Briefverkehr zwischen Simona di Camaro und Veciano della Turani

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Der folgende Briefwechsel kam zustande, nachdem Simona di Camaro den Draconiter Veciano della Turani im Tempel zu Efferdas kennenlernte. Bei seiner Abreise versprach er, ihr ab und an zu schreiben, und der junge Mann hielt sein Wort früher als gedacht.

Von Veciano della Turani an Simona di Camaro, 19. Hesinde 1033 BF

Hochverehrte Simona,

gleich zu Beginn dieses Briefes muss ich Euch bitten, meine unförmige Handschrift zu entschuldigen, die einzig auf das unrhythmische Rumpeln der Kutsche zurückzuführen ist. Doch so ungemütlich die Fahrt auch sein mag, gibt sie mir doch viel Zeit, über die vergangenen Tage in Efferdas nachzusinnen und mich an die schönen Gespräche zu erinnern, die wir führten.

Ganz besonders möchte ich Euch für die umsichtige Warnung vor ter Gruchten danken, derentwegen ich mich nicht weiter mit diesem unsinnigen Machwerk beschäftigen werde. Es scheint mir wesentlich passender, eine Lektüre zu lesen, die von einer solch profunden Kennerin der Materie wie Euch empfohlen wurde. Vielleicht wird es Euch daher wenig verwundern, dass mein Lesestoff für die Heimreise aus der Feder eines gewissen Hortulani stammt. Über die Bewegung der Wandelsterne, ein ziemlich abgenutzter Octavo, der mir im Antiquariat auf geradezu schicksalhafte Weise in die Hände fiel. Seid versichert, dass ich bei unserem nächsten Treffen keine solch eklatanten Wissenslücken mehr aufweisen werde! Wenn es den Göttern gefällt, werde ich Euch dann etwas beibringen können, um mich für Eure Lektionen zu revanchieren.

Die Kutsche ruckelt langsamer, ich denke, meine Leute halten für ein Mittagsmahl. Durch das halb verhangene Fenster kann ich einen kleinen Gasthof erkennen, der für eine gute Mahlzeit wohl taugen wird. Sicher wüsste ich Euch vieles mehr zu schreiben, doch wenn ich den Brief hier aufgebe, wird er Euch erreichen, noch bevor ich in meiner Heimat angekommen bin. Es ist mein sinistrer Plan, dass Ihr so früh gar nicht damit rechnet, dass es Euch eine willkommene Überraschung sein wird. Um ihn in Erfüllung gehen zu lassen, muss ich mich nun mit dem Schreiben sputen.

Ich danke Euch, werte Simona, für die heiteren Stunden im Tempel, und wünsche Euch alles Glück Deres bei Eurer kommenden Aufgabe in Parsek. Und mögen die Götter Euch gnädig sein, wenn Ihr vergesst, auf dem Weg dort hin einem armen alten Draconiter den ersehnten Besuch abzustatten! In freudiger Erwartung Eurer Antwort,

Euer Veciano d.T.

(eingewickelt in das Papier des Briefs lag ein einzelner weißer Klee)


Von Simona die Camaro an Veciano della Turani, 22. Hesinde 1033 BF

Verehrtester Veciano,

Wenn Euch dieser Brief erreicht, werden wir wahrscheinlich schon nicht mehr den 20sten Hesinde haben. Das Madamal wird von ihrer vollen Scheibe abnehmen und Simia und Ucuri werden nicht mehr die Wandelsterne des Tages sein, die als Zeichen von Entstehung und Triumph den Tag begleiten. Doch ich vermute, Ihr werdet damit leben können und Euch ähnlich über diesen Brief freuen können wie ich mich über Euren gefreut habe.

Daher zunächst einen Lob an Euren Kutscher, die Handschrift war gut zu lesen. Es scheint, als hätte er Euch sehr behutsam über den Knüppelpfad zwischen Letran und Thirindar gelotst. Die sumpfigen Böden der Coverna sind im Hesinde meist kein Vergnügen, so reich und farbenfroh sie auch in den Sommermonden sein mögen. Es ist noch nicht all zu lange her, da versuchten sich die Fahrer dieser tausend Meilen von Yaquiria an diesen Knüppelpfad - und es ward ihnen nicht zum Vorteil, soviel sei gesagt.

Und auch freut es mich, dass ich Euch die Begeisterung der Sterne so nachhaltig näher bringen konnte. Hortulani ist für den Beginn auch ein sehr gutes Werk. Er hat eine gute Art, den lauf der Sterne zu erklären. Doch seid gewarnt, bevor Ihr erste Berechnungen nach seinen Vorgaben macht, denn seit der dritten Dämonenschlacht sind die Sterne kräftig in Bewegungen gekommen. Bewegungen, die sie nicht haben dürften und wenn man es genau nimmt, dann sind scheinbar sogar einige Sterne hinzu gekommen. Änderungen, die jedoch Hortulani nicht mehr mitbekommen hatte, er starb vor etwa 16 Jahren im hohen Alter. Man könnte sagen, dass für ihn die Welt der Sterne noch in Ordnung war. Die neuen Bewegungen der Sterne hat man bis heute nicht ausreichend analysieren können, beziehungsweise ihre sinnbildliche Neudeutung. Es ist ein breites Feld der Möglichkeiten. Denkt also nicht leichtifertig, Hortulani ist ein Beginn. Aber die Sterne sind unendlich in allerlei Form. So fordern Sie mehr Geduld als man glauben mag. Doch ich bin zuversichtlich, dass Ihr so schnell nicht die Geduld verlieren werdet, wenn euer Ziel es ist, mir damit eine Freude zu machen.

Wie gesagt, schon euer Brief an mich ist mir derweil bereits eine Freude. Ob Ihr es glaubt oder nicht, die Stadt hat sich seit Eurem Aufbruch sogar leicht verändert. Der Herr Efferd hat ein Erbarmen gezeigt und die dunklen Regenwolken ins Land ziehen lassen, das volle Madamal war in dieser Nacht stiller Begleiter der Wogen des Meeres. Ein wirklich fesselnder Blick, den ich gerne mit Euch geteilt hätte. An der Steilklippe, gleich über dem Wasserfall auf das offene Meer zu starren, wo sich eine runde Madascheibe nebst vielen Hundertschaften von Sterne in den Wellen des Meeres der sieben Winde spiegelt, nur gestört vom Schein des Leuchtturmes, der Lichter der Seefestung und der ein oder anderen kleinen Wolke, die dem Beleman tapfer widerstand leistete... ich kann nicht sagen, ob Sant Ageriyano einen ähnlichen Anblick zu liefern in der Lage ist, aber glaubt mir, es war erhebend und deprimierend zugleich. Erhebend wegen der Schönheit und deprimierend, dass ich in der Stadt wohl nun wieder die Einzige war, die ihn in gänze zu genießen wusste. Auch wenn Ihr nur kurz Gast der Stadt wart, seid gewiss, dass Ihr hier bereits ein wenig vermisst werdet. Wie bezeichnend, dass Marbo im Fuchs stand. Beendigung der Freiheit... früher machte es mir zumindest nichts aus, die einzige zu sein, die diesen Blick zu würdigen wusste... früher...

So will ich diesen Brief auch schnell zu Ende bringen, bevor er zu rührselig wird. Ich bete zu den Göttern, dass ich von Eurem Fortschritt in der Sternkunde noch weitere Statusmeldungen erhalten werde. So verspreche ich Euch von den Veränderungen dieser Stadt zu berichten, die Ihr ja für ach so sonderbar hieltet. In diesem Sinne ein angenehmes Zuhause ankommen und wiedereinleben.

Eure Simona di Camaro

Dem Schreiben beigefügt war eine Wicke sowie bunte Primeln.


Von Veciano della Turani an Simona di Camaro, 28. Hesinde 1033 BF

Hochvehrte Simona,

tausendmal erbitte ich Eure Entschuldigung für meine späte Antwort. Ich hatte fest vor, Euch noch am selben Tag zu antworten, doch so vieles kam zusammen, als ich mich nur auf eine ruhige Heimkehr gefreut hatte. Meine Familie, von der nach der Abreise meiner Geschwister als Cavalliere nach Urbasi ohnehin so wenig nur übrig geblieben ist, war in hellem Aufruhr. Zunächst verstand ich nicht, weshalb gerade jetzt, in den regnerischsten Stunden des Winters, darüber diskutiert werden musste, aber es scheint meinen verehrten Eltern damit ernst zu sein.

Ihr müsst nämlich wissen, dass mein Vater seit geraumer Zeit ein wichtige Pflicht in der urbasischen Niederlassung der Silbertaler Bank versieht und sich nun mit dem Gedanken trägt, Sant’Ageriyano erneut den Rücken zu kehren. Alexandrian und Aurelia, zwei meiner jüngeren Geschwister, leben bereits seit Jahresbeginn im Stadthaus unserer Familie, und gerade meine Mutter vermisst die beiden sehr. Und doch habe ich kein gutes Gefühl bei der Sache, ist doch mir als Ältestem der unterschwellige Groll meines Vaters gegen seinen Bruder nie verborgen geblieben. Solange sie einander auswichen, herrschte Frieden, doch nun fürchte ich um die Ruhe der Familie und vor allem um den ohnehin derangierten Seelenfrieden meiner armen Großmutter. Der heimtückische Mord an ihrer Schwester lastet schwer auf ihrem Herzen, und ich bezweifle, dass sie den Streit ihrer Söhne zu schlichten vermag, wie sie es früher tat. Meine einzige Hoffnung ruht nun auf der Generation meiner Vettern, die trotz ihrer Fehler durchweg vernünftiger erscheinen als ihre Väter. Möge Travia mir diese frevelhafte Aussage verzeihen, doch es ist meine Sicht der Dinge.

Wie es scheint, werde ich also in Bälde meinen Wohnsitz nach Urbasi verlegen, denn so sehr ich meine kirchliche Arbeit hier vermissen werde, kann ich doch nicht zulassen, dass sich ungehindert Unfrieden in meiner Familie ausbreitet. Ich hoffe, dass Ihr mir im Angesicht dieser wirren Umstände meine späte Antwort vergeben könnt. Mehr will ich nun auch nicht davon sprechen. Es ist nicht mein Wunsch, Euch mit den Sorgen meiner Seele zu beschweren, wo doch die Heiterkeit ein so schönes Lächeln auf Eure Lippen malt.

Ich danke Euch für Eure Anmerkungen zu Hortulani. Seid versichert, dass ich nicht allein zu Eurem Gefallen die Materie durchdringen will. Nein, junge Dame, Ihr habt einen Diener der weisen Göttin herausgefordert, es gebietet mir die Ehre, dass ich Euch in kürzester Zeit in nichts mehr nachstehen werde!

Eure Beschreibung von Efferdas hat mich wahrlich gerührt, so schön und beinahe poetisch, wie die Worte gewählt waren. Ob sich derartiges in meiner Heimat finden lässt, darüber werde ich mir erst ein Urteil erlauben, wenn ich die von Euch erwähnte Szenerie einmal mit eigenen Augen gesehen habe. Dennoch möchte ich die Behauptung wagen, dass auch die goldglänzenden Felder von Sant’Ageriyano erhaben wirken können, wenn sie durch Eure Anwesenheit veredelt werden- denn ist nicht auch einen goldene Krone erst wahrhaft schön, wenn in ihr ein prächtiger Edelstein ruht? Um mich nicht weiter in solchen Gedanken zu verlieren, werde ich diesen Brief nun schnellstens aufgeben, da Ihr sonst noch länger warten müsstet, als Ihr es ohnehin tut. So verbliebe ich mit den allerbesten Grüßen,

Euer Veciano d.T.

(der Brief enthielt diesmal keine Blüte, nur den starken Geruch nach Akazien…)


Von Simona di Camaro an Veciano della Turani, 30. Hesinde 1033 BF.

Vielen Dank für Euren Brief. Auch wenn der Inhalt einen betrüblichen Schatten auch über mich legt. Denn das, was Ihr beschreibt, löst unbehagen und Sorge auch über mich. Auch wenn der Worte noch nicht viele gewechselt und noch viel weniger der Briefe getauscht wurden, so habe ich begonnen mich an ihr Eintreffen, an die Freude der Beachtung zu gewöhnen, oder eher ihnen entgegen zu sehnen. Und mich bei jedem Eintreffen ein Stück weit erlöst und erhört zu fühlen. Nun den Schatten Urbasischer Ränkespiele in ihnen zu lesen, lässt in mir auch ein Stück weit die Angst wachsen.

Den faden Geschmack solcher Urbasischen Ränkespiele haben wir auch hier in Efferdas bereits schmecken müssen. Auch Ihr werdet es nicht vergessen haben, nicht lange her sind die Zeiten der urbasischen Tyrannei rund um Traviano von Urbet-Marvinko. Sein panzerhandschuhbeschützter Griff fand sich damals auch in den Ländern der Coverna. Vor allem das Hause Torrem ward dabei zur Kerze im Winde. Sie drohte im Winde zu erlöschen, in dem sie fast gemeinsame Sache mit den Marvinken machte, um so die Grenzen Efferdiens an ihren Stadttoren enden zu lassen. Dies hätte wohl das Ende des steilen Aufstieges dieser Stadt bedeutet. Doch eine Torremsche Kerze züngelt stets im wilden Chaos und so verbrannte sich der Marvinke.

Er sollte nicht derletzte sein, der sich an ihm die Hand verbrennen sollte, noch heute blickt ein Gargyle über den Sikram, und lässt seinen strafenden Blick über die Gebiete nieder, in denen die Torrems Ihre Länder haben. Die anderen Gargylen jedoch halten ihren Blick weiterhin gen Osten. Denn auch sind die Wünsche der Urbasier nicht vergessen. Wahrscheinlich wart Ihr damals auch noch auf der Seite eben jener, die für den Marvinken hielten und wisst, wie schwerlich die Rivalitäten aus dieser Zeiten abzubauen sind. Nicht wenige würden Euch in Urbasi wohl böser Worte bedecken, wüssten sie, dass Ihr Briefe mit einer Efferdierin tauschen würdet.

Ihr werdet nun denken und antworten wollen, dass Euch diese Worte nicht berühren wollen, doch darum geht es mir auch gar nicht. Wir in Efferdas haben gelernt, dass Rivalität und Zorn eine Urbasische Tugend ist. Und wenn Ihr nun davon berichtet, die Familie retten zu müssen mit einem Umzug in die Sikramcapitole, so schwahnt mir, was Euch dort erwartet und es fürchtet mich um Euch. Das, was Ihr von Eurem Onkel berichtet klingt für mich wie das, was wir aus Urbasi kennen gelernt haben. Und so weiß ich, dass er zu fürchten ist.

Dass Ihr Euch nun verpflichtet fühlt, diesem Streite beizuwohnen muss darüber hinaus ein enormer Konflikt sein. Aber es zeigt erneut, was ich Euch bereits einmal sagte. Ihr werdet Euch eines Tages entscheiden müssen. Seid Ihr der erste Sohn Eures Vaters oder seid Ihr ein Diener der Herrin Hesinde. Ihr könnt nun mal nicht beides sein.

In dieser Entscheidung will ich Euch auch gar nicht hinein reden. Wer wäre ich. Doch Ihr lobt mich ja stets über Gebühr für mein hesindegefälliges Köpfchen. So will ich Euch damit zumindest helfen, die richtigen Fragen zu finden. Schon einmal, vor nicht all zu langer Zeit habt Ihr mir gezeigt, dass tief in Eurem Herzen ein Retter wohnt, mit der Absicht, aus allen und jedem einen besseren Menschen zu machen, einen besseren Ort und eine bessere Existenz. Ihr tragt so hehre Ziele in Eurem Herzen und meine Antwort war lediglich, dass Ihr nun einmal Geweihter der Hesinde seid und nicht etwa Geweihter der Rahja oder des Herren Boron. Veciano, Ihr habt Euch doch nicht ohne Grund der Herrin Hesinde verschrieben, stimmt es? Die Frage, die ich mir an Eurer Stelle stellen würde, wäre, ob Anteilnahme, ob Anwesenheit und Unterstützung, ob Wächtertum und Aufopferung Tugenden derjenigen Göttin sind, der Ihr Euch verschrieben habt? Wenn ja, dann wärt Ihr dort sicher eine Hilfe. Wenn nein...

In Efferdas feiern wir heute, an diesem 30sten Hesinde das Erleuchtungsfest. Am Marktplatz wird eine große Strohpuppe verbrannt als Symbol zur Verbrennung der Dummheit. Viele werfen dabei kleine Zettel ins Feuer, auf denen sie ihre Fehler aufschreiben oder haben aufschreiben lassen. Sie opfern ihre Fehler quasi der Herrin Hesinde und geben das Versprechen ab, diese nicht wieder zu tun. Fühlt sich Euer Zug nach Urbasi wie ein Fehler an? Ich will Euch diesem Schreiben ein weißes Stück Papyrus mitgeben, dass Ihr mit Euren Fehlern bestücken und verbrennen könnt. Vielleicht hilft es Euch ja weiter.

Ich für meinen Teil werde mich nun dem duft der Akazien erfreuen, der Eurem Briefe beiwohnte. Er erweckt andere Sehnsüchte, von denen Ihr wahrscheinlich weniger ahnt, als Ihr denkt.

Eure Simona

Dem Schreiben beigefügt war eine Brigonie und ein violettes Stiefmütterchen, zudem ein weiterer Zettel, keineswegs jedoch leer, sondern mit dem Vermerk, sich beim nächsten mal mehr anzustrengen, wenn es um die Bedeutung von Akazien ginge


Von Veciano della Turani an Simona di Camaro, 4. Firun 1033 BF

Liebenswerte Simona,

wie sehr mich doch Eure Briefe stets schwanken lassen zwischen dem Groll eines kleinen Jungen, der gerade eines Besseren belehrt wird, und der Rührung, die ich über Eure Sorge um meine Person empfinde! Ich danke Euch für Eure wohlüberlegten Ausführungen. Ihr mögt damit Recht haben, dass es nicht die Aufgabe meiner Herrin (und damit nicht meine) sein kann, den großen Beschützer zu geben. Und doch kann ich nicht fernbleiben, denn wer außer mir könnte als mahnende Stimme der Vernunft in einem möglichen Konflikt sprechen? Meine Weihe verleiht den Worten hoffentlich genug Gewicht, um gehört zu werden. Gerade im Zorn mangelt es so oft an Weisheit, dass auch HESinde ihre Augen nicht davor verschließen darf.

Ich bedauere sehr, dass meine Ausführungen zu urbasischen Zwistigkeiten unschöne Erinnerungen in Euch wachriefen. Auch ich kann nicht verhehlen, dass meine Heimat in der Vergangenheit viele Fehler begangen hat. Lange Zeit hielt ich es wie mein Vater und suchte den Rückzug ins Private, aber diese unruhigen Tage lassen mich erkennen, dass es nicht Vernunft, sondern Feigheit war, die uns beide antrieb. Ich trage eine Verantwortung, ganz gleich ob als Sohn meines Vaters oder als Diener meiner Herrin, sie ist dieselbe: Eine Verantwortung für die Zukunft. Ich muss aktiv werden, um die Fehler der Vergangenheit zu vermeiden und das durchzusetzen, von dem ich überzeugt bin. Das bin ich mir selbst schuldig und auch den Kindern, die ich so Travia will eines Tages haben werde.

Natürlich erwarte ich nicht, dass Ihr diese neuerliche politische Seite an mir versteht oder gar gutheißt, aber seid versichert, dass ich selten von etwas so sehr überzeugt war. Es erfüllt mich mit Stolz, dass ich etwas tun kann, was vielleicht das Leben mancher Menschen (und sei es nur meiner Familie) verbessert. Ich verlange kein Verständnis von Euch, der ich diese Gedanken nie aufgebürdet hätte, wären sie mir nicht so wichtig. Und doch gibt es keinen Zweifel, dass ich tausendmal beruhigter die vor mir liegende Aufgabe angehen würde, wenn ich wüsste, dass Ihr mich versteht. Ich schätze Eure Meinung sehr hoch, Simona, und würde mich über den Rückhalt einer wahren Freundin freuen.

Nun genug dieser düsteren Gedanken, die in den letzten Tagen mein Herz gefangen halten. Vielmehr sollte es lachen, jetzt da ich weiß, dass meine Briefe Euch ein Lächeln entlocken. Wie gerne würde ich Euch mehr Freude bereiten, doch ich weiß selbst, dass ich in meiner verzwickten Lage der Falsche dafür bin. Es ist meine große Hoffnung, dass Euch die Sterne bald jemanden schicken werden, der Eure Einzigartigkeit zu schätzen vermag und Euch ein ruhiges, schönes Leben bieten kann.

Ich danke Euch auch für den Zettel, über den ich mir lange Gedanken gemacht habe. Den einen oder anderen Fehler mag ich wahrlich begangen haben, doch bereue ich keinen von ihnen, denn auch sie haben mich zu dem gemacht, was ich heute bin. Nicht einmal meine offensichtliche Unfähigkeit im Umgang mit Eurer geschätzten Blumensprache dauert mich. Nur eines hält mich manchmal in diesen Nächten wach, und daher habe ich es auf Euren Zettel geschrieben. Da hier die Feuer längst vergangen waren, als Euer Brief mich erreichte, habe ich ihn jedoch nicht verbrannt, sondern diesem Brief beigelegt. Ich überlasse Euch, ob Ihr das Geheimnis meiner Fehler ergründen wollt, doch bitte ich Euch in jedem Fall, es zu hüten und niemandem zu verraten, denn es ist für keines anderen Menschen Augen bestimmt.

Ich verbleibe wie immer euer ergebener Diener,

Veciano d.T.


Von Simona di Camaro an Veciano della Turani, 7. Firun 1033 BF

Ach Veciano,

mein Rat ist Euch teuer? Der Rat einer Verrückten? Einer Frau, die von dieser Welt emtfremdet sich näher dem fühlt, was am weitesten von jedem anderen Menschen entfernt ist? Sagt euch die Herrin Hesinde wirklich, ob dies eine gute Idee ist? Allein, warum euch mein Verständnis so wichtig ist, dies scheine ich zu begreifen und ich kann die Ehre, die darin liegt gar nicht ausreichend würdigen, ja im Grunde nicht mal fassen oder begreifen. Schon eure Freundschaft und euer Verständnis war mir etwas neues, doch Euer kleiner Zettel, der ja eigentlich für die Flammen der Erleuchtung gedacht ware, bringt mir nun mehr Dunkelheit als Erleuchtung. Was tu ich nun mit diesem Wissen, welches bittersüß auf meinem Herzen brennt?

Nun habt ihr eine Freundin, die sich nicht nur sorgt um die Gefahr, in die Ihr euch begebt, sondern am liebsten dabei auch noch an eurer Seite stände. Obwohl sie weiß, dass hier nicht ihre Geschichte geschrieben wird, dass sie nichts dazu beitragen kann und keine Talente hat, die in irgend einer Form zur Besserung beitragen könnte. Im Gegenteil nur den Ruf des Wahnsinns über neue Grenzen hinaus tragen könnte und Euch damit in dem, was ihr tun wollt sogar schadet.

Und eigenartiger Weise verstehe ich Euch genau deshalb auf einmal. Ich verstehe euch, während ich diese Zeilen schreibe, denn als ich euren Brief noch zum ersten mal las, da hatte ich zunächst nur Empörung für eure Entscheidung übrig. Aber ich merke, wie verbunden ich euch fühle, wie sehr ich von Dankbarkeit durchtränkt bin. Vielleicht bin ich geblendet durch eure lieben Worte, die ich wie gesagt so nicht kenne oder nur aus Lüge gesprochen. Doch ich will sie glauben, darin unterscheiden sie sich von denen der Anderen um mich herum. Den selben Willen müsst ihr für eure Familie empfinden, der ihr euch im gleichen Maße verbunden fühlen müsst, wie ich es bisher nicht kannte.

Es ist eigenartig. Die Geschichten, die Ihr von euren Verwandten erzählt habt, klingen so viel wüster, schlimmer und trauriger als die Geschichte meiner Familie. Wir sind in Liebe und Harmonie aufgewachsen, solche Zwistigkeiten sind mir gänzlich Fremd und solange ich lebe, wurde nie ein Camaro gemeuchelt. Einem Camaro sagt man nach, dass aus ihm die Stimme der Mäßigung klingt, die Stimme der Vernunft. Damit sind wir aufgewachsen, groß geworden und wir konnten stets Stolz darauf sein. Verglichen mit Eurer Familiengeschichte kann ich nicht anders sagen, dass wir scheinbar sehr behütet aufgewachsen sind. Und dennoch scheint eure Verbundenheit zur Familie ein vielfaches Größer zu sein als alles das, was ich kenne.

So kann ich gar nicht anders, als euch zu Verstehen und Glück zu Wünschen, dass euer Zutun die Probleme in eurer Familie zu lösen weiß. Allein, die Sorge könnt ihr damit von mir nicht nehmen, denn noch klingen eure Worte zwar motiviert, aber noch wie blinder Aktionismus. Daher tut mir den Gefallen und verratet mir, wie wollt Ihr helfen? Was ist Euer Plan?

Wenn es sein musst, schreibt eure Antwort mit unsichtbarer Tinte. Denn schon die Antwort auf meine Fragen könnte euch eine Gefahr werden und dann wäre es meine Schuld, deren Verantwortung ich zu tragen nicht kräftig genug wäre, das weiß ich. Wisst auch, dass Ihr zwar mein Verständnis habt, mein Herz mit all seinem unangebrachten Eigennutz allerdings danach schreit, euch immernoch davon abzuhalten. Doch vielleicht soll meine Aufgabe ja wirklich sein, Euch Kraft zu schenken, die ihr für das, was euch am aller wichtigsten ist, benötigt. Eure Familie, eure Pflichten. So bete ich zu den Göttern, dass niemals eine Situation eintrifft, in der Ihr zwischen eurer Familie und Eurer Gottheit wählen müsst. Aber eine Stimme in meinem Kopfe sagt mir, dass Ihr Eure Kraft nicht aus den Gefühlen der verrückten Simona ziehen solltet. Sie sind ein schlechter Ratgeber, denn Sie versteht nicht, ihr Vertrauen in Euch über ihre Sorge zu stellen.

Doch soviel soll gesagt sein. Am liebsten würde ich diesen Brief persönlich abgeben, ihn zu Fuß nach Urbasi tragen und damit alles noch schlimmer und komplizierter machen als es für Euch schon ist, ja euch die schlechteste Ratgeberin dieser Sphäre sein. Nur schwerlich kann meine mir noch gebliebene Vernunft mich davon abhalten. Aber nichts kann mich davon abhalten, mit diesen letzten Zeilen etwas Dummes zu tun und zu sagen... hättet ihr damals diese Gelegenheit wahr genommen, Ihr hättet es nicht bereuhen müssen. Vielleicht haben mir die Sterne ja doch schon jemanden geschickt, so wie ihr gesagt habt. Nun muss ich fürchten, dass er vor meinen Augen ins Meer gefallen ist. Ich bete zum Herren Efferd für eine Sandbank und für euch ......

Der Brief endet abrupt. Ihm beigelegt ist jedoch eine offene blutrote Rose


Von Veciano della Turani an Simona di Camaro, 15. Firun 1033 BF

Liebste Simona,

zu lange wartet Ihr schon auf diese Zeilen, doch die Götter wissen, dass ich mir seit dem Erhalt Eures Briefs den Kopf über die Antwort zerbreche. Verzeiht mir bitte, wenn ich Euren wunderbaren Brief nicht mit einem eben so langen Kunstwerk beantworte.

Unser Umzug nach Urbasi ist in vollem Gange, vorgestern besuchte ich das Stadthaus meiner Familie zum ersten Mal seit Jahren. Oh ich bin sicher, dass Ihr trotz all Eurer berechtigten Vorbehalte gegen meine Heimat den Anblick der Stadt genießen würdet! Gerade vom Dachgarten unseres Palazzos hat man einen fabelhaften Ausblick auf den Fluss, der eben jetzt im Abendrot wie ein Juwel glitzert. Mein Onkel hat sich unerwartet freundlich und großzügig gezeigt. Wir bekamen weitläufige Räumlichkeiten im Haus, durften uns gar aussuchen, welche Zimmer unseren Wünschen gefielen. So viele von ihnen standen noch leer… Ich habe ein Zimmer in der Nähe meiner Geschwister gewählt, das durch eine einzigartige Wandmalerei mein Herz gewonnen hat. Sie zeigt ein prächtiges Schiff in stürmischer See, das auf den einzigen Sonnenstrahl zusteuert.

Ich bitte Euch, sorgt Euch nicht um mich, denn ich bin guten Mutes, dass der Streit in unserer Familie nicht aufs Neue entbrennt. Mein Vetter Carolan scheint ein guter Mann mit ehrlichem Herzen zu sein, dessen Vision einer einigen Familie ich nach Kräften unterstützen werde. Dies ist zunächst mein Plan, dies und eine genauere Beurteilung der Lage. Es muss mir erst gelingen, meine Verwandten einzuschätzen, um Freund und Feind auszumachen. Ach, ich wünschte Ihr wärt hier, um mir bei dieser komplizierten Aufgabe zu helfen, denn eine zweite Meinung fehlt mir oft, um die meine auszugleichen. Es kümmert mich gar nicht, dass der Rat einer Verrückten in Efferdas offenbar nichts wert ist, denn hier in Urbasi habt Ihr keinen solchen Ruf. Das einzige, was man hier von Euch weiß, sind die Geschichten eines jungen Priesters, der von einer sehr klugen Gesprächspartnerin berichtete, die er während seiner Reise traf.

Doch all das interessiert Euch vermutlich nicht, wenn ich der Weisheit meines Bruders glauben darf. Ich muss gestehen, dass ich mir seinen Rat erbat im Bezug auf unsere Freundschaft, denn er ist ungleich bewanderter in diesen Dingen. Dennoch ist es nicht meine Art, so zu handeln wie er, auch wenn es womöglich phexgefälliger wäre. Mein Weg war schon immer Ehrlichkeit, und darum werde ich ohne große Schnörkel meine Gedanken darlegen. Wahrlich, ich wünschte Ihr wärt hier und würdet nicht mehr gehen. Ich kann Euch wenig versprechen, was die Zukunft betrifft, doch seid Euch sicher, dass sich an diesem Wunsch nichts ändern wird, komme was da wolle. Alles Weitere werden die nächsten Tage zeigen. Wenn der Trubel des Umzugs sich gelegt hat, werde ich mit meinen Eltern sprechen. Dann schreibe ich Euch erneut.

Bis dahin bitte ich Euch, vergesst mich nicht! Ich hoffe, dass mein kleines Geschenk Euch die Zeit vertreiben kann. Ich verbleibe in Gedanken an jene Momente im Garten des Tempels,

Euer Veciano d.T.

(in dem kleinen Päckchen befindet sich ebenfalls die fein gearbeitete bronzene Miniatur eines Schiffs, an dessen Bug ein kleiner Diamant hängt)


Zickenstrafe

Fünf Tage Später bekommt Veciano einen Korb mit Brombeeren geliefert, unbekannter Herkunft. Darin ein kleines, mit Kamillen und einer gelben Nelke gefülltes Säckchen, in dem sich zudem eine fein gearbeitete bronzene Miniatur eines Schiffes befindet, an dessen Bug ein kleiner Diamant hängt. Am Boden des Korbes befand sich doch noch ein Zettel, nun Himbeerrot getränkt. Auf ihm steht noch zu erkennen:

"Für euren Bruder..."


Von Aurelia della Turani an Simona di Camaro, 21. Firun 1033 BF

Signora di Camaro,

wir sind einander nie begegnet, doch bislang habe ich dem Tag unseres Kennenlernens mit einer gewissen Neugier entgegengeblickt. Mein Bruder hat viele gute Dinge über Euch berichtet.

Ich habe keine Ahnung, was zwischen Euch vorgefallen ist, noch kann ich mir einen Reim auf den merkwürdigen Geschenkkorb machen, der gestern hier ankam. Ich weiß nur, dass mein Bruder seitdem mit niemandem mehr ein Wort gewechselt hat und nicht einmal zum Essen sein Zimmer verlässt. Er ist mein Bruder und mir sehr teuer, also bitte ich Euch: Wenn Ihr den Grund für seine Betrübnis kennt, dann tut was immer in Eurer Macht steht dagegen! Oder, wenn Ihr das aus mir nicht erfindlichen Gründen nicht könnt, dann sagt es mir wenigstens, damit ich ihm helfen kann. Ich bin sicher, was immer passiert ist, wird sich als Missverständnis aus der Welt schaffen lassen.

Ich bin unsicher, ob dieser Appell an Euch eine Wirkung haben wird, da wir einander nicht kennen. Trotzdem ziehe ich Euch ins Vertrauen, weil ich glaube, dass nur Ihr helfen könnt. Signora Simona, ich plaudere ungerne Geheimnisse aus, zumal wenn es die meiner Familie sind, doch ich kenne meinen Bruder gut genug um es zu merken. Ihr bedeutet ihm sehr viel, ich würde gar behaupten, dass ihm nie eine andere Frau so viel bedeutet hat. Bitte gebt Euch einen Ruck und helft ihm.

Mit ergebenen Grüßen,

Aurelia della Turani


Von Simona di Camaro an Aurelia della Turani, 25. Firun 20133 BF

Aurelia erhält zwei leere Blätter. Eins davon riecht jedoch stark nach Essig, zudem sind Zitronenblüten beigefügt. Am Fuße des Briefes scheint jemand eine Kerze an das Schreiben gehalten zu haben, dort erscheint auf Nanduria geschrieben das Wort "Sica" Das andere Blatt scheint gänzlich Geruchsfrei.


Von Aurelia della Turani an Simona di Camaro, 30. Firun 1033 BF

Signora di Camaro,

Leider konnte ich den leeren Zettel nicht wie gewünscht weiterreichen, da mein Bruder vor einigen Tagen nach Sant’Ageriyano abgereist ist. Ich werde es ihm geben, wenn er wiederkommt.

Eure Zeilen haben mich veranlasst, ein kleines Gespräch mit meinem Bruder Rian zu führen. Grollt Ihr Veciano tatsächlich, weil er sich Rat suchte? Von einer Frau zur anderen: Mein Bruder ist ein ahnungsloser Junge, wenn es um Angelegenheiten des Herzens geht, und wenn er Rian nach etwas fragte, dann sicher nur, weil er nichts falsch machen wollte. Wie könnt Ihr so grausam sein, ihm übelzunehmen, dass er für Euch nur das Beste tun wollte?

Ich habe ja wirklich keine Ahnung, wer Ihr eigentlich seid und warum Ihr mir solch dramatisch melancholische Worte schickt, aber vielleicht solltet Ihr Euer Bedauern über Euren eigenen Zustand für einen kurzen Moment unterbrechen und überlegen, ob nicht auch andere Menschen Gefühle haben. Die Götter wissen, weshalb Ihr Euch für Salz haltet, aber mein Bruder sieht das ganz offenbar anders. Wollt Ihr wegen so einer Kleinigkeit wie der Ratsuche den vergrämen, dem Ihr am teuersten seid? Veciano liebt Euch, seht Ihr das nicht ein? Er würde das nicht offen sagen, denn er leidet lieber still, aber ich habe keine Scheu es auszusprechen. Wenn Ihr wirklich die wunderbare Person seid, von der er mir erzählte, und wenn Euch etwas an ihm liegt, dann hört auf mit diesem metaphorischen Unfug und sagt es ihm direkt. Schreibt ihm einen Brief, oder besser noch kommt her und schreit ihn an, das wäre mir lieber als diese finsteren Briefe und das traurige Gesicht meines Bruders.

Ergebene Grüße,

Aurelia della Turani


2. Tsa 1033 BF

Früh morgens reist eine Kutsche von Efferdas nach Sant’Ageriyano. Am 3. Tsa kommt diese an und es beginnt ein hochromantisches zusammenkommen.

Die Folgen kann man hier nachlesen.