Briefspiel:Piras Dank
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Die vorliegende Briefspiel-Geschichte Piras Dank schildert einen Besuch der Signora Pira Rahjalina della Pena im Rahja-Tempel Urbasis und nimmt dabei Bezug auf Geschehnisse, die in der Briefspiel-Geschichte Von Falken und Faltern angedeutet wurden.
30. Praios 1033 BF in Magistralia:
Mit eiligen Schritten verließ sie den Palazzo Broinho und suchte sich sogleich den Weg über die Piazza d'Alicorno hinüber zu den Treppen, die hinauf führten zur Piazza Domani. So schnell es ging ohne die ihres Standes angemessene Cortesia zu vergessen, nahm sie die Stufen und passierte schließlich den Palazzo Lacrimosa der Verwandten aus dem älteren Hause della Pena.
Nun noch am Hotel Silbertaler und dem Theatro Alverano, an dessen Fassade bereits die Spielpläne für den kommenden Rondra hingen, vorbei und schon hatte sie die Piazza del Theatro erreicht. Allerlei Volk tummelte sich hier, doch es fiel ihr nicht schwer sich geschickt den Weg zu den nächsten Treppen hinauf zu suchen und diese aufzusteigen. Neben sich trugen einige livrierte Diener eine reich verzierte Sänfte, deren Vorhänge zugezogen waren. An ihren Armen trugen sie Bänder mit dem Zeichen ihrer Dienstherrn und Pira Rahjalina überlegte einen Moment welches urbasische Patriziergeschlecht drei schwarze Adler führte. Die d'Auspizzi, erinnerte sie sich, befasste sich damit jedoch nicht mehr weiter und bog nach rechts ab zum Portal des Tempels der Rahja. Ein Devotionalienhändler, der seine heiligen Stücke auf einem Bauchladen präsentierte, versuchte ihr noch etwas aufzuschwatzen, doch mit einem unwirschen Wink vertrieb sie ihn genervt und trat in die heilige Halle ein.
Tücher in den verschiedensten Rottönen teilten die Vorhalle in unterschiedliche Bereiche und warfen unwirkliche Farben, welche die Sinne der Besucher sofort gefangen nahmen. Aus dem hinteren Bereich ertönten sanfte Klänge einer Harfe und ließen Pira Rahjalina zur Ruhe kommen. Sie schritt langsam weiter in das Innere hinein und sog mit ihrer Nase den wohltuenden Duft ein, welche Rosenöl und belhankanische Parfüme verbreiteten. Welch Wohltat nach dem Geruch der stickigen Gassen der Stadt, dachte sie bei sich.
Sie strich ihre nassen rotbraunen Haare zurück als sie nackt aus dem heiligen Becken schritt und die flachen Stufen nach oben nahm. Der angenehm kühle Marmorboden kitzelte ihre Fußsohle, als eine helfende Hand den sich vor ihr befindenden Seidenvorhang zur Seite schob um sie in die heilige Halle hineinzulassen.
Mit einem Lächeln auf den Lippen betrat sie das Heiligste und breitete ihre Arme aus, damit der Tempeldiener sie mit duftendem Rosenöl salben konnte. „Ich bade dich in Demut. Ich salbe dich in Sanftmut”, sprach der Akoluth. Er legte ihr einen kurzen seidenen Mantel an, der knapp über den Knien endete. „Ich kleide dich in Zuversicht.“ Der Gast beugte seinen Kopf leicht nach vorne und spürte wie ihr offenes Haar daraufhin vom Diener zusammengerafft und mit behenden zärtlichen Griffen zu einem Zopf gebunden wurde. „Ich schmücke dich mit Harmonie”, sprach er und zeichnete mit roter Farbe das Zeichen der Göttin auf ihr Brustbein. „Ich gebe dir Sinnlichkeit zu trinken.“ Ein goldener Kelch wurde ihr angeboten, den sie mit einem dankbaren Nicken ergriff und an die Lippen führte. Genüsslich leerte sie das Gefäß bis zur Neige und spürte wie der göttliche Tharf ihren Rachen benetzte und die Kehle hinunter rann. Eine wohlige Wärme breitete sich in ihren Gliedern aus. Sie gab den Kelch zurück und wurde vom Akoluthen in die Arme genommen, er küsste sie links und rechts auf die Wange. „Willkommen seist du Gast im Haus der liebholden Herrin der immerwährenden Harmonie”, begrüßte er sie und sie betrat beschwingt die heilige Halle.
Sie kniete auf einem weichen Kissen vor dem Altar des Liebenden Paares nieder und flüsterte leise zur Göttin. „Oh, Wurzel der Liebe, es ist geschehen und mein Dank soll der deine sein.“
Im Geiste sann sie noch einmal über ihre Opfergabe nach, ehe sie begann leise aufzusagen:
„O liebliche Wangen,
Ihr macht mir Verlangen,
Dies rote, dies weiße
Zu schauen mit Fleiße.
Und dies nur alleine
Ist's nicht, das ich meine;
Zu schauen, zu grüssen,
Zu rühren, zu küssen!
Ihr macht mir Verlangen,
O liebliche Wangen!“
Mit den Fingerspitzen berührte sie das Symbal Rahjas auf ihrer Brust und führte die Finger an ihre Lippen. „Rahja erfülle mich”, flehte sie und schloß die Augen als sie sich den Erinnerungen hingab.
Es war ihr einen Moment als könne sie die Wärme im Leib, die Gerüche des Lagers, den Geschmack der Haut und das Zittern der Glieder erneut schmecken. Das diesseitige Paradies Rahjas erschien ihr.
Sie schluckte sehnsüchtig ehe sie die Augen aufschlug und sich zurück in die Wirklichkeit begab. „Ich weiß, oh liebliche Herrin, es ist nichts besonderes. Es ist noch nicht einmal von mir. Doch mir einfachen Menschen fiel nichts anderes ein um meine Dankbarkeit zu bekunden”, flüsterte sie erneut. Noch verweilte sie kurz, genoss das langsame Spiel der Harfe, welche ein Abgänger der Musici-Schule meisterhaft anschlug, bevor sie aufstand und umdrehte.
„Signora della Pena”, wurde sie plötzlich begrüßt und wurde einer reifen, doch immer noch schönen Frau bewußt, die nur wenige Schritt vor ihr stand. Dies war Signora Elfa d'Auspizzi, die Matriarchin der gleichnamigen Familie, eines Hauses das im Silbernen Buch der Stadt verzeichnet war. Vermutlich war sie es die vorhin in der Sänfte durch die Gassen und über die Treppen der Stadt getragen worden war.
Sie wurde von Elfa d‘Auspizzi in die Arme genommen. „Willkommen im Hause der Herrin. Es ist wunderbar euch hier begrüßen zu dürfen mein Kind”, freute sich die Signora ehrlich und drückte ihr je einen Kuss auf die Wangen. Die Umarmte roch das betörende Parfüm und spürte wie ihr leicht schwindelig wurde.
„Habt Dank”, entgegnete sie und freute sich über das offene Gesicht der Edelfrau, die in Hallen der Liebesgöttin scheinbar jede Distanz zu vergessen schien. Etwas wonach sich Pira Rahjalina schon lange sehnte, um genau zu sein seitdem sie in die Welt des höheren Adels eingeführt worden war.
„Kommt, ihr müsst die neuesten Spezereien der Zuckerbäcker versuchen und welch‘ neckische Formen die Stücke haben“, Signora Elfa ergriff ihre Hand und zog sie durch die Halle hinüber zu einer kleinen Menschentraube. „Sagt, was führt euch eigentlich hierher?“ Fragte sie beiläufig.