Archiv:Das Weilenscheinkomplott - Teil 2 (BB 20)
Quelle: Bosparanisches Blatt Nr. 20, Seiten 31-33
Aventurisches Datum: 1022 BF
Teil 2
Restufan von Aquilla-Weilenschein, wohl 10 Meilen vor Letran:
Er blickte auf die Leuin , welche seinen Wappenrock zierte. Sie ruhte auf einem ansehnlichen Bäuchlein, welcher sicherlich einem Patrizier gut gestanden hätte. Nicht jedoch einem, welcher angetreten war, im Namen der Herrin für Recht und Ehre einzustehen. Ein erbärmlicher Etappenrondrianer war er, der in den letzten Wochen alles getan hatte, um nicht an die tobrische Front zu müssen. Sicherlich, die Familie hatte ihn zu dieser kirchlichen Karriere gepresst und das, was ihm an Tugenden abging, mit grossen Geldbeträgen zu kompensieren versucht. Aber er war es schliesslich, der im Angesicht der Herrin gelogen hatte. Er hatte niemals den Ruf verspürt ihr zu folgen, keine seiner angeblichen Heldentaten hatte er wirklich vollbracht. In jeder Stunde des Gebets und der Meditation hatte er Rondra dafür um Verzeihung gebeten.
Er fühlte nach den Dokumenten, die er bei sich trug. Welche bewiesen, dass tatsächlich massgebliche Kreise der hl. Kirche vom unsäglichen Betrug um die Gebeine des hl. Gevron wussten. Jene, welche Damion noch zurückgehalten hatte, lieferten die Beweise, dass jener Betrug von den Tilaisanis, den Signoris zu Letran, ersonnen worden war. Was Damion mit jenen hernach anstellen würde, wusste er nicht. Doch würde ihn das nicht mehr tangieren. Wenigstens einmal im Leben eine mutige Tat vollbringen, die vielleicht ein klein wenig der Schuld, welche er im Angesicht der Göttin und aller Heiligen auf sich geladen hatte, würde abtragen können. Das erste mal in seinem Lebe spürte er so etwas wie göttliche Inspiration.
Calliana, eine Schmiedin aus Ranaqídes, eine Burgruine in Südterubien:
Bald würde der Morgen anbrechen. Und vielleicht würde es der letzte Sonnenaufgang sein, den ihr die Zwölfe zugestanden hatten. Der Angriff würde mit dem Morgengrauen beginnen, hatten ihr die Soldaten erklärt, die in diesen Dingen sicherlich bewandert genug waren. "So hat man den ganzen Tag Zeit und ausserdem noch die Sonne im Rücken." Der Gedanke an die stumm vorrückenden, zum Töten bereiten Söldner irgendwo da vorne liess sie frösteln. Doch die wunderbare Nähe Effredos, der ihren Rücken wärmte, half ihr schnell wieder darüber hinweg. Nicht dass der schmächtige Schäfer wirklichen Schutz in einem Kampf verhieß, doch gemahnte sie seine Wärme, dass sie noch nicht tot war.
Restufan von Aquilla-Weilenschein, vor Letran:
Die kleine Stadt Letran lag vor Ihnen. Hohe Mauern umgaben sie und waren die Türme des Castello Letran zu erkennen. Seit Generationen Stammsitz der Familie Malatesta, auch wenn es vor Entdeckung der heiligen Gebeine noch Palazzo Letran genannt wurde. Auch hatte es sich erst in den letzten Jahrzehnten eingebürgert, die Familie nach dem in jeder Generation gleichen Vornamen des Erbbaronets Tilaisan zu nennen. Der alte und junge Tilaisan also. Beide waren ihm durchaus bekannt. Der junge war ebenso wie er selbst von der Familie protegiert in der Kirche aufgestiegen. Jedoch stets mit dem klaren Ziel irgendwann Hochgeweihter des Tempels im Castello Letran zu werden. Zweifelsfrei war jener jedoch im Gegensatz zu seiner eigenen erbärmlichen Interpretation dieser Rolle wahrhaft würdig ein solches Amt zu bekleiden. Gewiss hatte auch der junge Tilaisan Malatesta nicht jenen einfachen, ehrlichen, selbstlosen, hehren Charakter, welchen die zahllosen Helden aus der Vergangenheit der heiligen Kirche wohl besessen hatten. Mut jedoch, den Mut, der ihn noch jeder Gefahr furchtlos ins Auge schauen liess und Ehrgefühl, das Ehrgefühl, dass ihn jeder Schmähung seines oder der Göttin Namen entschlossen entgegentreten liess, besass er ebenso wie sein Onkel, der alte Tilaisan.
Die Tore der Stadt waren verschlossen. Es war nicht anders zu erwarten gewesen, wenn sich einige Banner Bewaffnete ohne sich erklärt zu haben der Stadt näherten. Auch Vetter Damion hatte es bei seinen ehrlosen Planungen voraus gesehen. Ihr Zug hielt. „Wir werden nicht warten“, sagte er und ritt gefolgt nur von seinem Knappen, der die Parlamentärsfahne hielt auf das Stadttor zu.
Elanor von Efferdas, irgendwo in Arivor:
Sie war froh, dass diese Nacht mit ihren absurden Träumen nun ein Ende hatte. Sie fühlte sich tatsächlich wie gerädert. Dieses Nachtlager war aber auch wirklich ihres Standes unwürdig: Hart und es roch nach Waldboden. Waldboden? Sie schlug ihr gesundes Auge auf und blickte in helles Tageslicht. "He Crasio das Liebchen wacht auf!" 'Liebchen'? Ob dieser Ungeheuerlichkeit war ihre Benommenheit wie weggewischt. Trotz ihrer Fesseln setzte sie sich mit einem Ruck auf und blickte in die Runde jener ungewaschenen Bauern. Schollenjünger, aufständische dazu! Und diese hatten sich erdreistet, sie niederzuschlagen und zu fesseln. Frau sollte sie alle ... Aber halt, momentan waren sie in der besseren Position. Es war klug dies unumwunden anzuerkennen und den gerechtfertigten Zorn herunterzuschlucken. Ihr Jähzorn und ihr ausgeprägtes Ehrgefühl hatten sie schon ein Auge gekostet, es sollte sie nun nicht noch ihr Leben kosten. Schon gar nicht hier und schon gar nicht von Hand dieser ... Der wohl mit Crasio Angesprochene trat auf sie zu: "Baronin Elanor nehme ich an!?" Woher kannte dieser Kretin ihren Namen?
Calliana, eine Schmiedin aus Ranaqídes, eine Burgruine in Südterubien:
Was mochten die Hauptleute beschließen? Diese Frage beschäftigte sie nun wohl schon eine Stunde, seitdem sich jene zusammen gesetzt hatten, um die neue Situation zu beraten. Effredo, ihr mutiger und zärtlicher Effredo hatte ausgespäht, was die Angreifer des letzten Tages nun davon abhielt vorzurücken. "Wir haben einen argen Zauderer als Gegner", hatte der Gardeleutenant vermutet. Aber nein, allen gütigen Göttern Dank, die Zahl der Belagerer hatte sich über Nacht mehr als halbiert. Diese waren nunmehr wohl zahlenmässig nicht mehr in der Lage die Ruine zu erstürmen, aber sicherlich noch stark genug -besonders wenn man an die Schützen dachte- einen Ausbruch zu einer blutigen Unternehmung werden zu lassen. Sie fröstelte trotz der Sonnenglut. Was mochten die Hauptleute beschliessen?
Elanor von Efferdas, irgendwo in Arivor:
„Und wie soll es nun weitergehen –äh Leutenant?“ „Nennt mich nicht so!“ raunzte er zurück und schon ein wenig erschrocken über den eigenen Tonfall: „Wir kämpfen nicht um Sold, sondern um ein besseres Leben, Baronin.“ Sie beschloss sich erstaunt zu geben. „Baronin? Wie kommt Ihr auf dieses?“ „Nun, so viele Frauen mit Augenklappe, welche in solch feinem Tuche unter Bedeckung durch die Lande reisen, dürfte es wohl nicht geben, denke ich. Ihr seid zweifelsfrei Baronin Elanor von Efferdas.“ triumphierte er. Wie jeder wahre Horasier war er beglückt, Zeugnis seiner hesindianischen Gaben und seiner Weltläufigkeit ablegen zu können. Das galt es auszunutzen. „Oho, ich sehe, Ihr seid –wie man sagt- auf dem Laufenden, was in der Welt vor sich geht. Dann seid wahrhaft der Richtige diesen Trupp anzuführen und mir meine Frage zu beantworten: ‚Wie soll es nun weitergehen?‘ -äh Crasio." Sie hielt ihren Kopf schräg und blickte ihren Gegenüber mit dem unschuldigsten und mädchenhaftesten Lächeln an, welches ihr zur Verfügung stand. Lächerlich eigentlich, aber besondere Umstände ... "He Crasio, das Liebchen dürfte dann doch eigentlich einiges wert sein!“ Zu Dir werde ich über kurz oder lang noch besonders lieb sein. Aber zunächst musste sie sich auf das dringlichste beschränken. Den, den sie Crasio nannten, legte nachdenklich die Stirn in Falten. Gut, das hatte sie sich gedacht. „Also kämpft ihr nicht für Sold, denn für Lösegeld wie gewöhnliches Gesindel, Crasio? Für ein besseres Leben, Crasio? Jenseits von Praios Recht und Ordnung, Crasio?“ Er schwieg. Mehr aus Unsicherheit denn aus Wut hoffte sie. Das war wohl allzeit das grösste Problem aller aufständischen Bauernrüpel gewesen. In Wut und Verzweiflung fochten sie manchmal recht geschickt, so wie jene hier. Doch kleingeistig wie sie nun mal waren, konnten sie dann nicht abschätzen, wie sie mit den Folgen ihres Tuns leben sollten. Hier brauchten sie dann eine so starke Hand wie jene gegen welche sie sich zu erheben erdreistet hatten. Wahrhaft zum Erbarmen. Hier würde sie ihnen ihre starke Hand reichen; zu beiderseitigem Fromm. In ihr reifte ein tollkühner Plan...
Ebius von Efferdas, Residenz der Barone zu Efferdas:
„Ich weis, dass ich als Thronverweser meiner hochgeboren Schwester nunmehr einen Ratschluss fällen sollte, Esquirio. Gleichwohl bin ich solcherlei Dingen mehr als wenig bewandert. Aber schlussendlich ist hier vom Aquamarin- und vom edlen Rat versammelt, was in der Kürze der Zeit -wie sagt man- zusammenzutrommeln war. Nun gebt mir an meiner Schwester statt Rat!“ Das hatte eindeutig zu verzweifelt geklungen. Zwar war die Situation wahrhaft vertrackt: Begonnen hatte es noch vor dem ersten Morgengrauen mit der Nachricht, dass der efferdische Grosssiegelbewahren Signor von Ranaqìdes mitsamt dem Grossiegel und seiner Bedeckung auf dem Wege nach Veliris in Südterubien in einen Hinterhalt der Weilenscheins geraten war und zumindest fest sass, wenn nicht bereits arretiert war. Cavalliere Reon von Efferdizza-Berlinghân war durch seine Nichte die Signora von Efferdizza vom Gut Gräflich Efferdiza vertrieben und zum Boten degradiert worden, welcher ihre Forderung nach Übergabe der Stadt und der freiherrschaftlichen Insignien überbracht hatte. Eine Schmach, welche sichtlich an dem alten Cavalliere nagte und ihn in schwermütiges Brüten hatte verfallen lassen. Die Söldlingshaufen der Weilenschein belagerten Letran, Unterhändler verhandelten über die Übergabe der Stadt, hieß es und in Chintur war es in der Nacht zu Brandschatzungen gekommen. Vermutlich durch Galahanisten, welche in dem ehemals galahanschen Hausgut noch immer stark waren. Nach den letzten Berichten hatte daraufhin die Signora von Efferdizza um die praiosgefällige Ordnung wiederherzustellen ihre Truppen Chintûr besetzen und die Signora von Chintûr festsetzen lassen.
Die versammelten Edlen redeten lauthals durcheinander. „GEBT RUHE, SIGNORI!“ brüllte er mit aller Kraft. Ein paar verstummten. „RUHE!“ brachte ein tiefer Bass von der anderen Seite des Spiegelsaales her auch die anderen zum Verstummen. „Torremund!“ Drago Torrem von Torremund, wahrlich eine Freude diesen alten Gardeoffizier hier zu wissen. „Ja, Efferdas! Auch wenn das Verhältnis zu Eurer Schwester zur Zeiten nicht ungetrübt war, haben wir noch nicht vergessen, dass Eure Familie uns einst gegen die Urbetier beistand. So wollen wir sehen, was wir nun gegen diese Terubier tun können.“
Restufan von Aquilla-Weilenschein, Letran:
Sie überantworteten die Dokumente dem Feuer. Er blickte müde in die Flammen. Die gesamte Nacht hatte er mit den beiden Tilaisani zugebracht, um ihnen die Lage zu vergegenwärtigen und ihnen klar zu machen, welch unwürdiges Ränkespiel sein Vetter mit ihnen allen zu spielen gedachte. Damion hatte wohl gelegen mit dem jungen Tilaisan. Wahrhaftig war jener allzu bereit gewesen, auf den unehrenhaften Handel Verrat gegen den Fortbestand des Wallfahrtsortes einzugehen. Stunde um Stunde hatte jener darob auf seinen Onkel eingeredet, sich Damion anzuschliessen. Stunden, in denen er an die Kriegerehre der beiden appelliert hatte, in denen er versucht hatte, weiteren Schaden von heiligen Leuin Kirche fernzuhalten, in denen er immer und immer wieder so überzeugend, wie es ihm möglich gewesen war, seine vage Hoffnung, dass Damion es nicht wagen würde, die bei ihm verbliebenen Beweise tatsächlich zu verwenden, vorgebracht hatte.
Der alte Tilaisan schaute ihn an: „Es wird wohl nur einen Weg geben, auf dem ich ein wenig der Schuld an der Herrin, welche meine Vorfahren auf mich geladen haben, werde abtragen können. Ich werde nach dem Morgengebet antreten lassen.“ Der junge schreckte auf. „Du willst unsere Mannen gegen diese Übermacht führen?“ „Nicht alle, nur jene, welche sich mir aus freien Stücken anschliessen mögen.“ „Aber das ist Wahnsinn!“ „Nein, das ist das, was ich unserer Herrin schuldig zu sein glaube. Mein Blut und das der Männer, welche mit mir reiten werden, werden vielleicht den gerechten Zorn Rondras von unserem Geschlecht abhalten. Hernach wirst du Signor und Hochgeweihter dieses Tempels sein und deinen eigenen Ratschluss fällen müssen. Ich aber habe mich entschlossen diesen Weg zu gehen und meine Entscheidung ist unumstösslich.“ Der alte Krieger hielt kurz inne und wandte sich dann an ihn: „Und ihr wollt nun sicher Euer Parlamentärspflicht nachkommen und zu den Eurigen zurückkehren!?“ Er straffte sich und hielt dem eindringlichen Blick des Alten stand. „Nein Hochwürden, die Meinigen sind die, welche der Göttin folgen. Bitte gewährt mir die Ehre an Eurer Seite fechten zu dürfen und somit ein wenig des unrechten Tuns meiner Familie an der eurigen wieder wett zu machen.“ Diese zwei Blicke, der anerkennende des alten und der gleichwohl ver- wie bewundernde des jungen, versöhnte ihn zu gutem Stück mit seinem bis dato unnützen Leben. Nun musste er nur noch seinen Worten Taten folgen lassen.
Ebius von Efferdas, Residenz der Barone zu Efferdas:
So sehr er dem Torremunder auch dankbar war, so sehr amüsierte ihn auch das Erschrecken in den Augen des alten Haudegens. „Nein Signor, als ich sagte, dass ich unsere Truppen magisch ein wenig verstärken wolle, zielte ich nicht darauf ab, in helaischer Manier Daimonide zu beschwören oder die Überreste Verstorbener zu unheiligen Leben zu erwecken. Schliesslich befinden wir uns hier nicht in den Schwarzen Landen.“ Er war froh, nachdem er die lästigen und unübersichtlichen Dinge einer militärischen Stabsplanung bereitwillig in die Hände des Torremunder gelegt hatte, sich selbst nun in einer Art und Weise einbringen zu können, welche seiner Profession weit eher entsprachen: „Gleichwohl werden unsere Gegner, sollten sie es wagen, die Stadt anzugreifen, mit schwärzester Dunkelheit zu kämpfen haben. Oder auf unüberwindbare Hindernisse treffen oder, oder, oder, solange meine Kräfte und mein Vorstellungsvermögen reichen. Das sollte genügen um einen Vormarsch vorerst zum stehen zu bringen. Um das mehr physische Zurückschlagen schliesslich mögt Ihr Euch dann kümmern. Es ist wahrlich mehr Euer Metier denn meines. Oder habt Ihr noch bessere Vorschläge?“ Die Augen seines Gegenübers leuchteten nach einem kurzen Moment des Nachdenkens auf. Der alte Haudegen hatte Feuer gefangen.
Tilaisan Malatesta von Letran-Striazirro der Jüngere, Letran:
Er kämpfte gegen seine Tränen. Tränen der Wut, Tränen der Trauer, Tränen der Scham. Von den Zinnen herab hatte er das Ende des Onkels, dem Held seiner Jugend, dem Hochgeweihten des Tempels und dem Signor von Letran miterleben müssen. Irgendein hergelaufener Mietling hatte ihn mit seiner Hellebarde aus dem Sattel gehoben, bevor andere seines Schlages den Onkel regelrecht zerstückelten. An der Seite des Alten war auch jener Restufan gestorben und die anderen Brüder, welche mitgeritten. Nun war also er der Signor von Letran und sicherlich alsbald auch Hochgeweihter des Tempels. Nun hatte er die Entscheidung zu treffen zwischen Ehre und Vernunft. Aber war diese nicht schon lange gefallen? „Lasst den Totengong schlagen und ruft alle zu den Waffen, alle!“
Calliana, eine Schmiedin aus Ranaqídes, an Bord der „Stolz von Efferdas“:
Hier kauerte sie nun: Eingezwängt zwischen ihren Kameraden im Bauch dieses knarrenden Schiffes. Die Luft war zum Schneiden und durch das beständige Auf und Ab wurde ihr allmählich übel. Aber sie war glücklich, unendlich glücklich. Sie alle waren der Falle entkommen. Egal wer das Schiff geschickt hatte, sie hätte ihm am Liebsten auf der Stelle die Füsse geküsst. Es ging zurück nach Efferdas. Zwar hatte sie gehört, dass auch die Stadt belagert sei, aber sicherlich bot sie bessere Möglichkeiten zu überleben als diese vermaledeite Burgruine. Bald, soffte sie, würde sie wieder zu Hause sein. Sie seufzte.
Der Hund, Castello Weilenschein:
Irgend etwas ging vor, sie konnte es riechen. Nun war sie jedoch nicht ein beliebiger Burghund, sondern der beste Vorstehhund ihres Herren. Abgeklärtheit und überlegtes Vorgehen war, was von ihr verlangt wurde. Also lieber erst einmal selbst in Augenschein nehmen, bevor hund anschlug. Sie trottete also langsam in Richtung des Burgtores, welches zu dieser späten Abendstunde nur noch zur Hälfte geöffnet war. Dort hielt sie noch einmal prüfend ihre Schnauze in den Wind. Ja ganz sicher, sehr viele Menschen waren da draußen. Man konnte sie nicht sehr sehen und auch nicht hören, aber sie waren da. Warum hatte dieser Mann mit dem langen Stock in der Hand es nicht auch gerochen und schon lange Alarm gegeben. Wütend bellte sie ihn an. „Halt’s Maul räudiger Köter!“ Schliess das Tor, Zweibeiner, mein Herr schwebt in Gefahr! Der Stockmensch schlug nach ihr. Getroffen jaulte sie auf. Schon gingen die ersten Türen der grossen Steinhütte auf und wütende Zweibeiner kamen heraus. Sie bellten alle durcheinander: „Bring den Köter zum Schweigen, verdammt!“, Lass den armen Hund zufrieden!“, „Achtung, sie gehört dem Signor“. Es war zum aus dem Fell fahren: Keiner kümmerte sich um die drohende Gefahr.
Zu spät: Der Mensch mit dem langen Stock erhielt einen Schlag gegen seinen Schädel. Durch das Tor drängten die Fremden allesamt mit etwas widerwärtigem, beißenden in der Pfote. Sie sprang dem Erstbesten an die Kehle. Leider konnte sie der Mensch mit dem Unterarm davon abhalten, welchen sie nun jedoch wütend zerfleischte. Dabei konnte sie beobachten wie immer mehr der Feinde in den Hof strömten. Auch die Menschen aus dem Steinbau hatten nun endlich begriffen, um was es ging und kämpften. Plötzlich bohrte sich etwas in ihre Flanke. Ein silbrig glänzender, beißender Zahn. Es tat nicht einmal sonderlich weh, aber sie war sich sicher, dass sie nun sterben würde. Nach einem erfüllten Leben, in dem sie fünfzehn Welpen geworfen hatte, bei der Verteidigung ihres Herrn zu sterben, war ein guter Tod. Unwillkürlich begann sie an zu winseln, während sie auf das Pflaster des Hofes rutschte.
Ebius von Efferdas, Efferdas:
Er inspizierte die Barrikaden, welche auf allen Hauptstrassen der Stadt errichtet worden waren. Wieder war dankbar, dass ihn der Signor von Torremund begleitete. Dieser sprach den Besatzungen Mut zu und erteilte Befehle. Beinahe alle Bewohner der Stadt waren trotz der späten Stunde auf den Beinen. Man spürte deren grimme Entschlossenheit ihr Hab‘ und Gut zu verteidigen. Von Seiten des Flottillenkommandos war keine Hilfe zu erwarten. Es war der strikte Befehl an alle Seesoldaten und Matrosen ergangen, sich aus dieser Adelsstreiterei herauszuhalten. Trotzdem waren viele auf den Barrikaden zu finden. Schliesslich hatten viele von ihnen Haus und Familie in der Stadt.
Obwohl die Angreifer mit weniger Bewaffneten als befürchtet aufmarschiert waren, hatten dennoch den Belagerungsring um die Stadt im Laufe des Tages beständig enger gezogen. Nach Meinung des Torremunders hatten sie zwar den Fehler gemacht, nicht sofort anzugreifen, nun jedoch erwartete er den Angriff für den frühen Morgen. Er würde sich vorher noch ein wenig zu Ruhe begeben müssen.