Briefspiel:Malbeth und Delhena (1)

Aus Liebliches-Feld.net
Version vom 5. März 2014, 23:57 Uhr von Gonfaloniere (Diskussion | Beiträge) (Die Seite wurde neu angelegt: „{{Halboffiziell}}{{:Briefspiel:Malbeth und Delhena}} ==Malbeths Aufbruch== {{Initial|W}} ollt Ihr es Euch nicht noch einmal überlegen, Herr?“ Mit offenkundiger…“)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Zur Navigation springenZur Suche springen

Auge-grau.png

Horasreich-klein.png Briefspiel Horasreich-klein.png
Datiert auf: Ende 1012 BF Schauplatz: vor allem Ankram und Onjaro Entstehungszeitraum: im letzten Jahrtausend
Protagonisten: siehe Übersichtsseite Autoren/Beteiligte: Christel Scheja, Markus Hattenkofer, Niels Gaul; bearbeitet von Michael Hasenöhrl und (fürs Wiki) Armin Bundt
Zyklus: Übersicht · Malbeths Aufbruch · Von Onjaro nach Ankram · Delhenas Warten · Weitere Gäste ... und ein Tanz · Malbeths Zweifel · Treffen in der Nacht · Die Einladung · Jaarns Antwort · Die Feier zu Ankram · Eine besondere Überraschung · Jaarns Ankunft · Weitere Gäste · Das Fest beginnt · Unterbrochene Zeremonie · Bankett, Tanz und allerlei Reden · Gespräche abseits der Feier · Ein wenig festliches Ende · Die Kreisweihe ... · ... und eine druidische Trauung · Die Geburt der Erben Ankrams und Onjaros

Malbeths Aufbruch

W

ollt Ihr es Euch nicht noch einmal überlegen, Herr?“ Mit offenkundiger Nervosität versuchte Hofsekretär Kuhnrad von Düfflipp den Baron von seinem Vorhaben abzubringen. Dennoch schienen seine Argumente gar nicht wahrgenommen zu werden - was war nur mit Baron Malbeth geschehen?
„Solange Herr von Garland in dieser gefährlichen Mission unterwegs ist, wäre es sicher nicht weise, wenn Ihr auch abreistet. Soll die Baronie völlig ohne Führung verbleiben?“ Die seltsame Stimmung Seiner Hochgeboren dauerte nun schon einige Tage. Völlig entgegen seiner sonstigen Art schien er der Welt der Menschen völlig entrückt, saß oft stundenlang auf dem Balkon und blickte nur, kaum merklich lächelnd, über den Onjet. Auch jetzt schien er sich in einer völlig fremden Welt zu befinden, denn unter normalen Umständen hätte man ihn an eine so lapidare Sache gar nicht erst zu erinnern brauchen, es sei denn, es gäbe da etwas, von dem man eben nichts wußte, das den Einwand entschärft hätte, aber selbst dann hätte man doch zumindest irgendeine Art von Antwort erwarten dürfen.
„Ist mein Pferd gesattelt?“ Malbeth war alles andere als abwesend - im Gegenteil, er hatte das Gefühl, heute alles besonders scharf und detailliert wahrzunehmen. Es war ihm beispielsweise noch nie aufgefallen, was für ein gesegneter, traumhaft schöner Ort es war, an dem einst Burg Onjet gestanden hatte (und im Moment wieder im Begriff war zu erstehen). Der Balkon war noch nicht lange fertiggestellt, und das rohe Mauerwerk trat noch überall offen zutage - aber diese Aussicht! Steil, beinahe lotrecht fiel unter ihm die Klippe ab, beinahe vierzig Schritt weit, und dort unten brauste schäumend der Onjet. Halb links sah man unter sich den schmalen Wasserfall, der die Wasser in solche Aufregung versetzte, und am jenseitigen Ufer ging es dann wieder steil bergan. Tief unten ein grünes Becken, aus dem der Onjet dann leise überlief, um deutlich ruhiger in das sanfte hügelige Land zu entschwinden, das gleich hinter der Stadt Onjaro begann.
Auch am gegenüberliegenden Ufer sah man lieblicheres Hügelland - drüben waren die Klippen götterlob nicht so hoch wie hier, und so bot sich ein herrlicher Blick auf die herbstliche Pracht von Ankram. Oh Ankram! Der Name und der Ausblick waren wie ein leiser Klang, der wundervolle Musik verheißt, wie ein zarter Duft, der dem Geschmack vorauseilt, mit dem der Quell himmlischer Freuden den Sterblichen zu verzaubern und zu erhöhen vermag.
Nun gut, zugegeben, solche Worte und Gefühle sprachen wohl eher schon dafür, daß er nicht in seinem Normalzustand war - andererseits hatte er sich seit Jahren nicht mehr so gut gefühlt, was sollte also das ganze Gerede? Die Geschäfte der Baronie waren aufs Beste geregelt, der Hofsekretär war mit allem vertraut, was anfallen konnte, Ramin von Garland würde sicherlich bald wieder eintreffen, zumal er in der Vergangenheit schon wesentlich gefährlichere Abenteuer bestanden hatte, als irgendwelchen Wegelagerern nachzustellen, und, nicht zu vergessen, würde er selbst ja auch nicht lange ausbleiben, wo lag also das Problem?
Ein Problem gab es in der Tat. Er konnte Delhena unmöglich ohne ein Gastgeschenk entgegentreten, dessen war er sich völlig sicher. Es durfte auf keinen Fall plump oder aufdringlich wirken und auch nicht zu angeberisch, aber auch nicht zu bescheiden oder unscheinbar. Es mußte ein subtiles, geist- und äußerst geschmackvolles kleines Präsent sein, das in der Lage war, einen zarten Hinweis auf seine Hingabe und Bewunderung zu geben. Man wird zugeben, daß auch große Männer schon angesichts geringerer Schwierigkeiten gescheitert sind und zur Kapitulation gezwungen waren.
„Euer Hochgeboren, der Rappe steht bereit.“
„Sehr gut. Nun, was macht Ihr denn immer noch für ein Gesicht, mein Guter? Herr von Garland wird sicher bald da sein, und ich selbst gedenke in spätestens fünf Tagen wiederzukehren. So lange werdet Ihr es doch wohl notfalls auch mal ohne mich schaffen.“
„Ja, ich denke schon, ich dachte nur ...“
„Genug! Ich bin in Eile. Habt Ihr Akram noch erreicht?“
„Ja, Euer Hochgeboren, er sagte, er würde am Ziehweg auf Euch warten.“
„Vorbildlich, Düfflipp. Gehabt Euch wohl, und achtet mir darauf, daß hier wie geplant weitergebaut wird, wer weiß, wie lange uns das schöne Wetter noch erhalten bleibt!“
„Das werde ich. Möge Euch Praios schützen.“
Es war nicht leicht, sich hier ein Bemerkung der Art „Hilf dir selbst, dann hilft dir Phex“ zu verkneifen, aber wozu den verwirrten Düfflipp noch weiter schockieren? Es galt außerdem, sich um Wichtigeres zu kümmern.

A

kram saß weiter unten, bei der letzten Kehre des Ziehweges, der von der Burg hinunterführte, auf seinem Apfelschimmel und zurrte an den Gurten seiner Satteltaschen herum.
„Guten Morgen, alter Freund! Was soll denn diese Ungeduld?“
„Ich fühle eine gewisse Unrast. Es ist etwas, das ihr Menschen wohl nicht nachvollziehen könnt. Siehst du, wie sich dort drüben die Vögel sammeln? Sie fühlen es auch. Es wird früh Schnee geben, dieses Jahr, vor allem weiter im Norden, und ich will noch vor dem Erleuchtungsfest mit Mandra und Adan zusammentreffen, damit wir bald ins Winterquartier ziehen können.“
„Ihr könntet hier bleiben und uns über die langen Winterabende Gesellschaft leisten. Ramin ist ein guter Inrah-Spieler, aber Eure fröhlichen Lieder und die zauberhafte Mandra mit ihren Geschichten und Märchen fehlen mir doch sehr.“
„Malbeth, du weißt, daß ich gerne hier bin, und sicher werde ich auch im Frühjahr wieder vorbeikommen, und wenn ich kann, bringe ich die anderen beiden mit, aber über den Winter in deiner engen Stadtwohnung, das wäre mir unerträglich. Adan und ich sind nun ein Jahr nicht mehr zuhause gewesen, und wir wollen beide unsere Brüder und Schwestern wiedersehen. Außerdem scheint mir, daß du möglicherweise ohnehin bald noch jemand anderen zur Gesellschaft haben wirst, jemand, mit dem dir der Winter so kurz wie noch nie werden wird.“
„Woher weißt du das?“
„Ich kenne dich nun sehr lange, Malbeth, so gut, wie ich einen Menschen nur kennen kann, und oft genug weiß ich, was du denkst und was dich beschäftigt. Und ich muß sagen, daß ich dich lange nicht mehr so erlebt habe. Das letzte und bisher auch einzige Mal war damals die Sache mit der kleinen Nika. In Grangor, erinnerst du dich?“
„Natürlich, wie lange ist das jetzt her? Acht Jahre?“
„Du warst sehr verbittert damals, und ich weiß noch, wie ich dachte: ‘Die Zeit wird das heilen.’ Aber an dir hat sich Satinav die Hörner abgestoßen, seither habe ich dich nie wieder richtig gelöst erlebt, außer jetzt, während der letzten Woche, die ich hier war. Ich muß zugeben, daß ich enttäuscht bin, daß du mir nichts gesagt hast, oder sie mir vorgestellt hast.“
„Es wäre viel zu voreilig gewesen. Ich habe sie erst einmal gesehen und nur wenige Briefe mit ihr gewechselt, aber mein Herz ist entflammt wie noch nie. Ich reite heute zu ihr.“
„Na wunderbar! Wer ist sie?“
„Sie ist die Baronin der Nachbarbaronie. Ihr Name ist Delhena Naila, eine Tulamidin und schön wie der Nachthimmel über der Khôm.“
„Es tut gut, dich so zu sehen, und ich werde auch umso froher abreisen, wenn ich weiß, daß du den Winter nicht allein mit diesem Eisblock Ramin verbringen mußt. Er mag einen brillanten Herrn der Djinns beim Inrah abgeben, und ich habe ihn auch mit seinem eleganten Zweihänder gesehen und weiß, daß ihr weder Wolf noch Schwarzpelz fürchten müßt, aber sein Herz ist so hart wie das seines strafenden Göttergottes. Ich denke, du weißt nun eine bessere Beschäftigung, als dir seine selbstgedichteten Praios-Psalmen anzuhören, bei denen selbst Thagil das Weite gesucht hat.“
„Hoffentlich hast du recht. Laß uns reiten, bis Onjaro haben wir ja den Weg gemeinsam.“

B

is zur Stadt von Onjaro war es von hier noch etwa fünf Meilen, von dort würde sich Akram nach Norden wenden, der Straße nach Vinsalt folgend und weiter ins Neue Reich und nach Warunk zu seinen alten Gefährten. Und von dort war es auch noch ein weiter Weg in die Salamandersteine, seine Heimat, wo er den Winter verbringen würde. Malbeth würde am Onjet entlang weiterreiten nach Parsek, und weiter auf dem schmalen Treidelpfad am König-Therengar-Kanal entlang zum Sikram, wo die Straße, die von Belhanka kommend durch Ankram nach Silas führt, den Kanal überquert. Dort an der Grenze zwischen Onjaro und Ankram war auch die einzige Brücke über den Kanal, der die beiden Baronien trennte.
„Akram, könntest du mir noch einen Rat geben? Ich suche schon seit Wochen nach einem passenden Geschenk für sie. Etwas dezentes, einfühlsames, etwas ...“
„Ich weiß, was du meinst.“
„Weißt du dann auch, was ich ihr schenken könnte?“
Ein seltsames Lächeln umspielte die Züge des Elfen.
„Erinnerst du dich an die alten Zeiten, als wir alle noch unterwegs waren, überall in Aventurien? An unsere Reisen durch die Steineichenwälder von Andergast, die Marschen von Albernia und unser Lager unter den gewaltigen Bäumen des Bornwaldes und die wilden Sturzbachtäler der Walberge?“
„Ja, natürlich erinnere ich mich - es muß gestern gewesen sein. Die wilde Schönheit des Nordens, sie hat mich stets in ihren Bann geschlagen.“
„Du hast thorwalsches Blut in deinen Adern, wie so viele der stolzen Albernier. Mandra hat uns ihre Geschichten erzählt, und Adan sponn seine eleganten, vielfach verschlungenen Melodien, aber nur deine Lieder vermochten den Norden wirklich einzufangen. Die einfache, traurige Melodie, und dazu die strengen Verse, die geradlinige Unmittelbarkeit der Geschichten - du hattest eine beachtliche Gabe.“
„Lien hat mir das meiste beigebracht, und Skurl Hafgarsson, ein Skalde, den ich einmal in Punin traf. Wir hatten eine lange Reise gemeinsam.“
„Die thorwalschen Lieder waren stets ein Stück ehrlicher und unmittelbarer, als man es von jeglicher anderen Musik und Poesie sagen kann. Zeig deine Kunst, und ihr südliches Feuer wird ehrfurchtsvoll erschaudern vor der einschüchternden, kühlen Größe des Nordens! Nun lebe wohl, Bruder. Wenn ich im Frühjahr wiederkomme, will ich sie kennenlernen. Viel Glück!“
„Leb wohl, und grüß mir die anderen. Sag ihnen, ich erwarte sie sehnlichst hier in Onjaro.“
„Ich werde es bestellen.“
„Ich mußte viel an Mesat denken, in letzter Zeit. Würdest du ihm eine Blume aufs Grab legen, wenn du in Warunk ist?“
„Natürlich werde ich das. Jedesmal, wenn ich die schwarze Robe der Diener des Raben sehe, durchströmt mich die Wehmut, und ich summe sein kleines ‘Sanftmut, Ruhe, Stärke sind Vater Borons Werke’.“
„Viel Glück!“
„Wir sehen uns im Frühjahr!“
Sie schlossen einander in die Arme. In diesen harten, gefahrvollen Zeiten konnte jeder Abschied ein Abschied für immer sein. Die Reise durch halb Aventurien war voller Gefahren, wer weiß, ob Akram im Frühjahr zurückkehren würde?