Briefspiel:Erster Fünfundsiebzigster/Müde Füße
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Müde Füße im Palazzo Novo Carenio
Autor: Carenio
Mit einem Seufzen ließ sich Dimiona della Carenio auf das gepolsterte Sofa mit den Löwenfüßen im Damensalon des Palazzo Novo sinken. Eine Zofe eilte herbei und half der Baronnessa aus den Tanzschuhen. Das Oberhaupt des Lilienrates stöhnte auf.
“Ein Fußbad, Lionora, ein Fußbad für meine malträtieren Füße!”
Mit einer Verbeugung entfernte sich das Mädchen, die edlen Absatzschuhe in der Hand, um den Wunsch der Hausherrin zu erfüllen.
Tolman d'Illumnesto lächelte liebevoll. “Bist du denn zufrieden damit, wie das Fest zum 75. Geburtstag des Herzogs verlaufen ist?”
Dimiona lehnte den Rücken an die Sofalehne und drehte nachdenklich ihren Siegelring.
“Hm, das ist schwer zu sagen. Wenn du mich um eine Zusammenfassung bittest, dann würde ich sagen, dass ich mit dem Ergebnis zufrieden bin. Wenngleich es, wie zu erwarten war, Höhepunkte und Tiefpunkte gab. Am Ende aber überwiegt die Zufriedenheit, dass Herzog Cusimo sich größtenteils amüsiert hat und gut gelaunt abgereist ist.”
Der Vater ihrer beiden Söhne Dragomaris und Ludovigo nickte bedächtig.
“Den Eindruck hatte ich auch, Dimiona. Hat er denn auch so ausgiebig getanzt wie du?”
Dimiona lachte.
“Nun, er schien sich auf das Beobachten der Tänzerinnen und Tänzer beschränken zu wollen. Ich muss zugeben, dass ich so abgelenkt war von meinen Bemühungen, mich auf dem Parkett nicht zu blamieren, dass ich gar nicht genau sagen kann, wie viel er selbst getanzt hat. Du hast aber auch schnell die Tanzfläche verlassen!”
Die Entrüstung über das frühzeitige Verschwinden ihres Gemahls war der Baronessa anzusehen.
Tolman lächelte entschuldigend. “Du weißt doch, dass mein rechtes Knie seit meinem Reitunfall mir derlei Vergnügungen nicht mehr lange gestattet.”
Seine Gemahlin seufzte erneut.
“Ja, wirklich schade. Die Tanzmeisterin und die Musikanten haben ihre Aufgabe nämlich hervorragend erfüllt. Ich habe mich wirklich amüsiert. Aber der Höhepunkt war sicherlich die Regatta, nicht wahr? Herzog Cusimo war ganz in seinem Element und hat die Positionswechsel der Schiffe genau verfolgt. Wäre da nicht dieses ominöse Schiff Serpens Nigra mit Bellatrix Aralzin gewesen, die sich auf hinterhältigste Weise Zugang zu dem Wettbewerb verschafft hat …”
Dimiona war sichtlich erbost und auch Tolman schüttelte indigniert das Haupt. “Unfassbar. Eine solche Intrige dieser Schlange aus dem Hause Aralzin. Das wird sicherlich noch zu weiteren Verstimmungen führen, was meinst du?”
Das Oberhaupt des Lilienrates nickte zustimmend.
“Sicherlich! Herzog Cusimo war äußerst erbost über diese Intrige. Zum Glück hat er dies nicht mit uns, dem Lilienrat der Stadt Sewamund, in Verbindung gebracht.”
Inzwischen war die Zofe der Baronessa wieder erschienen. Dimiona stellte mit einem tiefen, genussvollen Seufzen ihre Füße in das warme Wasser, in dem einige Rosenblüten schwammen. Sachte bewegte sie die Zehen.
Gemeinsam rekapitulierte das Paar die Höhepunkte der Feier: die Ankunft des Herzogs im Hafen der Stadt, die Begrüßung im Schloss Corello, die Präsentation diverser Geschenke der Gäste für Herzog Cusimo, die offizielle Gründung des Herzog-Cusimo-Collegs, die Vorkämpfe für die letztlich am zweiten Tag stattfindende Regatta, die Verhandlungen um den neugestalteten Hafen der Stadt und die Auswahl der Lehrmeister und Kadetten für den weltlichen und den magischen Zweig der Seekadettenschule.
Daneben hatten einige unheimliche Gerüchte die Sorge Dimionas befördert, dass womöglich etwas Unheiliges während der Feierlichkeiten geschehen könnte und die Stimmung des launischen Herzogs gegen die Stadt am Sewak wenden könnte. Zum Glück hatte außer der Intrige der Comtessa Camerlenga des Horas' nur ein geschenktes Jugendgemälde die Laune Cusimos getrübt. Gerade auch die Aussicht darauf, dass bald ein überlebensgroßes Standbild des Herzogs von Grangor die Stadt Sewamund zieren würde, hatte zur Zufriedenheit Cusimos beigetragen.
Noch wollte Dimiona nicht darüber nachdenken, wie sehr all die Geschenke für Herzog Cusimo und vor allem sein Geschenk die Stadtkasse belasten würden. War die Hafenstadt seit der Flutkatastrophe und der Schlacht gegen Baron Irion von Streitebeck ohnehin schon klamm, würden die “Geschenke” auf beiden Seiten das Säckel Sewamunds noch weiter leeren.
Da war es nur gut, dass mit dem Verkauf der Liegeplätze und Grundstücke im Neuen Hafen einiges an Geld in die Stadtkasse gekommen war. Der ehemalige und durch die Flut vergrößerte Hafen war zu je einem Drittel an die HNPC, an ein Konsortium aus Handelsfamilien, die dort einen Freihafen errichten wollen, und an herzogliche Einkäufer gegangen, die in dem letzten Drittel die neu zu entstehende Kriegsflotte von Cusimo stationieren wollen. Die Lehrer und Kadetten des Herzog-Cusimo-Collegs würden Platz in der alten Hafenfestung finden und über einen separaten Anleger verfügen. Zudem hatte die CAC drei kleine Grundstücke erworben, welche die Drittel der Großen jeweils trennten. Der Lilienrat hoffte natürlich darauf, dass die neuen Einrichtungen auch in Zukunft vermehrt frisches Geld in die Stadtkasse spülen würden. Schließlich erhöhten sich durch den neuen Status der Stadt ja ebenso die Steuern, die an den Herzogenhof gingen.
Die Zofe trocknete sorgfältig die Füße der Hausherrin und salbte sie mit einem duftenden Blütenöl. Behaglich lehnte sich Dimiona zurück und ließ sich die Füße auf einen gepolsterten Hocker betten. Tolman reichte ihr ein Glas mit einer angenehm temperierten Yaquirblume. Er prostete seiner Gemahlin zu.
“Auf das alles in allem gute Gelingen dieses Geburtstagsfestes!”
Das Familienoberhaupt der Carenios erwiderte den Trinkspruch und nippte mit zufriedenem Lächeln an ihrem Glas. Sie hoffte, dass die Gäste, allen voran der Herzog, das auch so beurteilen würden.