Archiv:Eine Farce in vier Teilen - Horasios Tribunal (BB 40)
Eine Farce in vier Teilen - Horasio della Pena hingerichtet!
von Savanyo Tsafried Eslam Ensiren
Oberfels/Unterfels: Überraschende Wendung im Yaquirbruch: Der berühmt-berüchtigten Condottiere Horasio della Pena wurde von Getreuen des Grafen Rimon Salingôr festgesetzt. Dieser sorgte nun dafür, dass das in einem rechtmäßigen Prozess die zahlreichen Missetaten des Horasio (u.a. die Ermordung der Gräfin Alwene Salingôr, deren Sohn und Erbe Rimon ist) behandelt wurden.
Eigentlich hätte der Prozess in Unterfels stattfinden müssen, aufgrund des überraschenderweise großen Interesses an diesem Prozess durch Edelleute beider Yaquirien wurde der Prozess unter Leitung von Comto Erlan Sirensteen von Irendor, dem Unterfelser Praetor nobiles, jedoch im Firunssaal des Palazzo Yaquirbruch durchgeführt.
Noch während Horasio in seiner Zelle saß fing er an ein Schreiben aufzusetzen, was er vermutlich mit Bestechung (ein weiteres Delikt!) aus seiner Zelle schmuggelte und durch seine Helfershelfer vervielfältigen ließ. Hier kündigte er seinen Prozess an und erklärte schon jetzt zu wissen, wie das Urteil ausgehen würde - welch Götterlästerei! Als ob ein Mensch, und gerade einer wie Horasio, schon vorab das Ergebnis einer praiosgefälligen Ermittlung im Rahmen eines Prozesses erahnen könnte!
Der Angeklagte selbst - aber auch seine in kleiner Zahl angereisten Anhänger - erwiesen dem hohen Gericht und dem Grafen natürlich nicht den notwendigen Respekt, sondern machten die Gerichtsverhandlung zu einer Farce - in vier Teilen:
Ad primo: Der Ersatz-Verteidiger Natürlich hatten der Graf, dessen Gram über den gewalttätigen Tod seiner Mutter ihn immer noch sichtbar zeichnete, und dessen Berater dafür gesorgt, dass dem Angeklagten ein guter Verteidiger zur Verfügung gestellt wurde, damit praiosgefällig das Recht festgestellt werden konnte. Hierzu wurde der allseits anerkannte Rechtsgelehrte Dementio Fuxbauer, vom ehemaligen Staatsorden des Goldenen Adlers, beauftragt. Dieser hatte vor Jahren den Anspruch der Cavalliera Carmina von Sirensteen-Schelf (der Schwester des verstorbenen Marschalls und Muhme des Richters!) auf die Ländereien Irendors begründet. Fuxbauer hatte, nachdem er in einer Schlacht das Augenlicht und den rechten Arm verloren hatte, seine scharfen Waffen - den Verstand und die Stimme - so weit geschärft, dass er nun in Santa Noiona della Quiescosa in den Goldfelsen den Rechtsbeistand der unglücklichen Bewohner sicherstellt.
Doch bevor der Angeklagte in den Saal geführt wurde, meldete sich bei den zahlreichen anwesenden Gästen der Geweihte Auricanius von Urbet vom Turaniterorden zu Wort und erklärte, er werde die Verteidigung übernehmen. Das sorgte verständlicherweise für ein wenig Aufruhr, schließlich hatte man schon für einen kompetenten Verteidiger gesorgt, doch Richter Sirensteen akzeptierte ihn als Verteidiger. Eine Entscheidung, die der Comto wohl kurze Zeit später selbst bedauern sollte, zeigte sich der “Verteidiger” doch in der horasischen Prozessführung nicht so bewandert, wie es Fuxbauer sicherlich gewesen wäre. Es fing damit an, dass nach der wohlbegründeten Anklage von Ehrwürden Cerdon von den Aldigonensern der Verteidiger erst einmal die Zuständigkeit des Gerichts anzweifelte, da della Pena schließlich hochadlig sei. Aufregung herrschte im Saal - kein Wunder, denn erst will man vor Gericht wen verteidigen und dann hält man das Gericht nicht für zuständig. Heilige Noiona! Während Fuxbauer vorab Abschriften über den Fall zur Verfügung gestellt wurden, aus denen beispielsweise hervorging, dass die Krone bestätigte, dass Horasio della Pena niemals Hochadliger war, wusste dies Auricanius von Urbet wohl nicht. Im nächsten Versuch zweifelte er dann die Unbefangenheit des Richters und der Schöffen an, wo ihn besagter Richter - und die Schöffin Gerone vom Berg - kurz erklärten, warum dies nicht so sei. Aber auch ein blinder Greif erschlägt mal einen Dämonen - und so stellte der Schöffe Amaldo Amato Piastinza fest, dass er wohl schon befangen sei, so dass hier der Schöffe ausgetauscht werden musste.
Ad secundo: Der Angeklagte An den Höfen des Reiches gibt es ein Sprichwort - der Angeklagte, der sich selber vor Gericht verteidigt, hat einen schlecht beratenen Mandanten. Eine Abwandlung dieses Satzes könnte auch auf Horasio della Pena hinweisen, denn der umtriebige Signore ward sich nicht zu schade immer wieder in der Verhandlung zu unterbrechen, spottende Kommentare abzugeben, den dem Prozess natürlich beiwohnenden Grafen Rimon zu beleidigen und das hohe Gericht verbal und am Ende sogar körperlich (zu versuchen) das Gericht anzugreifen. Und das kurz bevor dort das Wort “Freispruch” ertönte (aber zum Urteil später!).
Ad tertio: Der Zeuge Man möge diese Zeilen nicht falsch verstehen - der einzige beantragte Zeuge des eingesprungenen Verteidigers ist nicht die Farce, sondern erneut das Verhalten des Verteidigers. Anstatt - wie Fuxbauer ursprünglich - eigene Zeugen zu nominieren und vor der Verhandlung das dem Gericht bekanntzugeben, schien er sich lieber den Perainefrüchten hinzugeben und war dann ganz überrascht ob der hierzulande geltenden Prozessordnung, wonach er die Zeugen vorab hätte benennen müssen. Comto Sirensteen, der jedoch anscheinend befürchtete, dass das praiosgefälligste Urteil nicht überall akzeptiert werden würde, wenn man dem unerfahrenen Verteidiger nicht unter die Arme greifen würde, erlaubte dann die Vernehmung eines Zeugen. Ein Zeuge, der zum Zeitpunkt der meisten Taten der Anklage noch nicht einmal geboren war - Romualdo Filbûrn della Pena, der junge Sohn des Angeklagten. Was der Verteidiger damit bezweckte muss in den Schatten bleiben, denn dass auch ein Horasio della Pena als Vater vom eigenen Sohn geliebt wird, war sicherlich keine Aussage von inhaltlicher Relevanz für dieses Verfahren.
Im Schlussplädoyer verlangte die Anklage eine Verurteilung wegen Mordes, versuchten Mordes, Brandschatzung, Landfriedensbruch, Erpressung, Räuberischer Erpressung, Steuerhinterziehung, Betrug, Gotteslästerung, Aufwiegelung, Tierquälerei, Entführung, Widerstandes gegen die Staatsmacht, Amtsanmaßung, Gefängnisflucht, Hausbesetzung, Erschleichen von Leistungen und diverser weiterer Vergehen. Doch anstatt dass die Verteidigung hier direkt Stellung zu bezog, fühlte man sich wie im Repetitorium an der Universität zu Methumis, denn schon wieder versuchte die Verteidigung die Unzuständigkeit des Gerichts festzustellen, was natürlich der Verteidigung nicht oblag.
Nach eingehender Beratung entschied sich das Gericht zuerst den Angeklagten freizusprechen - in den Punkten der Steuerhinterziehung und der Tierquälerei. Das aus dem Publikum (notabene nicht vom Verteidiger…) eingebrachte Argument, dass in Sachen Tierquälerei sicherlich nicht “Prehms Tierleben” aus Thorwal als maßgebliches Standardwerk zur Referenz herangezogen werden kann, schien das hohe Gericht zu überzeugen und bei der Steuerfrage schien man auch den Ausführungen des Entlastungszeugen zu glauben.
In den anderen Punkten entsprach man jedoch nahezu vollständig den Vorwürfen und entschied sich - abgeschwächt im Vergleich zur Forderung der Anklage - zur Vierteilung des Angeklagten im Namen des Kaisers, des Reiches und der zwölfunteilbaren Götter. Da die Verteidigung nicht rechtzeitig genug Berufung eingelegt hatte, wurde das Urteil kurze Zeit später vollstreckt, da der immer noch vom Tod seiner Mutter getroffene Grafi Rimon keinesfalls Gnade vor Recht walten lassen wollte. Mit magischer Verstärkung wurde das Urteil vollzogen und Horasio della Pena muss nun für seine Schandtaten vor der Seelenwage Rethon büßen.
Ad quarto et finito: Das Testament Einen Tag später fand im Rahmen des 1. Boron die Verlesung des Testaments des verstorbenen Horasio della Pena statt. Hatte er sich nicht schon in der Verhandlung selbst genug belastet (zweifelsfrei mit Unterstützung des nominell sich Verteidiger nennenden Auricanius), so versuchte er noch nach seinem Tode die böse Zwietracht zu säen und erklärte dann auch eher beiläufig wie bei einem auf den ersten Blick harmlosen Inrah-Zug, dass er zwar die Gräfin Alwene wohl nicht getötet habe (ob man dieser Aussage trauen kann sei natürlich dahingestellt!), aber dass er es gerne gemacht hätte - insofern zeigte sich bereits einen Tag später, dass der Henker, der die Vierteilung überwachte und vollendete, ein gerechtes Werk getan hatte. Das am Ende sich dann noch ein möglicher Fluch, den Graf Rimon, Erlan Siren Sirensteen, Tilfur Sal della Trezzi und Alricillian von Veliris treffen sollte, als übles Blendwerk entpuppte, entsprach dem stets flatterhaften Charakters des Kullbachers. Ironie der Geschichte war es jedoch, dass gerade dieser Teil der Farce auch der praiosgefälligen Wahrheitsfindung diente: Denn es zeigte sich, dass der “Fluch” des Horasio in Wirklichkeit eine ausgeklügelte Finte einer Zahori war, um den ruhelosen Geist der verstorbenen Gräfin Alwene endlich friedlich in Borons Hallen einkehren zu lassen. Bevor dies geschah, konnte die Stimme Alwenes, die - fast genau einen Tag nach der Hinrichtung Horasios - durch die Zahori sprach, feststellen, dass sie nach dem Tod ihres Mörders endlich ruhen könnte.
Interessant wäre es gewesen, wie der Prozess geendet hätte, wenn Horasio della Pena durch Dementio Fuxbauer gut verteidigt worden wäre, wenn della Pena mit dem Gericht kooperiert und seine Missetaten gestanden hätte. Doch statt einer dafür notwendigen Einsicht gab es stattdessen eine Farce in vier Teilen, die am Ende doch ihr Gutes hatte!