Briefspiel:Unerwartete Begegnung in Oberfels: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Liebliches-Feld.net
Zur Navigation springenZur Suche springen
(kein Unterschied)

Version vom 3. November 2022, 23:52 Uhr

Auge-grau.png

Stadt Unterfels.png Briefspiel in Unterfels Stadt Unterfels.png
Datiert auf: Efferd 1045 BF Schauplatz: Oberfels Entstehungszeitraum: ab August 2022
Protagonisten: Gardisten, der Botenreiter (Ludovigo von Scheffelstein), Rondralia della Pena Autoren/Beteiligte: Haus della Pena jH klein.png Horasio, Haus Sirensteen.png Erlan

Teil 1

Autor: Horasio

Sie ließ ihren Blick über die Brüstung der mächtigen Yaquirbrücke gleiten und bemerkte, wie sich die morgendliche Sonne im dahinfließenden Strom spiegelte. Ein wenig blendete sie Praios' Antlitz, doch sie hielt dem prüfenden Blick des Götterfürsten stand und spürte, wie sie das Naturschauspiel etwas beruhigte. Nur wenige Reisende suchten den Weg in die junge Festungsstadt Oberfels und so wähnte sie sich beinahe allein auf dem steinernen Übergang, als sie zur Brüstung trat und den Blick über das Yaquirtal genoss. Ihr Atem beruhigte sich etwas, sie war schon seit ihrem Aufbruch vor wenigen Tagen unruhig gewesen und diese Unruhe hatte sich zunehmend verstärkt, als sie der Grenze und dem Ziel ihrer Reise näher kam.

Als sie den Kopf leicht neigte und die Yaquirkuppen betrachtete, erkannte sie im Augenwinkel den Palazzo Yaquirbruch. Er thronte genauso über dem Wasser, wie man es ihr beschrieben hatte. Ihr Herzschlag beschleunigte sich wieder etwas, mit einem kraftvollen Seufzer entschloss sie sich weiter zu gehen. Sanft zog sie ihren Falben, der treu neben ihr her trottete, weiter und strich sich mit einer Hand ihre Weste noch einmal glatt. Und wenn es nicht nur ihr erster, sondern auch ihr letzter Auftritt im Yaquirbruch sein möge, sie wollte ihn mit Stolz und Würde beschenken.

Der vor dem Eingang des Palazzos zunächst träge wartende Wachposten nahm zunehmend Haltung an, als sie offensichtlich auf ihn zuhielt und nicht weiter in Richtung der Festungsstadt weiterziehen wollte. „Die Zwölfe vor“, begrüßte sie den Mann kurz. Der musterte sie einen Augenblick etwas mißmutig, wofür womöglich die almadanische Färbung ihrer Mundart verantwortlich war, erwiderte den Gruß und blickte sie fragend an. „Ist der Baron vom Yaquirbruch zugegen?“ erkundigte sie sich und versuchte sich größer und aufrechter zu halten als üblich. „Wer will das wissen?“ erwiderte ihr Gegenüber, keineswegs feindselig, eher neugierig klingend. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen. Da war er, der Moment. Sie griff an den Caldabreser, der bisher ihre brünetten Locken zurückgehalten hatte und zog ihn schwungvoll vom Haupte. „Richtet Erlan Sirensteen aus, dass die Tochter Horasio della Penas hier ist und ihn um eine Audienz bittet."

Teil 2

Autor: Erlan

Der Gardist, obwohl noch jung an Jahren, zuckte ein wenig zusammen. Den Namen Horasio della Pena kannte er. Und was man sich von ihm erzählte, das war nicht schön. Ganz im Gegenteil zur jungen Dame die ihn anlächelte und anscheinend auf etwas wartete.

Er musterte sie noch einmal von oben bis unten, stellte fest, dass sie augenscheinlich vom Stande war, was zumindestens ihrer Aussage nicht widersprach. Er nickte nur kurz, ging ein, zwei Schritte zurück, drehte sich dann um und eilte - vielleicht ein bisschen zu schnell für eine Routineangelegenheit - in den Palazzo.

Durch den schnellen und so unerwarteten Abgang des Gardisten abgelenkt bemerkte sie gar nicht, dass sich ein Reiter von Richtung der Stadt dem Palazzo genähert und sie beobachtet hatte. Dieser sprach sie an: "Was habt ihr nur schlimmes gesagt, dass der Arme wie von einer Maraske gestochen weggerannt ist?"

Sie erschrak ein wenig, denn sie hatte den ihr unbekannten Reiter nicht gehört, der in einigen Schritt Entfernung stehen blieb und sie fragend anschaute. Sie musste etwas blinzeln um ihn angesichts des Sonnenlichts besser zu erkennen, denn die Praiosscheibe stand ungünstig. Sie erblickte blinzelnd einen hochgewachsenen Mann auf einem Rappen, der leichte aber dennoch edle Reisebekleidung trug und eine bei Botenreitern übliche Tasche trug. Ansonsten war er den sommerlichen Temperaturen entsprechend eher leicht also luftig bekleidet und trug einen Hut, der zwar nicht so edel wie ihr Caldabreser aussah, aber sicherlich dennoch für Sonnenschutz sorgte. Während sie ihn so musterte antwortete sie ihm noch nicht und schaute ihn etwas skeptisch an. Er sprach oder flüsterte eher auf seinen Rappen ein, der ein paar Schritte zurückwich und dann sprang er vom Pferd und landete auf einem Knie, als ob er sich verneigen würde und sprach erneut: "Entschuldigt edle Dame! Es geziemt sich nicht von hoch zu Ross Euch anzusprechen." Und mit diesen Worten richtete er sich auf und wiederholte seine Frage: "Sagt an, was ist geschehen, dass ein wackerer Gardist wie von der Maraske gestochen wegrennt?"

Teil 3

Autor: Erlan

Eigentlich wollte sie ein paar Schritte auf ihr Gegenüber zugehen, ließ es dann aber doch sein. Aufgrund des Größenunterschieds hätte sie dann nach oben schauen müssen und hinter ihm strahlte die Praiosscheibe immer noch sehr kräftig und dann hätte sie wieder blinzeln müssen. Außerdem kam es ihr auch nicht zupass zu anderen Leuten aufzuschauen, insbesondere zu denen, die sie gar nicht kennte. Und die sie - zugegebenermaßen - aus ihrem Konzept gebracht hatten. Im Vorfeld der Reise hatte sie sich immer wieder ausgemalt, welche Worte sie sprechen würde, wie sie diese betonen möchte und hatte auch mit möglichen Reaktionen gerechnet. Wie sie es von den Unterweisungen in Almada her kannte, hatte sie sich sogar ihre Sentenzen notiert. Doch all die Vorbereitungen waren jetzt für die Katz. Aber sie dachte sich: "Rondralia, Du hast hier etwas zu tun, Du lässt Dich sicherlich nicht von einem Botenreiter von Deinem Plan abbringen!"

Sie fächerte sich etwas Luft mit dem Caldabreser zu, bevor sie sich an ihren unerwarteten Gesprächspartner wandte: "Ich habe den Baron um eine Audienz ersucht. Kennt ihr Erlan Sirensteen?"

"Nun, wir sind hier in Oberfels. Genauer gesagt stehen wir vor dem Baronssitz dem Palazzo Yaquirbruch. Wer kennt hier Erlan Sirensteen nicht? Euch brauche ich das ja auch nicht fragen, wenn ihr um eine Audienz beim Baron ersucht."

Der Botenreiter, Rondralia hatte für sich entschieden ihn unter dieser Bezeichnung zu merken, fuhr mit einer Frage fort: "Aber sagt an, woher kennt ihr den Baron? Nicht nur Eure Kleidung, insbesondere der Hut, sondern auch Eure zarten Worte zeigen deutlich, dass ihr nicht von hier stammt."

Teil 4

Autor: Horasio

Zart? Hatte er sie zart und damit verweichlicht genannt? Mit einem Mal kochte das Blut in ihren Adern und ließ ihre Nasenflügel beben. Auch wenn sie nicht von almadanischem Geblüt war, hatte sie doch viele Gewohnheiten und Verhaltensweisen ihrer Gastgeber übernommen. Doch musste sie dem dreisten Reiter nun wirklich beweisen, dass ihre Worte so scharf sein konnten wie ihr Rapier? Sie entschied sich dagegen, wer wußte schon um wen es sich bei diesem Herren handelte und in der Fremde schien es ihr zunächst klüger sich zurückzuhalten. „Ich kenne ihn nicht, noch nicht. Ich hoffe es ist mir vergönnt ihn in Angelegenheiten meiner Familia sprechen zu dürfen."

Teil 5

Autor: Erlan

Mit dieser Erklärung schien sich der Botenreiter zufrieden zu geben. Er wollte gerade mit einem Satz ansetzen, da kam eiligen Schrittes der Gardist zurück - jedoch nicht mehr alleine. Jedenfalls nicht so ganz. Denn die beiden zusätzlichen Wachposten, die ihn erst begleiteten, blieben am Eingang positioniert. Sie schienen den Gardisten, der zu Rondralia eiligen Schrittes ging, argwöhnisch zu beobachteten. Nicht dass sie schon dabei waren ihre Waffen zu ziehen, aber ein träges Warten im Antlitz der Praissonne, wo man sich besser keinen Mucks zu viel rührt - das war es nicht. Eher gespannte Wachsamkeit, wie Rondralia belustigt feststellte, während sich ihr der junge Gardist näherte, dem sie ihr Begehr genannt hatte. Dieser ignorierte den Botenreiter völlig, so erschien es jedenfalls für Rondralia und sie dachte sich schon kurz, ob er sich für was besseres als den Botenreiter halten würde. Im selben Moment fragte sie sich, warum sie innerlich für den Botenreiter mit seinen frechen Worten überhaupt gedanklich Partei ergriff. Das der Wachposten jedoch vor Aufregung den Botenreiter gar nicht richtig wahrgenommen hatte, hatte sicherlich auch damit zu tun, dass in seinem Rücken die Praiosscheibe inzwischen schon fast unbarmherzig strahlte und somit nur die Silhouette richtig zu erkennen war. Das kam ihr aber nicht in den Sinn.

Mit fester Stimme erklärte sich der Wachposten Rondralia gegenüber: "Hochwohlgeboren ist derzeit nicht zu sprechen. Man empfahl mir Euch vorzuschlagen in zwei Tagen Euer Ersuch zu erneuern."

Während Rondralia noch überlegte, wie sie darauf reagieren sollte, trat der Botenreiter einen Schritt vor. Er nahm seinen Hut ab, befreite damit seine Haare, die er für einen kurzen Moment schüttelte. Für Rondralia kam dieser Moment deutlich länger vor als er wirklich dauerte und als die gewellten braunen Haare kinnlang herunter fielen und das Gesicht des Botenreiters einrahmten, musste sie feststellen, dass das, was sie sah, ihr gefiel. Während sie noch fast versonnen überlegte, was sie jetzt sagen sollte, hörte sie den Botenreiter schon sprechen und war irritiert. Diese Worte geziemten sich nicht für einen Botenreiter! Was hatte er noch genau gesagt?

"Nun denn, wenn eine Audienz erst in zwei Tagen möglich sein wird, dann sollte man den Geboten der heiligen Frau TRAvia folgend, ihr nun Unterkunft gewähren. Ich bin mir sicher, dass der Baron, der für seine traviagefällige Gastfreundschaft im ganzen Land bekannt ist, das auch so sehen würde. Die Gästeräume des Palazzos sollten ihr doch eine angemessene Heimstatt bieten können. Das wäre doch viel sinnvoller als wenn die edle Dame jetzt nach Oberfels geschickt wird."

Sie hatte mit allem gerechnet, aber nicht damit. Doch ihre Erwartungshaltungen sollten heute mehrfach gesprengt werden, denn anstatt dass der Wachposten jetzt den Botenreiter angemessen für sein forsches Auftreten angehen würde, schien dieser kurz zu überlegen, verneigte sich kurz vor ihr und bat sie, ihm zu folgen. Was sie dann auch machte. Als sie jedoch plötzlich hinter sich ein paar Geräusche hörte, drehte sie sich um und sah nur noch, wie der Botenreiter auf seinem Pferd sitzend sich eilig in Richtung Oberfels entfernte. Als sie wieder nach vorne blickte sah sie die beiden zusätzlichen Wachposten die etwas verwundert ihren Kollegen anschauten. Als der sie anführende Gardist erklärte, dass man ihr - ja, ihr, Rondralia! - eine Unterkunft zu gewähren habe und doch bitte dafür Sorge trage, dass alles sicher zugehen würde, war sie genauso erstaunt wie die beiden Wachposten. Diese bedeuteten ihr durch Gesten, dass sie sie begleiten sollte, während der Gardist wieder seine Position als Wachposten einnahm und sich hinter Rondralia der Eingang zum Palazzo Yaquirbruch schloss.

Teil 6: Sala Veliria

Autor: Horasio

Noch einmal schritt sie messenden Schrittes durch das Gemach. „Eins, zwei, drei, vier…“, flüsterte sie zu sich, brach aber ihren Gang als sie an dem kleinen Beistelltisch mit der gläsernen Karaffe ankam. Eilig goss sie sich ein und stürzte den verdünnten Wein in einem Zug hinunter. Dass sich ihr Mund trocken anfühlte, als sei sie ein Ketzer auf Pilgerfahrt durch die Khôm, änderte aber auch das nicht.

Unruhig trat sie an das Fenster, an dessen Sims eben noch zwei Tauben saßen und nun eilig davonflogen. Scheinbar hatte sich eine kleine Kolonie der Tiere oberhalb der Sala Veliria in einem Vorsprung des Gemäuers eingenistet. Ihre Hinterlassenschaften auf dem Stein waren deutliches Zeichen ihrer stetigen Präsenz.

Sie nickte und betrachtete kurz das Gemach, in das man sie einquartiert hatte. Das, so musste sie sich selbst eingestehen, musste man den Sirensteens lassen. Sie behandelten unerwarteten und vermutlich ebenso unwillkommenen Besuch immerhin standesgemäß. Nicht, dass ihr das etwas nützen würde, falls sie mit ihrem Vorstoß beim Baron des Yaquirbruchs diesen an seinen Zwist mit ihrem Vater, Boron habe ihn selig, erinnern würde und es ihr nicht gelänge an seine Verantwortung gegenüber der Waisen des getöteten Kullbachers zu appellieren.

Ein stilles Seufzen entwich ihrem Hals als sie sich wieder dem Fenster und damit dem Blick auf den Yaquirstrom zuwandte. Immerhin hatte es sich bestätigt, dass Graf Rimon Sâlingor derzeit nicht hier weilte - er mochte ein noch deutlich größeres Interesse am Bekämpfen des Erbes ihres Vaters haben, wollte er doch die Herrschaft seiner Familie über die Grafschaft Bomed zweifellos für kommende Generationen sichern. Da war es nur allzuwahrscheinlich, dass er auch den kleinsten Spross der Hoffnung seiner Feinde auszutreten versuchte, ehe daraus ernsthafte Gefahr erwachsen könnte. Diese Gedanken ließen sie noch einmal zweifeln, ob es wirklich richtig gewesen war, dieses Alveranskommando anzugehen.

„Du kannst das“, flüsterte sie selbst zu sich und wusste, dass ihr Leben auf dem Spiel stand. Egal wie gastfreundlich sie bisher aufgenommen worden war, es war nicht unwahrscheinlich, dass sie ihrem Vater bald übers Nirgendmeer folgen würde.

Sie hörte Schritte auf dem Gang vor dem Gemach. Wie auch immer. Man hatte ihr gesagt, es gäbe in Kürze das Abendmahl und ihr Magen knurrte bereits wie der sprichwörtliche hungrige Oger. Noch einmal strich sie sich Weste und Hose glatt, sie hatte auf das bereitgestellte Kleid verzichtet und es achtlos auf dem Bett liegen lassen, ehe sie sich lässig an den Rahmen des Fensters lehnte. So sie heute sterben sollte, dann mit dem Ausdruck der Sprezzatura und vollem Magen.


Teil 7.1

Autor: Erlan

An der Tür klopfte es, Rondralia erwiderte: "Herein!" Im Türrahmen blieb ein livrierter Diener stehen, der sie ansprach: "Wollt ihr mir bitte folgen? Es wird gleich aufgedeckt." Beim Umdrehen sah er das ihr zur Verfügung gestellte Kleid auf dem Bett und zog fast unmerkbar eine Augenbraue hoch, bevor er ihr voranging.

Das Ziel war ein kleinerer Salon. Der Raum wurde auf den ersten Blick dominiert von einem großen Tisch in der Mitte, der augenscheinlich nur für zwei Personen gedeckt war. Doch sobald sie sich den Raum und die Wände näher anschaute, sah sie überall Kartenwerk. Vor einer Regalwand war eine große Karte Aventuriens aufgehangen, an der gegenüberliegenden Seite augenscheinlich eine Seekarte, auf der neben Aventurien auch die sagenumwobenen Kontinente im Westen und Süden zumindestens andeutungsweise abgebildet waren. Direkt zu den Seiten der doppelflügligen Eingangstür zu diesem Salon waren zwei Staffeleien, auf denen auch Landkarten aufgespannt waren. Die eine erkannte sie als Karte des Horasreiches, die andere war eine viel kleinteiligiere und detaillierte - vermutlich von dieser Region, denn der eine oder andere Name kam ihr nicht nur von der Anreise bekannt vor.

Doch was noch imposanter war, war der Blick aus den Fenstern: denn hier sah sie die Wassermassen des Yaquirs, der quasi unter dem Salon herfloss. Am Firmanent stand die Sonne noch hoch am Firmament. "Wie es wohl aussieht, wenn sich später die Praiosscheibe in den Yaquirwellen vom Tag verabschiedet?" fragte sich Rondralia, bevor sie realisierte, dass sie gar nicht alleine war.

An einem der mehr seitwärts gelegenen Fenster stand ein mutmaßlich vielleicht neun Spann großer Mann, der auf die Yaquirwellen schaute. Dieser war in teuerstes Tuch gekleidet. "Ist das die berühmte al'anfanische Seide?" fragte sie sich in Gedanken. Aus den Ärmeln schaute prächtige Drôler Spitze hervor. Sollte dies der Baron sein, den sie unbedingt sprechen musste? Aber er sollte doch gar nicht zugegen sei, wurde ihr berichtet. Doch dann schalt sie sich selber, denn anhand der Haare war klar, dass es nicht dieser Erlan Sirensteen sein konnte. Denn der Mann, der da rausschaute, trug fast in Wellen herabfallendes braunes Haar und der Baron des Yaquirbruchs war für seine hellen weißblonden Haare bekannt.

Schräg vor dem Mann, der sie anscheinend immer noch nicht bemerkt hatte oder aber bemerken wollte, stand eine weitere Staffelei. Auf dieser war augenscheinlich eine Karte des zentralen Aventuriens, vor allem mit dem Mittelreich, angebracht, in der mit kleinen Nadeln bestimmte Positionen markiert waren. Am jeweiligen Ende der Nadeln war jeweils ein kleines Wappen abgebildet, doch auf die Entfernung konnte sie sich keinen Reim darauf machen. Auf jeden Fall dominierten die Farben Schwarz und Gold, aber Rot und Weiß waren auch zu erkennen. Jetzt kannte sich Rondralia bei Wappen zwar schon ein bisschen aus, aber ihr war es nicht vergönnt jahrelang regelmäßig die Heraldik zu studieren, so dass sie diese Farben nicht einem speziellen Wappen zuordnen konnte.

Erst jetzt bemerkte sie, dass der Diener, der sie hier hin geführt hatte schon gar nicht mehr im Raum war und sie gar nicht das Schließen der Türflügel gehört hatte - ebenso nicht im Vorfeld das Öffnen. "Wer immer das ist, er weiß gar nicht, dass ich hier bin", dachte sie sich und schmunzelte ein wenig. Aber sie war des Wartens überdrüssig und außerdem hatte sie ja langsam aber sicher Hunger. Der Gedanke, dass ihr Magen wieder knurren könnte und sie so bemerkt werden würde, gefiel ihr gar nicht, daher erhob sie ihre Stimme:

"Die Zwölfe vor", begrüßte sie den Mann kurz. Dieser drehte sich um und Rondralia meinte ein kleines Zucken der Überraschung zu Beginn erkannt zu haben. Er drehte sich zu ihr um und sein von den Haaren eingerahmtes Gesicht lächelte sie an. Seine dunklen Augen funkelten und er schien sich zu freuen, sie zu sehen. Dieser Anblick verwirrte sie, denn woher kam ihr das Gesicht so bekannt vor? Sie kannte jetzt nicht so viele Adlige, insbesondere nicht in diesem jungen Alter, aber er war nicht dabei. Doch mit seinen ersten Worten "Auch Euch die Zwölfe zum Gruße - Travia voran!" fiel es ihr sofort ein, denn diese Stimme hatte sie in guter Erinnerung.

"Ihr? Ihr seid der Botenreiter?!" [...]

Teil 7.2

Autor: Erlan

Rondralia schaute ihr Gegenüber erstaunt an und war völlig verwirrt. Dieser Kerl, der sie noch vor wenigen Stunden frecherweise als "zart" bezeichnet, ihr dann aber durch seine Fürsprache eine Unterkunft im Palazzo ermöglicht hatte... der war gar kein Botenreiter? Sondern ein, und das musste sie jetzt für sich mal kurz feststellen, ein äußerst adretter junger Edelmann?

Datei:Ludovigo Sirensteen.png
Ludovigo von Scheffelstein, gelegentlich auch Ludovigo Sirensteen genannt

Ihr Gegenüber verneigte sich kurz vor ihr und stellte sich vor: "Verzeiht, ihr kennt mich noch gar nicht: Mein Name ist Ludovigo von Scheffelstein. Und mitnichten, ich bin kein Botenreiter. Aber diese Feststellung zeigt ja eher Euer scharfes Auge. Denn fürwahr, ich trug vor wenigen Stunden noch die Reisebekleidung nebst Depeschentasche eines Botenreiters. Damit ist es fürderhin einfacher manche Stationen zu passieren" und mit den Augen blickte er auf die Staffelei mit der Karte neben sich.

Sie folgte seinen Blicken zur Karte nicht, sondern fragte ihn ganz direkt: "Dann seid ihr also Erlan Sirensteens..." - doch mitten im Satz unterbrach er sie und erwiderte "Sohn? Ja. Auch wenn es, im Hinblick auf meine Mutter und der Familie eher im Sinne Traviens denn Rahjens ist. Aber sagt an, mit wem habe ich es denn zu tun?"

"Rondralia della Pena ist mein Name" antwortete sie Ludovigo, der sie dabei ohne auch nur mit einer Wimper zu zucken anlächelte. Der junge Gardist heute morgen war da noch anders drauf, dachte sich Rondralia, denn dieser sprang ja, wie der Botenreiter, wie Ludovigo sagte, fast wie von einer Maraske gestochen, als er ihren Namen hörte. Das war bei ihrem Gastgeber nicht der Fall, der ihr jetzt bedeutete, sich an den Tisch zu setzen.

Kaum saßen die beiden läutete er schon eine Glocke und wie auf Kommando erschienen mehrere Bedienstete und brachten erste Speisen - aber auch Karaffen mit Wein. "Nun gute Rondralia, auch wenn mich die Unterhaltungen mit Euch immer freuen, sollten wir jetzt nicht zu lange mit dem Essen warten, sonst sind die guten Gaben der Götter nicht mehr im besten Zustand. So eine Sikrami kann man auch kalt essen, aber was da in der Küche gezaubert wurde, sollte schnell auf den Tisch."

Das traf bei ihr auf Zustimmung, sie hatte ja schon länger Hunger und musste sich zurückhalten, um nicht zu schnell zuzugreifen. Wie hatte noch eine gute Freundin ihr mal gesagt? "Egal wie hungrig ihr sein möget: Ihr seid eine edle Dame und kein Schlinger. Verhaltet Euch also auch zu Tisch so!"

Nachdem der erste Gang abgeräumt wurde nutzte sie die Gelegenheit zur Konversation: "Sagt, was sind das für Nadeln auf der Karte? Und was ist das für ein Wappen an den Nadeln?" Ludovigo schaute kurz auf die Karte und antwortete ihr: "Das Wappen meines Schwertvaters." Doch bevor er noch weiter reden konnte, öffneten sich schon wieder die Flügeltüren des Salons und er fuhr nach einem Blick dorthin fort: "Wir können uns das sicherlich später gerne mal anschauen, aber ich glaube jetzt sollten wir uns den firungefälligen Gaben widmen, die aufgetischt werden." Denn in diesem Moment brachte die Dienerschaft Wildbret.

Fast jede Konversation die sie begannen, wurde durch die Dienerschaft wieder unterbrochen bzw. beendet, da eine neue Köstlichkeit aufgetragen wurde.

So gut hatte Rondralia seit langem nicht gegessen. In einem kurzen Moment fragte sie sich, ob sie jemals so gut gegessen hatte. Da ignorierte sie auch den gerade noch gehegten Gedanken, dass das fast schon Absicht sei, dass sie nicht mehr als einen Satz wechseln konnten, bevor es weiter ging. Nach einiger Zeit war es dann vorbei, anscheinend war das nun der letzte Gang.

"Das war ein gutes - und vor allem umfangreiches - Essen", sagte Ludovigo, während er seinen kleinen Teller, auf dem sich bis gerade noch zwei Ifirnskugeln befanden, wegschob. "Einfach exquisit - aber was genau war das?" fragte Rondralia ihn, als sie auch ihren Teller zur Seite schob. "Die Ifirnskugeln kommen ursprünglich aus den hohen Eternen und können nur bei sehr kalten Temperaturen hergestellt und gelagert werden. Wenn man sie dann rechtzeitig serviert, dann schmelzen sie nicht auf dem Teller, sondern auf der Zunge - und zwar sanft und zart, so wie man es dem Herrn FIRun eher nicht zuschreibt. Daher auch der Name. Es soll gekühlte Kellerräume geben, da gibt es die verschiedensten Sorten dieser Ifirnskugeln.

Kurze Zeit später waren die Teller auch schon abgeräumt und Rondralia ergriff das Wort, denn sie hatte ja schließlich ein Ziel: "Wo ist denn Euer ... Vater?" Mit einem Mal wich das ansonsten stets präsente Lächeln Ludovigos aus seinem Gesicht, jedoch schoss stattdessen die Röte in seine Haut: "Ich habe die Pause sehr wohl vernommen. Was bringt Euch dazu daran zu zweifeln, dass er mein Vater ist? Mir ist natürlich bewusst, dass es nur im Sinne Travias ist und nicht im Sinne Rahjas" - und mit deutlich leiserer Stimme vollendete er den Satz noch ganz leise mit "und auch nicht im Sinne Praios'", bevor er in normaler Lautstärke fortfuhr: "Das habe ich Euch auch schon erklärt. Insofern steht es Euch nicht zu, das anzuzweifeln!"

Sie bemerkte natürlich, dass sie einen wunden Punkt erwischt hatte und der bis dahin so kontrolliert wirkende Ludovigo schien also doch auch aus der Reserve zu locken sein. Doch die jetzige Situation gefiel weder ihr noch ihm, so dass sie versuchte das schnell zu klären: "Entschuldigt bitte die Wortwahl. Aber", und da schluckte sie etwas, "da wo ich herkomme, ist es eigentlich so, dass wenn der leibliche Vater gestorben ist, es keinen anderen Vater gibt, der sich so liebevoll um einen kümmert!" Sie biss sich auf die Lippen, denn sie befürchtete, dass sie bei diesem emotionalen Ausbruch vielleicht etwas zu viel gesagt hatte. Doch das war anscheinend nicht der Fall, denn kurz darauf kehrte das Lächeln auf Ludovigos Gesicht zurück, der ihr sichtbar verziehen hatte.

"Nun, wo mein Vater ist. Ich meine in Vinsalt, also im echten Vinsalt. Doch von der Jahreszeit her könnte er auch noch auf Burg Irendor sein oder in Unterfels. Ich habe nicht immer den genauen Überblick. Er ist ein viel beschäftigter Mann." Bei diesen Worten kicherte er leicht auf, fühlte sich aber durch ihren fragenden Blick quasi ertappt und erstummte. Doch ihrem fragenden Blick folgten fragende Worte: "Warum habt ihr gekichert? So ein Baron hat doch sicherlich viel zu tun."

Dom Ludovigo stand auf, ging zu ihr hin, bedeutete ihr aufzustehen und sagte dann: "Das kann ich Euch nur sagen, wenn ihr versprecht, dass das wir beide hier gesagt haben und noch sagen werden, diesen Raum nicht verlässt! Schwört es bei Eurer almadanischen Ehre!"