Odil (Heiliger)
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Vornehmlich in Phecadien und dem Windhag angerufener Volksheiliger der Travia-Kirche, wirkte vermutlich im 4. Jahrhundert nach BF. Eine bald nach Ende der Herrschaft der Priesterkaiser entsandte Commissio der Travia-Kirche konnte allerdings keine belastbaren Beweise erbringen, ob es sich lediglich um einen populären Mythos oder in der Tat um göttliches Wirken handelte. Das tat freilich der Verbreitung der Legende keinen Abbruch – in den südlichen Nordmarken entwickelte sich sogar zeitweise ein regionaler Heiligenkult um die Person des Odil, der wohl in der Wildnis um Schutz des Lagers angerufen wurde. Noch heute erhalten ist ein Wandgemälde in einem windhag’schen Haus der Travia, das ihn neben anderen Heiligen mit einem dargebotenen Laib Brot und gesenktem Dreschflegel zeigt. Außerdem ist dem heiligen ein Schrein im Travia-Tempel zu Venga ihm gewidmet.
Sanct Odil gilt als Ahn des phecadischen Patriziergeschlechtes Streitebeck.
Die Legende von der Läuterung des lästerlichen Gurd
Es war einmal vor langer langer Zeit, da herrschte ein mächtiger Fürst, Gurd der Gewaltige, über das Land. Von der See reichte seine Macht bis über die Berge und Täler an die Flüsse und Ebenen hinan. So groß und gewaltig war er, dass ein jeder schon erzitterte, erklang nur sein Name.
Doch begab es sich, dass er ob seiner Macht und seines Reichtums vergaß, die Götter zu ehren und sich sein Geist und Gemüt verfinsterten. Um seinen Hochmut zu strafen, hieß der Götterfürst darob sein Land von heißer Sonn versengen. Vieh und Ernte verdarben und die Menschen litten Kummer und Not. Doch Gurd blieb fest in seinem lästerlichen Stolz. Darob sandte die Herrin Rondra Blitz und Sturm. Doch auch ihr Zorn vermochte des Lästerlichen Herz nicht erreichen. Da sandte Herre Efferd seine Fluten. Die Flüsse und Seen traten über die Ufer und des Fürsten Schiffe kehrte nimmer von ihren Fahrten heim. Doch noch immer blieb Gurds Seele finster und dunkel. Als aber die Herrin Travia sah, dass ihrer Geschwister Zorn den Eitlen nicht zu ändern vermochten, da gab sie ihm ein Mal, auf dass ein jeder Mensch sich von ihm abwende. Und so wurde Gurd der Stolze einsam. Seine Nächsten verließen ihn, ebenso seine Diener und Knechte und wo immer er hinkam verschlossen die Menschen ihre Türen vor ihm und wiesen ihn von ihren Feuern.
Da sank des Stolzen Herz und Mut und er erkannte seine Schuld und Schande. Doch da er vor die Göttin treten und um Vergebung bitten wollte, wies man ihn auch an den Pforten ihres Tempels ab. Und die Geweihte hieß ihn erst wiederkehren, wenn er nimmer der alte sei. Da die Göttin ihn verstieß, verzweifelte der Fürst und zog rast- und ruhelos durch die Lande. Doch wo immer er auch hinkam verschlossen die Menschen Tür und Tor vor Gurd dem Einsamen.
Als dann die Tage ohne Namen anbrachen, da kam Furcht über den Lästerlichen. Am ersten Tag quälte ihn der Durst, am zweiten der Hunger. Doch niemand hieß ihn sich setzen am gastfreundlichen Tisch. Am dritten Tage kam ein großer Nebel über ihn, doch wo immer er an die Türen rührte, blieben diese ihm verschlossen. Am vierten Tage dann kam die Kälte über ihn. Doch wiesen die Menschen ihn von ihren Herdfeuern. So fand der Wahnsinn ihn am fünften Tage.
Da die Menschen ihn von sich wiesen, drang er mit Gewalt in ihre Häuser ein, und war wilder denn die Wölfe des Waldes. Darob zogen die Menschen aus, das Ungeheuer zu erschlagen. Doch keiner vermochte es. Aber Odil, eines Bäckers jüngster Sohn, erkannte den Menschen in dem Wesen und wusste seine Wildheit zu bezwingen. Bewaffnet mit kaum mehr als festem Göttervertrauen ging er in den Wald zu dem Monstrum, das einst ein Fürst gewesen. Und dort entfachte er ein Feuer, bat die Herrin Travia um ihren Schutz und legte sich zum Schlafe nieder. Der wilde Gurd, angelockt von den Flammen, näherte sich seinem Lagerplatz. Und als Odil ihn kommen hörte, erhob er sich, trat aus dem Schein der Flammen und sprach: „Wer immer Du sein magst, trete näher und sei mein Gast!“ Und da er dies sprach, war Gurd der Wahnsinnige bezwungen. Ganz Mensch trat er an das Feuer und sie teilten Brot und Wein. Von jenem Tage an war der Fürst frei von göttlichem Fluch und er herrschte fürderhin als Gurd der Gute weise und gerecht über seine Lande. Odil aber, der ihn hatte bezwingen können, machte er zum ersten Ritter an seinem Hofe.
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