Briefspiel:Königsturnier/Erste Schritte II
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Die folgenden Begebenheiten ereignen sich am Rande des Königsturniers im Rahja 1038 BF.
Am späten Nachmittag
Eine steile Falte tiefer Konzentration furchte Calverts Stirn, während er sehr gewissenhaft jeden einzelnen Wolfzahn am Helm des Salsavûr polierte. Der Adjutant des Barons, der dem Knaben die Aufgabe den Helm zu putzen übertragen hatte, schmunzelte in sich hinein, ob dieser stillen Begeisterung. Er für seinen Teil hätte sich an den jungen Malachis gewöhnen können. Den ganzen Tag hatte er sich willig zu seiner Verfügung gehalten und hatte die kleineren Aufträge, die er ihm gegeben hatte am Rande der Turnierbahn stets schnell und gewissenhaft erledigt. Gut, das Wissen des Burschen war recht mangelhaft und sehr verklärt, aber das konnte man ja mit der Zeit beheben.
Calvert inspizierte ein letztes Mal den Wolfshelm und war mit sich zufrieden. Kein Sandkorn wagte es mehr sich in den Ritzen zu verstecken. Diese Schlacht hatte er gewonnen. Fast musste er selbst über sich lachen bei dieser hochtrabenden Methapher zu der profanen Tätigkeit einen Helm zu putzen. Ich bin wohl doch mehr Dichter als gedacht. Ging es ihm durch den Kopf, während er den blitzsauberen Helm auf seinen Ständer hängte. Aber der Tag heute hat mir weit besser gefallen als der Unterricht in der Kunstakademie. Ich denke, ich könnte mich dran gewöhnen Pferde zu striegeln und Rüstzeug zu polieren.
So in Gedanken versunken hatte Calvert überhaupt nicht bemerkt, dass der Besitzer des Helms hinter ihn getreten war. Erschrocken fuhr er daher zusammen als Lorian ihn ansprach.
Der Baron von Montarena schmunzelte bei der Reaktion des jungen Malachis. Als Kind war es einem noch vergönnt in Tagträume zu versinken. Dass er bei den Begegnungen auf der Turnierbahn heute einen schweren Treffer hatte einstecken müssen, war auf den ersten Blick nicht zu erkennen, er bewegte sich nicht anders als sonst oder trug einen sichtbaren Verband.
Kurz wechselte er mit Ascanio von Schreyen ein paar Worte in einer Sprache, die Calvert beim Frühstück gehört hatte. Daraufhin nickte Lorians Adjutant nur, schnappte sich zwei Übungsschwerter und verschwand aus dem Zelt.
„Dann wollen wir mal“, Lorian deutete mit der Hand in Richtung Ausgang und ließ dem angehenden Knappen den Vortritt. Als dieser das Zelt verlassen hatte, folgte ihm der Baron.
Der Weg der drei führte sie ein wenig abseits der Zelte zu einem kleinen Platz, der nicht so gut ein zusehen war.
Als sie dort angekommen waren, warf der Schreyen Calvert eines der Übungsschwerter zu und brachte sich, mit dem anderen, in Position. Der Salsavûr sprach derweil kein Wort, hatte sich an den Rand gestellt und beobachtete die Szenerie.
„Dann greif mich mal an“, kam die kurze Aufforderung des Secundus' der Eisenwölfe.
'Wie? Angreifen? Einfach so?' ging es Calvert spontan durch den Kopf. Bisher hatte ihm sein Fechtlehrer immer vorgegeben welche Hiebe und Wehren er ausführen sollte und hatte ihn dann nötigenfalls korrigiert. Unsicher blickte der Junge den ruhig da stehenden Adjutanten an. Der schien einfach nur geduldig zu warten. Als Calvert allerdings einen kleinen Schritt nach links machte folgte ihm Ascanios Blick. „Er versucht zu erraten, was ich tun werde...“ schoss es Calvert durch den Kopf. Diese Erkenntnis brachte ihn weiter. „Das hier ist keine Lehrstunde, das ist ein Kampf. Ich muss mir selber überlegen wie ich die Sache angehe...also gut Calvert... dein Gegner ist größer als du und hat mehr Reichweite, du musst schnell sein und am besten nach unten zielen, da kommt er schlechter hin...“ Ohne das er es merkte veränderte sich Calverts Gesichtsausdruck von unsicher hin zu entschlossen je mehr sein innerlicher Schlachtplan Gestalt annahm. Außerdem bewegte er sich tatsächlich etwas nach links und nahm dabei instinktiv die lang geübte Grundstellung ein. So bald er diese hatte und in Bewegung war, griff er an. Er schnellte nach vorne, zielte mit seiner Waffe tief, in Richtung der Kniekehle und versuchte dabei gleich an Ascanio vorbei zu kommen, damit dieser ihn nicht festnageln konnte.
Ascanio hatte sein Schwert mit der abgerundeten Spitze vor sich auf den Boden gestützt, als Calvert angriff. Die Änderung des Gesichtsausdruck nahm er ohne eine Regung zur Kenntnis. Bei der Bewegung des junge Malachis nach links und die Einnahme der Grundstellung, folgten ihm die Augen des Schreyen und dieser griff sein Schwert mit der Rechten am Knauf, ließ es aber mit der Spitze auf dem Boden.
Als dann der Angriff des Jungen in Richtung seiner Kniekehlen kam, hob sich Ascanios Schwert und er bewegte sich mit einer Schnelligkeit und Genauigkeit, die nur geübte Kämpfer erreichten ein wenig auf Calvert zu, um dann kurz darauf auf die ungedeckte Seite des Jungen zu wechselt. Dabei parierte er dessen Schwert, absolvierte eine kurze Drehung im Handgelenk, die dafür sorgte, dass Calvert einen schmerzhaften Treffer an der Hand einstecken musste. Es folgte eine weitere, kaum merkliche Bewegung und die flache Seite Ascanios traf den Hintern des Malachis, als dieser an den Schreyen vorbei stieß.
Ascanio drehte sich wieder mit der Brust zum Jungen und stellte seine Waffe erneut mit der Spitze vor sich auf den Boden. Er schaute ihn mit einem leicht spöttischen Lächeln an, das eindeutig der Provokation des Jungen diente.
Lorian, der die Szene beobachtete, erhob in einem ruhigen und ernsten Ton, die nichts über seine Meinung aussagte, wie Calvert kämpfte, die Stimme. „Unterschätze deinen Gegner nie und erwarte immer, dass dir dein Gegner überlegen ist.“
Calvert wurde auch prompt rot vor Zorn. Er konnte es nun mal nicht leiden, wenn man sich auf seine Kosten amüsierte und genau das taten die beiden. Ihm war völlig klar, dass er dem Adjutanten in keiner Weise gewachsen war, aber musste der ihn deswegen vorführen? Eine steile Falte furchte die Stirn des Knaben und seine Augenbrauen zogen sich düster zusammen. Gleichzeitig biss er die Zähne zusammen und griff den von Schreyen erneut an. Von seinem Ärger beflügelt, versuchte Calvert gleich mehrere Attacken in Folge zu schlagen. Vorwärts abwärts, diagonal gegen die Seite, aufwärts... egal wie Calvert seine Hiebe ansetzte, das Schwert Ascanios erwartete ihn jedes Mal.
Obwohl der Junge deutlich verärgert war, waren seine Schläge sauber ausgeführt. Anscheinend hatte Calvert die Grundtechniken gut genug verinnerlicht, dass er sie auch unterbewusst richtig abrufen konnte. Bald jedoch machte sich die Anstrengung bemerkbar und Schweißperlen bildeten sich auf der Stirn des Jungen aber verbissen, wie er sein konnte, weigerte sich Calvert aufzugeben, bis ihm sein überlegener Gegner schließlich das Übungsschwert mit einer einzigen eigenen Attacke aus der Hand prellte.
Der Baron von Montarena hatte den Schlagabtausch ruhig beobachtet, so schien es zumindest. Sein Freund und Adjutant, der ihn gut kannte, hatte dennoch ein Missfallen bei Lorian erkannt. Nachdem er den Jungen entwaffnet hatte, musterte er diesen kurz, bevor er seinem Freund zuvorkam und das Wort erhob. „Die Grundlagen scheinst du zu kennen und kannst sie ausführen, was für dein Alter schon recht gut ist. Aber Calvert, worauf bist du hineingefallen?“
Ascanio musterte den jungen Malachis, wie seine Reaktion auf die Frage war und ob er auch die richtige Antwort kannte? Lorian, der ebenfalls was sagen wollte, schwieg nach der Frage des Schreyen, war es doch genau das, was der Baron auch wissen wollte.
´Er hatte etwas falsch gemacht?!?? Es war doch der von Schreyen gewesen, der ihn gereizt und provoziert hatte....´ Calvert war empört. Aber dann erschien eine Szene aus den tiefen seiner Erinnerungen vor seinem geistigen Auge, ein lange verdrängtes und ungeliebtes Bild.
Er hatte mit seinem Großvater geübt und dieser hatte ihn geneckt. Calvert, damals noch ein Dreikäsehoch war aus der Haut gefahren und hatte sich wie ein Berserker auf seinen Großvater stürzen wollten. Dieser allerdings hatte dem jungen Wüterich nur die Hand auf den Kopf gelegt und ihn so auf Distanz gehalten. Calvert hatte mit Händen und Beinen versucht an seinen Widersacher heranzukommen, vergeblich. Seine Reichweite hatte einfach nicht genügt. Letztendlich hatte sich Calvert müde gestrampelt und dann hatte sein Großvater mit ruhiger Stimme gesagt: „Mein Junge, ist dir bewusst welch lächerliche Figur du gerade abgegeben hast? Zorn kann dich im Kampf unterstützen, es heißt nicht umsonst Rondras Zorn, aber wenn du dich deiner Wut unterwirfst, du dich von ihr lenken lässt, dann hast du schon verloren. Es muss dir egal sein, ob ein Gegner dich reizt. Behalte einen kühlen Kopf oder du wirst verlieren.“
Calvert schloss kurz die Augen holte noch einmal tief Luft und richtete dann seinen Blick fest auf das Gesicht von Ascanio von Schreyen. „Ich habe mich von euch provozieren lassen und bin in Wut geraten“, gestand er selbstkritisch ein.
Beide Erwachsenen schmunzelten bei der Aussage Calverts und nickten. „Lass dich im Kampf nie von deiner Wut leiten. Dadurch machst du dich berechenbar und zeigst Schwächen auf, die von deinem Gegner mit Sicherheit ausgenutzt werden.“ Lorian sprach ruhig und schaute dem jungen Malachis in die Augen. „Egal was dein Gegner sagt oder macht, ignoriere es und schlucke es herunter. Kämpfe weiter, so als ob du es nicht gehört hättest.“
Der Baron blickte kurz zu Ascanio, der kaum merklich nickte. „Auf ein neues, auf die Positionen!“ Das Kommando des Salsavûr war klar, deutlich und ließ keinen Widerspruch dulden.
Der Schreyen trat einige Schritte zurück und brachte eine gewisse Distanz zwischen sich und den Jungen. Sobald er diese hatte, nahm er wieder die Grundhaltung ein und wartete darauf, dass sich auch der Junge bereitgemacht hatte.
Nun gut, es war also noch nicht vorbei. Also konzentrierte sich Calvert darauf, seinem Gegner nach Möglichkeit keine Blöße mehr zu offenbaren und attackierte nun weit vorsichtiger als zuvor.
Ascanio parierte die Attacke des Jungen mit der Leichtigkeit eines geübten Kämpfers. Er schaute kurz zu Lorian und dieser nickte kaum merklich, woraufhin der Schreyen seinerseits, mit einer Finte, die er allerdings deutlich langsamer führte, als er sie in einem echten Kampf ausführen würde, zum Angriff überging, um die Fähigkeiten Calverts in der Verteidigung zu erproben. Auch seine weiteren Angriffe führte er langsamer aus, um dem Jungen eine Chance zu geben, diese auch zu parieren. Wie es schien, so war ihm die Defensive ganz ordentlich beigebracht worden, zumindest was die Grundlagen anging, aber mehr konnte man in dem Alter auch nicht erwarten.
„Gut das reicht erst einmal.“ Die Worte war relativ leise von Lorian gesprochen worden, aber trotz dem Kampflärm klar und deutlich verständlich. Ascanio trat einige Schritte zurück und lies, dem Satz seines Freundes folgend die Waffe sinken. „Dir scheinen die Grundlagen ganz ordentlich beigebracht worden zu sein. Damit kann man arbeiten, allerdings wird es dauern, bis die Ausbildung dahin kommt, dass du weiter in die Kunst des Kampfes eingewiesen wirst.“
Lorian trat näher an die beiden heran, während der Schreyen dem Jungen die stumpfe Übungswaffe abnahm. „Dann gehen wir mal zum Zelt zurück...“, der Baron setzte sich in Bewegung, blieb aber nach zwei Schritten stehen und wandte sich wieder an Calvert. „Wie gut kennst du dich hier aus?“
Was meinte der Baron mit: 'Damit kann man arbeiten?' Calverts Herz machte einen Hüpfer, ob er wohl?... Die Frage des Montareners holte Calvert aus seinen Gedanken. „Auf dem Turnierplatz?“ hakte Calvert nach. „Recht gut. Ich bin in den letzten Tagen viel herumgekommen. Oder meint ihr die Stadt? Von Arivor habe ich bisher nur den Rondratempel und das Hotel gesehen.“
Beide Erwachsenen lächelten kurz, wussten sie doch, dass heute ein Freund aus Akademietagen die Predigt im Tempel halten und diese bald anfangen würde. „Perfekt, es reicht, dass du den Tempel kennst. Laufe dort hin, nimm an der Predigt teil und dann kommst du zurück zum Zelt und berichtest, was dort erzählt wurde und wer sie gehalten hat! Du solltest dich aber beeilen, die Predigt beginnt demnächst. Los!“ Lorians Worte waren freundlich, aber unmissverständlich. Die beiden Freunde ließen Calvert einfach stehen und beachteten ihn, zumindest sah es danach aus, nicht weiter, während sie sich auf den Weg zum Zelt begaben.
Schon wieder war Calvert verdutzt. Ehrlich gesagt er wurde aus dem Baron nicht schlau. Aber und auch da war er sich sicher... selbst wenn er fragte, er würde wohl kaum eine befriedigende Antwort erhalten und wollte er zur Andacht nicht zu spät kommen, dann hatte er wahrlich auch keine Zeit dafür, was ihm ein Blick in Richtung der Sonne bestätigte. Also nahm der Junge die Beine in die Hand und rannte in Richtung des Tempels.
Keuchend kam er schließlich vor dem Tempel an und stellte erfreut fest, dass er nicht zu spät war. Ein steter Strom von Gläubigen betrat gerade die heiligen Hallen. Der Malachissproß sah an sich herunter. Er war nicht in seine besten Sachen gewandet, wie auch... er hatte ja mit Arbeit gerechnet und die hatte er auch den ganzen Tag verrichtet. Außerdem war er von dem Kampf und dem Lauf verschwitzt. Sprich, in einem völlig unrespektablem Zustand, um ein Göttinnenhaus zu betreten, wenigstens würde seine Mutter das so sehen. Aber darauf konnte er nun keine Rücksicht nehmen. Allerdings hielt er am Brunnen an, um sich wenigstens den Schweiß und den Dreck von Gesicht und Händen zu waschen, so viel der Geste musste sein. Auch seinen Durst stillte er so gleich mit.
Dann schob er sich zusammen mit einer Kriegerin in den gut gefüllten Tempel und suchte sich einen Platz an der Seite, wo er eher unauffällig stehen, aber trotzdem etwas sehen konnte. Innerlich entschuldigte er sich bei der Leuin für den Aufzug.
Danach konzentriert sich Calvert allerdings darauf der Andacht zu folgen, immerhin würde er über den Inhalt berichten müssen.
Nicht ganz zwei Wassermaß später betrat Calvert erneut das salsavûrsche Zelt. Die Erwachsenen saßen gerade bei einem guten Abendmahl zusammen und unterhielten sich scherzend über die Erfolge und Niederlagen des Tages.
Als der Baron den Jungen bemerkte winkte er ihn heran: „Calvert! Komm her setz dich. Nimm dir was zu essen und dann kannst du berichten.“ Beim Anblick von gebratenem Fleisch und frischem Brot knurrte der Magen des Knaben und er war froh erst essen zu dürfen.
„Na dann berichte mal!“ forderte ihn der Baron auf nachdem Calvert seinen Teller mit einem Kanten Brot ordentlich sauber gewischt hatte und gesättigt schien. „Herr, die Predigt hat Ihro Gnaden Hesindio von Neetha gehalten. Er hat davon gesprochen, dass der Sieger eines Duells nicht immer der Gewinner ist, weil es nicht darauf ankommt das man gewinnt, sondern wie man das tut und Rondra mehr sieht als das Ergebnis. So ungefähr jedenfalls. Und dann hat er noch viele Beispiele dafür gebracht. Also das man eben nicht ausnutzen darf, wenn jemand stolpert. Ehrenhaft kämpfen heißt den Gegner achten, das war sein letzter Satz bevor wir dann den Choral der heiligen Ardare gesungen haben.“ Calverts Gesicht sah man an, dass er zu dem Thema bestimmt noch die ein oder andere Frage hatte, aber er wartete erst mal was Lorian dazu zu sagen hat.
Es war allerdings nicht Lorian, der antwortete, sondern eine Stimme, direkt vor dem Zelt. „Die Zusammenfassung stimmt so in etwa.“ Die raue, ältere Stimme hatte einen amüsierten Unterton. Kurz darauf betrat der Körper zu der Stimme das Zelt. Er trug einen Waffenrock, auf dem das Wappen des Ardaritenordens abgebildet war, sowie einen Umhang, in den Farben, wie ihn für gewöhnlich nur geweihte Mitglieder des Ordens trugen. An seiner Linken hing ein älteres Schwert, das wohl schon einige Kämpfe gesehen hatte, wenn man nach dem Knauf ging.
Der junge Malachis hatte den Mann wahrscheinlich sofort wiedererkannt, handelte es sich doch um niemand anderen, als den Geweihten, der die Andacht gehalten hatte.
„Rondra zum Gruße, ich scheine ja gerade richtig zu kommen“, der ergraute Rondrianer hatte ein freundliches und aufgeschlossenes Gesicht, dass sich noch mehr erhellte, als er die Erwachsenen am Tisch sah. „Dass du dich wieder hier her traust, Timor, nach dem Unfug, den du früher gemacht hast.“
Der Angesprochene schnaubte. „Müsst ihr gerade sagen, so grau wie ihr geworden seid.“ Der Ardarit lachte und setzte sich zu der Gruppe an den Tisch.
„Herzlich willkommen ins unserem Zelt, Ehrwürden. Schön das ihr die Zeit gefunden habt vorbeizuschauen.“ Der Baron war, wie die anderen beiden Erwachsenen, sichtlich erfreut den alternden Geweihten zu sehen.
„Eine Einladung zu dem guten Bier, lasse ich mir doch nicht entgehen, wenn man denn ein Glas bekommen würde“, erwiderte er darauf. Keiner der Erwachsenen machte danach allerdings Anstalten sich zu erheben und dem Ardariten einen Krug Bier zu besorgen.
Wenn Calvert aufmerksam den Baron und dessen Adjutanten beobachtete, konnte er mitbekommen, dass diese ihn die ganze Zeit aus dem Augenwinkel beobachteten.
Im Gegensatz zu den Erwachsenen war der junge Malachis als er den Geweihten erkannt hatte aufgestanden und hatte, auch wenn ihn niemand, nicht einmal der Adressat, beachte eine ehrerbietige Verbeugung gemacht. Allerdings brauchte Calvert einige Augenblicke, bis bei ihm der Groschen fiel, dass in dem Zelt ja kein Personal anwesend war und somit wohl er, weil der jüngste Anwesende und nun ja, zumindest heute, Knappe, dafür zuständig war, dem Gast ein Getränk zu besorgen. Prompt wurde er rot wegen seiner Unhöflichkeit und beeilte sich schnell zum Bierfass im Hintergrund des Zeltes zu kommen, um sein Versäumnis wett zu machen. Fast stolperte er dabei über ein Paar dreckiger Reitstiefel, die jemand achtlos hingeschmissen hatte und gerade noch so eben konnte er sich am Biertischchen festhalten, stieß sich aber schmerzhaft das Schienbein dabei.
„Argmmmpf“ unterdrückte er einen Schmerzenslaut. Leise fluchend zapfte er daraufhin das Bier: „Zur Niederhölle mit diesen blöden Stiefeln, welcher Depp lässt die auch einfach liegen! Kann man sich ja den Hals brechen.“
Trotz allem schaffte er es den Krug zu füllen, sogar mit einer ordentlichen Portion Schaum oben drauf. Einmal tief durchatmend und langsam und vorsichtig brachte er den Humpen zurück zum Tisch, wo er ihn mit einer ordentlichen Verbeugung vor den Geweihten hinstellte und dazu wünschte: „Zum Wohle, euer Ehrwürden!“
Lorian, der mit dem Rücken zum Biertischchen saß, hatte das Fluchen Calverts gehört, ignorierte es aber vorerst, da es für die anderen nicht zu vernehmen war.
„Danke dir Junge.“ Mit diesen Worten nahm der Geweihte einen kräftigen Schluck und lächelte selig, als er fertig war. „Endlich mal wieder ein ordentliches Getränk und nicht die Pisse, die man hier in den Kneipen findet. Wie schade, dass ich heute nur auf das eine hier bleiben kann.“
„Ihr seid herzlich eingeladen wieder zu kommen, sicherlich findet ihr da noch die ein oder andere Möglichkeit, dass Turnier hat ja erst begonnen.“ Lorians Stimme hatte einen amüsierten Unterton und auch die beiden anderen Erwachsenen schmunzelten bei der Aussage des Rondrianers. „Unser Zelt steht euch gerne zur Verfügung, während der Zeit und ordentliches Bier wird es ebenfalls geben.“
Hesindio winkte ab, während er noch einen Schluck trank. „Ja ja, ihr habt es immer geschafft ordentliche Getränke zu bekommen und diese auch in die Akademie zu schmuggeln. Und ich weiß immer noch nicht, wie ihr das geschafft habt.“ Der Ardarit musterte die drei Erwachsenen mit zusammengekniffenen Augen, während die drei vor sich hinglucksten und sich viel sagende Blicke zuwarfen.
„Sagt uns Bescheid, wenn ihr es herausgefunden habt“, kommentierte Timor mit einem amüsierten Unterton in der Stimme. Der Geweihte grummelte vor sich hin und warf ihm einen bösen Blick zu. Was dafür sorgte, dass die drei anderen Männer sich noch mehr amüsierten.
Mit einem lockeren Tonfall wandte sich der Baron an den jungen Malachis, der sich derweil wieder gesetzt hatte und bisher ignoriert worden war. „Du sahst bei deinem Bericht über den Göttinendienst so aus, als ob du dazu noch Fragen hättest? Dann leg mal los, eine bessere Gelegenheit wirst du nicht bekommen.“
Alle vier Krieger schauten den Jungen erwartungsvoll an und schwiegen, auch wenn sich Timor und Ascanio noch über seine Ehrwürden zu amüsieren schienen.
Calvert machte ein verlegenes Gesicht, damit hatte er nun nicht gerechnet, vor aller Augen und denen des Geweihten gefragt zu werden. Die vernünftigste Art zu antworten wäre wahrscheinlich zu beteuern keine Fragen zu haben, aber zum einen stimmte das nicht und Calvert log ungern und außerdem wäre es auch feige. Also holte der junge Malachis Luft und sagte dann: „Ja Herr Baron, also ich verstehe schon die Theorie dabei, aber ist es nicht furchtbar unklug einen echten Kampf deshalb zu verlieren? Ich meine bei einem Ehrenduell mag das ja nicht so schlimm sein, dann wird man eben nicht Sieger, obwohl das schon blöd ist, aber was ist denn bei einem wirklichen Kampf? Was nützt es mir denn, der Ehrenhaftere gewesen zu sein, wenn ich danach tot bin?“
„Hochgeboren“, berichtigte der Geweihte und antwortete dann auf die Frage Calverts an den Baron von Montarena. „Der Kampf den Rondra liebt, ist der Zweikampf, nicht die Schlacht in der sich Heere gegenüberstehen. Beides sind 'wirkliche' Kämpfe, junger Mann.“ Die Stimme des Rondrianers hatte eine belehrenden Ton angenommen. „Der Sieger ist man immer, egal ob man verliert oder gewinnt, wenn man ehrenhaft und nach den Regeln der Göttin kämpft. Diese sollte man auch in einer Schlacht oder einem Gefecht achten und sie zu befolgen versuchen. Dass dies nicht immer möglich ist, steht auf einem anderen Blatt, aber dennoch ist es die Pflicht eines Ritters es stets zu versuchen, selbst wenn er dafür sein Leben gibt.“
Die beiden anderen Erwachsenen nickten und Lorian setzte die Antwort, die vom Ardariten begonnen wurde fort. „Als Knappe sollte es dir ein Bedürfnis sein, es genau so zu lernen und danach zu leben. Allerdings ist es als Knappe auch erst einmal nicht deine Aufgabe sich über Schlachten den Kopf zu zerbrechen beziehungsweise wie diese geführt werden, zumindest nicht in den ersten Jahren“, der Salsavûr schmunzelte. „Außer vielleicht, während du Unterricht in Geschichte erhältst.“
Calvert nickte als Zeichen seines Verstehens. Dann aber runzelte er die Stirn. „Euer Hochgeboren, so wie ihr das gerade gesagt habt... als Knappe und in den ersten Jahren... das hört sich ja so an als würde das schon fest stehen, dass ich das würde...“, verlegen stoppt Calvert mitten im Satz und mustert die Gesichter der Erwachsenen. Aber wie schon die meiste Zeit des Tages wurde er aus Lorians Gesicht kein bisschen schlau und nun ja... Timor schien immer amüsiert zu sein, auch nicht hilfreich... und wieder handelte der junge Malachis nach dem Grundsatz `Die Welt gehört den Mutigen´, denn er holt nochmal Luft und fragt dann etwas atemlos aber gerade heraus: „Darf ich denn euer Knappe werden?“
Lorian musterte den Jungen bei seiner Frage und schwieg sehr lange, bevor er mit ernster Stimme antwortete: „Auf die Frage wirst du von mir vorerst keine Antwort erhalten, Calvert.“ Er musterte den Jungen um seine Reaktion zu sehen, auch wenn er eine Ahnung hatte, wie diese ausfallen würde. „Bevor es soweit ist, werde ich erst noch mal mit deinem Onkel oder eventuell auch mit deinen Eltern sprechen.“
Je länger der Baron schwieg desto größer wurde der Klumpen in Calverts Magen. Es fühlte sich an als würde sich in seinem Inneren eine schwere, zähe Masse ausbreiten, die ihm mehr und mehr zu drücken begann, erst im Magen, dann im Hals und schließlich schnürte sie ihm die Kehle zu. Die Worte des Montareners waren schließlich keine Überraschung mehr, der Junge hatte es kommen sehen, trotzdem versetzten sie ihm einen Stich ins Herz. Glasklar erkannte er in diesem Moment, dass er sich Lorian als Schwertvater gewünscht hätte und die Enttäuschung schmeckte bitter. Calvert spürte, wie ihm Tränen in die Augen stiegen, was ihn gleichermaßen erschreckte und wütend machte, diese Blöße würde er sich nicht geben! So ließ er den Blick durch das Zelt schweifen und biss sich auf das Innere seiner Wange, um sich abzulenken. Die Anderen im Raum machten die Situation nicht angenehmer. Niemand starrte ihn zwar direkt an, aber trotzdem fühlte Calvert sich unbehaglich. Timor leerte gerade seinen Humpen und stellte ihn lautstark auf den Tisch. Dieses Geräusch durchdrang die Starre, die den Knaben befallen hatte und er gab sich einen Ruck. „Die Krüge sind leer. Ich werde mich kümmern.“ sagte er ausdruckslos und griff sich mechanisch die Humpen, um mit ihnen erneut zum Bierfass zu gehen.
Als er zurückkam, beschied ihm Lorian nicht unfreundlich, dass er für heute genug getan hätte und nach Hause gehen sollte. Calvert verabschiedete sich mit einer ehrerbietigen Verbeugung und einem „Danke, Herr.“
Am späteren Abend des gleichen Tages
Zu dieser Tageszeit erklangen aus fast jedem Zelt gutgelaunte Stimmen, die sich über die vergangenen Turniertage, Rösser, Turnierfavoriten oder ähnliches unterhielten. Ähnlich war es auch am Zelt des Hauses di Salsavûr, auch aus diesem waren Stimmen von mehreren Personen zu hören.
Im Zelt saßen Lovisa di Tolfiano, Lorian di Salsavûr und ein weiterer Mann an einem längeren Tisch. „Wollte Arono nicht kommen?“ Lovia schaute die beiden Männer fragend an. „Hatte er vor, aber er ist wieder bei Timor und versorgt ihn. Timor hat ordentlich was abbekommen, beim Kampf gegen den della Turani“, antwortete der Mann, der bei den beiden saß. „Leonora ist, glaube ich ebenfalls bei ihm.“ Der Baron nahm einen Schluck seines Getränks, während er nickte.
Der Mann schmunzelte: „Timor hat mal wieder gezeigt, das er kein sonderlich guter Lanzenreiter ist.“ Die beiden anderen lachten, darauf folgte weitere Sprüche und Lacher. „Wie hat sich eigentlich der Junge geschlagen?“ Warf die di Tolfiano eine Frage in den Raum.
„Für sein Alter war es in Ordnung, wobei er sich wohl auf einige Enttäuschungen einstellen muss, so wie er sich die Ausbildung vorstellt ist sie nicht. Oder was meinst du, Ascanio?“
Der Mann der bei den beiden Kämpfern saß nickte. „Er hat noch das verträumte Bild der Ritter, wie es in Sagen vorkommt. Aber sonst hat er sich nicht schlecht geschlagen, auch wenn er noch einiges zu lernen hat.“ Ascanio von Schreyen nahm einen Schluck seines Bieres, bevor er weitersprach. „Der Onkel des Jungen müsste demnächst kommen, willst du den Jungen als Knappen nehmen, Lorian? Dein Blick war nur bedingt begeistert, als ich gegen ihn gekämpft habe.“
Der Baron von Montarena schmunzelte amüsiert. „Dass galt dir, da er viel zu lange gegen dich durchhalten konnte, was mich zu dem Schluss kommen lässt, dass du dich deutlich zurückgehalten hast.“ Lorian grinste, als er das säuerliche Gesicht des von Schreyen sah. „Reg dich nicht auf, ich weiß, was ich gesagt hatte. Spaß beiseite, er hat sich ganz schön schnell aus der Reserve locken lassen. Außerdem weiß er schon einiges, was man erst in den späteren Jahren des Kampfes lernt und lernen sollte. Es wird nicht leicht das wieder auszutreiben um eine ordentliche Grundlage zu bekommen, auf der man dann wieder mit dem Aufbau beginnen kann. Im Großen und Ganzen war es aber passabel, aber bevor ich mich entscheide, möchte ich erst mit seinem Onkel sprechen.“
Gemächlich schritt Fulvian dem Zelt der Salsavûrs entgegen. Er kam gerade aus der Herberge in der er mit Calvert ein Zimmer teilte. Der Junge hatte von seinem Tag berichtet, teilweise sehr begeistert, aber im Grunde war er geknickt, da er annahm sich mit seiner impulsiven Art seine Chance verbaut zu haben. Schnell hatte der einfühlsame Barde erkannt, dass sein Neffe den Baron von Montarena bereits sehr verehrte, der Mann hatte auf den Jungen einen tiefen Eindruck gemacht. Fulvian seufzte. An und für sich wäre das eine hervorragende Basis für eine Knappschaft, aber wenn Calverts Einschätzung der Situation zutraf, dann würde es dem Jungen arg zusetzen von seinem neuen Helden abgelehnt zu werden. Fulvian war innerlich angespannt und zwiegespalten wie er sich verhalten sollte. Immerhin wünschte er sich für seinen Neffen das Beste. Er konnte natürlich etliche gute Gründe ins Felde führen warum eine Annäherung der Familien Salsavûr und ya Malachis wünschenswert war und immerhin war es nicht unwahrscheinlich, dass Calvert einmal seiner Tante als Familienoberhaupt nachfolgen würde, es war somit kein geringer Einfluss den Lorian di Salsavûr nehmen konnte. Allerdings zweifelte Fulvian daran, dass es Sinn machte eine so persönliche Ausbildung als reines Politikum zu sehen.
Nun, wie auch immer, am sinnvollsten würde es sein sich zunächst einmal die Einschätzung des Barons anzuhören. Mit diesem abschließenden Gedanken erreichte Fulvian das große rotweiße Zelt und wurde sich auch des Lachens und der Stimmen bewusst, die daraus erklangen. Richtig…. Di Salsavûr waren ja ein ganzer Clan, heute hatte ja auch Alexandrian gegen diesen Timor gestritten und gesiegt. Timor war dabei auch ziemlich verletzt worden, was allerdings nicht in Alexandrians Absicht gelegen hatte. Gut, das alles würde sein Gespräch mit dem Baron nicht berühren, wohl aber die Anwesenheit der salsavûrschen Streiter. Fulvian hatte gehofft den Baron alleine sprechen zu können.
Kurz blieb er im Halbdunkeln vor dem Zelt stehen und sammelte sich. Ähnlich wie vor einer Konventssitzung setzte er eine neutrale Miene mit einem freundlichen Lächeln auf, was nichts über seine wahren Emotionen aussagte. Dann betrat er das Zelt mit einem „Rondra zum Abendgruße.“
„Rondra zum Gruße“, kam es von allen drei Sitzenden am Tisch zurück. Lorian erhob sich. „Herzlich willkommen in meinem Zelt, Signore. Setzt euch doch.“ Der Baron von Montarena deutete auf einen Platz ihm gegenüber. „Signora di Tolfiano kennt ihr ja schon“, stellte Lorian Lovisa nochmal vor, die Fulvian schon am Tag von Alexandrians Verletzung kennengelernt hatte. Dann stellte er ihn den unbekannten Krieger, um einen solchen handelte es sich, vor. „Dies ist Cavalliere Ascanio von Schreyen.“ Die jeweils Vorgestellten erhoben sich kurz und nickten dem Malachis grüßend zu.
Nach der kurzen Begrüßung war Lovisa stehengeblieben und erhob die Stimme, als der Salsavûr geendet hatte. „Ich werde die Runde allerdings verlassen, da ich noch einige Vorbereitungen für den morgigen Tag treffen muss. Signores, ich wünsche Ihnen einen angenehmen Abend.“ Mit diesen Worten verschwand sie umgehen aus dem Zelt.
Das Ganze hatte den Anschein einer einstudierten Szene, so als ob geplant war, dass nur Ascanio und Lorian mit Fulvian sprechen würden. „Darf ich euch ein Getränk anbieten, Signore?“
„Danke, ich nehme gerne einen Krug Bier.“ antwortete Fulvian während er sich auf den nun frei gewordenen Platz gegenüber des Barons niederließ. „Wie geht es eurem Vetter? Ich hoffe seine Verletzung ist nicht all zu gravierend?“ fragte der Barde, während er auf das Getränk wartete.
Lorian schnappte sich einen Humpen und goss Fulvian das flüssige Gold ein. Um es ihm kurz darauf zu reichen. „Ihm geht es ganz in Ordnung. Der wird schon wieder, allerdings wird er wohl nicht weiter am Turnier teilnehmen können.“ Lorian musterte seinen Gegenüber. Ihn schien die Verletzung seines Vetters nicht sonderlich zu beeindrucken oder etwas zu sein, über das man weitere Ausführungen halten müsste. „Aber so was passiert eben ab und an, wenn man in die Schranken reitet.“ Der Baron lächelte schief.“Aber das ist ja nicht der Grund unseres Treffen. Was hat euch euer Neffe denn so alles von seinem Tag berichtet?“
`Immer auf den Punkt, keine leichte Konversation im Vorfeld... ein Krieger eben´, dachte sich Fulvian und nahm einen Schluck von seinem Bier, um sich etwas Bedenkzeit zu verschaffen.
„Calvert hat mir ausführlich berichtet, wie sein Tag verlaufen ist. Seine Aufgaben und Pflichten, die er übernehmen durfte, haben ihn durchaus angesprochen. Lapidar ausgedrückt, es hat ihm gut gefallen. Allerdings sieht er sein Verhalten in machen Situationen sehr selbstkritisch. Ihm ist bewusst, dass er hier und da Fehlverhalten gezeigt hat, was ihn sehr bekümmert“, versuchte der Diplomat die Enttäuschung, die sein Neffe empfindet vorsichtig zu umschreiben. „Nun würde mich eure Einschätzung interessieren. Ihr seid der Mann mit der Expertise.“ Fulvian sparte sich den Zusatz, dass der Baron ruhig offen sprechen sollte, denn so wie er den Montarener bisher kennengelernt hatte würde der das sowieso tun.
Ein geheimnisvollen Lächeln umspielte die Lippen Lorians. Er nahm noch einen Schluck seines Bieres bevor er antwortete. „Er hat sich ganz gut geschlagen, insbesondere, wenn man auch sein junges Alter bedenkt. Allerdings weiß er zum Beispiel im Schwertkampf schon zu viel, was es nicht einfach machen wird, noch mal von Anfang zu beginnen, um eine ordentliche Grundlage zu bilden. Wobei er auch schon eine ganz ordentliche Grundlage hat, was die Sache etwas vereinfacht.“ Wieder nippte der Baron an seinem Getränk. „Er lässt sich allerdings ziemlich leicht provozieren, aber auch das kann man lernen. Dass er selbstkritisch ist und auch schnell seine gemachten Fehler bemerkt, zeigt dass er lernwillig ist.“
Der Salsavûr machte eine Pause, bevor er weitersprach. „Leider hat er ein zu romantisches Bild vom Ritter und Rittertum, da wird ihn die Realität mit großer Wahrscheinlichkeit ziemlich enttäuschen. Wie kommt es, dass seine Eltern ihn in eine Knappenschaft geben wollen?“
Fulvian seufzt. „Nun, eigentlich entspricht das mehr Calverts Wunsch, denn dem seiner Eltern. Meine Schwester und ihr Gatte sind Künstler. Sie hätten eine kriegerische Ausbildung ihres Sohnes niemals in Erwägung gezogen. Leider ist es aber mittlerweile offensichtlich, dass Calvert keinerlei musisches Talent besitzt oder anderweitig kunstsinnig begabt ist. Er ist auch keine große Leuchte im Rechnungswesen oder interessiert sich brennend für die Handelsgeschäfte, kurzum er entspricht wohl am ehesten dem, was man in einer Familie als 'schwarzes Schaf' bezeichnen würde. Auf der anderen Seite besitzt er einen Löwenmut, er hat Durchhaltevermögen und einen ausgeprägten Beschützerinstinkt. Seit er laufen kann, ist sein Holzschwert sein ständiger Begleiter.“ Fulvian zuckt lächelnd die Schultern. „Ich denke, er hat seine Eltern so lange zermürbt, bis sie endlich eingesehen haben, dass aus dem Jungen besser ein Krieger wird, denn ein Fiedler. Da ich vor hatte das Königsturnier zu besuchen, habe ich mich erboten Calvert mitzunehmen und mich darum zu kümmern, dass er eine entsprechende Ausbildung erhält. Die Idee ihn bei einem Cavalliere in Knappenschaft zu geben entspringt eher meiner Einschätzung der Lage. Calvert ist ein guter Junge, aber er neigt tatsächlich zu Jähzorn und Wutausbrüchen, das ist allerdings schon wesentlich besser geworden. Lange Zeit war mein Vater seine Bezugsperson und sein Vorbild, aber in den letzten Jahren blieb er viel sich selbst überlassen, das tut ihm nicht gut. Calvert braucht eine Bezugsperson, einen Mentor, zumindest meiner Einschätzung nach.“
Beide Krieger schwiegen lange, bevor wieder Lorian das Wort erhob. „Da gebe ich euch Recht. Also wissen die Eltern noch nichts von dem Plan ihn in eine Knappenschaft zu geben, wenn ich das richtig verstehe?“ Der Baron schaute Fulvian fragend an und fügte dann noch hinzu: „Wenn dass der Fall sein sollte, wäre ein Gespräch mit den Eltern sinnvoll und hilfreich, bevor ich eine Entscheidung treffe.“
„Oh, nein, da habt ihr mich missverstanden. Meine Schwester, ihr Mann und ich haben uns durchaus abgesprochen. Ich habe ihnen auch dargelegt, was ich für das Sinnvollste halte und sie waren einverstanden. Was die Entscheidung angeht hat mir Adastria ihr vollstes Vertrauen ausgesprochen. Sie sind also auf gar keinen Fall gegen eine Knappenschaft eingestellt. Oder habt ihr andere Gründe, warum ihr zunächst gerne ein Gespräch mit den Eltern führen möchtet? Und darf ich annehmen, dass ihr es ernsthaft in Erwägung zieht meinen Neffen in Ausbildung zu nehmen?“
„Nein, ich habe keine anderen Gründe mit den Eltern des Jungen zu sprechen, wenn ihr in ihrem Namen sprecht“, antwortete Lorian, nachdem er einen Schluck seines Bieres genommen hatte. „Was eure zweite Frage betrifft, ja, ich ziehe es in Erwägung Calvert als Knappen anzunehmen... unter der ein oder anderen Bedingung.“
Bedächtig nickt Fulvian mit dem Kopf und nahm ebenfalls einen Zug aus seinem Humpen. Danach fragte er sachlich: „Die da wären?“ Seinem Gesicht war in keinster Weise anzusehen, ob er das nun begrüßte oder nicht. Würde hier eine Partie Boltan gespielt, Fulvian hätte gute Chancen zu gewinnen.
Der Baron trank den letzten Schluck aus seinem Humpen und füllte sich dann aus einem auf dem Tisch stehenden Krug nach, bevor er sprach. „Eigentlich sind es nur deren zwei. Die Erste ist nicht diskutabel, die zweite Bedingung oder besser die Zeit wären gegebenenfalls noch verhandelbar.“ Lorian machte eine Pause und musterte seinen Gast ausdruckslos. „Eurem Neffen wird meine Entscheidung erst nach dem Ende des Turniers mitgeteilt.“ Wieder machte er eine kurze Pause um Gesagte, was die erste Voraussetzung war, wirken zu lassen. „Die Ausbildung Calverts beginnt direkt nach dem Ende des Turniers. Das wären meine Konditionen.“ Während er auf die Antwort des Barden wartete musterte der Salsavûr ihn wieder.
`Na wenn´s weiter nichts ist...´, ging es Fulvian durch den Kopf und innerlich musste er lächeln. Irgendwie hatte er sich bereits auf irgendwelche zähen Verhandlungen eingestellt, wie sie eben auf der politischen Bühne, wo er für gewöhnlich spielte, üblich waren. Er mochte die ruhige, nüchterne und bestimmte Art des Montareners. Dieser Mann würde Calvert sehr gut tun. Aber noch hielt er sich ein wenig zurück, all zu erleichtert und überschwänglich wollte er dann doch nicht wirken. „Nun, ich denke eure beiden Bedingungen sind akzeptabel. Erstere kann ich sehr gut verstehen. Calvert wäre wohl für die nächsten vier Tage zu nichts mehr zu gebrauchen, würde man ihm diese Entscheidung jetzt schon eröffnen. Zweitere stellt allerhöchstens einige logistische Hürden auf, da der Junge und ich nur mit relativ leichtem Gepäck reisen. Aber wenn ihr mir eine Liste zukommen lasst, was er alles benötigt werde ich mich darum kümmern.“ Nun gestattete sich Fulvian endlich ein Lächeln. „Signor, ich würde sagen wir sind uns einig. Ich nehme euer Angebot, meinen Neffen als Knappen zu akzeptieren freudig an.“
Lorian schmunzelte kurz bei der Erwiderung des Malachis. War doch seine erste Bedingung weniger ein Interesse daran, dass der Junge nach der Verkündung der Entscheidung nicht mehr zu gebrauchen war, als viel mehr ein weiterer Test, wie sich der Junge verhalten würde, wenn er im Ungewissen gelassen würde.
„Dass höre ich gerne.“ Der Baron hielt seinem Gegenüber die Hand hin, die dieser annahm und so den Abschluss der Verhandlungen besiegelte.
„Was das leichte Gepäck angeht, so dürfte es kein Problem darstellen weitere Sachen zu schicken, liegen doch Montarena und Marudret nicht allzu weit von einander entfernt. Ich werde euch eine Liste mit allem Nötigen zukommen lassen, wobei es recht einfach sein dürfte, schließlich wird sich am Ende des Turniers vorerst sein Lebensmittelpunkt ändern.“
Der Salsavûr erhob seinen Krug. „Aber lasst uns erst einmal darauf anstoßen, dass wir uns so schnell einig geworden sind.“