Archiv:Jagdunfall im Holdansforst (BB 46)
Quelle: Bosparanisches Blatt Nr. 46, Seiten 30, 32 | Sheniloer Hesindeblatt | Datiert auf: Boron 1046 BF |
Jagdgesellschaften aus Bethana und Grangor bezichtigen sich der Urheberschaft
von Shafirio ay Ankhraio
Shumir. Im alten Jagdrevier des Prinzgemahls Sirlan von Holdan fand die bislang größte ‚Generalprobe‘ für die anstehende Kaiserjagd statt. Während es die Adligen südlich des Yaquir mehrheitlich zur traditionellen Fasanenjagd der Grafen vom Sikram zog, waren es vor allem Edelmänner und -frauen aus der Septimana und dem weiteren Vinsalter Umland, die bis zum 11. Boron nach Holdan strebten, um an der kurzfristig anberaumten Hatz der Kronvögtin Rovena di Striazirro teilzunehmen. Der wildreiche Holdanforst, zu großen Teilen direkt der Krone untertan, gilt nicht umsonst als hervorragender Jagdgrund – und damit beste Gelegenheit, Jägerqualitäten unter Beweis zu stellen.
Das Konkurrenzdenken unter den Beteiligten war diesmal indes von Beginn an spürbar, wie etwa Signora Gharena di Megarro, die Nichte der benachbarten Kronvögtin von Ferlath, bemerkte. Obschon weder Herzog Cusimo noch Gräfin Hesindiane selbst zugegen waren, stachen beider Gefolgsleute dabei auch im gegenseitigen Wetteifern noch heraus. Das Eröffnungsbankett im Jagdschloss Sirlania, für das Kronvögtin Rovena auftischen ließ, was die Vorratskammern hergaben, schien für viele der Gäste wenig mehr als eine Formalität zu sein, zu der immerhin vielerlei Herausforderungen ausgesprochen wurden. Ein Zwischenfall am ersten Jagdtag, bei dem zwei aus verschiedenen Richtungen aufs Wild vorstoßende Hundemeuten übereinander herzufallen drohten, schien dem keinen Abbruch zu tun.
„Ganz im Gegenteil“, so Signora Gharena, „denn am Tag der Hl. Ifirnia, die sie in Venga verehren, waren vor allem die Phecadier noch ein ganzes Stück eifriger sich zu beweisen. Als sich am Nachmittag dann ein kapitaler Zwölfender zeigte, wurde aus der Jagd ein Wettrennen zur besten Beute.“ Rowin von Durinquell, der Landvogt von Venga, trieb dabei die Phecadier an, ihrer Firunheiligen Ehre zu machen. An der Spitze der Bethaner Jagdgesellschaft war die Cavalliera Giulia di Clastumeia nicht bereit klein beizugeben. Und auch die jüngeren Vertreter der Kaiserlich Vinsalter Hofjagdloge wollten sich die beste Trophäe sichern. Über das, was sich im Dickicht des Forsts in der Folge zutrug, weichen die Augenzeugenberichte dann aber ab. Ein Schrei schallte durch den Wald, bald gefolgt von üblen Beschimpfungen, die an sich keines Adligen würdig sind. Rimaldo di Striazirro, der entfernte Neffe der gastgebenden Kronvögtin (und ihr Hausoberhaupt!), war von einem Bolzen in die Brust getroffen worden und rang mit dem Leben. Die Cavallieri Rowin und Giulia bezichtigten sich gegenseitig die fehlgeleiteten Schützen zu sein. Dass auch der Zwölfender im tumultartigen Treiben erlegt wurde, geriet beinahe zur Nebensache. Der ihn erlegende Schütze konnte nicht sicher festgestellt werden, auch wenn besonders die Vinsalter reklamierten, dass gerade der niedergeschossene Rimaldo ihn erlegt hatte. Dessen Wunde wurde schließlich in Sirlania versorgt.
Im Nachgang des Jagdtags schienen immer mehr Erklärungen fürs Geschehene zu kursieren, darunter Motive wie Neid und sogar Eifersucht. Manch einer wollte plötzlich von einer vergangenen Liebschaft wissen, zwischen dem Niedergeschossenen und Cavalliera Giulia vor allem, oder gar von einer Dreiecksbeziehung, die auch den bald zwanzig Jahre älteren Rowin einschloss. Sicher ist nur, dass die Jagdgesellschaften des Herzogs von Grangor und der Gräfin von Bethana nach dieser letztlich verpatzten Generalprobe einander vor der bevorstehenden Kaiserjagd noch unversöhnlicher gegenüberstehen als zuvor.