Archiv:Zwangsheirat in Urbasi (BB 29)
Quelle: Bosparanisches Blatt Nr. 29, Seiten 4-5
– ungeheuerliche Kunde aus Sikramien:
Sewamund / Urbasi. In diesen unruhigen Zeiten, die von wilder Mordlust und niederträchtiger Heimtücke zugleich geprägt sind, erreicht uns ungeheuerliche Kunde aus der kleinen unbedeutenden Ortschaft Urbasi am fernen Sikram.
In der hierzulande nur für ihre Esel- und Maultierzucht bekannten Stadt geschah dem Kind eines phecadischen Edlenhauses großes Unrecht. Tsabella Catalina ya Mornicala ist der Name der Unglücklichen, die wohl nur zu froh wäre, wüßte sie die schützenden Mauern Sewamunds um sich.
Die ebenso zurückhaltende wie bildhübsche junge Dame war vor einiger Zeit auf Geheiß ihres Vaters, Baronet Ciro Galeno ya Mornicala, dem Castellan der Feste Phecanostein, mit dem Edelmann Tarquinio della Pena verlobt worden (s. BB26).
Nach dem Turnier um die Goldene Lanze von Bomed begaben sich die Verlobten nach Sikramien, wo das Edelfräulein die Signorie Marvinko, das Lehen ihres zukünftigen Gemahls, kennenlernen sollte. Diese Reise sollte wenige Wochen, höchstens ein oder zwei Monde andauern, ehe die Braut und Bräutigam nach Phecadien reisen sollten um dort den Traviabund zu schließen. Doch lange Zeit hörte man nichts vom Schicksal der Signorina.
Allein von den draufgängerischen Taten Signor Tarquinio della Penas wußte man, er habe sich bei Schlachten an den Sikramufern durch übermäßige Tapferkeit ausgezeichnet, wie Reisende aus dem Süden berichteten. Von seiner Verlobten konnten sie indes nichts erzählen. Allmählich gruben sich tiefe Sorgesfalten ins Gesicht des gutmütigen Baronet Ciro.
Die grausamen Taten des berüchtigten Horasio della Pena, seines Zeichens älterer Bruder Tarquinio della Penas, veranlasste die Familie Mornicala sodann zu weiteren Sorgen. Trotz der unruhigen Zeiten entschloss man sich Boten nach Sikramien zu senden, welche Kunde vom Schicksal der Signorina bringen sollten.
Nun kehrten die Gesandten zurück und verbreiteten ihre ungeheuerliche Kunde in Phecadien. Gegen ihren ausdrücklichen Willen hatte man das junge Fräulein in den Traviabund gezwungen! Es hatte sich gezeigt, was befürchtet worden war. Hinter Tarquinio della Pena steckte ein ebensolcher Schurke wie es sein Bruder ist.
Scheinbar hatte der Tolldreiste geahnt, dass man vor lauter Sorge über die ruchlosen Taten der Geschwister über eine Lösung der Verlobung nachdachte und sich kurzerhand entschlossen einem solchen Ersuchen der Mornicala zuvorzukommen.
Im tiefen Winter, welcher dem zarten Fräulein Tsabella immer ordentlich zusetzte, zwang er sie ins abgeschiedene Urbasi, in welchem sein Vetter, Gransignor Traviano v. Urbet-Marvinko, das Regiment an sich gerissen hatte und so für die Schurkerei Tarquinios das Feld bereitete.
Mit Waffengewalt wurde die Dame in den Traviatempel geführt wo der dortige Pfaffe mit einer Mischung aus Bestechung und Bedrohung dazu gebracht wurde die Vermählung vorzunehmen. Die Götter selbst waren Zeugen dieses unerhörten Frevels und mögen dem Edelfräulein beim Vollzug der „Hochzeit“ beigestanden haben.
Inzwischen wurde die Dame scheinbar zurück nach Marvinko geleitet, wo sie nach Anweisung Signor Tarquinios unter Hausarrest steht und jeder Kontakt zu ihrer Familie in Phecadien ihr verboten ist. Mögen die Götter geben, dass sich die Frau von diesen schrecklichen Erlebnissen recht schnell erhole und dass sie alsbald durch einige göttertreue Seelen aus ihrer Gefangenschaft befreit werden.
Während des Thronfolgekriegs brechen im Königreich Yaquiria weite Teile staatlicher Ordnung zusammen, auch die Botendienste haben immer größere Mühe ihren Aufgaben nachzukommen. Durch von marodierenden Söldnern unsicher gemachte Straßen und Wege kommt es immer wieder zum Verlust von Nachrichten. Zugleich ist es für den Reisenden im allgemeinem Chaos der wechselnden Bündnisse, Stadtherrschaften und Adelsfehden immer schwieriger den Überblick zu bewahren. In diesem Licht betrachtet erklärt sich auch die obige Meldung, welche nichts weiter als Halbwahrheiten aus Urbasi nach Sewamund weitertrug. Davon allerdings ahnt Baronet Ciro Galeno ya Mornicala, der mächtige Castellan von Phecanostein, zunächst nichts und nimmt sie voller Sorge um seine geliebte Tochter zur Kenntnis. Allerdings ahnt Ciro nicht, dass Tsabella durchaus freiwillig den Traviabund mit Tarquinio eingegangen ist. Zwar konnten sich die beiden Verlobten zunächst nicht sonderlich gut leiden, lernten sich aber während der gemeinsamen Tage in Sikramien weiter kennen und schätzen. Als sie das Lager rahjagefällig teilten, bedachten beide in jugendlicher Unschuld nicht der daraus resultierenden Folgen, die sich jedoch bei Tsabella nach einiger Zeit zeigten. |