Briefspiel:Ein Gänslein fliegt aus

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Stadt Unterfels.png Briefspiel in Unterfels Stadt Unterfels.png
Datiert auf: Tsa 1042 BF Schauplatz: Unterfels, Stadtteile Tuffino und Yaquirella Entstehungszeitraum: Dezember 2017
Protagonisten: Vater und Tochter Autoren/Beteiligte: Familie Rizzi.png Rizzinger

Eine junge Patrizierin begibt sich auf eine weite Reise.


Ein Gänslein fliegt aus

Unterfels, Tsa 1042 BF

Ein jammerndes Maunzen riss Travietta aus ihrem leichten Schlaf. Verschlafen rieb sie sich die Augen und blickte direkt in das Gesicht des kleinen Störenfrieds. Es war ihr Al´Anfaner-Kätzchen Azila, das wie beinahe jeden Morgen lautstark sein Bedürfnis nach Streicheleinheiten signalisierte.

„Was wirst du die nächsten Monde nur ohne mich machen.“, flüsterte Travietta dem morgendlichen Störenfried zu. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen als Azila sich daraufhin auf ihre Brust legte und laut zu schnurren begann. „Nun müssen wir aber auf.“ Die junge Dame nahm das kleine Kätzchen sanft in ihren Arm und erhob sich aus ihrer Bettstatt.

Als ihre nackten Füße auf den Steinboden stießen, rief die leichte Kälte sofort Gänsehaut hervor. Travietta seufzte als ihr Blick auf den erkalteten Kamin in ihrem Zimmer fiel. Selbst wenn die Tage wieder länger und vor allem wärmer wurden, konnte es nächtens im Yaquirbruch noch empfindlich kalt werden, wenn, ja, wenn niemand den Kamin über Nacht in Gang hält.

Sie konnte sich vorstellen, von wem die Order ausging, ihren Kamin erkalten zu lassen. Ihre Großmutter Traviana war nicht sonderlich erbaut über ihr angedachtes Vorhaben, hatte sie doch ganz andere Pläne mit ihrer Enkelin. Nach der Beendigung ihrer Ausbildung sollte Travietta anständig den Traviabund schließen und ihr bei den Geschäften der Familie zur Seite stehen. Traviana schätzte sie für ihre Intelligenz und es war innerhalb der Familie ein offenes Geheimnis, dass das alternde Familienoberhaupt die Geschäfte in nicht allzu ferner Zukunft an Travietta übergeben möchte.

Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis sie ihre Großmutter überzeugen konnte, sie dennoch gehen zu lassen. Travietta selbst musste sich eingestehen, dass nicht nur Frömmigkeit und der Ruf der Göttin sie zu dieser Reise bewogen – vielmehr brauchte sie auch Zeit, um ihre Gedanken zu ordnen. Viel zu schnell war ihr viel zu viel Verantwortung übertragen worden. Sie feierte erst letzten Travia ihren 20 Tsatag und war die letzten Monde, seit ihrer Heimkehr aus Methumis, vor allem damit beschäftigt gewesen, ihrer Großmutter zu assistieren und mit den anderen Größen aus dem Unterfelser Patriziat bekannt gemacht zu werden.

Dabei musste Travietta auf ihrem Weg vom Kind zur Frau selbst noch ihren eigenen Weg finden. Sie lässt sich nur ungern in ein steifes Korsett zwingen, hat, wie beinahe alle Rizzis ihren eigenen Kopf und hofft als hoffnungslose Romantikerin insgeheim immer noch auf einen strahlenden Ritter, der sie vom Stiernacken ihrer Bestimmung befreit und mit ihr in den Sonnenuntergang reitet.

Bei ihrer Garderobe angekommen blickte Travietta sehnsüchtig auf ihre hübschen, meist in grün, orange, rot oder blau gehaltenen Kleider, nur um dann doch nach einem schmucklosen grauen Leinenkleid zu greifen. Sie rümpfte die Nase, als sie über den rauen Stoff strich, doch war dies exakt die Aufmachung, die sie für ihr bevorstehendes Vorhaben benötigte.

Ihr Gefühl sollte sie nicht täuschen, der grobe Stoff kratzte auf ihrer Haut, als sie in das Kleid schlüpfte. Travietta rollte mit den Augen und fragte sich, wie arme Menschen es nur aushalten, diese Zumutung tagtäglich zu tragen. Um gegen die Kälte gewappnet zu sein, warf sie sich noch einen einfachen schwarzen Wollumhang über. Ihre wilden braunen Locken bändigte sie mit einem einfachen Lederband und auf das Hervorheben ihrer schönen braunen Augen mittels Kohlenstaub – eine Technik, die sie sich von den Almadanis abkuckte - verzichtete sie gänzlich. Es verwundert somit kaum, dass sich die junge Dame nur wie ein halber Mensch fühlte, als sie in ihrer ärmlichen Aufmachung wehmütig einen letzten Blick auf ihre schönen Gemächer mit dem großen, weichen Daunenbett warf – es war ein Luxus, den sie nun länger nicht genießen wird können…




Die Strahlen des aufsteigenden Praiosmales kitzelten in Traviettas Nase und entlockten ihr ein wenig damenhaftes Niesen, was, zusammen mit ihrer Aufmachung, für den einen oder anderen pikierten Blick auf der Straße des Quartieri Tuffino sorgte. Es waren Blicke, die Travietta nicht mitbekommen sollte. Zielstrebig bewegte sie sich durch das geschäftige Treiben in Richtung des Tempels der gütigen Herrin Travia im Stadtteil Yaquirella, dem ihr Vater Ansvino als Hochgeweihter vorstand.

Der Tempel selbst war vor wenigen Götterläufen neu gebaut worden und mit Sicherheit das beeindruckenste Gebäude im Viertel, doch war es zuvorderst ein Ort, an dem sich Travietta stets heimisch fühlte, ja vielmehr war die Anlage die letzte Zeit sogar so etwas wie ihre zweite Heimat gewesen. Als sie durch das Portal schritt hellten sich ihre Gesichtszüge sogleich auf.

„Vater…“, unbeherrscht lief sie einem großgewachsenen Mann im Ornat der Geweihtenschaft der Travia entgegen, der sie sogleich in seine Arme schloss.

„Travietta, mein Kind … es ist dir also wirklich ernst.“ Der Geweihte löste seine Umarmung und blickte sie aus stolzen Augen heraus an. „Wenn deine Mutter dich so sehen könnte.“ „Ich bin mir sicher das kann sie, Vater.“ Travietta strich sich eine kleine Träne aus dem Gesicht.

„Wie hat deine Großmutter es denn aufgenommen?“ Ihr Vater setzte nun wieder ein etwas ernsteres Gesicht auf.

„Nun ja. Erst war sie natürlich strickt dagegen … dann wollte sie mir zwei Söldner als Bedeckung mitgeben.“ Sie schmunzelte. „Es hat mir einiges an Nerven und Zeit gekostet ihre Zustimmung zu bekommen.“

„Das kann ich mir denken.“ Anvinos Mundwinkel verzogen sich zu einem leichten Grinsen. „Ihr beiden seid euch, was das betrifft, sehr ähnlich und stur wie die Zwerge … doch nun folge mir, mein Kind…“

Travietta tat wie ihr geheißen ward und folgte ihrem Vater mit zwei Schritt Respektabstand. Was nun folgen sollte hat sie als Kind schon öfters verfolgt, schließlich war ihr Wunsch von Gläubigen schon des Öfteren an ihren Vater herangetragen worden. Vor der Altarplatte, die von zwei steinernen Gänsen getragen wurde, fiel sie auf die Knie.

„Travietta Domara Rizzi…", ihr Vater war nun ganz Priester, als er andächtig zu sprechen begann und ihr sanft die Hand auf die Stirn legte, „…ich segne dich im Namen unserer göttlichen Mutter Travia. Im Namen ihres Dieners Tamano, der die Wanderer willkommen heißt und im Namen der Domara, der Herrin der himmlischen Gänseschar, aufdass sie ihre schützenden Hände über ihre demütige Tochter halten und dich bei deinem frommen Ansinnen unterstützen werden …“

Ansvino legte seiner Tochter eine orangene Binde an – es sollte der einzige Farbklecks an ihrer sonst so trostlosen Aufmachung bleiben. Kurz darauf reichte er ihr einen, mit Gänsefedern geschmückten Wanderstab und eine schmucklose hölzerne Bettelschale.

„Vertraue auf die Milde der Göttin, auf die Gnade unserer derischen Familie und die Gebote der Göttin, wenn du in aller Demut zu unser aller Eltern, dem Heiligen Paar nach Rommilys, pilgerst. Dort wird dir das Wesen unserer Göttin offenbart werden. Dort wirst du ihre Gesetze und Gebote wahrhaftig erfahren und ihre Gnade wird deine Seele berühren.“

Ansvino bedeutete ihr mit einer Handbewegung aufzustehen. Er nahm sie in den Arm und flüsterte ihr liebevoll „ich bin stolz auf dich“ ins Ohr. Einige Herzschläge darauf löste er die Umarmung. „Und nun lass uns beten …“