Archiv:Abagund, Romin und die Folgen (BB 21)

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Abagund, Romin und die Folgen
Gerilian von Torrem im Gespräch
mit dem
Baron von Veliris

Diesmal hatte es mich gen Unterfels gezogen, um genauer zu sein, in die Nähe von Unterfels, denn etwas abseits der Residenzstadt und der Reichsstraße liegt die große Schloßanlage der Freien Herren von Veliris. Baron Ariano war einer der wenige Horasier, der selbst auf dem turbulenten Baihîr zu Abagund in Albernia zugegen war. Gegen den Willen Königin Invers und ihres Gemahls wurden dort Entscheidungen von weitreichender Bedeutung getroffen, die weit über die Landesgrenzen Albernias hinauswirken dürften. Wobei die Wahl eines neuen Grafen von Bredenhag dabei noch von geringster Bedeutung sein dürfte.
Die Rolle des Barons ist dabei deswegen so brisant, weil er noch im letzten Jahr der offizielle Leiter der von Amene-Horas gen Cumrath gesandten Delegation war, in diesem Jahr aber eine persönliche Einladung Königin Invers erhalten hatte und neben der offiziellen Delegation unter Staats-Marschall Folnor Sirensteen von Irendor als Privatmann gen Albernia reiste.
Der Herr des Velirial, wie das prächtige Schloß mit seiner weitläufigen Parkanlage genannt wird, empfing mich in seinem großen Kabinett. Der großen Saal war mit schwarzen und weißen Marmorplatten ausgelegt. Eine vielfach geschwungene Gewölbedecke, die über und über mit Pflanzenbildern bemalt war, dominierend natürlich die Lilie derer von Veliris, wölbte sich über meinem Kopf. Der Baron hatte mich zuvor ein wenig herumgeführt, da ich heute zum ersten Mal in diesem Schloß des Hauses Veliris war. Bislang kannte ich nur die Stadtresidenz zu Altbomed. Der Baron machte mich auf den schönen Schreibtisch aufmerksam.
„Dieser Tisch stammt aus der Zeit König Barjeds und soll dereinst im Vinsalter Schloß gestanden haben", der Baron umrundete den riesigen vergoldeten Tisch, dessen Beine Adlerstelzen nachempfunden waren und setzte sich auf den riesigen Ledersessel.
„Auch aus dem Vinsalter Schloß?"
„Nein!", erwiderte Baron Ariano, „seht doch die Lilie hier auf der Spitze der Lehne, der kommt aus Veliris. Baron Caelon, der Talerbaron, hat ihn für sich anfertigen lassen."
„Der Talerbaron?"
„Unermeßlich, heißt es", Ariano strich über das glänzende Leder, „aber seinen Beinamen hat er von der Bevölkerung bekommen, weil er als Obermünzmeister Grangorias, heute liegt das Amt beim Baron von Tikalen wie ihr wißt, die Silbertaler Grangorias hat prägen lassen. Allerdings bestanden seine Taler nicht aus lauterem Silber." Der Baron machte eine Pause und wartete.
„Sondern?", fragte ich auffällig interessiert.
„Sondern", nahm der Baron seine Erzählung wieder auf, „aus einer minderwertigen Legierung. Daher war er so reich! Als der Herzog das später bemerkte, die Münzen waren im ganzen Land verrufen, entzog er dem Haus Veliris das Münzprivileg. Aber das nur so am Rande. Euch interessiert doch sicherlich nicht die Geschichte des Hauses Veliris."
„Zwar schon", versuchte ich auszuweichen, „aber nicht heute."
Der Baron lächelte nur.
„Baron Ariano, ihr seid einer der wenigen Adligen dieses Reiches, der bereits Dienste für die Krone wahrgenommen hat und dem gleichzeitig nachgesagt wird, ein Anhänger des Kusliker Fürstengeschlechtes zu sein."
„Wenn Ihr das sagt."
„Aber man sagt sich auch, daß Euer Verhältnis zu Kaiserin Amene weit weniger gespannt ist, als man das gemeinhin glauben sollte."
„Wer im Norden Vinsalts wohnt und sich nicht mit dem Kaiserhaus arrangiert, müßte ein vermessener Tor sein. Aber um gar nicht lange herumzureden. Es ist ja bekannt, daß das Haus Veliris dereinst gute Kontakte zum Haus Galahan unterhielt, meine Kinder sind zeitweilig am Hofe Fürstin Kusminas aufgewachsen..."
„Es heißt Eure jüngste Tochter schwärme seit frühesten Kindertagen für den Prinz und sie hätte ihn vor Kuslik nur deswegen nicht unterstützen können, weil ihr sie hier im Velirial eingesperrt hattet."
„Meine Tochter ist mit dem Bruder der Baronin von Efferdas verheiratet", reagierte der Baron ausgesprochen kühl, so daß ich lieber schnell den Gegenstand des Gespräches wechselte, denn der Baron ist für seine Temperamentsausbrüche berüchtigt.
„Ihr seid nun schon seit einigen Wochen aus Abagund zurückgekehrt, über den Grund Eurer Reise und die tatsächlichen Vorkommnisse kursieren aber schon seit Tagen die wildesten Gerüchte durch die Kusliker und Vinsalter Salons. Erklärt uns doch bitte zunächst einmal, was dieser sogenannte Baihîr ist."
„Seht Gerilian, dieser Rat stammt noch aus den Gründungstagen Havenas, als eine Versammlung der Kapitäne die Geschicke der Stadt lenkte. Auf diesen großen Baihîrs hatte dann ein jeder „dem Albernia am Herzen liegt" eine Stimme."
„So konntet Ihr also auch bei der Grafenwahl mitstimmen?"
„Mir lag Albernia schon immer am Herzen", lächelte der Baron schelmisch, „Principe Folnor hat im übrigen auch mitgestimmt."
„Wie bitte?" Das verschlug mir fast die Sprache. Bislang war nicht viel über diesen Baihîr bekannt geworden.
„Wir waren in Albernia, Ihr dürft das alles nicht so eng sehen. Das sind eben die barbarischen Traditionen dieses Landes. Viel interessanter ist da schon, für wen Folnor stimmte."
„Und?"
„Für diesen grausamen Crumolder."
„Für wen?"
„Oh verzeiht, ich vergaß. Vogt Jast Irian von Crumold, ein Feind der Bennains, der sich nicht scheut einen Aufstand in Blut zu ersticken. Eher unbedeutend aus horasischer Sicht, wäre er nicht eine Mirhamionette Fürstin Isoras, die somit wieder einen Fuß in Albernias Tür hat."
„Der Staats-Marschall hat also für Isora gestimmt?"
„So kann man es sagen, wenngleich mich das nicht überrascht hat, ist die Fürstin doch von unserer Kaiserin entsandt worden die Unterwerfung Romins zu fordern." Der Baron sah mich erwartungsvoll an, aber das Isora von Elenvina die letzten zehn Jahre im Vinsalter Exil gelebt hatte, war im Horasreich kein Geheimnis, so daß mir die Verbindung durchaus bewußt war. Um dem Baron aber einen Gefallen zu tun, spielte ich den Unwissenden.
„Fürstin Isora?" Der Baron war zufrieden.
„Genau die. Zehn Jahre lang lebte sie im Kaiserlichen Palast zu Vinsalt und wir alle wissen zu genau, wie ähnlich sich die beiden Frauen sind. Eine Achse Vinsalt-Elenvina-Havena ist weit mehr als reine Fiktion. Jetzt wo Isora wieder zu Macht und Einfluß gelangt, wächst auch das Gewicht Amenes."
„Und das gefällt Euch", fragte ich rhetorisch.
Der Baron spielte mit einer Schreibfeder und ließ sich mit seiner Antwort Zeit. „Wenn sie damit den Einfluß des Alten Reiches mehrt und die Kräfte ihres Hauses über den Kontinent aufteilt", zuckte er schließlich mit den Schultern, „dann soll es mir recht sein. Was mir aber nicht recht war, war das Vorbringen Isoras."
„Wieso?"
„Sie forderte Prinz Romin auf sämtliche Ansprüche auf die Güter seiner Familie aufzugeben und die Kaiserin werde dann im Gegenzug alle Anschuldigungen ob seiner Taten fallen und ihn heimkehren lassen..."
„...was der Prinz natürlich ablehnte?"
„Natürlich, aber damit hatte die Kaiserin ja gerechnet, denn dann ließ sie den Frieden von Weidleth einklagen, den er gebrochen habe. Daraufhin konterte der Prinz gekonnt, daß er diesem Frieden nicht unterliege, da er zur Zeit keines Königs Eid geschworen hätte und somit für ihn Verträge dieser Art nicht bindend seien."
„Worüber sich aber doch wohl streiten ließe?"
„Schon recht, Esquirio von Torrem, aber das war gar nicht der Garadanzug unserer Kaiserin. Mit der nur ihr eigenen Grausamkeit, Härte und man muß es neidlos zugestehen, Schläue, ließ sie durch Isora dann den Frieden von Weidleth gegenüber des Prinzen albernische Gefolgsleute einklagen, die ja weißpraios unter das Vertragswerk fallen. Und sind wir ehrlich, ein derartiger Frevel muß natürlich mit dem Leben bezahlt werden."
„Die Kaiserin forderte also die Rechte Romins gegen das Leben seiner Gefolgsleute?"
„Welch’ verzwickte Entscheidung nicht wahr?"
„Und wie kam der Prinz, bei allen Göttern aus diesem Maraskenrad heraus?"
„Die Baronin von Hohelucht, zuvor selbst eine der Kandidatinnen um das Grafenamt und ranghöchste Unterstützerin Romins, die mit ihm vor Kuslik kämpfte, bat sich an, an seiner Statt das Urteil anzunehmen. Was Isora, um die Gewissensqualen des Prinzen weiter zu belasten auch annahm."
Ich konnte mir ein leises Lächeln nur schwer verkneifen, wenngleich mich das Schicksal der tapferen Frau durchaus berührte.
„Was grinst Ihr da so dummdreist", fuhr mich der Baron auch sodann an.
„Alleine durch das heldenhafte Opfer einer Albernierin konnte die endgültige Niederlage des Hauses Galahan abgewendet werden, während die Galahanisten des Alten Reiches auf ihren Landschlössern saßen und zusehen mußten, wie eine Übermutaktion des Prinzen beinahe alles gefährdet..." Das Gesicht des Barons versteinerte sich immer mehr. Mir kam da gerade ein Gedanke.
„Baron Ariano, für wen habt Ihr eigentlich auf dem Baihîr abgestimmt?"
„Nicht für die Hoheluchterin", antwortete er kühl.
„Aber doch bestimmt nicht für den Kandidaten des Prinzen, oder?"
„Der Prinz hatte gar keinen Kandidaten!"
„Also für wen?"
Der Baron zögerte.
„Laßt mich raten..."
„Bevor Ihr Euch zu sehr überanstrengt", reagierte der Baron sichtlich ertappt, „will ich Euch lieber gleich antworten. Ich stimmte für Ritter Firuslaus von Joborn-Eichengrund."
„Ha! Für einen Hussbeker!"
„Für einen Andergaster", versuchte der Baron nur noch schwach abzulenken.
„Der Rat der noch verbliebenen Galahans im Alten Reich hat Euch gen Abagund gesandt, um dem Prinzen den Kopf zu waschen. Mit seiner heißspornigen Aktion Kuslik im Handstreich nehmen zu wollen, ohne die alten Gefolgsleute zuvor benachrichtigt zu haben, hat er die gemeinsame Sache in Gefahr gebracht. Schließlich geht es ja nicht nur darum, daß der Prinz Kuslik zurückerhält. Es geht schließlich um die Krone."
„Ihr denkt wie ein Galahanist", bestätigte mich der Baron unbewußt.
„Also habt Ihr ihm klargemacht, daß er noch immer von den Geldmitteln aus dem Alten Reich abhängig ist. Er wollte Euch aber wohl nicht so recht zuhören, so daß Ihr dann vor allen Augen und insbesondere vor seinen Augen, dann für den Hussbeker abgestimmt habt. Der alte Efferdan von Hussbek ist ohnehin gerade dabei die Trümmer der Galahans aufzusammeln, seit seine Familie zu den Königsgeschlechtern des Reiches gehört."
„König von Andergast", sagte Baron Ariano verächtlich.
„Ihr wißt nur zu genau, was das bedeutet. Alleine die Königshäuser haben in der Tradition des Lieblichen Feldes einen Führungsanspruch über die anderen Familien. Sei es nun der König von Andergast, oder ein König von Drôl."
„Nun ja", zuckte der Baron resignierend mit den Schultern, „wenn dieser Pantoffelheld nicht endlich beginnt seine Schritte zu überdenken, steht er eines Tages alleine in Havena. Und wieviel der albernischen Königin ein landloser Prinz ohne Unterstützung ist, mag ich nicht vorherzusehen. Aber immerhin hat die Kaiserin einen kleinen Fehler begangen."
„Wieso?"
„Sie forderte den Prinzen auf seine Rechte aufzugeben!"
„Und?"
„Darüber dürft Ihr auf Eurer Heimreise in aller Ruhe nachdenken. Ich habe heute ohnehin schon zu viel gesagt." Sprachs und ließ mich mit meinen Fragen alleine. Eine Situation, die mir wohlbekannt war. Ob es an mir liegt...?