Briefspiel:Plötzlich Delegierte/Treffen in Vinsalt I

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Stadt Urbasi.png Briefspiel in Urbasi Stadt Urbasi.png
Datiert auf: Frühjahr 1046 BF Schauplatz: Urbasi, Cassiena, Vinsalt Entstehungszeitraum: Sommer 2025
Protagonisten: Rahjada, Traviane und Rahjalin Solivino, Auricanius von Urbet u.w. Autoren/Beteiligte: Familie Solivino.png Bella, Haus Urbet.png Gonfaloniere
Zyklus: Übersicht · Rahjadas Brief · Besuch im Tempel · Von einem Monsignore zum anderen · In der Villa Ricarda I · II · III · IV · V · Auricanius' Einladung · Treffen in Vinsalt I · II · III · IV · V · VI


Treffen in Vinsalt - Teil I: Rahjadas Vorbereitung

Es gab Tage, an denen Rahjada immer noch nicht ganz fassen konnte, ein Dienstmädchen zu haben. Der 20. Peraine des Jahres 1046 BF war ein solcher Tag.
„Der bestellte Tee, Signora Rahjada“, zwitscherte Simiara, als sie nach zweimaligem Klopfen ihr Studierzimmer betrat und ihr mit einer leichten Verbeugung ein Tablett auf den Schreibtisch stellte.
„Mit einem Schuss Sahne und leicht gezuckert wie immer.“
„Danke, Simiara.“
Die Dienerin lächelte und verließ den Raum. Das Mädchen war so jung, in ihrem Alter hatte sie selbst noch ein paar unbeschwerte Jahre an der Universität vor sich gehabt, schoss es Rahjada durch den Kopf. Ihr wurde leicht mulmig zumute. Früher, ganz früher, hatte sie mit Kindern von Bediensteten gespielt. Sie hatte gar selbst diesem Stand angehört, bis vor sechzehn Götterläufen ein Rahja-Geweihter zu ihr gekommen war, begleitet von einer Novizin und einer Tempelwache und sich auf dem Hof, wo sie und ihre Mutter gelebt hatten, nach ihr erkundigte. Das ganze Haus wurde auf der Suche nach ihr auf den Kopf gestellt. Rahjada hatte sich im Stall versteckt, hinter den Heuballen, und fest daran geglaubt, dass sie dort niemand finden würde. Es war immer das beste Versteck beim Spielen gewesen. Sie wollte nicht gefunden werden. Seit ihre Mutter fort war, hatte sie vor allem und jedem Angst und weinte sich nachts allein in den Schlaf. Nie hätte sie ahnen können, dass diese Fremden von Stand, in ihren wertvollen Gewändern, mit ihrem in der Sonne glänzenden Schmuck, ihr nichts Böses wollten.
Der Tempelwächter hatte sie schließlich entdeckt, laut nach den anderen gerufen und sie hatte aus Angst vor dem großen Bewaffneten angefangen zu weinen. Auch nachdem er seine Waffe im Stroh ablegt hatte und beruhigend die Arme hob, hörte sie nicht auf. Ein halbes Dutzend Bewohner des Weinguts hatten den Rahjani umringt, als er in den Stall geeilt kam. Er fragte sie irgendetwas, sie zeigten auf das kleine, schluchzende Mädchen und nickten eifrig. Daraufhin kniete er sich neben sie, sodass er mit ihr auf Augenhöhe war und strich ihr zärtlich eine Strähne aus dem Gesicht.
„Rahjada“, hatte er mit erstickter Stimme geflüstert. „Es wird alles gut. Du bist in Sicherheit. Niemand wird dir irgendetwas antun, niemals, das verspreche ich dir. Du musst nicht weinen, ich werde immer auf dich aufpassen und für dich da sein. Oh, meine Tochter, es tut mir so leid, es tut mir so … soo leid.“
Dann hatte er sie in den Arm genommen, so vorsichtig, als wäre sie zerbrechlicher als Porzellan. Und irgendwie war es ihr gelungen, sich zu entspannen, zum ersten Mal seit Mutter aus ihrem Leben gerissen wurde. Ein Gefühl von Ruhe und innerem Frieden hatte sie eingelullt, als der Geweihte, der sich ihr Vater nannte, sie in seinen Armen zu einer Kutsche trug und mit ihr den Ort verließ, an dem sie geboren wurde und sechs Jahre lang gelebt hatte.
Rahjada nahm einen tiefen Schluck Tee und blinzelte die Tränen weg, die plötzlich in ihren Augen aufgestiegen waren. Warum erinnerte sie sich ausgerechnet jetzt an diesen schicksalhaften Tag? Es war so lange her, dass die meisten Details verblasst waren. Das alles war außerdem unwichtig, sie hatte ihre Pflichten zu erfüllen und keine Zeit, zurückzublicken.
Entschlossen klappte sie das Buch zu, das sie gerade gelesen hatte, stellte es zurück ins Regal und ging in ihr Schlafzimmer. Sie würde sich bald fertig machen müssen, wenn sie rechtzeitig zu der Unterredung mit Auricanius und Praialissa erscheinen wollte. Wie immer hatte sie beim Lesen die Zeit vergessen, ärgerte sie sich, während sie sich eines ihrer eleganteren Kleider schnappte und begann, sich fertigzumachen. Der tiefblaue, bequeme Stoff offenbarte nicht zu viel, versteckte ihre Reize aber auch nicht. Die goldenen Stickereien, die an stilisierte Schlangen anmuteten, verzierten das Kleid an Ausschnitt, Taille, Ärmeln und Saum. Es passte gut zu den Goldsprenkeln in ihren Augen, hatte ihr ein Studiosus während der Abschlussfeier in Methumis gesagt, bevor er knallrot angelaufen war und irgendeine Entschuldigung murmelnd das Weite gesucht hatte. Davor hatte sie ihn nie groß zur Notiz genommen und seitdem hatte sie ihn nicht mehr gesehen. Doch sie zog das Kleid seitdem öfter an. Sie wählte als Schmuck wie gewöhnlich ihr Hesinde-Amulett und passend zu ihrem Kleid Saphirohrringe.
Den lauwarmen Tee trank sie noch fertig aus und stellte die Tasse in die Küche, wo Simiara gerade begann, ein Mittagessen vorzubereiten.
„Heute habe ich keine Zeit mehr fürs Mittagessen. Ich habe vergessen, dir Bescheid zu sagen, Simiara. Treffe mich gleich mit dem Baron und der Luminifera.“
„Oh, ich wünsche Euch viel Erfolg. Werdet Ihr zum Abendessen zurück sein?“
„Nein, ich bin eingeladen, auch den Abend mit ihnen zu verbringen.“
Simiara nickte und machte einen leichten Knicks. „Ich wünsche Euch einen schönen Tag, Signora Rahjada.“
„Danke.“
Sie verließ ihre Wohnung und machte sich auf den Weg zum Treffen mit ihrem Dienstherrn und ihrer Amtskollegin. Der Trubel auf den belebten Straßen Vinsalts half ihr, auch den letzten Rest ihrer Kindheitserinnerungen wieder zurückzudrängen und ihren Geist ganz auf den bevorstehenden Tag zu fokussieren.