder zuzog und absperrte.
„Hesinde mit euch.“ sprach der Diener nur knapp und bot den Gästen instinktiv an, ihnen die Garderobe abzunehmen, nur um festzustellen, dass es für Mäntel aller Art ja gar nicht die Jahreszeit war. „Der Hesindetempel ist abgesperrt, es fällt mir wahrlich schwer, mich an so etwas zu gewöhnen.“ Bemerkte Daria traurig, während Nevinia ob des Temperaturunterschiedes zu draußen anfing zu zittern.
„Soll ich den hohen Gästen ein paar Decken besorgen?“ fragte der Diener freundlich. Adaon nickte. „Ja bitte. Und wenn es geht, ruft doch meinen Großonkel Nepolemo, sollte er da sein.“ „Er ist da, aber wie das so mit Personen Mitte 90 ist, es könnte etwas dauern, bis sein Geist an solchen Tagen klar genug für ein Gespräch ist. Gibt es sonst jemanden, der euer frühmorgendliches Anliegen bedienen kann?“ „Uns wurde Madolina ya Pirras nahegelegt.“ Fror nun auch Daria sichtbar. „Die Fachfrau für die Fachrichtung Familienhistorie, sehr wohl…“ Der Diener trat ab, während sich die drei in Richtung eines Kamins machten. Er war aus, denn schließlich war es Hochsommer. Aber es gab zumindest ein paar Sitzgelegenheiten und Bücher, in denen man schmökern konnte, bis Madolina oder Nepolemo eintrafen.

Erste Risse

„Was soll das heißen, Verstümmelt und Tot?“ fluchte Serafanos. „Das heißt genau, was es heißen soll.“ blieb Giacomo d'Oro kühl. „Irgendjemand oder irgendetwas bringt gezielt meine Soldaten um. Und das auf niederhöllisch grausame Art und Weise.“ Der Thirindar wanderte im Raum herum. „Das… passt doch nicht. Seitdem ich hier wohne, habe ich nur eine Stadt voller verweichlichter Sesselfurzer vorgefunden, nicht einer wäre im Stande, solche Gräueltaten in solch einer Qualität durchzuführen. Niemand hätte zu so etwas das Format. Und von wie vielen ermordeten Soldaten reden wir hier? Giacomo blickte zu Boden. „Aktuell Siebzehn.“ „SIEBZEHN?“
Der Zyklopäer war fassungslos und griff sich mit der Hand an die Schläfe. „Keine Macht der Welt sollte in der Lage sein, siebzehn eurer Söldlinge in einer Nacht zu töten! Welche Bestie haben die Efferdasier denn da aus den Niederhöllen frei gelassen?“ „Das fragen sich viele unserer Soldaten auch. Das Gerücht einer fliegenden, menschenfressenden Prostituierten macht die Runde. Viele haben sich in Verstecke zurückgezogen und trauen sich nun nicht mehr heraus. Sie sprechen allerdings von einer Strafe der Götter, weil wir den Rahjatempel niedergebrannt haben.“
Serafanos schlug mit der Faust auf den Tisch. „So ein Blödsinn. Idiotengerede! Das ist Efferdas, hier fliegt angeblich die ganze Zeit jemand in irgendeiner Form rum. Man behauptet das ja sogar von der Tochter des Efferdgeweihten. Das hier sind die Namenlosen Tage, der einzige Herr, der in dieser Zeit mit Flüchen hantieren könnte, ist der unsere!“ „Nun, ich vermute, nicht jedem in meinem Banner ist sich im Klaren, welchem Herrn er nun dient. Ohne eine genauere Aufklärung der Sachlage könnte die Hysterie unter ihnen eher noch wachsen.“ „Das ist mir völlig egal.“ Blieb der Lockenkopf unnachgiebig. „Nehme von mir aus ein paar deiner kräftigsten Leute und bring diese Deserteure notfalls mit Gewalt zurück auf die Straße. Sobald die in Sanct Parvenus merken, dass irgendetwas unsere Moral gebrochen hat, haben wir ein Problem. Zur Not fragt bei diesem Tarquino außerhalb der Stadt an, ob er einige Leute abbestellen kann.“
„Wäre es nicht angemessener, diesem Mörder auf die Spur zu kommen? Wenn er wirklich von den Efferdasiern ist, könnte sein Tod seinerseits deren Moral senken und die der unsrigen wieder stärken.“ „Wie gesagt, diese Weicheier sind nicht die Art Mensch, die solch eine Bestie auf einen Feind loslassen. Wenn es einen Weg gibt, diese Bestie zu zähmen und gegen unsere Feinde zu hetzen, dann kann uns das vielleicht noch zum Vorteil gelingen.“ Serafanos wandelte langsam zum Fenster und blickte heraus.
„Die Bestie zähmen?“ wurde Giacomo nun doch wütend. „Dieser Mann oder was auch immer das war, hat siebzehn meiner Männer umgebracht. Ich sehe die Notwendigkeit für Satisfaktion, nicht Kooperation!“ „Keine Sorge, ihr sollt eure Rache bekommen. Aber bitte nur eine Schlacht mit der Zeit, wir müssen erst einmal die Senatoren zwingen, ihre Verzichtserklärung zu unterzeichnen und den Senat zu unseren Gunsten aufzulösen. Und dazu müssen wir diese Jammerlappen von den Straßen halten. Das wird irgendeine außer Kontrolle geratene Geistergestalt sein. Könnt ihr nicht das Gerücht verbreiten, dass dieser Mörder nicht gezielt, sondern wahllos alle angreift?“ gab sich Serafanos etwas konstruktiver, er wusste, dass er mit einem wütenden Giacomo D’Oro vorsichtig sein musste.
„Laut meinen Quellen gibt es solche Opfer nicht.“ wurde Giacomos Stimme wieder sanfter, ohne dass sie deswegen besser gelaunt gewesen wäre. „Es greift also tatsächlich gezielt unsere Leute an, als Wesen unserer eigenen Domäne? Das… „er schüttelte den Kopf. „…, das muss sich doch fingieren lassen. Herje, wir sind so nah an unserem Ziel, wir dürfen jetzt nicht noch scheitern, weil eure Soldaten auf einmal nicht mit den Namenlosen Tagen zurechtkommen.“ Noch einmal blickte Serafanos durch das Fenster auf die Straße. Der Regen hatte aufgehört, die Sonne kam durch. Entsprechend fing der Boden an zu dampfen und es wurde diesig. „Nein, deine Leute müssen raus auf die Straße. Es steht zu viel auf dem Spiel. Lass dir was einfallen.“
Zögerlich nickte Giacomo, dann schlug er die Hacken militärisch zusammen. „Ich werde ihnen zeigen, dass Pflichtvergessenheit schlimmer ist, als lebendig verspeist zu werden.“ Dann drehte er auf dem Absatz und verließ das Gebäude in den Nebel.

Geister aus der Vergangenheit

Der Regen hatte zum Glück schnell wieder nachgelassen, dennoch waren an Erdano, Isida und Liaiell kein Körperteil und kein Kleidungsstück mehr trocken, als sie in dem so heiß ersehnten Dunst die Vorlande erreichten. Sie konnten sich aber so tatsächlich recht unbemerkt fortbewegen. Schemenhaft erkannten sie bereits die ersten Gebäude rund um das grüne Tor und suchten sich eine Deckung. Immer wieder hörten sie Stimmen, die militärische Befehle bellten, ganz so, wie man es rund um eine Kaserne erwarten würde. Gleichzeitig wurde es auch immer heller. Es würde nicht lange dauern und der Dunst wäre soweit emporgestiegen, dass er keinen Schutz mehr bieten würde.
Während ihr Blick hauptsächlich Richtung Porta Viridis ging, fiel Liaiell etwas auf der Wiese gegenüber dem Waffenarsenal auf. Etwas schien sich dort im Dunst zu bewegen. Sie knuffte Isida mit dem Ellenbogen und deutete auf die Stelle. „Ist da etwas?“ Auch die Knappin schürzte ihre Augen. Es dauerte ein wenig, sie konnten nichts ausmachen, doch dann offenbarte der weiter sinkende Dunst kleine rote Punkte. Sie leuchteten wie Rubine, ihr Schein schnitt sich durch das sonst diffuse, schummrige und graue Bild wie der Schein des Leuchtturms von Sylla durch eine dunkle Neumondnacht. Erst zwei… dann vier… dann acht… dann vielleicht vierzig. Und sie schienen sich zu bewegen. Und es wurden immer mehr. „Was… ist das?“
Ein kalter Windzug umfuhr die nasse Spionstruppe. Mit dem Wind bewegte sich auch der Dunst etwas weiter und schnell wurde klar, dass zu den roten Punkten in der Dunkelheit jeweils eine schemenhafte Geistergestalt dazu gehörte, die sich langsam durch die Stadtmauer waberte. Wie eine Armee marschierten sie langsam weiter und kamen als solche auch genau auf die Gruppe zu. „Schnell, verstecken wir uns!“ kam ein Impuls der Knappin und deutete auf eine kleine Mauer im Vorgarten von Arnax Silberfingers alter Schule.
Die Geister bewegten sich mühelos durch Stein und Fels, zielstrebig Richtung Altstadt. Natürlich waren diese Wesen auch den Stadtgardisten nicht verborgen geblieben, aus einiger Entfernung sahen sie, wie ein Gardist sich genau vor einen der Geister stellte und den Eindruck hinterließ, als wolle er ihn aufhalten. Der Geist blieb stehen, er wirkte… Menschenähnlich. Durchscheinend, aber immer noch menschenähnlich. Als würde er in seiner Geistergestalt gar eine Kleidung tragen. Das, was wohl die Arme des Geistes darstellten, fasste sich an den Kopf und es wirkte, als würde er eine Kapuze zurück ziehen. Was auch immer der Gardist gesehen hatte, es versetzte ihn in schiere Panik und laut schreiend rannte er auf einmal davon. Auch die anderen Gardisten um das grüne Tor herum waren sichtlich nervös und wussten nicht mit der Situation umzugehen.
Auch die von Erdano geführte Bande blickte wie gebannt auf die Szenerie vor sich. Schließlich kam auch auf sie ein Geist zu. Schnell duckten sie sich ganz hinter das Mäuerchen in der Hoffnung, die Schreckgestalt könnte sie dort nicht sehen, doch der Geist wanderte einfach durch die Mauer hindurch und kam auf die Gruppe zu. Einem jeden stellten sich die Nackenhaare hoch. Doch wenn sie jetzt einfach aufspringen und wegrennen würden, würden die Wachen am grünen Tor sie auch sofort entdecken. So blieben sie mutig und blickten den Geist an, der nun auch stehen geblieben war und die Menschen vor sich musterte. Langsam erkannte man die Schemen um die beiden rubinfarbenen Augen herum. Ja, er war menschlich. Durchscheinend, aber menschlich. Er trug eine Toga, dazu einen Lorbeerkranz auf dem Haupt. Alles wirkte, als sei er ein Relikt der dunklen Zeiten. Hätte das Wesen Beine gehabt, sie hätte geschnürte Sandalen getragen, um den Anblick eines alten Senatoren perfekt zu machen. Die Gestalt streckte nun den linken Arm aus, als wolle er die Gruppe grüßen. Dabei wurden seine roten Augen heller und kräftiger. Die Gruppe spürte die Angst in ihrer Brust wachsen.
Doch Isida nahm ihren Mut zusammen, stand auf und stellte sich mit ausgestreckter Brust vor den Geist, fasste sich mit der Faust der rechten Hand auf die linke Brust und nickte dem Geist zu. Dies schien zu funktionieren, der Geist senkte den Arm wieder und das glimmen in den roten Augen nahm wieder ab. Als wäre nichts gewesen, waberte die Spukgestalt weiter, durch die Knappin durch und weiter Richtung Altstadt. Isida lief ein Schauer über den Rücken, sie zog entsprechend die Schultern zusammen und steckte kurz den Kopf in den Nacken, bis das Adrenalin ihren Körper wieder verlassen hatte. Die anderen blickten irritiert auf sie.
“Was auch immer du getan habt, es scheint funktioniert zu haben.” lobte Erdano. “Aber… WAS hast du getan?” setzte Liaiell die Frage fort. “Das war ein alter Senator aus dunkler Vorzeit. Ich habe in Studien über die Stadt mal gelesen, dass die aktuelle Republik in Efferdas nicht die erste ihrer Art war. In der chaotischen Zeit rund um Halmar Horas gab es wohl schon einmal einen Senat hier, welcher erst viele Göterläufe später unter Soldatenkaiser Jel Horas zerschlagen wurde. Die Geister scheinen sich alle Richtung Altstadt zu bewegen, wo der heutige Senat zu finden ist. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, diese Geister ruft der Glaube an eine freie Republik…”
“Jetzt spekulierst du aber ein wenig sehr viel herein.", runzelte Erdano die Stirn. “Wie auch immer: Danke, es hat funktioniert.” Er blickte auf die Szenerie vor sich an der Porta Viridis, in der immer mehr Gardisten das Weite suchten.
“Diese alten Geister scheinen zumindest für viel Unruhe zu sorgen.” bemerkte Isida ganz richtig, während ein weiterer Geist langsam die Mauer entlang waberte. Dieses Mal in einer alten Legionsrüstung und glücklicherweise ignorierte er die Gruppe nun gänzlich. “Korrekt. Schnell, lasst uns zur Kaserne gehen. Dort werden sicher auch Geister sein, die für einiges an Unruhe sorgen. Vielleicht haben wir ja Glück und wir können etwas mehr tun, als nur uns ein Bild der Lage zu machen. Wenn es uns jetzt gelingt, die Senatoren zu befreien, dann ist dieser Putsch so gut wie gescheitert!” fasste Erdano eine ungeahnte Hoffnung. “Na dann… für die Freiheit und die Republik.” schmunzelte Liaiell und sprang über das Mäuerchen und auf die Straße, immernoch geduckt und vorsichtig, aber zielsicher richtung Kaserne.

Im Lager vor dem Tor

Eine Etage tiefer hatten Nita, Rahjabella und Vigo inzwischen Rhymeo erreicht umd ln der Gerberstadt Avedane und Tharinda zusammengeführt. Auch sie waren nicht trocken geblieben, da der Sturzregen natürlich auch in die Höhle geflossen war und so die ein oder andere Stelle so hoch mit Wasser flutete, dass man durchwaten musste. Das Wasser war ihnen dabei teilweise bis zur Brust geschlossen. Nun aber waren sie nahe der Stadtmauer in der Gerberstadt. Und aus den Kanälen dieses Ortes roch es nach dem täglichen Handwerk der Bewohner. Ammoniak. Die fünf hielten sich parfümierte Tücher vor den Mund, doch den Geruch des steten Unrats konnte es kaum überdecken. Die Frage kam auf, ob Tarquinio die Leute überhaupt empfangen würde, wenn sie rochen wie frisch gegerbtes Leder, aber Rhymeo versicherte ihnen, dass er seinem Vetter die Tür nicht verschließen würde.
Zum Glück hatte sich der Rahjageweihte auch bereit erklärt, das Gespräch mit Tarquinio zu suchen und sah die Chancen in der Tat nicht als Hoffnungslos an. Er war sich sicher, wenn man ihm nur erzählen würden, was hinter den Mauern, die er bewachte geschehen würde, dann würde er die Seiten wechseln. Und wenn das geschähe, dann wäre dieser Putsch endlich beendet. Doch bis dahin musste man erst einmal ankommen. Möglichst, ohne sich zu übergeben. Angesicht des Gestanks eine wahre Geronsaufgabe. “Los gehts…” ging Nita nach vorne. Der Rest folgte ihr…zögerlich.