Zügel des Edoran

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Auge-grau.png Die gerissenen Zügel des Edoran sind Überbleibsel einer der drei Taten des Heiligen Edoran, eines Lokalheiligen der lieblichen Göttin, der vor allem von Weinbauern in und um Endorin verehrt wird. Der Heilige soll ein einfacher Landstreicher und Erntehelfer gewesen sein, dem die Göttin jedoch wohlgesinnt war.


"Höret. Seine erste Tat war es, unseren schönen Ort vor einem schrecklichen Untier zu retten. Dieses Monstrum, halb Wolf, halb edles Ross, war aus dem Wald gekommen, um einen jeden Bauern zu verschlingen. Man wollte ihm die schönsten Söhne und Töchter des Dorfes opfern, um es zu besänftigen. Doch das Untier kannte keine Gnade und verspottete die armen Mannen. Da trat der junge Edoran vor und sprach zur Bestie. Kein Flehen war es und kein Betteln. Er verdammte die Feigheit der Dörfler und forderte die Jünglinge und Jungfrauen zurück. Er hieß das Ungeheuer an, in den Wald zu entschwinden aus dem es gekrochen war. Mutige Worte waren es, doch wieder lachte das Untier nur. Schon war er heran, den Heiligen zu verschlingen, da lobpries er die schöne Göttin mit Worten, wie sie kein Mensch noch Ungeheuer je vernommen hat. Er betete nicht um die Gnade der Göttin, er dankte ihr für all das, was er in unseren schönen Landen hatte erblicken können. Da hatte das scheußliche Ross ein Einsehen. Denn nur hässlich lachen konnte das Monstrum, nicht aber sprechen. So ließ es ab von ihm und Endorin. Dies war der Lohn für seine Worte, doch als Strafe verlangte das Biest die Zunge des Heiligen, um selbst in derlei Weise sprechen zu können.
Als sich ein Amtsmanne aus dem großen Pertakis anschickte die Steuern für seine Herren einzutreiben, herrschte unter den Winzern große Not, denn ihre Ernte war schlecht gewesen. Dieser hatte soeben die Tiere vor den letzten Karren gespannt und war auf sein edles Pferd gestiegen, als jenes scheute. Wütend riss er an den Zügeln, doch das kräftige Leder zersprang mit einem Knall. Die Zügel trafen den zur Hilfe eilenden Edoran an den Augen und ließen ihn erblinden, doch unbewegt und unerschrocken hielt der Heilige stand und besänftigte das Ross. Der Amtsmann war voller Dankbarkeit, fürchtete er doch vom Pferde geworfen zu werden, und sah das ungewöhnliche Verhalten des Tieres als Zeichen der Göttin. Dem mutigen Edoran überließ er den letzten Karren mitsamt Ladung und zog mit dem Rest gen Heimat. Doch nachdem seine Wunden verpflegt worden waren, schenkte der Heilige den Wein den am Ärgsten Notleidenden unter den Winzern. Dies war seine zweite Tat.
War ihm auf derlei Weise das Antlitz dieser Welt verwehrt, so hörte er doch eines Tages die liebliche Stimme einer holden Maid. Niemand mochte dem wegen ihres Müßiggangs gescholtenen Mädchen lauschen und kein Freier fand sich, ihre Schönheit zu erkennen. Doch als der arme Edoran bei ihrem Vater, dem reichsten Winzer des Dorfes, vorstellig wurde, da lachte dieser ihn bloß aus. Ein blinder Tor ohne Hab und Gut warb um seine Tochter? Lächerlich! Doch der Beschämte gab keineswegs auf und trat einen jeden Tag erneut vor die Tür des erbosten Mannes, den Gesang der Tochter lobpreisend und Geschenke mit sich bringend, was er denn so auftreiben konnte. Weder Sturm und Regen, noch die Hunde des Weinbauern vermochten ihn zu hindern. So kam es also, dass der dicke Winzer dem Heiligen einen Vorschlag von niederhöllischer Boshaftigkeit unterbreitete. Eine Kräuterhexe aus dem nahen Wald braute einen scheußlichen Trank, auf dass dem Opfer die Ohren ausbluten sollten. Falls der Blinde dieses Gebräu trinken sollte, so würde er die wahre Schönheit seiner Tochter erkennen und dürfte mit dieser in den Bund treten. Wenn er dies jedoch verweigere, so müsste er das Dorf verlassen und dürfte nie wieder dem Klang der Holden lauschen. Was staunte da der arglistige Winzer, als Edoran zu der lieblichen Rahja betete, ihr dankte und dann den Trank nahm. Unter namenlosen Schmerzen blutete dem Heiligen das Gehör heraus, auf dass er nimmermehr seiner Angebeteten lauschen konnte. Doch als der Frühling das Land erblickte, hatte Edoran das Mädchen geheiratet und pries die Güte der Herrin Rahja, dass diese ihm die Schönste Maid von allen geschenkt hatte. Dies war seine dritte und letzte Tat."

- so gehört von einem stolzen Winzer aus Endorin.


Die drei Taten kosteten den Heiligen Edoran Zunge, Augenlicht und Gehör, doch sein fester Glaube ließ ihn dennoch Gutes tun und niemals wanken. Allerdings kursieren auch vielerlei Abwandlungen (in denen er z.B. zunächst ob seiner jedesmal zunehmenden Unfähigkeit, die Schönheit der Welt und seiner Umgebung zu erkennen, verzweifelt, aber auf den rechten Pfad zurückfindet) und vor allem Ausschmückungen der Geschichte. Wann der Heilige Edoran gelebt haben soll ist unbekannt. Die gerissenen Zügel blieben jedoch als Zeugnis seiner Taten erhalten und werden heute im St. Svelinya-Tempel zu Shenilo als Reliquie verehrt.